Protokoll der Sitzung vom 25.01.2023

Um es also klar zu sagen, Habecks Ministerium und auch der Minister selbst tragen eine Verantwortung für die Aktionen der „Letzten Generation“, die sie mittelbar finanziell unterstützen,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thore Stein, AfD)

so, wie die Justiz die Verantwortung trägt, wenn sie ihrer Pflicht zur Strafverfolgung nicht in vollem Maße nachkommt. Juristische Rückendeckung erhalten die Straftäter dabei von einem Kartell strafunwilliger Richter. So erhielt eine 20-jährige Berlinerin für das 90-minütige Blockieren einer Straße keine Geldstrafe, sondern drei Seminare, in welchen sie lernen soll, wie ziviler Ungehorsam straffrei möglich sei.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Und gern wird dabei auch zur Täter-Opfer-Umkehr gegriffen. Ich zitiere aus der Urteilsbegründung. Zitatbeginn: „Diese“, gemeint sind die Autofahrer, seien „maßgeblich an dem Verbrauch von Öl beteiligt und damit Teil der Klimaproblematik“, Zitatende. Da Fahrzeugführer auch vom Klimawandel betroffen seien, würden die Blockierer für diese mit demonstrieren.

Wer solche Urteile spricht, schützt nicht nur unseren Rechtsstaat nicht, sondern ermutigt diese Organisation zu immer neuen und immer radikaleren Taten, Straftaten. Es bleibt nicht mehr bei der von Ihnen seinerzeit verharmlosten Beschmutzung und Zerstörung von Kunstwerken respektive Kulturgut oder der Besetzung von Hörsälen. Selbst bei der Blockade von Straßen des Flughafens Berlin-Brandenburg oder beim Durchstechen von Autoreifen blieb es nicht. Inzwischen ist selbst der Einsatz von Molotowcocktails gegen Ordnungskräfte ein Mittel der Wahl, wenn es um sogenannten Klimaschutz geht. Mit dem Klimaterror am Kohledorf Lützerath wurde nun eine neue Dimension der Gewalt erreicht. Steine und brennendes Benzin auf Polizisten zu schleudern, ist potenziell tödlich. Das ist kein Aktivismus mehr,

(Stephan J. Reuken, AfD: Sehr richtig!)

das ist Terror,

(Stephan J. Reuken, AfD: Sehr richtig!)

politischer Terror gegen Einsatzkräfte, gegen den Staat.

Und jetzt berichtet die „Berliner Zeitung“ am 23.11.2023, also ganz aktuell, dass die „Letzte Generation“ angekündigt hat, die sogenannten Aktionen ab 6. Februar 2023 bundesweit massiv auszubauen und zum Dauerzustand zu machen. Also wer hierzu schweigt und diesen Terror nicht unmissverständlich verurteilt, und zwar aufs Schärfste, sondern relativiert, verharmlost oder sogar gutheißt, macht sich mitschuldig.

Wichtig ist in diesem Kontext zudem, allein im Zeitraum 21. Juni bis 26. Oktober 2022 konnten 17 Rettungswagen in Berlin durch Straßenblockaden nicht oder nicht recht

zeitig zum Einsatzort gelangen. In einigen Fällen sei es dabei um die Wiederbelebung von Patienten gegangen. Diese interne Information wurde erst durch eine parlamentarische Anfrage der Berliner FDP vom 11. November 2022 offenkundig. Das muss man sich vorstellen!

Und wie positionieren Sie sich, wenn beispielsweise der selbsternannte Klimaaktivist Tadzio Müller im „Tagesspiegel“ vermeldet, Zitat: „… warum muss denn der Protest der ‚Letzten Generation‘ ein Nullrisiko“ für Menschenleben „haben …?“ Die Gesellschaft muss damit umgehen, falls es „im Rahmen der … Proteste“ zu tragischen Unfällen kommt. Einfach so, also die Tötung von Menschen zur Normalität erklären, das ist das Konzept der „Letzten Generation“. Unbegreiflich, wie man sich vor derartige Protagonisten stellen kann und wie ein Verfassungsschutzchef Werbung für diese Kriminellen machen kann, die den Tod einer Frau zusätzlich mit „shit happens“ kommentieren, einer Frau, die mit einem Betonmischer nochmals überrollt werden musste, weil durch die Blockade das Rettungsfahrzeug nicht rechtzeitig durchkam. Das ist nicht nur unerträglich, es entlarvt gleichermaßen das wahre Gesicht der sogenannten Aktivisten wie auch das ihrer Befürworter und Relativierer.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Das ist menschenverachtend.)

Aber die Aktionen der sogenannten Klimaaktivisten richten sich auch gegen die Kunst, gegen unsere Geschichte, unsere Identität, gegen unsere Kultur. Es steht kritisch um unsere Kultur, wenn totalitäre Ideologien wie die Klimaideologie zu Rechtfertigungssalven herangezogen werden. Man nennt es Dekadenz. Die Relativierung von Straftaten im Namen der Klimarettung muss ebenso ein Ende finden wie die juristische Verharmlosung. Ebenso müssen die Geldflüsse für diese sogenannten Aktionen nahtlos aufgedeckt werden und gestoppt,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn wer unter dem Deckmantel des Umweltschutzes Straftaten begeht, ist kein Aktivist, sondern ein Krimineller.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Genau.)

Wir von der AfD beziehen hier eindeutig Stellung, und das erwarten wir auch von Ihnen. Wir fordern vom Parlament eine klare Positionierung und eine eindeutige Verurteilung dieser kriminellen Aktionen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat für die Landesregierung der Innenminister Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reaktion fällt mir nicht ganz einfach, weil ich das Thema schon bei der Anmeldung nicht ganz leicht zu fassen fand und es jetzt noch schwerer finde.

Wenn Sie hier, was für die AfD untypisch wäre, angetreten wären zu sagen, ich akzeptiere und ich nehme zur Kenntnis, dass wir einen erheblichen menschengemachten Anteil am Klimawandel haben,

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Wozu?)

und ich nehme sehr zur Kenntnis …

Weil es einfach wissenschaftliche Grundlagen dafür gibt, deshalb.

(Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

… und ich halte aber gewisse Arten, dieses politische Thema zu verfolgen, für falsch – ganz am Ende hatten Sie so einen Satz drin –, dann würde ich es unterschreiben. Es gibt nach meiner Überzeugung keine politische Überzeugung, die es rechtfertigt, Straftaten zu begehen. Punkt!

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Ja, haben wir doch nichts anderes gesagt.)

Aber die Wortakrobatik zwischen totaler, totalitärer Ideologie, der Klimaideologie, über Klimaterroristen, über die Umgebung terrorisieren und dann noch einen Spannungsbogen nach Lützerath zu schlagen, ist schon eine Bandbreite, die deutlich macht, dass es Ihnen nicht um den einfachen Satz geht, keine politische Haltung, auch keine religiöse und viele andere nicht, rechtfertigen, Straftaten zu begehen. Es geht Ihnen nicht um diese relativ banale und, ich hoffe, dann auch unstreitige, in diesem Hohen Hause unstreitige Überzeugung, sondern es geht um die große Melange aus dem Thema Klimaschutz. Dem Thema widmen sich ganz viele Menschen, zum Glück ohne Radikalität, ohne Gewaltstraftaten, ohne sich in einer Weise hineinzusteigern und -zubegeben, dass sie in Straftaten hineinfallen. Es geht Ihnen darum, genau dieses große Thema mit einem Terrorismusbegriff, mit einem Begriff von Strafrecht und sozusagen einer Radikalisierung am Extremismusbegriff zusammenzubringen.

Und deshalb würde ich mich bemühen, zurückzukehren zu dem, was ich in der Vorbereitung zumindest versucht habe, ein Stück weit vorherzuahnen, nämlich der Frage, wie viel Extremismus – und dann meinen wir jetzt einen politischen, einen religiösen, einen die staatliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Extremismus –, wie viel steckt da eigentlich drin.

Da haben Sie sich im Übrigen zu der Aussage versteift, die ich ausdrücklich zurückweise, die falsch ist, die Sie hinterher im Übrigen auch selbst relativiert haben – ganz spannend, wie man innerhalb von zehn Minuten so gegensätzliche Aussagen tätigen kann –, Sie haben gesagt, wir hätten als Innenministerium, als Landesregierung bestätigt, dass die Klimaschutzbewegung unterwandert würde und unterwandert sei von Linksextremisten. Sie haben dankenswerterweise dann später etwas detaillierter zitiert aus der Kleinen Anfrage und haben gesagt, ja, es gibt vereinzelte Aktivitäten der eher dann radikaler vorgehenden Klimabewegten, von denen wir sehen, dass linksextremistische Organisationen sich bemüht haben, dort ebenfalls hineinzugehen, und wir daraus schließen, dass vereinzelt die linksextremistische Szene sich bemüht hat, in diese anderen Themenbereiche hinein vorzudringen, aber eben nicht eine Bestätigung, dass das bereits geschehen sei, sondern wir haben einige wenige Einzelfälle angemerkt, die wir kennen.

(Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

Wenn ich auf die Feststellungen, im Übrigen bundesweit, der Verfassungsschutzbehörden schaue, dann gehen die Kolleginnen und Kollegen unisono davon aus, dass weder bezogen auf „Fridays for Future“, um die es einen Tick ruhiger geworden ist nach meiner Wahrnehmung, aber auch nicht bezogen auf die „Letzte Generation“ zurzeit hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung, Extremismus im Sinne von „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet“, vorliegen.

Sie haben dann, ich glaube, in dem Fall meinten Sie den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes,

(Dr. Eva Maria Schneider-Gärtner, AfD: Ja.)

kritisiert, der sich da irgendwie gemeingemacht habe. Das sehe ich nicht, sondern er hat genau die Auffassung von 16 Landesverfassungsschutzbehörden und des Bundesverfassungsschutzes wiedergegeben, wie ich sie eben genannt habe, und hat das in einer Podiumsdiskussion etwas zugespitzt formuliert. Er hat gesagt, es gibt derzeit – und das ist immer ein Prozess, der sich ändern kann, wie bei jeder anderen Bewegung auch –, dass er derzeit eben keine extremistischen Bestrebungen festmachen kann, aber selbstverständlich Straftaten in Größenordnungen vorliegen. Aber noch einmal, nicht jede organisierte Einheit, die Straftaten begeht, ist schon eine extremistische Bestrebung in dem Sinne, wie wir es in den Verfassungsschutzgesetzen der Beobachtung unterwerfen.

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Gute Erkenntnis.)

Das sind zwei Paar Schuhe.

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Ja.)

Der eigentlich verfolgte Zweck, so zumindest verstehe ich bislang das, was auch diese radikaleren Organisationen wie die „Letzte Generation“ vortragen, nämlich die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen, politisch zu kämpfen für einen engagierten Klimawandel der jeweiligen Politikebenen, ist an sich zumindest kein die freiheitlichdemokratische Grundordnung bekämpfender Zweck. Das zeigt sich nach meiner Überzeugung sehr deutlich daran, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Ziel sogar zu einem in einem Verfassungsgerichtsurteil im letzten oder vorletzten Jahr erhoben hat, was ganz ausdrücklich sogar eine staatliche Ordnung in den Blick zu nehmen habe, was besondere, weil es hohe Gefahren für die zukünftigen Generationen bedeutet, was eine besondere Aufmerksamkeit der Bundes- und der Landespolitiken zu verdienen hat. Da gab es also eine entsprechende Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. Also dieses politische Ziel ist erkennbar, kein extremistisches.

Jetzt zurückgesprungen: Ja, Sie haben aber recht, wir erleben, dass zumindest kleinere Gruppen, in diesem Falle offenbar unter der Überschrift der „Letzten Generation“, sich in den vergangenen Monaten auch in MecklenburgVorpommern in strafrechtlicher Weise betätigt haben. Und Sie haben angesprochen die Vorgehensweisen entlang der Ölpipeline. Das sind Aktivitäten, die zum Teil bei uns stattgefunden haben, zum Teil auch in Brandenburg. Ich glaube, Brandenburg hatte mehr Aktivitäten, kann ich aber jetzt auf die Stückzahlen nicht beschreiben. Und in den Fällen sind jeweils, was zutreffend ist, strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Daraus

allerdings zu schließen, dass die gesamte Klimaschutzbewegung dieses Bundeslandes sich in eine extremistische Bestrebung hineinbegeben habe, ist schon deshalb falsch, weil das alleine schon nicht zum Extremismus führt, aber schon gar nicht alle Beteiligten umfasst. Wir müssen, glaube ich, aufpassen, dass nicht der Versuch unternommen wird, ganz viele in einen Topf zu werfen und einige ganz wenige, die dafür Straftaten begehen, mit den anderen gemein zu erklären.

In dem Kontext gerne auch der Hinweis, dass von denen, die wir festgestellt haben, keine und kein Tatverdächtiger aus Mecklenburg-Vorpommern stammt, sondern wir haben bei den Feststellungen einen deutlichen Reisetourismus aus verschiedensten anderen Bundesländern – im Übrigen, die Brandenburger Kolleginnen und Kollegen haben das Gleiche festgestellt – feststellen können. Die Aktivitäten an der Pipeline sind durchgängig nicht von Bewohnerinnen und Bewohnern unseres Bundeslandes verübt worden.

Damit kann ich nicht beurteilen, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt so wären, aber wenn man dann daraus schlussfolgern will, dass diese Straftaten irgendeine Wirkung für die Klimaschutzbewegung in MecklenburgVorpommern hätten, wäre das ein Trugschluss, weil die dort aktivistisch Tätigen auf jeden Fall nicht aus diesem Bundesland stammen – vielleicht auch das zur Versachlichung der Diskussion beigetragen.

Um es in eine Reihenfolge zu bringen:

Erstens. Bislang gibt es keine verfassungsschutzseitigen Feststellungen, dass wir bereits eine extremistische Bestrebung in diesem Bereich haben, Komma, gleichwohl gibt es eine Vielzahl von strafrechtlichen Ermittlungen, zum Teil in Brandenburg und Sachsen, im Übrigen auch im Kontext der Vorwürfe einer kriminellen Vereinigung, geht also deutlich in ein Organisationsdelikt hinein, wie die Juristinnen und Juristen das nennen, also deutlich über Einzelstraftaten hinaus, aber führt noch nicht zu einer extremistischen Bestrebung. Und auch vom Terrorismusbegriff, zumindest im juristischen Sinne, sind wir ein Stück entfernt. Ich nehme an, dass Sie es ein Stück weit als politische Zuspitzung meinten. Juristisch zumindest gibt es derzeit nach meinem Kenntnisstand keine solchen strafrechtlichen Ermittlungen.

Zweitens. Gleichwohl heiligt eben der Zweck nicht die Mittel. Das habe ich zu Beginn schon gesagt, damit schließe ich auch gerne. Ein politisches Ziel zu verfolgen, was die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerade möchte, dass Menschen sich einsetzen, sich engagieren, rechtfertigt keine einzige Straftat. Und es rechtfertigt nach meiner Überzeugung im Übrigen auch keine Ordnungswidrigkeiten. Das kann ich alles in den rechtlich zulässigen Maßstäben tun, und das ist die Erwartungshaltung, die wiederum, so hoffe ich, alle, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen wollen, die Demokratie verteidigen wollen, wiederum von allen, die sich aktiv zeigen, fordern. Aber wir bleiben bei einer sehr kleinen Gruppe und hier werden lediglich strafrechtliche Vorwürfe gemacht, keine, bislang keine extremistischen Bestrebungsvorwürfe. Das wäre mir als Vertreter des Innenministeriums wichtig.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich wünsche viel Erfolg bei einer Debatte, die sehr vielfältig werden dürfte.