Protokoll der Sitzung vom 25.01.2023

Einen Moment! Einen Moment, Herr Noetzel!

Ich möchte an dieser Stelle noch mal darauf hinweisen, wenn die Glocke läutet, dann sind die Gespräche erst mal einzustellen, weil das Ganze zu sehr eskaliert ist. Ich bitte, jetzt wirklich darauf zu achten. Ich möchte jedem Redner hier die gleiche Möglichkeit geben, seine Rede vorzutragen, und sie dann auch von den anderen verstanden wissen.

So, bitte, Sie können fortsetzen, Herr Noetzel!

Danke schön, Frau Präsidentin!

Gesetze, die eigens zur Verhinderung schwerster Straftaten wie Terrorakte durch Parlamente bewilligt wurden, sollen nun verhindern, dass sich Menschen auf die Straße kleben.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Ja, weil sie andere Menschen gefährden, genau.)

Dabei sollten wir nicht vergessen, dass ziviler Ungehorsam – und hier meine ich explizit keine Straftaten – immer Bestandteil einer gesunden und lernfähigen Demokratie war und ist.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zurufe von Ann Christin von Allwörden, CDU, und Sebastian Ehlers, CDU)

Anstatt diese Debatte hier zu führen, wäre es wohl deutlich zielführender, Kllimaextreme zu verurteilen und effektive Maßnahmen einzuleiten, damit diese sich nicht weiter dramatisieren,

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn genauso wenig wie der Klimawandel selbst lässt sich wohl auch der Protest gegen die angenommene Untätigkeit gegen diesen nicht mit Repressionen aufhalten. Möglicherweise werden sich bald Gerichte mit der Frage beschäftigen, ob es sich bei einer lokalen Gruppe der „Letzten Generation“ um eine kriminelle Vereinigung handelt, nachdem die Staatsanwaltschaft Neuruppin Ermittlungen in diese Richtung angeschoben hat. Wir haben es ja schon gehört, der Minister hat darauf hingewiesen. Aber aus der Vergangenheit wissen wir auch, dass der Paragraf 129 in den allerwenigsten Fällen auch tatsächlich zu Verurteilungen geführt hat. Eine juristisch höchst spannende Frage, die wir aber nicht mit immer neuen rückwärtsgewandten Debattenentgleisungen oder dem ständigen Fordern nach immer härteren Strafen beantworten.

Ohnehin bleiben wohl Dialog und die ehrliche Bereitschaft, an dem eigentlichen Problem, dem Anlass der Proteste, etwas ändern zu wollen, das erfolgversprechendere Rezept im Umgang mit den Klimaaktivistinnen und -aktivisten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Damm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen!

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Bingo!)

Das enorme Wachstum der globalen Wirtschaft auf Grundlage fossiler Energiequellen hat zu einer nachweislichen Erhitzung unseres Planeten geführt. Die Folgen sind weltweit extrem: Dürren, Waldbrände, Extremniederschläge, Hungersnöte, Krankheiten. Die Liste ist erschreckend und ellenlang.

Selbstverständlich verurteile ich, verurteilt meine Fraktion, verurteilt meine Partei Klimaextremismus auf das Schärfste.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verurteile den Klimaextremismus, mit dem seit Jahrzehnten die planetaren Grenzen im politischen Handeln konsequent ignoriert werden. Eine angemessene Reaktion auf dieses weitgehend andauernde Vergehen an der Menschheit wären schärfere Gesetze und die konse

quente Sanktionierung von Verstößen gegen die internationalen, nationalen und sonstigen Abkommen, Gesetze und Regelungen zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlage.

Ich verurteile Klimaextremismus, der wissenschaftlichen Konsens für die eigene populistische Ideologie und auf Kosten der Zukunft unserer Gesundheit und künftiger Generationen über den Haufen wirft. Seit mehr als 50 Jahren appelliert die Klimaforschung an uns mit den Worten: Ihr müsst handeln! Inzwischen hat sich der Appell verändert: Ihr müsst handeln – jetzt, drastisch und nachhaltig! Bei den aktuellen Emissionen bleiben uns in MecklenburgVorpommern nur noch weniger als vier Jahre, bevor unser Anteil am globalen CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel aufgebraucht ist. Bereits heute ist die Temperatur um 1,1 Grad angestiegen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde diese Folgen schon heute extrem. Eine Welt bei 2 oder gar 3 Grad mehr möchte ich mir gar nicht ausmalen.

Ich verurteile Klimaextremismus, der Katastrophen wie im Ahrtal, die durch die menschengemachte Erhitzung um ein Vielfaches zugenommen haben und noch viel weiter zunehmen werden,

(Thore Stein, AfD: Da hat es geregnet.)

als „Wetterphänomene“ verharmlost.

Ich verurteile Klimaextremismus, der weiterhin suggeriert, dass wir von der Klimakrise in unserem Alltag nichts merken werden und wir unser Leben unverändert wie zuvor weiterführen können, denn das ist nichts anderes als eine offene und lebensgefährdende, nein, sogar mörderische Lüge.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verurteile den Klimaextremismus, der dazu führt, dass ganze Stadtteile unserer Küstenstädte wie zum Beispiel in Rostock, Greifswald, Wismar oder Barth dauerhaft unter Wasser stehen werden, und das noch im Leben meiner eigenen Kinder.

Ich verurteile auch Klimaextremismus, der gesetzliche Anforderungen aus dem geltenden Bundesklimaschutzgesetz missachtet. Mit welchem Wort anstelle von „extrem“ soll man ein Sofortprogramm zur Emissionsminderung im Verkehrssektor bezeichnen, das laut Expertenrat für Klimafragen eine erhebliche Überschreitung der Jahresemissionen nicht verhindern kann und auch nicht den Anspruch habe, dies zu tun, und das, obwohl es beispielsweise mit dem Tempolimit einfache, sofort umsetzbare Maßnahmen gäbe, die ohne jeglichen Kostenaufwand zu einer relevanten Emissionsreduktion führen würden,

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

für die man aber offensichtlich zu feige oder zu bequem ist?

Und ganz besonders verurteile ich den Klimaextremismus, der das Märchen erzählt, Klimaschutz würde Arbeitsplätze und den Wohlstand der Mittelschicht gefährden, der aber gleichzeitig mit superreichen Oligarchen und Lobbyist/-innen paktiert und Vermögen noch ungerechter verteilt.

Und ganz im Sinne des von Ihnen aus der AfD aufgesetzten Themas möchte ich den Klimaextremismus ausdrücklich verurteilen, dem Sie hier in beinahe jeder Sitzung mit Ihren Anträgen frönen. Sie fordern neue Subventionen für fossile Energieträger, wollen, dass Kohlekraftwerke als Brückentechnologie länger weiterlaufen,

(Enrico Schult, AfD: Furchtbar, was wir hier fordern!)

versuchen, die Energiewende und den Ausbau der Erneuerbaren weiter zu torpedieren, oder beantragen eine Abschaffung der CO2-Abgabe. Ihre Partei ist es, die eine extremistische Politik gegen Klima- und Energiewende zu ihrem Geschäftsmodell auserkoren hat. In einer völlig irrationalen, extremen Weise lehnen Sie entgegen aller seriösen wissenschaftlichen Erkenntnisse ab, dass es überhaupt eine menschengemachte weltweite Klimakrise gibt.

Uns ist deshalb wichtig, hier und heute darauf hinzuweisen, wie extremistisch die AfD gegen den bitternötigen Klimaschutz agiert. Mit der Verfälschung von Fakten, mit Lügen und Desinformation versucht sie in einer Tour, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Die menschengemachte Klimakrise ist aus Sicht der AfD eine Erfindung.

Parteifunktionäre der AfD sind aufs Engste personell verwoben mit dem sogenannten Europäischen Institut für Klima und Energie, kurz EIKE, einer Lobbyorganisation zur Leugnung des menschengemachten Klimawandels. Erst im Februar letzten Jahres wurde diese Organisation vom Finanzamt Jena wegen fehlender Wissenschaftlichkeit die Gemeinnützigkeit aberkannt. Der Vizepräsident von EIKE, Michael Limburg, ist Mitglied im sogenannten Bundesfachausschuss Energie der AfD und konnte seine unwissenschaftlichen Thesen zum Thema Klimawandel direkt ins Grundsatzprogramm der Partei einfließen lassen. Und der Pressesprecher von EIKE, Professor Lüdecke, durfte auf Wunsch der AfD-Bundestagsfraktion als angeblich unabhängiger Sachverständiger seine kruden Thesen im Umweltausschuss des Bundestags vortragen. Die Liste an Äußerungen, mit denen AfD-Funktionäre den menschengemachten Klimawandel leugnen, ist unendlich lang.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Und mit jeder einzelnen dieser Äußerungen wird das Leid von Menschen, die weltweit massiv von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, mit Füßen getreten. Der damit verbundene Zynismus ist für uns unerträglich.

So tönte der Polizeibeamte Karsten Hilse, Bundestagsabgeordneter der AfD, in einer Debatte im Bundestag 2018, ich zitiere:

(Enrico Schult, AfD: 2018 schon!)

„Die AfD sagt hier und heute der Irrlehre des von Menschen gemachten Klimawandels den Kampf an. Wir wollen den Ausstieg aus allen diesbezüglichen nationalen und internationalen Verträgen und Gremien.“

Der AfD-Landtagsabgeordnete im Hessischen Landtag Klaus Gagel wedelte 2021 während einer Rede im Landtag mit einer ausgedruckten Temperaturkurve herum. Diese war bewusst von ihm verfälscht und wissenschaftsmissbräuchlich eingekürzt worden, um ihre wahre

Aussage, nämlich die weltweite Erhitzung, zu verschleiern. Die grüne Umweltministerin Priska Hinz konnte das in ihrer anschließenden Rede klarstellen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Der relevante Temperaturbereich, nämlich all die Jahre und Jahrzehnte und Jahrhunderte und Jahrtausende vorher, waren schlicht weggelassen worden. Ich bin froh, dass die oft weniger laute Mehrheit der Bevölkerung, die lauteren, zivilgesellschaftlich engagierten, die Wissenschaftscommunity und zuletzt besser informierten demokratischen Politiker/-innen

(Enrico Schult, AfD: Dann sprechen Sie mit den Leuten da draußen!)

die AfD immer wieder als Extremisten entlarven

(Enrico Schult, AfD: Da wird man Ihnen sagen, was man davon hält, von den Klimaheinis.)

und in ihre Schranken weisen.