Protokoll der Sitzung vom 25.01.2023

Vielen Dank, Herr Butzki!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Wegner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Oldenburg, wenn ich Ihnen zugehört habe eben, habe ich gedacht, wir müssten eigentlich ein Paradies an unseren Schulen bei uns im Land haben. Ich verstehe nur nicht so ganz genau, warum wir dieses Paradies, dieses Gefühl nicht bei Eltern, Lehrern und Schüler/-innen im Land zurückgespiegelt bekommen, die das völlig anders sehen. Ich glaube tatsächlich, Sie haben auch ein wichtiges Problem – und das ergibt sich ja auch aus der Begründung von Herrn Renz von der CDU –, ein wichtiges Problem angesprochen: Wir haben viel zu wenig Lehrer. Ja, das wissen wir alle. Das ist auch nicht nur ein Problem hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, sondern das trifft uns bundesweit. Und wir haben – auch das hat Herr Renz sehr deutlich gemacht –, wir haben hier in Mecklenburg-Vorpommern die höchste Stundenverpflichtung überhaupt. Auch das ist ein Grund dafür, dass bei uns eben viele Lehrerinnen und Lehrer im Burn-out sind oder einfach auch versuchen, in Teilzeit ihre eigene Gesundheit zu retten.

(Torsten Renz, CDU: So ist es.)

Das sind Probleme, die wir haben.

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

Und allein deshalb finde ich den Ansatz, den der Antrag der CDU aufnimmt, einen richtigen.

Diese Stunde Arbeitszeitreduzierung, die hier beantragt wird, bedeutet ja nicht, dass sie sofort in neue Lehrer/-innenstellen umgesetzt werden muss,

(Torsten Renz, CDU: Endlich mal jemand, der den Antrag verstanden hat! – Marc Reinhardt, CDU: Und auch gelesen hat.)

sondern sie fließt auf ein Arbeitszeitkonto

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

und ist insofern, und das ist natürlich nicht schön, sondern sie ist insofern ein Scheck auf die Zukunft. Also es ist keine echte Reduzierung, aber es ist ein Prinzip Hoffnung. Es ist ein erster Schritt auf einem langen Weg, nicht nur angesichts des demografischen Wandels, der in den nächsten Jahren unmittelbar zutage treten wird.

Wir haben heute schon eine Bildungsdebatte gehabt, und ich habe unsere Vision von einer guten Schule skizziert. Eine Schule, in der Kinder selbstwirksam gestalten und entdecken können, in der eine ganze Schulfamilie agiert, nützt aber nicht nur den Kindern, sondern auch den Lehrkräften.

In der Presse wird die Schule auch durch Aussagen aus Reihen dieses Parlamentes oft auf die Rolle eines einseitigen Bildungsbegriffes reduziert. Erziehung geschehe im Elternhaus, ebenso der Umgang mit Konflikten. Fertig, nicht unsere Verantwortung. Auch das zeigt doch, dass wir gar nicht mehr die Realität in den Elternhäusern sehen, wo genau das ja nicht passiert. Deshalb müssen wir familienergänzend und manchmal sogar -ersetzend in den Schulen tätig werden, nicht nur mit Lehrkräften, sondern auch mit dem, was ich als Schulfamilie bezeige.

Es kann nicht unsere Antwort sein, die Lehrerinnen und Lehrer sind auch durch den bereits jetzt herrschenden Fachkräftemangel ausgebrannt. Aber nicht nur, die Gewalt an Schulen nimmt zu, offiziell weisen immer mehr Schülerinnen und Schüler Lernschwierigkeiten auf, und das Projekt Inklusion hakt an allen Ecken und Enden,

(Beifall Enrico Schult, AfD)

ist aber nicht das Problem, Herr Schult, sondern das ist eine Aufgabe, die wir lösen müssen in den Schulen mit entsprechenden Voraussetzungen.

(Zuruf von Enrico Schult, AfD)

Lösen sollen dies allein die Lehrer/-innen, die im Studium doch vor allem auf eines vorbereitet werden: Frontalunterricht. Aber Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie sind Kinder, entwickeln sich und wachsen heute vor allem in Institutionen wie Schulen und Kitas auf. Auch Achtjährige haben noch nicht die volle Reife und müssen pädagogisch begleitet werden. Doch dafür fehlt den Lehrern schlicht die Zeit und darauf werden sie im Studium auch nicht ausreichend vorbereitet.

Um die Lehrer zu entlasten, braucht es also nicht nur eine Reduzierung ihrer Stundenzahl, sondern auch eine Verbesserung ihrer Ausbildung hinsichtlich der pädagogischen Fähigkeiten. Die Schulen selbst müssen ergänzt werden um Sozialpädagog/-innen, Erzieher/-innen, Psycholog/-innen, DaZ-Kräfte, Sonderpädagog/-innen und vieles mehr. Lehrer/-innen müssen sich darauf konzentrieren können, die Kinder im Wissenserwerb zu begleiten, während die oben skizzierte Schulfamilie dafür sorgt, dass jedes Kind möglichst individuell sein Potenzial entfalten kann. Dadurch würde auch der Beruf des Lehrers wieder attraktiver. Die Aufgaben und die Arbeit verteilten sich so leichter entsprechend der unterschiedlichen Qualifikationen, was Entlastung und eine höhere Qualität von Schule und Unterricht mit sich bringen würde.

Ein weiteres Problem, vor dem wir aktuell stehen, ist die hohe Abbruchquote der Lehramtsstudierenden.

(Enrico Schult, AfD: Sehr richtig!)

Über 80 Prozent, das ist angesichts des Fachkräftemangels fast nicht auszuhalten! Eine Möglichkeit, das Lehramtsstudium attraktiver zu gestalten, wäre zum Beispiel die Option, ein duales Studium anzubieten. Genauso, wie es heute bereits möglich ist, soziale Arbeit dual und vergütet bei einem Landkreis zu studieren, sollte es doch auch möglich sein, das Lehramtsstudium derart zu gestalten. Bereits im ersten Semester könnten die Studierenden in den Schulen praxisnah ihren Beruf erlernen, unterstützen und schrittweise mehr Verantwortung übernehmen. Diese Versuche gibt es ja auch bereits schon hier über die Uni Greifswald. Warum bis zum Referendariat warten, wenn wir doch bereits zuvor Lehrer/-innen in der Praxis ausbilden könnten? Durch die Vergütung wäre das Studium zudem deutlich wertvoller und verbindlicher als bisher. Die Lehrkräfte könnten so zusätzlich zu funktionierenden Schulfamilien hier Unterstützung erfahren.

Sie sehen, der Antrag der CDU ist ein wichtiger erster Schritt, dem wir deshalb auch zustimmen werden, aber weitere müssen folgen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, FDP und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der FDP Frau BeckerHornickel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich stehe hier für meine Kollegin Frau Enseleit, die leider erkrankt ist. Aber ich habe nicht einfach ihren Vortrag übernehmen können, sondern er ist durchaus von persönlichen Dingen durchwachsen, muss ich hier so gestehen, da ich, ich habe es schon gesagt, aus einer Lehrerfamilie komme, die zum Teil auch noch aktiv ist und sind, und da einige Dinge auch vielleicht emotional sind oder durchaus Einfluss haben.

Wir diskutieren heute über die konstruktiven Lösungen, um endlich mehr und auch die besten Lehrerinnen und Lehrer für unsere Kinder hier im Land zu finden und vor allem im Job zu halten. Ich glaube, was wir nicht gebrauchen können, ist eine zusätzliche Lehrerflucht und wenig attraktive Arbeitsbedingungen neben der zunehmenden Pensionierung von Lehrkräften, einem konstant hohen Krankenstand und zunehmend die Inanspruchnahme von Teilzeitkosten, Entschuldigung, von Teilzeitarbeit. Das hat mein Kollege von der CDU hier ja genauso vorgetragen.

Was guten Unterricht und ein attraktives Lern- und Arbeitsklima langfristig für Lehrerinnen und Lehrer ausmacht, ist wahrlich kein Hexenwerk. Kollege Renz hat es ähnlich formuliert. Er hat gesagt, es ist ein Teufelskreis zu durchbrechen. Die Ständige wissenschaftliche Kommission beabsichtigt, zusätzlich ein umfangreiches Gutachten zu Fragen der Lehrkräftegewinnung, Qualifizierung für das Jahr 2024 vorzulegen. Ich glaube, wir können hier in MecklenburgVorpommern so lange nicht warten. Wir sollten handeln und nicht nur darüber reden, was alles nicht geht,

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP und Daniel Peters, CDU)

sondern auch mal schauen, was geht, was können wir heute tun.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Die Historie geht hier speziell in Mecklenburg-Vorpommern auf den Geburtenrückgang nach der Wende zurück. Ich habe dort in der Fachliteratur den Begriff „Geburtenschock“ gelesen, habe ihn aber vielleicht etwas falsch, also zum jetzigen Zeitpunkt, interpretiert. Damals hatten wir einen Überhang an Lehrerinnen und Lehrern. Sie wurden damals größtenteils in Frühpension geschickt, mit anderen Aufgaben betraut, und trotzdem wurde für die verbleibenden Lehrkräfte damals die Stundenzahl von 25 auf 27 Stunden erhöht, nicht aus pädagogischen Gründen, sondern auch damals aus rein finanziellen.

Ich war damals mittendrin. Mutter, Schwester, beste Freundin waren betroffen, meine Mutter mittlerweile seit vielen Jahren im Ruhestand. Meine Schwester, eine Lehrerin, die ist von Leidenschaft getragen. Also ich ziehe jedes Mal den Hut davor, was sie in ihrem Alter, mittlerweile 63, heute noch tatsächlich Tag für Tag leistet. Und die Tradition wird fortgeführt. Da sie so eine leidenschaftliche Lehrerin ist, zwei Söhne hat, haben auch die den Lehrerberuf ergriffen, aber nicht in MecklenburgVorpommern. Sie sind beide junge Studienräte in Bayern und fühlen sich dort verdammt wohl und sind auch dort begeisterte junge Lehrer.

Wir reden hier über den Vorschlag, von 27 auf 25 Stunden zurückzugehen. Zwei Stunden! Ich ermuntere jeden, mal darüber nachzudenken, ob zwei Stündchen einen Unterschied machen. Es sind ja nicht die 25 Stunden, sondern jede Unterrichtsstunde bedarf ja auch noch einer Vorbereitung, nicht unbedingt eins zu eins, das hängt vom Alter ab, wie lange man im Unterrichtsberuf war und ist, aber trotzdem, jeder Jahrgang, jede Klasse, jeder Schüler ist anders. Nicht, dass Sie vielleicht denken sollten, oh, ist ja immer dasselbe! Ich möchte nicht in den Knochen derjenigen Kolleginnen und Kollegen stecken, die das tagtägliche Pensum mit unseren Kindern und Jugendlichen stemmen.

Wir sagen immer wieder gerade als FDP: Bildung, Bildung ist mit Abstand die lohnendste Investition, die wir leisten können in unsere Zukunft.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, FDP und Jutta Wegner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Arbeitsbedingungen für unsere Lehrerinnen und Lehrer sind alles andere als einladend. Auch das war hier schon Thema. Damit meine ich weniger die Schülerinnen und Schüler als vielmehr die Bedingungen, wie Gebäude, sanitäre Einrichtungen, die technische Ausstattung oder auch fachfremde Vertretungsstunden. Ja, es gab Laptops. Ich bin in einer Gemeinde, ganz schnell wurde alles ausgestattet, auch meine Schwester bekam einen Laptop, aber niemand hat sie eingewiesen. Es fehlte die Fachkompetenz an den Schulen, dann auch Lehrer dazu zu befähigen. Sie ist Kunstlehrerin und nicht unbedingt die große Computerfachfrau.

Auch Inklusion ist nicht das Problem, sondern auch hier ist die personelle Ausstattung neben entsprechenden baulichen Maßnahmen nicht so in Gang gekommen, wie es alle brauchten. Woher sollen Kinder denn lernen, im

Team zu arbeiten, wenn sie die eigenen Lehrerinnen und Lehrer als ausgelaugte Personen empfinden oft genug?! Und machen wir uns nichts vor, die Insel der Seligen für Lehrerinnen und Lehrer in unserem schönen MecklenburgVorpommern, erinnere ich an eine Werbekampagne, ist eine Wunschvorstellung der Landesregierung.

(Marc Reinhardt, CDU: Das stimmt.)

Mecklenburg-Vorpommern steht in Konkurrenz mit anderen Bundesländern, sehr vielen, wir haben es gehört, um gut ausgebildete Lehrkräfte für sich zu gewinnen. Wir reden über zwei Stunden, ein Thema unter vielen. Zwei Stunden weniger können hier eine wunderbare Zeit in Kollegien schaffen, sich zu bestimmten Fällen zu beraten, sich fortzubilden, sich neue Ideen gemeinsam zu überlegen, sich Zeit dafür zu nehmen, was gewöhnlich und manchmal und leider immer öfter auf der Strecke bleibt: Qualität.

Wie sagte der Chef der PISA-Studie Andreas Schleicher gleich zu Beginn des Jahres so treffend – in unseren Schulen ginge es wie in einem Fast-Food-Restaurant zu. Die Schülerinnen und Schüler seien oft nur Konsumenten, die ihren Lehrstoff serviert bekommen. Die Lehrer agieren als Servicedienstleister, die das vorgefertigte Essen aufwärmen und überreichen sollen. Der OECDBildungsdirektor führt aus, Eltern seien Kunden, die sich beschweren, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Aber auch das fiel hier schon, es ist auch so, dass viele Eltern den eigenen Erziehungsauftrag als Eltern nicht wahrhaben wollen, ihre Verantwortung nicht zu 100 Prozent wahrnehmen.

Diese Abläufe frustrieren alle. Die Schulentwicklungsforschung belegt eindeutig, dass die Belastung im Lehrerberuf nicht nur durch eine satte Besoldung kompensiert werden kann. Schließlich ist bekannt, dass deutsche Lehrkräfte im internationalen Vergleich gut bezahlt werden.

Seien wir mal ehrlich, wenn ich an meine Schwester denke, an meine Mutter denke, an meine beste Freundin denke, an meine jungen Neffen denke, die sagen, eigentlich ist der Lehrerberuf einer der schönsten der Welt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, weil wir können junge Menschen in ihr Leben begleiten, wir können ihnen helfen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Und ich denke, das ist eine wichtige Aussage, die manchmal vielleicht auch auf der Strecke bleibt, wenn man erschöpft ist, wenn man kaputt ist, wenn diese Aussage, mit der man eigentlich mal den Lehrerberuf erreicht hat, wenn das nicht mehr stimmt. Wir unterstützen die …

Frau Abgeordnete, ich darf Sie darauf hinweisen, dass Sie am Ende der Redezeit sind.

(Der Abgeordnete Enrico Schult bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Danke!

Herr Schult, es tut mir leid, insofern kann ich auch keine Zwischenfrage mehr zulassen.