Protokoll der Sitzung vom 25.01.2023

(René Domke, FDP: Das ist richtig.)

Vor diesem Hintergrund werden die Tagesordnungspunkte 17 und 18 zunächst für morgen erneut auf die Tagesordnung gesetzt, am Ende der Tagesordnung, wenn wir dann doch mal schneller und nicht langsamer sind. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Damit entfallen heute die Tagesordnungspunkte 17 und 18.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Rechtsstaat festigen, Justiz stärken, für eine zeitgemäße Ausbildung sorgen, Drucksache 8/1562, hierzu Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 8/1632.

Antrag der Fraktion der FDP Rechtsstaat festigen, Justiz stärken, für eine zeitgemäße Ausbildung sorgen – Drucksache 8/1562 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 8/1632 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der FDP der Fraktionsvorsitzende Herr Domke.

(allgemeine Unruhe)

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin,

(Glocke der Vizepräsidentin)

meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank, dass dieser Tagesordnungspunkt es noch geschafft hat, dass wir ihn heute behandeln können, denn er ist ja auch schon vertagt worden. Und ja, es hätte mich auch etwas betrübt, wenn wir wieder nicht die Gelegenheit gehabt

hätten, gerade dieses wichtige Thema, wie wir eigentlich umgehen im Land mit der Justiz, nicht behandelt hätten.

Und ich kündige schon mal an, das sorgt vielleicht auch gleich für Stimmung, dass ich in diesem Falle namens meiner Fraktion eine namentliche Abstimmung beantrage.

(Heiterkeit bei Nadine Julitz, SPD)

Ich werde auch begründen, warum. Denn es ist ein Thema, es ist ein Thema, was wir fast, fast regelmäßig,

(allgemeine Unruhe)

in fast jeder Landtagssitzungswoche an irgendeiner Stelle thematisieren. Und es ist immer das Gleiche, es ist immer das Gleiche: Man hört, da passiert schon was, man hört, da ist alles auf den Weg gebracht, man hat aber nicht den Eindruck, egal, mit wem man sich unterhält, ob mit der Rechtsanwaltschaft, mit der Staatsanwaltschaft, mit den Gerichten oder mit Gerichts- und Justizvollzug, man hat nicht den Eindruck, dass da der große Wurf schon gelungen ist.

(Heiterkeit und Zuruf von Michael Noetzel, DIE LINKE)

Und wie gesagt, das hat uns so oft beschäftigt, so oft haben wir uns versprochen, wir setzen jetzt hier einen Zug aufs Gleis und wir schieben. Aber ich habe immer den Eindruck, in diesem Zug sitzt irgendjemand, der die Bremse betätigt, und dass wir eben nicht vorwärtskommen.

Und, meine Damen und Herren, ich werde in meiner Rede ganz viel unterbringen, mit Erlaubnis der Präsidentin, was Ihnen bekannt vorkommen sollte. Ich dachte, das mache ich mal, ist vielleicht mal originell. Mal schauen, wer sich da wiederfindet!

„Gerichte, Staatsanwaltschaften …“

Ja, das ist ja gerade das Interessante an dieser späten Stunde, dass man mal mithört und mal überlegt, könnte es aus meiner eigenen Feder sein, wie stehe ich heute dazu.

„Gerichte, Staatsanwaltschaften, Notariate und die Rechtsanwaltschaft sind ebenso unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaates wie der Gerichts- und der Justizvollzug. Sie helfen, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern und durchzusetzen.“ Na, wer kennt die Fundstelle?

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Na, vielleicht von mir?)

Dem einen oder anderen kommen diese Worte sicherlich bekannt vor. Sie stammen aus dem Koalitionsvertrag. Da hätte ich jetzt mehr erwartet, dass da mehrere sagen, aber es waren wahrscheinlich nur wenige, die es ausverhandelt haben, und noch weniger, die es heute noch wissen oder noch mal nachgelesen haben.

Und auch dies: „Die Koalitionspartner stellen sicher, dass die Justiz als Teil einer modernen Landesverwaltung leistungsstark und zukunftsfest aufgestellt ist …“ Weiter: „Die Koalitionspartner streben an, dass die Voraussetzungen geschaffen und die Angebote der Digitalisierung … bei Verhandlungen, dezentrale Videoverneh

mungen, Mediationssitzungen, Beratungsgespräche und Befragungen noch breiter und besser von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden können.“

Nun, meine Damen und Herren in den Reihen von SPD und DIE LINKE, wir Freien Demokraten wollen Sie gerne an diese Vereinbarung erinnern. Ich meine, mir ist klar, bei Ihren, bei der Vielzahl der aufgeführten Punkte, die Sie damals vereinbart haben, 555 Randnummern, 82 Seiten, da kann man auch mal das eine oder andere aus dem Blick verlieren. Es findet sich auch erst auf Seite 74 und 75. Und möglicherweise ist es ja auch so, dass Sie den Koalitionsvertrag nacheinander abarbeiten und wir noch nicht auf Seite 74 und 75 sind.

Aber wir haben ja leider immer wieder diese Feststellung, dass wir im Justizbereich Berichte haben über lange Verfahrensdauern, keine ausreichende Ausstattung, um zum Beispiel die Digitalisierung voranzubringen, selbst die Einführung der E-Akte nicht überall vielleicht zeitgerecht umgesetzt werden kann, und vor allem, was wir haben, ein Riesennachwuchsproblem. Wir haben ja heute schon darüber gesprochen, wie es im Bildungsbereich aussieht, aber in der Justiz sieht es auch nicht besser aus. Und ich habe noch nicht wirklich wahrgenommen, welches Programm hier die Koalition fahren will, außer diesen Bekundungen, die Sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Aber, meine Damen und Herren, sehen Sie es mir nach, so jetzt nach anderthalb Jahren knapp hat man Zweifel, dass es wirklich im Fokus ist.

Nun möchte meine Fraktion Ihnen eben eine Hilfestellung geben. Wir wollen gerne weiterhelfen, wo können wir ansetzen, denn der Nachwuchsmangel ist eklatant. Ich will nur einmal auf die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verweisen. Ein Zehnjahresvergleich: 1. Januar 2013 hatten wir 1.591 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Land. Zu Beginn des Jahres 2023 rechnete die Rechtsanwaltskammer dann nur noch mit einem Mitgliederbestand von 1.300 Mitgliedern.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Das ist ein Schwund von 20 Prozent. Und 30 Prozent derjenigen, die in der Anwaltschaft vertreten sind, sind 60 Jahre alt und älter. Man rechnet damit, dass in den nächsten Jahren jährlich fünf Prozent sozusagen in den Ruhestand gehen werden. Und das ist etwas, was auch oft dann bei der Betrachtung der Justiz außen vor bleibt, weil wir uns weniger um die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bemühen, aber es ist ein Abbild dessen, weil, wo gehen die Bürgerinnen und Bürger denn hin, um ihre Rechte durchzusetzen. Und wenn die irgendwann feststellen, da ist eigentlich gar keiner mehr oder die sind alle schon hochbetagt und kurz vor dem Ruhestand, und man weiß gar nicht, ob man darauf dann noch vertrauen kann, dass möglicherweise ein längeres Verfahren bei unseren überlangen Verfahrensdauern dann auch noch durchgehalten wird oder ob mein Anwalt, den ich ins Vertrauen gezogen habe, oder meine Anwältin zwischenzeitlich dann auch in den Ruhestand wechselt und ich mir jemand anderes suchen muss, der vielleicht gar nicht nachgewachsen ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Das heißt, das heißt, wir wollen Ihnen Vorschläge unterbreiten, wie wir die Justiz stärken können. Mit Nachwuchs von unten geht es im Wesentlichen – ich fasse

das jetzt ein bisschen schneller zusammen, ich sehe, es ist schon fortgeschrittene Zeit, ich fasse es ein bisschen zusammen –, es geht nach wie vor um den Standort Rostock, die universitäre Ausbildung.

Und auch da, meine Damen und Herren, muss man sagen, das kann ja sein, dass Sie das alles nicht so richtig berührt.

(Vizepräsidentin Elke-Annette Schmidt übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir aber darüber reden, dass eine querschnittliche Verfahrensdauer in M-V 33,5 Monate beträgt in der Sozialgerichtsbarkeit – das ist ja vielleicht auch etwas, was gerade die Sozialdemokraten und vielleicht auch die LINKEN noch am meisten beschäftigen müsste –, da stehen ja Einzelschicksale dahinter, da stehen ja auch, stehen Existenzen vielleicht dahinter, steht tatsächlich auch etwas dahinter, wie man über die Runden kommt, weil man einfach gerade in der Sozialrechtsprechung darauf angewiesen ist. In der Sozialgerichtsbarkeit geht es tatsächlich darum, Gerechtigkeit herzustellen, gerade für diejenigen, die darauf angewiesen sind. Natürlich geht es auch bei den anderen darum, dass sie in existenzielle Not geraten können. Aber, meine Damen und Herren, hier steht Ihr Handeln wirklich im erheblichen Widerspruch zu Ihren Beteuerungen.

Und wenn wir dann gleich wieder darüber reden werden, dass Sie letzten Endes an einem Personalkonzept arbeiten, wir haben das auch vorgestellt bekommen vom Finanzminister. Und da möchte ich auch nicht falsch verstanden werden, wenn durch Modernisierung, durch Bürokratieabbau, schlankere Strukturen, Optimierung von Prozessen, was auch immer da alles berücksichtigt werden kann, wenn wir es erreichen, dass das Land tragfähige Antworten wirklich auf den oder für den demografischen Wandel findet, dann stehen wir an Ihrer Seite. Das ist überhaupt gar nicht das Thema. Aber wir haben einfach keinen Vorlauf. Wir haben keinen Vorlauf, wir steuern darauf hin.

Und diese Zahlen, die ich für die Rechtsanwaltschaft genannt habe, die sind ja fast spiegelbildlich auch noch mal bei den Juristinnen und Juristen, die in der Landesverwaltung tätig sind, und übrigens ja nicht nur im Bereich der Justiz. Das ist unter anderem auch ein Punkt, den wir unter 7. haben. Da bin ich nicht ganz einverstanden mit dem Änderungsantrag der GRÜNEN, weil ich tatsächlich meine, eine Antwort auf die Nachwuchsgewinnung oder überhaupt den Einsatz, den sinnvollen Einsatz der wenigen Juristinnen und Juristen, die wir im Nachwuchs bekommen können, dass wir schon genau schauen müssen, wo wir sie einsetzen. Und ich merke in der öffentlichen Verwaltung immer wieder eine, ja, ich will es jetzt nicht so nennen, na doch, es ist im Grunde eine Juristendominanz. Es werden viele Juristinnen und Juristen eingesetzt in Bereichen, wo es gar nicht erforderlich wäre. Wir haben Betriebswirte, wir haben Volkswirte, wir haben alles Mögliche an Hochschulabsolventen,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

die durchaus für bestimmte Aufgaben geeigneter sein können, wo ich meine, dass wir auch Juristinnen und Juristen woanders einsetzen können. Da müssen wir einmal drüber nachdenken, interdisziplinäre Ansätze. Kann man mal an die Universität Speyer gehen, kann man sich

mal ein paar Vorlesungen zu anhören, da gibt es sehr, sehr sinnvolle Ansätze. Hier im Land, glaube ich, ist das noch gar nicht so richtig durchgedrungen.

(Marc Reinhardt, CDU: Siehste!)

Und ich weiß auch nicht, was uns jetzt dieser Demografiestellenpool bringen soll. Also es ist ja in der Tat so, dass das eigentlich nur ein Instrument ist. Ja, im Grunde, ich weiß schon, dass es Stellen gibt, die ich nicht mehr besetzen kann. Und die poole ich jetzt, die bringe ich jetzt zusammen, um mir sozusagen auch irgendwie die Situation selber schönzureden. Das überzeugt mich noch nicht richtig. Vielleicht gelingt uns das ja noch. Wir werden ja in der Haushaltsberatung darüber auch sicherlich noch mal sprechen können.

Noch mal, wir sehen das Problem, was da besteht. Aber ich möchte einfach, dass wir hier offen und klar diskutieren, wo soll es hingehen, und das auch jetzt, bevor der Doppelhaushalt aufgestellt wird, weil es muss sich etwas im Stellenplan entwickeln. Es kann nicht sein, dass hier der Landtag nicht in der Lage ist, die Landesregierung aufzufordern, das sicherzustellen, und möglicherweise eine der drei Gewalten hier hinten runterfällt, wenn wir es jetzt nur auf die Justiz beziehen. Aber Sie haben es, glaube ich, bei mir herausgehört, ich will es viel weiter fassen. Ich mache mir einfach Sorgen, dass unser Rechtsstaat nachhaltig geschwächt wird. Ich habe ja nachher noch die Möglichkeit zu erwidern. Ich freue mich auf Ihre Beiträge.

Noch mal, denken Sie darüber nach! Namentliche Abstimmung ist keine Drohung, es ist einfach nur eine Frage nach einem Bekenntnis für unseren Rechtsstaat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten die Justizministerin Jacqueline Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In einem kann ich Herrn Wulff recht geben: Schön, dass wir heute dazu kommen, diesen wichtigen Antrag zu besprechen von der FDP „Rechtsstaat festigen, Justiz stärken, für eine zeitgemäße Ausbildung sorgen“.