Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

Die Digitalisierung bietet immer neue Möglichkeiten der Überwachung.

(Julian Barlen, SPD: Einzelner Bürger!)

Die Digitalisierung bietet immer neue Möglichkeiten der Überwachung. Kaum etwas verrät mehr über einen Menschen, sein Leben, seine Gewohnheiten, seine Wege und seine Interessen wie sein digitaler Fußabdruck. Noch nie war es für Ermittlungsbehörden so einfach, Daten zu sammeln und auszuwerten.

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Geschieht dies auch noch anlasslos, meine Damen und Herren,

(Zuruf von Julian Barlen, SPD)

und völlig kontrolllos, ist die Dystopie des gläsernen Bürgers völlige Realität. So werden Bürger ohne explizite Anfrage ihrerseits oder seitens der Medienvertreter erst überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt, wenn diese beispielsweise ins Visier der Landesbehörden geraten. Der Verfassungsschutz sammelt oft nicht nur äußerst private Daten über mutmaßliche Delinquenten, sondern liefert für den Anlass teils abenteuerliche Gründe.

So ist mir ganz aktuell ein Fall eines jungen Demokraten bekannt, bei dem selbst die Teilnahme an öffentlichen und demokratischen Demonstrationen minutiös aufgelistet wurde.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Tja!)

So, meine Damen und Herren, wird demokratische Teilhabe kriminalisiert, aber niemals geschützt werden, Frau von Allwörden!

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Wer den Kommunisten und den Sozen der Landesregierung widerspricht, gerät ganz schnell und oft ohne Wissen in die Datensammlung der Sicherheitsbehörden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Ann Christin von Allwörden, CDU: Und das weiß er auch selber ganz genau.)

Auch hier muss eine Verhältnismäßigkeit stets geprüft werden können.

In Ihrem Antrag steht also viel Richtiges, meine Damen und Herren von der FDP:

Mehr Transparenz? – Ja.

Kontrolle und Verhältnismäßigkeit? – Absolut!

Wissen über vorhandene und im Einsatz befindliche Überwachungsmethoden für jeden Bürger? – Vollste Zustimmung!

Dennoch haben wir offene Fragen, beispielsweise zu der von Ihnen vorgeschlagenen unabhängigen Kommission. Wie soll sie aussehen, die Zusammensetzung, und ob diese Kommission dann tatsächlich unabhängig ist, und wie soll diese Unabhängigkeit sichergestellt werden? Es muss auf jeden Fall verhindert werden, meine Damen und Herren, dass solch ein Gremium jemals wieder unter Ausschluss der Opposition einberufen wird.

Daher stimmten wir einer Überweisung in die Ausschüsse ausdrücklich zu, müssen uns zum jetzigen Zeitpunkt zu Ihrem Antrag allerdings enthalten. – Danke sehr!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Antrag der FDP befinden sich vier wesentliche Punkte, die ich jetzt nicht noch mal alle aufzählen möchte, weil wir den Antrag ja alle kennen, der liegt uns allen vor, aber ich würde jetzt im Nachgang natürlich darauf eingehen.

Worauf ich allerdings nicht noch mal eingehen möchte, weil wir das nun wirklich schon gestern ausführlich diskutiert haben, ist die Überarbeitung des SOGs. Wir haben das jetzt mehr als einmal, also sprich, ich glaube, jetzt sind wir schon beim vierten Mal, deswegen würde ich mir das jetzt sparen. Dazu kennen Sie meine Meinung. Und ja, wir werden auf jeden Fall natürlich, wenn denn die Arbeit geleistet ist durch das Innenministerium am SOG, werden wir natürlich darüber auch im Ausschuss anfangs auch wieder darüber diskutieren, und dann können wir uns wieder darüber unterhalten und darum ringen, um die besten Lösungen und die besten Ideen für dieses Sicherheits- und Ordnungsgesetz unseres Landes.

Zum Zweiten fordern Sie die Einsetzung einer Kommission für die Überarbeitung des SOGs, was ich nicht für ergebnisorientiert halte. Wenn dabei Bezug genommen wird auf die sogenannte Freiheitskommission, die nach dem Koalitionsvertrag der Ampel geschaffen werden soll, ist die Frage zu stellen, nach welchen Maßgaben die erforderlichen Wertungskriterien für eine Überwachungsgesamtrechnung zu definieren sind. Welche Gewichtungen werden festgelegt und welche Kriterien sollen für eine Überwachungssituation der Bürger gelten, die nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht mehr zu akzeptieren ist? Und nach welchen Kriterien sollen die Mitglieder

dieser unabhängigen Kommission durch wen ausgezählt werden und wie wird der Gesetzesentwurf dann in den Landtag kommen?

Und wenn es denn eine Überwachungsgesamtrechnung geben soll, unabhängig davon, welchen Nutzen und welche Verbindlichkeit diese dann haben soll, kann diese nicht isoliert für Mecklenburg-Vorpommern und zu den Landessicherheitsgesetzen erstellt werden, sondern als Gesamtrechnung für das gesamte Bundesgebiet und alle Sicherheitsgesetze.

Nach einem Beitrag von Dr. Oliver Harry oder Harry Gerson – ich bin mir nicht sicher, ob er englische Vorfahren hat, aber ich glaube schon, ne? –, ich habe, glaube ich, richtig vernommen, dass auch Herr Pegel sich dieses Artikels eventuell bedient hatte, also nach einem Beitrag von dem Herrn Gerson in der Kriminalpolizeizeitschrift aus 2022 ist davon auszugehen, dass es für die Berechnung der Überwachungslast eines Landes weder ausreichend ist, auf die Anzahl der durchgeführten Maßnahmen abzustellen, noch eine isolierte Betrachtung der aktuellen Gesetzeslage genügt. Und das hatte Herr Pegel im Grunde genau auch so wiedergegeben, dass diese Fragen eben zu beantworten wären.

Und weiter in Ihrem Antrag – und auch darauf ist Herr Pegel schon eingegangen, deswegen würde ich das auch kurz machen – geht es um die Information des Landtages, um Unterrichtung des Landtages über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem SOG. Und ja, da saßen wir gerade letzte Woche zusammen. Und dieses SOG-Gremium wird genau darüber informiert, welche Maßnahmen wie lange an welcher Person und auch warum, und auch darüber informiert, ob diese Person bereits benachrichtigt wurde oder es eben aus bestimmten Gründen noch nicht erfolgt ist, also eine sehr umfassende gute Auflistung, die uns doch einen Überblick, einen genauen Überblick der Überwachung in unserem Land verschafft.

Um Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit von Personen abzuwehren, darf die Polizei technische Mittel zur Erhebung personenbezogener Daten in oder aus Wohnungen oder aus Vertrauensverhältnissen einsetzen, wenn dies zuvor durch eine richterliche Anordnung genehmigt wurde. Über die Zahl und Art solcher Einsätze wird informiert, und auch übrigens das Justizministerium informiert im gleichen Gremium ebenso. Dafür liegt die Grundlage in der Strafprozessordnung.

Zur Frage der Überwachungsgesamtrechnung auf Landesebene, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch da wurde ja schon eben, glaube ich, aus dem Koalitionsvertrag der Ampel, meine ich, zitiert. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Sie das jetzt selbst gemacht haben oder ob Herr Pegel das gemacht hat. Das weiß ich nicht. Aber die Überschrift lautet da ja: Freiheit und Sicherheit. Und genau das ist ja auch das Spannungsfeld, in dem sich so ein Polizeigesetz oder auch Überwachung ja immer befindet. Die FDP ist immer eher etwas mehr für die Seite und sagt, wir wollen uns lieber die Freiheitsrechte bewahren.

(Beifall René Domke, FDP: Ja.)

Ich bin ehrlich, als Polizeibeamtin und auch in meiner Fraktion in der CDU spielt für uns die Sicherheit unserer Bürger eine massive Rolle, heißt aber ja nicht, dass bei uns jetzt gegenseitig jeweils das andere keine Rolle

spielt. Also es muss halt ein ausgewogenes Verhältnis gefunden werden, und das ist ja auch richtig so.

Jetzt habe ich mich hier etwas verrannt, das ist aber nicht schlimm.

Also ich würde das jetzt nicht noch mal zitieren, Sie kennen Ihren Wortlaut aus dem Koalitionsvertrag. Und es gibt eine Anfrage dazu von unserem Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor, die er in der Bundestagssitzung am 19. Dezember 2022 gestellt hat. Und da würde ich jetzt mal zitieren, wie die Antwort dazu lautete: „Innerhalb der Bundesregierung wird derzeit das Konzept zur Durchführung der Überwachungsgesamtrechnung und zur Evaluation der Sicherheitsgesetze finalisiert.“ Also demnach scheinen sie ja schon in der Ampel sehr, sehr weit fortgeschritten zu sein. Und aufgrund dieses Konzeptes erfolgt sodann die Ausschreibung der Vergabe der Durchführung der Überwachungsgesamtrechnung und Evaluation an eine unabhängige wissenschaftliche Stelle. Also das ist ja eine sehr informative Auskunft, würde ich sagen.

Ja, also ich kann nur sagen, dass der Antrag, den Sie vorgelegt haben, dass der für uns erstens natürlich nicht, also Schwächen hat, würde ich jetzt nicht sagen, aber vielleicht nicht dem entspricht, was wir uns drunter vorstellen. Ich glaube, dass diese Gesamtrechnung auf Bundesebene erfolgen muss, dass es eben keinen Sinn hat, das auf Landesebene zu machen. Und aufgrund meiner Ausführung würden wir Ihrem Antrag hier nicht die Zustimmung geben können. – Herzlichen Dank trotzdem für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Noetzel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr gerne Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ich bin Ihnen ehrlich dankbar für diesen Antrag, denn ich muss gestehen, auch wenn ich mich mit dem Thema SOG und innere Sicherheit schon eine Weile beschäftige, war mir das Konzept der Überwachungsgesamtrechnung so noch nicht bekannt. Auf der anderen Seite sind mir und meiner Fraktion die vielfältigen Verschärfungen der Maßnahmen und Befugnisse der Sicherheitsbehörden in den letzten Jahren natürlich nicht nur im Einzelfall, sondern insbesondere in ihrer Gesamtheit unheimlich.

Gelernt habe ich, dass es das Konzept gibt, aber die Rechtswissenschaft noch streitet. Es geht dabei los, woher der Begriff und die grundsätzliche Idee überhaupt stammen – vom Bundesverfassungsgericht selbst oder doch aus der diese Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung kommentierenden Rechtswissenschaft.

Gelernt habe ich auch, dass die Ampel vereinbart hat, ich zitiere: „Die Eingriffe des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte müssen stets gut begründet und in ihrer Gesamtwirkung betrachtet werden. Die Sicherheitsgesetze wollen wir auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen sowie auf ihre Effektivität hin evaluieren. Deshalb erstellen wir eine Überwachungsgesamtrechnung und

bis spätestens Ende 2023 eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen … Dafür schaffen wir ein unabhängiges Expertengremium“ – Sie haben es schon gehört, die sogenannte Freiheitskommission –, „das bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben berät und Freiheitseinschränkungen evaluiert.“ Zitatende.

Ich finde, das ist ein sehr gutes Vorhaben, aber ich muss gestehen, auch hier, dass ich von der Freiheitskommission so noch nichts gehört habe, hoffe aber, dass sie erfolgreich arbeitet, denn so viel Zeit ist ja nicht mehr. Und wenn ich mir die Antwort auf die Frage des Herrn Amthor anhöre, dann scheint es auch nicht so weit her zu sein, dass es bis Ende 2023 funktioniert.

Auf Antrag der FDP-Fraktion hat bereits am 22.02.2021 eine Anhörung im Bundestag zu dem Konzept der Überwachungsgesamtrechnung stattgefunden. Die Angehörten im Bundestag haben dabei wohl eher reserviert reagiert. Auf netzpolitik.org hat sich dazu oder netzpolitik.org hat sich dazu wie folgt geäußert, ich zitiere: „Bislang ist die ‚Überwachungsgesamtrechnung‘ bloß ein wissenschaftliches Konzept. Dabei könnte sie für mehr Transparenz bei Überwachungsmaßnahmen sorgen. Wie genau sie funktionieren könnte, bleibt jedoch auch nach einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags unklar.“

Seitdem ist schon etwas Zeit ins Land gegangen, aber Klarheit besteht aus meiner Sicht noch nicht. Es gibt eine Forschungsarbeit des Freiburger Marx-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht. Die Forschenden entwickelten im Auftrag der FriedrichNaumann-Stiftung ein Konzept, mit dem sich eine Überwachungsgesamtrechnung operationalisieren, also messbar machen lassen soll. Die Betonung liegt auf „soll“.

Zum anderen gibt es das Forschungsprojekt „Sicherheitsgesetzgebung und Überwachungsgesamtrechnung“ des Instituts für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) der Ludwig-Maximilians-Universität München in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltverein. Die Laufzeit beträgt 2021 bis 2024.

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich zu Sinn und Zweck des Projekts: