Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

Der additive Grundrechtseingriff wurde vom Bundesverfassungsgericht erstmalig in seiner Entscheidung zur GPS-Ortung erwähnt. Ausgangspunkt war dort, dass eine Überwachung mittels GPS-Ortung neben mehreren anderen kumulativ angeordneten Überwachungsmaßnah

men sich zu einer von der Verfassung stets unzulässigen Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil einer Person erstellt werden könnte, addieren könnte. Die Prüfung bezieht sich daher auf mehrere kumulativ angeordnete Maßnahmen zur selben Zeit gegen ein- und denselben Grundrechtsträger.

In der weiteren Entscheidung führte das Bundesverfassungsgericht zum additiven Grundrechtseingriff aus: „Mehrere für sich betrachtet möglicherweise angemessene oder zumutbare Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche können in ihrer Gesamtwirkung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, die das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreitet.“

Es gibt einen Grundsatz: Das Wesen unseres Rechtsstaates liegt darin, dass er Zurückhaltung üben muss und nicht alle Befugnisse erhalten kann, die möglich wären, sondern nur solche, die erforderlich sind und einer strengen Verhältnismäßigkeitsüberprüfung standhalten. Wie gesagt, die Bundestagsfraktion hat, die Bundeskoalition hat sich entschlossen, im Koalitionsvertrag diesen Punkt jetzt abzuändern. Ich bin mal gespannt, so 17 Jahre ungefähr haben sich damit Juristen befasst, das Rechtsvehikel geschaffen und alles Drum und Dran.

Im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung hat das MaxPlanck-Institut das periodische Überwachungsbarometer entwickelt. Ich habe mir das mal in Ruhe angeguckt. Frau Kollegin Oehlrich hat da sehr gut ausgeführt, aber sie hat dabei eins vergessen: wie kann man aus einer Gesamtschau die Mehrzahl von Grundrechtseingriffen für einen und denselben Grundrechtsträger bestimmen. Das ist ja der Sinn und Zweck dieser Sache, die das Bundesverfassungsgericht damals gesagt hatte. Ich kann jetzt feststellen, der Staat weist an, wir haben jetzt eine Vielzahl von Straftaten, die jetzt mittels Überwachung gemacht werden sollen, und jetzt kommen wir zu einer Anzahl, machen wir mal, fiktiv gesagt, von 200.000 Überwachungen. Im Gegensatz zum Vorjahr waren es nur 50.000. Müssen wir dann, ich sage mal so, die nächsten Jahre darauf verzichten?

Das ist das Problem bei dieser ganzen Sache, wo ich immer ein bisschen Schmerz dabei habe oder so was. Und es gibt ein altes Sprichwort: Die Sicherheit wird mit Freiheit bezahlt. Und hier müssen wir – ich bin der FDP dankbar, dass sie ja, ich sage mal, Freiheitsrechte immer hochhält, immer hochgehalten hat –, wir müssen immer genau gucken, was ist noch angemessen, was können wir machen.

(Beifall Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

Und ich bin auch für Waffengleichheit. Gerade in der heutigen Zeit findet sehr viel Kriminalität im Internet statt, ganz viel Darknet und sonstige Sachen. Und wir als Polizei müssen uns mit Encrypt-Handys rumschlagen und sonstigen Sachen. Und da wollen wir jetzt, ich sage mal, mit einer, ich sage mal, mit einer esoterischen Sache hier rangehen.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Also wir haben hier im Jahr, wenn man sich das anguckt hier, top, sieht gut aus,

(René Domke, FDP: Bis eben war mir das noch sympathisch.)

ich habe hier mal gestaunt, wie viele Abfragen nach dem Geldwäschegesetz das BaFin macht. Da war ich ja richtig erstaunt. Wenn das alles mit einfließt,

(René Domke, FDP: Ja, wenn Sie es mal machen würden!)

das ist eine Überwachungsmaßnahme,

(Zuruf von René Domke, FDP)

darum ist dieses Thema so komplex, es kann keiner was Richtiges sagen. Das ist das Schlimme dabei, es kann keiner was Richtiges sagen, was dabei als Endergebnis kommt.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Und dann kommt noch dazu, diese ganze … Ich habe mir mal den Juristen Markus Möstl von der Universität Bayreuth ganz kurz zu Gemüte geführt. Er führt dabei aus, ein ganz totales strukturelles Hindernis, eine Instanz, die einen Gesamtüberblick über die Maßnahmen erhält, wäre womöglich selbst ein datenschutzrechtliches Risiko. Er spricht selbst von einem weiteren Eingriff in die Grundrechte, sollte es einen Datentransfer der Behörden dazu geben.

Auch Dr. Markus Löffelmann, Professor Dr. Markus Löffelmann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, hat die Überwachungsbefugnisse und deren Auswirkungen auf den Grundrechtsschutz … Der wissenschaftlich-rechtliche Diskurs zu dieser Thematik in ihrem hohen Komplexitätsniveau befinde sich immer noch ganz am Anfang. Der Begriff „Überwachungsgesamtrechnung“ beinhalte derzeit nicht mehr als eine vage Idee und sei ein programmatisches Schlagwort. Er eigne sich nicht, um aktuell notwendige Reformen des Sicherheitsrechts zu suspendieren. Er stelle auch keine Alternative zu notwendigen Grundrechtseinschränkungen dar, könne aber helfen, deren Verhältnismäßigkeit etwas genauer zu bewerten.

Ich denke, zu dem Thema haben sich ganz viele kluge Köpfe schon denselbigen zerbrochen.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Wir im Land Mecklenburg-Vorpommern wollen hier nicht unbedingt gerade Vorreiter sein,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der AfD und FDP)

wir warten lieber die bundespolitische Weichenstellung ab.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der AfD und FDP)

Im Übrigen können wir beiden Anträgen hier zustimmen. – Danke!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Ich bin gerade darauf aufmerksam geworden, dass Sie auch irgendwie so einen Button an Ihrem Revers haben.

(Bernd Lange, SPD: Den trage ich seit dem 24.02.)

Okay, ich habe es nicht gesehen. Ich kann das nicht sehen.

(Bernd Lange, SPD: Ist keine Beschriftung drauf.)

Keine Beschriftung drauf.

(Bernd Lange, SPD: Das ist ein internationales Zeichen.)

Das ist das Peace-Zeichen. Ja, das ist okay.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der AfD, CDU und FDP)

Das können wir zulassen. Das ist das Peace-Zeichen.

(Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und „Refugees welcome“ geht nicht, oder was?)

Das ist übergreifend.

So, jetzt sind wir am Ende der Debatte. Es liegen...

Nein, stimmt nicht, der Abgeordnete David Wulff steht noch auf der Liste. Bitte schön, Sie haben noch mal das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Auch wenn Buttons am Revers an der Stelle vielleicht nicht so esoterisch anmuten, muss ich das doch an der Stelle einmal doch deutlich zurückweisen, weil zweimal kam jetzt in der Debatte, dass das hier Esoterik sein soll. Also bitte sehr!

(Beifall vonseiten der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es war eine, eine saubere Debatte, ich finde, in einem sehr sachlichen und ruhigen Ton. Und Ihre Ausführungen, die waren ja auch total klasse,

(Zuruf von René Domke, FDP)

und ich erkenne das ja auch an, dass auch bei der SPD gesehen wird, dass die FDP, die Freien Demokraten diejenigen sind, die hier auch für Freiheitsrechte und Bürgerrechte kämpfen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Das nehme ich gerne dankend an.

Aber Sie hatten ja auch noch mal angemerkt, dass die BaFin ja dann irgendwie auch einen Haufen Abfragen macht und Sonstiges. Dann muss man sich aber auch immer genau angucken, auch hier mal im Land MecklenburgVorpommern, was so an Datenerhebungen und Datenabfragen ist, wie viele davon haben denn überhaupt eine saubere Verfahrensdokumentation, also wie genau ist das denn alles beschrieben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP und Jutta Wegner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich habe mal so eine Verfahrensbeschreibung gemacht, das macht auch echt keinen Spaß für einzelne Vorgänge, aber das ist einfach eine unglaubliche Vielzahl und wir brauchen das und der Datenschutzbeauftragte des Landes könnte sich dem ja durchaus mal widmen. Und dann gucken wir, wie viel Esoterik da dann bei den Datenabrufen momentan irgendwie stattfindet.