Protokoll der Sitzung vom 11.05.2023

steigert nur ohnehin fossile bestehende Importüberschüsse, zementiert die Nutzung fossiler Energieträger und ist in Anbetracht der nötigen Transformation unseres Energiesystems aus meiner Sicht eine enorme Fehlinvestition.

Vor dem Hintergrund der rasant voranschreitenden Klimakrise können wir es uns auch nicht leisten, uns jetzt im Jahr 2023 noch weiter und mehr als nötig von fossilen Energieträgern abhängig zu machen. Und Sie alle, werte Abgeordnete, wissen ganz genau, welche negativen Auswirkungen dem Terminal gegenüberstehen würden, zum Beispiel die Schädigung des Ökosystems der Natura-2000- und FFH-Schutzgebiete im Greifswalder Bodden und der westlichen Pommerschen Bucht, eine Bedrohung der empfindlichen Heringsbestände oder ganz besonders fatal die kumulative Beeinträchtigung durch die neue Pipeline in diesem sensiblen Ökosystem, die die Anbindung und den Bau des Offshorewindparks „Windanker“ gefährdet, der zehn Prozent der Ostseewindenergie liefern soll.

Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund den Bürger/-innen des Landes die Schaffung fossiler Überkapazitäten für den Import von Flüssigerdgas erklären? Und deswegen müssen wir als Landtag von Mecklenburg-Vorpommern endlich den Mut haben, offen und ehrlich zu sagen, die Schaffung weiterer LNG-Importkapazitäten ist nicht erforderlich, und wir sprechen uns gegen den Bau eines weiteren Terminals vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, aber natürlich auch überall anders aus.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und diesen Mut braucht aus meiner Sicht auch die Landesregierung, denn die Fakten hier liegen auf dem Tisch. Wir sind nicht gezwungen, ohne eine schlüssig dargelegte Rechnung des Bundes hinter dem hier zuletzt beschlossenen Antrag im Landtag, ich zitiere, „die Notwendigkeit für die Versorgungssicherheit“ müsse nachgewiesen werden, zurückzubleiben. Im Gegenteil, es ist Ihre, liebe Landesregierung, und unsere demokratische Verantwortung gegenüber den Bürger/-innen des Landes, uns mit den Zahlen auseinanderzusetzen und auch eine eigene Meinung zu bilden.

Werte Abgeordnete, liebe Koalitionsfraktionen und liebe Landesregierung, deswegen möchte ich Sie alle dazu auffordern, hier und heute auch mal Farbe zu bekennen: Unterstützen Sie den Bau eines weiteren Flüssigerdgasterminals vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns und damit die Schaffung aus meiner Sicht fossiler Überkapazitäten aufgrund der aktuellen Faktenlage, ja oder nein? Und Sie wissen, welcher Partei ich angehöre, und Sie wissen auch, dass es hier für mich eben auch nicht einfach ist, sich hinzustellen, das ist für uns alle nicht einfach. Aber wenn man sich das jetzt anguckt, dann kann man nachrechnen und dann kann man vielleicht auch zu einer eigenen Überzeugung kommen.

Der Bund hat klargemacht, gegen den Willen M-Vs wird er keinen Terminal durchsetzen. Es liegt also in unserer Hand. Machen wir was draus! – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten für die Landesregierung hat der Wirtschaftsminister Herr Reinhard Meyer.

(Andreas Butzki, SPD:

Aber jetzt mach ich den Faktencheck. –

Wer checkt hier welche Fakten? –

Zurufe von Christian Brade, SPD,

und Andreas Butzki, SPD –

Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja ein spannender Antrag.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Ja, das finde ich auch.)

Er ist aktuell, zweifellos, er ist politisch interessant, wenn ich daran denke, welche parteipolitische Farbe der Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister hat. Und er bewegt sich um die Kernfrage der Versorgungssicherheit. Und die Frage ist in dieser Glaubensfrage, die wir in den letzten Wochen und Monaten immer wieder erleben durften: Wer hat am Ende recht?

(Zuruf von Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch dazu gleich mehr.

Die Sonne scheint, meine Damen und Herren,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

und da sind die Probleme der Gasversorgung, insbesondere im Winter, weit weg. Und das ist typisch menschlich, dass wir das ein wenig verdrängen. Trotzdem geht es um das Thema, wie sieht die Gasversorgung in den nächsten Jahren aus. Deswegen hat die Landesregierung immer darauf gedrängt in dieser Kernfrage, das wissen Sie, Herr Damm, dass wir deutlich gemacht haben, diese Frage muss der Bund beantworten. Und der Bund wird es übrigens, wenn er sie positiv beantwortet, dadurch beantworten, dass er ein LNG-Gesetz ändert, und das heißt automatisch, er sieht den Bedarf.

Und deswegen hat Minister Habeck mir ja ein Schreiben geschickt, das am Freitagabend hier eingetroffen ist letzter Woche. Ich habe darauf geantwortet und gesagt, das, was Sie da aufgeschrieben haben, müssen wir dringend vor Ort in Fortführung der Gespräche, die wir in Binz am 20.04. begonnen haben, auch weiterführen. Und das, meine Damen und Herren, wird morgen geschehen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

So, jetzt kommen wir mal zu dem, was in diesem Schreiben steht. Und ich habe, als ich danach gefragt wurde, gesagt, das ist schon eine stringente Argumentation, argumentiert der Bund, dass weiterhin FSRU-Einheiten mit zusätzlicher Einspeisung benötigt werden. Das sagt nicht nur das Bundesministerium, das sagt die Bundes

netzagentur. Und die Frage der Kapazität wird dort nicht anders von den Zahlen beurteilt als diejenigen, die Sie vorgelesen haben, die ja Grundlage für alle Diskussionen sind – Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages von Anfang März –, es wird nur anders interpretiert und gesehen. Und Minister Habeck sagt sehr deutlich, es muss Reserven geben, man kann nichts auf die reine Kapazitätsfrage geben, weil es nämlich Eventualitäten gibt.

Wir haben einen – und darüber haben wir uns häufig ausgesprochen – einen milden Winter gehabt. Der hat es uns leichtgemacht, die Situation in den Griff zu kriegen, zumal – und das habe ich an der Stelle auch immer betont – vieles, was in den Speichern war, russisches Gas war, das noch eingespeist worden ist. Das muss man der Fairness halber sagen. Und darauf wollen wir in Zukunft ganz verzichten. Also wenn wir ein kaltes Jahr bekommen im nächsten Winter, dann wird es auf einmal ganz eng mit den Speichern, sagt der Bundesminister.

Und der Bundesminister weist auch darauf hin, dass wir heute noch, heute noch 40 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa, das meiste davon noch Deutschland, auf dem Landwege aus Russland bekommen. So, und jetzt können wir trefflich darüber spekulieren, was passiert im Ukrainekrieg? Sind diese Lieferungen sicher? Werden die so bleiben? Wird dort im wahrsten Sinne des Wortes der Gashahn zugedreht? Und was machen wir, wenn wir das vorher nicht einkalkuliert haben? Und das, meine Damen und Herren, kann ich nachvollziehen, wenn man so argumentiert.

Aber auch da gilt, dass natürlich der Bedarf auf der Insel groß ist, dass Minister Habeck das morgen erklärt, genauso wie einen zweiten Punkt, der hier im Antrag leider keine Rolle spielt, nämlich die besondere Bedeutung des Einspeisepunktes Lubmin für die Gasversorgung, nicht nur von ganz Ostdeutschland, sondern zusätzlich von Tschechien, der Slowakei, Österreich und Bayern, dass man nämlich auch aufgrund der physikalischen Gesetzgebung, Entschuldigung der physikalischen Dinge, nicht so einfach den Gasstrom ändern kann, der bisher ja hauptsächlich von Ost nach West und jetzt von West nach Ost läuft. Das bedeutet, der Gasdruck in einer Gasmangellage führt dazu, dass wegen der wenigen Kapazitäten von der Nordsee Richtung Ostdeutschland eine Gasmangellage zuerst in Ostdeutschland entsteht. Und deswegen auch die Argumentation, dass es ganz wichtig ist, dass Lubmin ein Einspeisepunkt sein muss mit eigener Versorgung, wo direkt eingespeist wird, weil die Pipelines nicht die Kapazität haben, das Gleiche sozusagen zu liefern, was bisher geliefert worden ist.

Am Ende des Tages kann sich jeder selber die Frage stellen, wenn es zum Beispiel um das Thema Geldanlage geht, ob Sie der Risikotyp sind oder eher konservativ kalkulieren. Und ich glaube, nichts anderes als Grundlage wird hier vom Bund gemacht, nur, dass der Bund sagt, wir wollen kein Risiko, sondern wir wollen konservativ kalkulieren, damit wir mit allen Möglichkeiten eine Gasmangellage im Winter vermeiden.

Und ich kann mich auch daran erinnern, dass ich im letzten Winter, als der Winter begann im November, viele Anrufe von zum Beispiel Hoteliers bekommen habe, auch von der Insel Rügen, die mir gesagt haben, also wir sollen doch alles tun als Landesregierung, damit es keine Abschaltungen gibt. Das ist alles auch wieder irgendwie

vergessen, wenn wir jetzt eine sehr hitzige Debatte führen auf der Insel, aber nicht nur dort, was die Versorgung angeht.

Also das ist die Argumentation des Bundes, und dazu hat der Bund, hat Herr Habeck einen konkreten Vorschlag gemacht, der inzwischen ja in der Öffentlichkeit kommuniziert worden ist, dass der Bund – nach Abwägung verschiedener Alternativen wie Rostock insgesamt sieben Offshorestandorte, die geprüft worden sind, dazu gehört auch Sellin, der verworfen ist als Standort – jetzt vorschlägt, zwei FSRU, also Regasifizierungsschiffe in den Hafen Mukran zu legen. Das ist weniger, als bisher diskutiert worden ist, nämlich zehn bcm, also zehn Milliarden Kubikmeter. Als Vorhabensträger sind erstmals benannt für die Pipeline Gascade, für die beiden FSRU die Deutsche ReGas und für die Hafeninfrastruktur Mukran Port.

Wenn ich von zwei FSRU ausgehe – übrigens, meine Damen und Herren, einige wird es überraschen, die beiden FSRU sind schon da, die liegen nämlich schon, das eine Schiff in Lubmin und das andere in der Ostsee vor der Proraer Wiek, weil es als Versorgungsschiff für das Schiff in Lubmin dient –, da sind also jetzt keine zusätzlichen Schiffe im Gespräch, sondern hier hat der Bund seine Vorstellungen auch schon reduziert. Das muss man so deutlich sagen. Und abschließend verweist Herr Habeck in dem Schreiben auch darauf, dass natürlich die Zukunft der Energieversorgung für den Standort Mukran eine große Rolle spielt und deswegen über ein grünes Terminal mit Wasserstoff und Ammoniak die Zukunft am Standort Mukran organisiert werden soll.

Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten, die mit dem Schreiben von Herrn Habeck vorliegen. Das werden wir morgen trefflich diskutieren. Auch ich, meine Damen und Herren, habe Fragen, das ist überhaupt keine Frage. Auch der Kollege Backhaus hat Fragen. Die werden wir stellen, andere haben Fragen, und die sollten wir auch stellen. Wir sollten nicht von vornherein bei diesem Termin davon ausgehen, da kommt der Bundesminister und sagt uns, wo es langgeht und das war es. Das wird nicht passieren, meine Damen und Herren, sondern wir werden das ganz ordentlich bewerten. Das gehört dazu, und das gehört vor allen Dingen zu einem Dialog.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und im Übrigen ist meine persönliche Auffassung, ein Dialog heißt auch nicht, dass das dann mit dem morgigen Termin beendet ist, sondern es wird weitergehen, insbesondere, was die Kommunikation angeht. Also insofern gibt es noch einiges zu besprechen.

Ein Wort zum Schluss noch zum rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahren, weil es ja hier im Antrag eine Rolle spielt und weil ich immer so höre, wir würden kein rechtsstaatliches Genehmigungsverfahren gewährleisten. Das, meine Damen und Herrn, ehrlicherweise, ist eine Beleidigung all jener, die seit Jahren,

(Philipp da Cunha, SPD: Ja.)

Jahrzehnten saubere Genehmigungsverfahren rechtsstaatlich sicher hier in Mecklenburg-Vorpommern in der Verwaltung organisieren. Und da können Sie sicher sein, das wird auch in diesem Fall so sein.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das haben Herr Backhaus und ich auch den Umweltverbänden gegenüber gesagt, bei diesen, mit denen wir ein Gespräch hatten, da spielte das auch eine Rolle.

Und, Herr Damm, um das noch mal klarzustellen, was Sie eben gerade gesagt haben, ich habe gesagt, eine Genehmigung der Pipeline, einen Genehmigungsbescheid kann es erst geben, wenn zwei Dinge geklärt sind: erstens, dass wir wissen, wo endet die Pipeline und was passiert da, also die technischen Voraussetzungen, das haben wir immer gesagt. Und das Zweite ist in der Tat, wenn das LNG-Beschleunigungsgesetz geändert wird, kann man einen Bescheid erst rechtskräftig dann übergeben, wenn ein solches Gesetz im Bundesgesetzblatt tatsächlich erscheint. Alles, was man sich vorher überlegen kann, ist, glaube ich, kein Verfahren, das nicht angreifbar wäre. Und wir möchten auch vermeiden, dass man aufgrund solcher formalen Punkte Fehler im Genehmigungsverfahren macht. Dafür steht die Qualität unserer Behörden nicht.

Insofern werden wir auch das gewährleisten, und Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt noch einiges zu klären. Morgen geht es weiter. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister!

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne Mitglieder einer Seniorensportgruppe aus Ludwigslust. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie heute dieser spannenden Debatte beiwohnen!

Ich rufe auf für die Fraktion der AfD Frau Federau.