Protokoll der Sitzung vom 11.05.2023

Noch im vergangenen Jahr hat die Landesregierung hier Gelder in diesem Bereich gestrichen.

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Die Beratungsstelle in Schwerin war mehrere Monate geschlossen. Wie vielen Menschen entging wohl dadurch die dringend notwendige Hilfe?

Sehr geehrte Kolleg/-innen, vieles über diesen Antrag, über die Idee, diese GERAS- Idee nach MecklenburgVorpommern zu tragen, wurde schon gesagt. Ich möchte auch in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und unserer Verzögerungen in dem Ablauf heute nicht auf alles jetzt noch mal eingehen. Ich möchte vielleicht ein paar, ein paar große Sachen noch mal glattziehen.

Herr Domke, Sie haben bei der Einbringung gesagt, Ihre, sozusagen Ihre Argumentation hinter so einem Antrag ist jetzt, man muss sich eben mit denen zuerst beschäftigen, die sich hier nicht integrieren wollen, können, wie auch immer. Und ich glaube, wir sind uns hier alle einig dabei, damit, dass wir unseren Kommunen helfen wollen, dass wir in diesem Land mit der Situation, in der wir sind, klarkommen wollen, dass wir die Herausforderungen anpacken wollen. Und ich glaube, ein zentraler Unterschied in der Betrachtungsweise zwischen Ihrer Fraktion und unserer Fraktion liegt darin, dass wir halt sagen, wir wollen uns nicht auf die paar – und auch das wurde jetzt hier ausgeführt, dass es sich hier um einen sehr, sehr kleinen Personenkreis handelt, ich habe offizielle Zahlen nicht gesehen,

(René Domke, FDP: Es geht um die Akzeptanz. – Zuruf von Christiane Berg, CDU)

ich vermute, wir reden von ein paar Dutzend Menschen, die wirklich mehrfach straffällig geworden sind und so weiter und so weiter, ich weiß es nicht –,

(René Domke, FDP: Ja, das ist das Problem, wir wissen es ja noch nicht mal.)

aber unser Ansatz, unser Ansatz wäre zu gucken, wie können wir Menschen hier zu mehr Integration verhelfen. Das heißt nicht, dass straffällig gewordene Menschen nicht rückgeführt werden sollen. Das heißt auch nicht, dass wir uns nicht um bessere Prozesse bemühen sollen, dass wir unseren Behörden nicht auch Arbeit ab

nehmen, indem wir besser das alles koordinieren. Das ist alles damit nicht ausgeschlossen. Die Frage ist nur, und das hat Herr Noetzel gerade auch noch mal schön herausgearbeitet, was ist denn jetzt unsere Priorität, wo drückt denn gerade der Schuh. Und wenn alle Kommunen nach Unterbringung, nach Sprachkursen, nach allem Möglichen anderen, nach Einführung im Arbeitsmarkt schreien, dann kümmern wir uns hier um eine Handvoll von Leuten, die mit so einer Gruppe gar nicht besser rückgeführt werden können, weil die Rahmenbedingungen halt so sind, wie es ja auch der Minister ausgeführt hat.

Und ich glaube, das ist das Problem an diesem gesamten Antrag. Das eine ist die wirklich populistische Art und Weise, wie die Begründung hier gefasst ist, mit der ich wirklich ganz, ganz große Bauchschmerzen habe und –

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

das habe ich ja schon gesagt – die mich auch persönlich da echt ein bisschen betroffen macht und mich nachfragen lässt, was ist eigentlich bei Ihnen los. Und das Zweite ist wirklich die Prioritätensetzung und dieses, was müssen wir jetzt eigentlich zuerst machen und was als Zweites. Das klingt wie eine schöne runde Idee.

Es wird Sie jetzt nicht überraschen, dass meine bündnisgrüne Fraktion hier bei diesem Antrag nicht mitgehen kann. Wir glauben, wir müssen uns über die wirklichen Ursachen austauschen, wir müssen Antworten entwickeln,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

die uns in der momentanen Situation wirklich weiterhelfen. Und dieser Weg der polemischen Symbolpolitik, der ist nicht nur enttäuschend, der ist auch ein Holzweg. Wir wollen keine Mauern bauen. Wir wollen zusehen, dass wir wirklich zum Einwanderungsland werden, und dabei helfen uns solche Anträge nicht. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beatrix Hegenkötter, SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Abgeordnete Martina Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Domke, die Empörung Richtung Herrn Noetzel kann ich nicht ganz verstehen, weil diese Bezüge haben Sie ja tatsächlich selber hergestellt. Da komme ich gleich noch mal kurz drauf zurück.

(René Domke, FDP: Wo habe ich was von Mauerbauen gesagt? – Heiterkeit bei Sandy van Baal, FDP)

Wenn Sie in Ihrem Antrag von „Rückführung ausreisepflichtiger Straftäterinnen und Straftäter“ reden und den Bezug zu den kriminell gewordenen Ausländern laut Polizeistatistik herstellen, brauchen Sie sich nicht zu wundern.

2022 wurden 12.945 ausreisepflichtige Personen aus Deutschland abgeschoben, etwa 8 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. 4.158 von ihnen wurden im Rahmen der Dublin-III-Verordnung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat überstellt. Die Zahl der Personen, die Deutschland freiwillig mittels des REAG/GARPFörderprogrammes verlassen haben, ist ebenfalls um 19 Prozent gestiegen auf rund 7.900 Menschen. Die Gesamtzahl der Personen, die Deutschland freiwillig verlassen haben und dabei eine Grenzübertrittsbescheinigung erhalten haben, liegt bei rund 26.500 Personen.

Warum sage ich das hier überhaupt? Weil Frau von Allwörden zum Beispiel vorhin gesagt hat, dass die Rückführungsoffensive ja überhaupt noch gar nicht wirkt und da einfach nicht mehr passiert. Es wirkt schon langsam, es passiert schon etwas.

(René Domke, FDP: Es passiert schon.)

Zum Stichtag 31. Dezember 2022 waren etwa 304.308 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Von ihnen sind aber etwa 70 Prozent abgelehnte Asylbewerber und -bewerberinnen. Etwa 82 Prozent dieser Ausreisepflichtigen haben eine Duldung. Das ist in den einzelnen Bundesländern etwas unterschiedlich

(Unruhe bei Horst Förster, AfD)

und bedeutet ja nichts anderes, als dass sie eigentlich ausreisepflichtig sind, aber aus irgendeinem Grund nicht abgeschoben werden können und deswegen hier geduldet sind. Und rund zwei Drittel aller Abschiebungen aus Deutschland scheitern. Aber im Antrag der FDP geht es ja nicht um allgemeine Abschiebungen,

(Zuruf von René Domke, FDP)

sondern allein um die Rückführung von Straftätern und Gefährdern. Und da noch mal die Frage an Herrn Domke nach den Zahlen, die ihm da so überhaupt so vorschweben, eben weil Sie diesen Bezug zu der Kriminalitätsstatistik hergestellt haben.

Ich glaube auch nicht, dass wir alle dasselbe meinen, wenn wir von „Straftätern“ und „Gefährdern“ sprechen, die abgeschoben werden sollen. Da hat die AfD bestimmt eine total andere Auffassung zu, als wir sie haben,

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Da gibt es im Aufenthaltsgesetz ganz gute Bestimmungen drüber. Gucken Sie doch einfach mal ins Gesetz!)

weil wir immer von Mehrfachtätern und Gefährdern ausgehen und nicht von Menschen, die kleinste Delikte vielleicht begangen haben,

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

vielleicht auch nur aus Unkenntnis der Rechtslage oder anderem.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Also wir haben hier nicht über Schwarzfahrer geredet.)

Sicherlich sollen aber diejenigen Personen, von denen eine akute Gefahr ausgeht, hiervon betroffen sein. Ja,

auch aus unserer Sicht sind einige ausreisepflichtige Personen im Land, die wir einfach nicht abschieben können,

(Zuruf von René Domke, FDP)

aber wirklich gerne abschieben möchten, und nichts lieber als das täten.

Und dann kommen wir zum Vorschlag der FDP. Sie favorisieren eine gemeinsame Ermittlungs- und Rückführungsgruppe nach Hamburger Vorbild. Ich habe lange versucht, Zahlen herauszufinden, wie erfolgreich diese Gruppe gearbeitet hat. Sie haben vorhin gesagt, sie hat sich bewährt. Vielleicht können Sie dann noch ein bisschen Informationen nachliefern, weil die Zahlen selber, die von Hamburg veröffentlicht werden, was Abschiebungen betrifft, die sind ja nicht besser als unsere Zahlen. Im Gegenteil, die sind eigentlich, wenn man das aufrechnet, schlechter.

Und deswegen würde mich das schon mal interessieren, was jetzt Ihre spezielle Zielgruppe angeht, wie bewährt sich da diese Gruppe hat, die diese Ermittlungen seit 2016 in Person von fünf, bestehend aus Ausländerbehörde und LKA, hier überhaupt, was dabei herausgekommen ist, wenn Sie das als bewährtes Beispiel nehmen. Wie gesagt, die Abschiebungen insgesamt aus Hamburg sind keineswegs besser als unsere Zahlen. Wenn ich mir unsere Zahlen, die der Minister eben hier noch mal zitiert hat, überhaupt angucke, dann sind wir sogar wesentlich besser als der Bundesdurchschnitt. Wir sind mit, wenn man das ausrechnet, ich glaube, es sind 37 Komma soundso viel Prozent, also ein ganzes Stück mehr als der Bundesdurchschnitt und insgesamt sowieso mehr als Hamburg.

Ich habe aber noch ein weiteres Beispiel gefunden, nämlich in Baden-Württemberg,

(René Domke, FDP: Bayern auch.)

die eine spezielle Einrichtung für diese Zielgruppe eingerichtet haben. Das ist ein Sonderstab, der besteht aus 15 Personen, vor allem Polizisten, aber auch Juristen und Verwaltungsfachleute. Die kümmern sich um Mehrfach- und Intensivstraftäter, also eigentlich die Gruppe, die uns hier auch vorschwebt, wenn wir Straffälliggewordene, also Straftäter abschieben wollen. Und in Baden-Württemberg, für Baden-Württemberg waren eben auch Zahlen zu finden. Die haben nämlich in einem Zeitraum von fünf Jahren, also seit 2018 gibt es die, 313 gefährliche Ausländer abgeschoben beziehungsweise ausgewiesen.

Und wenn man weiß, dass Baden-Württemberg ungefähr, nicht ganz, aber fast zehnmal so viele Flüchtlinge hat wie Mecklenburg-Vorpommern, und das einfach mal so runterbricht und guckt, was würde das denn für Auswirkungen auf uns haben, wenn wir solche Spezialisten, das ist eine Gruppe von Spezialisten, für unseren gefühlten oder vermuteten Anteil an Straftätern haben, dann würden wir da auf 1,5 bis 2 kommen. Und das kann ja überhaupt nicht funktionieren. Da ist das Modell, was der Minister uns vorhin schon in Anwendung der mecklenburgvorpommerschen Verhältnisse hier vorgestellt hat, doch wesentlich überzeugender.

Meiner Überzeugung nach muss sowieso jedes Bundesland für sich das angemessene, passende Format oder

die angemessenen, passenden Formate finden, um die Effizienz in diesem Bereich zu steigern. Und ich glaube aber tatsächlich, dass es insgesamt bei Abschiebungen durchaus noch Potenziale gibt, wenn man sich anschaut, warum Abschiebungen scheitern. Eine große Gruppe ist zum Beispiel dabei, die nicht aufzufinden ist, wenn der Tag der Abschiebung angebrochen ist. Und ich glaube, dass in Berlin gestern in diese Richtung auch schon einige Weichen gestellt worden sind, um das in Zukunft vielleicht auch zu verbessern.

Aber egal, wie wir die Effizienz der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen steigern, eines sollten wir nie vergessen: Für Opfer ist es schwer zu verkraften, wenn Täter – und das ist vollkommen egal, ob das ausländische Täter oder ob das deutsche Täter sind – trotz schwerster Verbrechen im Land beziehungsweise in Umgebung dieser Opfer verbleiben dürfen. Opfer sollten meiner Meinung nach auch immer informiert werden, wenn Täter erneut hinter Gittern, wieder auf freiem Fuß oder aber auch abgeschoben sind. Das sollten wir den Opfern schuldig sein.

Ihren Antrag lehnen wir ab.