Protokoll der Sitzung vom 11.05.2023

(Ministerin Simone Oldenburg: Das gibt es schon längst.)

Und dann fordern Sie die Landesregierung auf, Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, wie die Verbesserung des Betreuungsschlüssels von 1 : 15 auf 1 : 14. Darüber haben wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier schon zig Mal geredet. Es wird nicht ausreichen, aber wenn Sie dann wenigstens die Verbesserungen machen wollen, dann machen Sie es doch endlich einfach mal und reden Sie nicht einfach nur dauernd drüber!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Auch die anderen Maßnahmen, die Sie aufzählen, sind nicht geeignet, das Problem an der Wurzel zu lösen. Seit Jahren berichten Experten und Schulleitungen über die zurückgehenden Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen der Grundschülerinnen und Grundschüler. Und seit Jahren versuchen viele Grundschulen hier im Land – in Zusammenarbeit mit Sozialpädagogen und Lerntherapeuten, Schulpsychologen – entgegenzusteuern.

Die Schulschließungen während der Corona-Pandemie, auch darüber haben wir schon häufig gesprochen, haben die Problematik verschärft und beschleunigt, und jetzt kommt der anhaltende Zustrom an Flüchtlingen hinzu. Das Problem ist nun nicht mehr nur mangelnde Rechtschreibung und Lesefähigkeit, sondern dass Kinder am Ende der Grundschule überhaupt nicht Deutsch sprechen und lesen können.

Das Thema ist also komplex und braucht komplexe, aufwendige und langfristig angelegte Lösungen, im Gegen

satz zu den Vorschlägen in Ihrem Antrag. Oder meinen Sie ernsthaft, dass Willkommenstage und Broschüren für die Eltern eine Entschärfung der Thematik bringen werden? Wie wollen Sie Lesekompetenz, also nicht nur die Texte zu lesen, sondern sie auch zu verstehen, zu bewerten und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, mit – wie die SVZ es jüngst bezeichnet hat – preußischen Methoden, also das laute, erzwungene Vorlesen, aufbauen? Glauben Sie nicht, dass die natürliche Neugier und Lernbereitschaft der Kinder mit zusätzlichen Deutsch- und Mathestunden erstickt wird? Und übrigens haben Sie auch nie gesagt, woher eigentlich diese Stunden kommen sollen. Gehen die Kinder dann länger zur Schule oder geht es zulasten anderer Fächer? Das haben Sie noch nicht beantwortet.

(Torsten Renz, CDU: Das entscheiden die alleine nachher.)

Begeisterung beim Lernen ist eine wichtige Ressource –

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

die Kollegin von den GRÜNEN hat es eben gerade gesagt –, und mit den Maßnahmen, die Sie hier vorhaben, steuern Sie dagegen.

(Harry Glawe, CDU: Das entscheidet der Finanzminister.)

Sollen unsere Lehrkräfte, die schon die höchste Unterrichtsverpflichtung deutschlandweit haben, noch mehr Unterrichtsstunden leisten und nebenbei die Fragebögen der Evaluation und Vergleichstests ausfüllen, kontrollieren und verwalten?

Nein, wir müssen grundlegend umdenken. Der Grundstein für erfolgreiches Lernen wird in der Kita gelegt. Hier wird Sprache spielerisch geübt und vermittelt. Kinder lernen nie wieder so einfach, mühelos und gerne wie vor dem sechsten Lebensjahr. Rückstände lassen sich danach auch kaum noch aufholen. Die frühkindliche Bildung legt den Grundstein für einen erfolgreichen späteren Bildungs-, Berufs- und Lebensweg. Hier kann gezielte Förderung auf kognitiver und motorischer Ebene stattfinden, von Augen-Hand-Koordination, Entwicklung sensorischer Integration oder Übungen für einen ausgeglichenen Muskeltonus, alles Voraussetzungen für erfolgreiches Lesen, Schreiben, Rechnen und den Spracherwerb.

Das kann aber nur stattfinden, wenn ausreichend Personal in der Kita zur Verfügung steht, und da sind wir wieder beim Thema. Bund und Länder müssen sich auf ambitionierte gemeinsame Standards für Betreuungsschlüssel und frühkindliche Bildungsinhalte verständigen. Jedes Kind sollte mindestens ein Jahr vor der Einschulung an einem Deutschtest teilnehmen. Werden Sprachdefizite zum Beispiel durch Erzieherinnen oder Erzieher in Kitas und bei kinderärztlichen Untersuchungen früh erkannt, können sie auch gleichzeitig durch zielgerichtete Fördermaßnahmen ausgeglichen werden. Das sind Maßnahmen, die wir brauchen, keine Broschüren, zusätzliche Prüfungen und Drill. Wir lehnen den Antrag darum ab.

Ich will aber auch gleich noch mal kurz auf den Änderungsantrag der CDU eingehen. Dem stimmen wir an sich grundsätzlich zu, aber auch da ist kein Gesamtkonzept vorhanden, denn wir – ich habe es ja gerade erwähnt –, wir wissen nicht, wo die Stunden herkommen sollen und wie das alles verrechnet werden soll.

(Enrico Schult, AfD: Steht doch da drin.)

Deswegen beantrage ich die Überweisung in den Bildungsausschuss und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, FDP und Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE noch einmal Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Also ich finde die Diskussion hier schon sehr merkwürdig.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das lag an Ihrer Einbringungsrede.)

Sie beschweren sich, dass wir die Punkte im Koalitionsvertrag umsetzen,

(Torsten Renz, CDU: Das steht ja gar nicht drin im Koalitionsvertrag.)

und Sie beschweren sich auch, dass wir Maßnahmen über den Koalitionsvertrag hinaus umsetzen wollen. Also das ist schon sehr merkwürdig.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Aber ich bin ja zumindest froh, dass es hier einen Grundkonsens gibt,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Da wurde Ihnen so gut vorgelesen und Sie haben es nicht verstanden. Dabei ging es doch ums Vorlesen.)

einen Grundkonsens gibt dahin gehend, dass die basalen Kompetenzen auch gestärkt werden müssen. Um das zu tun und das auch weiter voranzubringen, geht es um einen ganzen Maßnahmenkanon. Und dazu gehört ganz klar ein Mehr an Unterrichtsstunden für Deutsch und Mathe.

(Torsten Renz, CDU: Zulasten anderer Fächer oder zusätzlich?)

Das ist der unbedingt richtige Weg, und deswegen glaube ich auch nicht, dass jemand etwas dagegen haben kann, und ich gehe davon aus, auch nicht die GEW.

Herr Renz, ich habe mir mein Zeugnis mal aus der Grundschulstufe wieder herausgekramt,

(Heiterkeit bei Thore Stein, AfD)

und ja, daran lässt sich in der Tat ablesen, dass der Deutschunterricht damals einen anderen Schwerpunkt hatte, also einen größeren Stellenwert hatte,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Sie erinnern sich vielleicht, mit den Teilgebieten Lesen, mündlicher und schriftlicher Ausdruck, Rechtschreibung und Grammatik. Und dahinter steckten dann auch entsprechend hohe Stundenzahlen,

(Torsten Renz, CDU: Richtig!)

von elf bis zwölf, glaube ich, war das so, Wochenstunden, bei Mathe waren es fünf bis sechs. Aber sicher ist das mit dem heutigen Stand nicht mehr so ganz vergleichbar. Dennoch interessant, ich erinnere mich daran noch, dass die Klassenlehrerin meiner Tochter sagte, dass den Kindern bis zur Klasse 5 im Vergleich dazu dann ein ganzes Schuljahr gefehlt hat, als das umgestellt worden ist.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Was? – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir hier in Deutschland bei den basalen Kompetenzen in der Tat erhebliche Defizite haben. Auch da sind wir uns einig in der Analyse. Aber wir dürfen, glaube ich, auch nicht so tun, als würde das Gros nicht die Mindeststandards erreichen, also dem ist nicht so.

Und, Frau Wegner, kurz zu Ihnen: Also das, was Sie hier vorgetragen haben, das klingt so, als würde es Motivation und individuelle Förderung und überhaupt guten und innovativen Unterricht gar nicht geben. Also ich bin da wirklich schockiert. Ich finde das auch mehr als schwierig und das diskreditiert einfach auch die hervorragende Arbeit

(Jutta Wegner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie müssen mir zuhören, Frau Rösler!)

vieler Pädagoginnen und Pädagogen an den Grundschulen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Ja, und, Frau Wegner, ich bin auch gern zur Schule gegangen, gerade in den ersten Jahren, später vielleicht nicht mehr so, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich nicht auf die Ferien zu freuen.

Meine Damen und Herren, wir müssen an verschiedenen Stellschrauben drehen, und dies sieht unser Antrag auch vor. Und generell gilt, dass wir nicht auf Aktionismus setzen, sondern auf gut überlegte Lösungen mit allen Beteiligten, unter anderem auch im Bildungsrat, der regelmäßig zusammenkommt. Die Ministerin ist darauf eingegangen und hat das auch genauestens erläutert.

(Der Abgeordnete Torsten Renz bittet um das Wort für eine Anfrage. – Enrico Schult, AfD: Sie kriegen sowieso keine Antwort, Herr Renz.)

Frau Rösler, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Renz?

Nein, eine Zwischenfrage nicht.

Und ich weiß nicht, ich glaube, das war Herr Schult, der meinte, dass die Eltern mehr mit einbezogen werden müssten. Auch darauf ist die Ministerin hier ganz genau eingegangen und hat das genau erläutert. Also da haben Sie offensichtlich nicht zugehört.