Protokoll der Sitzung vom 11.05.2023

Und deshalb kräftigen Dank für den Einsatz unserer Ministerpräsidentin und ihrer ganzen Mannschaft für die Verhandlungen! Wir freuen uns auf den Bericht und die anschließende Aussprache. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender!

Das Wort hat jetzt für die Landesregierung die Ministerpräsidentin Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Gestern haben sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder gemeinsam mit der Bundesregierung, mit dem Bundeskanzler getroffen, um über die Flüchtlingssituation zu sprechen. Dieser Sondertermin war gemeinsam verabredet, und im Fokus sollte eine Lösung für die Finanzfrage stehen, denn es ist klar, bei steigenden Flüchtlingszahlen brauchen wir auch eine steigende Unterstützung des Bundes.

Ich will auf diese Frage gleich zu sprechen kommen, aber mich auch noch einmal vorweg grundsätzlich äußern zu diesem Thema, was die Menschen in unserem Land sehr bewegt. Es ist auch deshalb gut, dass wir heute im Landtag die Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Ich will vorab, vor allen Diskussionen eins ganz deutlich sagen: Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, der Humanität und auch unsere rechtliche Verpflichtung aus dem Grundgesetz, Menschen, die vor Krieg und Gewalt zu uns fliehen, Schutz zu bieten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Humanität ist nicht infrage zu stellen. Und es ist eine große Aufgabe von Kommunen, Ländern und Bund, gemeinsam dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Und ich will als Allererstes denen danken, die nämlich ganz konkret vor Ort diese Aufgabe leisten. Das sind unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, unsere Landräte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch mit den ganzen Partnern, zum Beispiel den Migrationsberatungsstellen, der Kinder- und Jugendhilfe, dem sozialen Bereich. Und ich will allen, die hier helfen bei der gelingenden Aufnahme, aber auch bei der Integration, zum Beispiel auch in Kita und Schule mit Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern und den vielen ehrenamtlichen Helfern, die sich von keiner Hass und Hetze abschrecken lassen, sondern helfen bei dieser humanitären Verantwortung, die Menschen helfen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, denen möchte ich ganz herzlich danken. Es ist eine schwere Aufgabe, eine wichtige Aufgabe, und das ist nicht hoch genug anzuerkennen. Vielen herzlichen Dank dafür!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und wir wissen aus Befragungen, dass die große Mehrheit auch in unserem Land sagt, das ist richtig, dass wir Menschen schützen, die vor Krieg und Gewalt zu uns fliehen, aber viele sagen auch, es ist wichtig, dass das praktisch gelingt, und es ist auch wichtig, dass diejenigen, die nicht dieses Recht haben, auch zurückgeführt werden.

(Zuruf von Daniel Peters, CDU)

Das sind zwei Seiten einer Medaille, und ich will es hier gleich vorweg ganz deutlich sagen: Es ist wichtig für die Akzeptanz von Flüchtlingen, dass wir uns – alle Ebenen: Kommune, Land und Bund – anstrengen, dass die Aufnahme gelingt und dass es auch klar nach den rechtlichen Regeln geht. Darauf müssen die Bürgerinnen und Bürger vertrauen können. Und das ist unsere gemeinsame Aufgabe, das umzusetzen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Sebastian Ehlers, CDU – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Und deshalb ist klar, dass wir gerade in diesen Zeiten, in diesen Zeiten, wo wir viele Flüchtlinge bei uns haben, wo unsere Kommunen vor Ort an praktische Grenzen gestoßen sind, was Unterkünfte angeht, was Kita- und Schulplätze angeht, dass es gerade in diesen Zeiten wichtig ist, deutlich zu machen, dass es nur gemeinsam gehen kann, dass es diese Verantwortungsgemeinschaft ist, von der unser Fraktionsvorsitzender Julian Barlen gesprochen hat. Und wir haben diese Gemeinsamkeit im Land mit unseren Kommunen.

Bereits am 9. März haben wir uns auf einem Flüchtlingsgipfel auf eine gemeinsame Linie verständigt. Und ich will mich dafür noch mal ganz herzlich bedanken, auch für den Antrag hier der MV-Koalition, für den Beschluss des Landtags. Sowohl die Verständigung mit unseren Kommunen im Land als auch der Beschluss im Landtag sind

unsere Leitlinien für die Arbeit der Landesregierung und auch für die Diskussion mit dem Bund. Herzlichen Dank für diese gemeinsame Basis, die wir entwickelt haben!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und Auftrag war ja auch aus diesem Landtagsbeschluss, dass wir uns bei vielen Punkten, dass wir in vielen Punkten vorankommen. Ich will einen konkreten rausgreifen: Der Landtag hat hier auf Basis dieses Antrages beschlossen, dass wir stärker die Wohnungsgesellschaften unterstützen sollen bei der Sanierung von Wohnungen, die noch nicht saniert sind, damit wir eben mehr Wohnungen haben, übrigens nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Studenten, für Rentner, weil wir gerade die Unterbringungsfrage, diesen Druck im Wohnungsmarkt haben. Und nach dieser Landtagssitzung haben wir uns wiederholt mit den Kommunen getroffen und haben gemeinsam dafür gesorgt – vielen Dank an unseren Innenminister und Finanzminister! –, dass es ein Sonderprogramm des Landes gibt, dass wir uns an dieser Sanierung der ungefähr 600 bis 700 Wohnungen beteiligen, dass wir eben nicht so viele Gemeinschaftsunterkünfte machen müssen, dass wir den Druck vom Wohnungsmarkt nehmen – eine konkrete Maßnahme, die wir sofort umgesetzt haben, woran Sie sehen, dass für uns dieser Beschluss eben auch maßgebend ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich, dass wir dazu kommen, dass wir eine sichere Finanzierung haben. Ich will hier ganz deutlich sagen, vor Ort, in den Kommunen spielt gar nicht das Geld allein die Rolle, sondern wir müssen realistisch sagen, dass unsere Kommunen an ihre Grenzen, an ihre Kapazitäten gekommen sind. Und das ist auch klar, denn wir haben so viele Flüchtlinge und Asylbewerber, wie wir noch nicht hatten. 23.000 Flüchtlinge hat unser Land aus der Ukraine aufgenommen, hinzu kommen weitere 7.300 Asylbewerberinnen und Asylbewerber in laufenden Verfahren. Und das führt natürlich an Grenzen unserer Kapazitäten.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Und ich will es ganz deutlich sagen: Das muss uns Sorge bereiten und man kann diese Probleme auch nicht wegreden, denn es ist ja vor allem entscheidend in den Städten, in den Gemeinden vor Ort, ob auch die Akzeptanz da ist und ob auch die Integration gelingt. Denn es sind unsere Kommunen, die sich um die Aufnahme, um das Wohnen, um die Deutschkurse, um die soziale Betreuung, um die Kita- und Schulplätze kümmern, um Arbeit und Integration. Und ich sage es noch mal: Das machen unsere Kommunen bei allen Problemen großartig. Ich habe da großen Respekt vor denen, die sich dieser Aufgabe stellen, und die müssen wir eben auch unterstützen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Denn diese Aufgabe ist weder leicht noch selbstverständlich, und da fängt es natürlich bei der finanziellen Unterstützung an.

Und die letzten Tage der Diskussion und ganz besonders gestern auch die Situation bei den Länderkollegen haben mir gezeigt, dass es gut ist, dass wir in MecklenburgVorpommern schon lange die Regel haben, dass unser

Land 100 Prozent der Kosten für die Unterbringung übernimmt. Also wir übernehmen die Unterbringungskosten mit Wachschutz, mit Sozialbetreuung. Das ist eine wichtige Unterstützung für unsere Kommunen. Und ich möchte unseren Kommunen versichern, unabhängig von der Debatte mit dem Bund, unabhängig davon, dass der Bund eben noch nicht zu diesem Schritt bereit ist, eine dauerhafte Finanzzusage zu geben, gilt für uns als Land, unsere Kommunen können sich darauf verlassen, dass die Kosten, die sie bei der Unterbringung haben, auch von uns erstattet werden. Darauf können sich unsere Kommunen verlassen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zurufe von Sebastian Ehlers, CDU, und Daniel Peters, CDU)

Und ich will es hier ganz deutlich sagen: Deshalb ist es für mich nicht akzeptabel, dass der Bund mit uns hart diskutiert hat, ob bei steigenden Flüchtlingszahlen auch der Bund sich stärker beteiligt. Ja, was denn sonst?! Wir sind eine Verantwortungsgemeinschaft, und ich sage es hier ganz deutlich – ich will da auch gar nicht um den heißen Brei herumreden –, ich fand diese konfrontative Debatte mit der Bundesregierung in den letzten Tagen dem Thema nicht angemessen. Was wir nicht gebrauchen können, ist Finanzstreit beim Thema Flüchtlinge. Wir müssen es lösen, und deshalb ist es gut, dass das Land an der Seite der Kommunen steht und diese dauerhafte solide Finanzlage macht.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Es ist aber nicht richtig, dass die Bundesregierung sich noch nicht zu dieser dauerhaften Finanzierungszusage durchgerungen hat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und deshalb waren sich alle 16 Länder einig – und ich will es sagen, das ist auch immer Inhalt des MPKBeschlusses, am Ende müssen alle 16 Länder zusammenkommen, da müssen Ministerpräsidenten von Herrn Ramelow bis Herrn Söder zusammenfinden, da gibts natürlich auch Kompromisse –, aber wir waren und sind uns einig darin, dass wir erwarten, dass damit Schluss ist, was wir jetzt erleben, dass wir in größeren Abständen immer wieder zusammenkommen und dann neu übers Geld verhandeln müssen, sondern wir wollen in eine Regel kommen, wie wir sie auch aus dem Land kennen, dass, wenn wir steigende Flüchtlingszahlen haben und steigende Kosten haben, dass sich dann der Bund auch verbindlich daran beteiligt. Wir brauchen ein solches dynamisches System, und darüber werden wir mit dem Bund weiter verhandeln.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und obwohl der Bundesfinanzminister im Vorfeld angekündigt hatte, dass kein Geld zur Verfügung steht, und der Bundesfinanzminister auch in den Beratungen deutlich gemacht hat, dass der Bundeshaushalt natürlich vor großen Herausforderungen steht, dass der Bund Einsparungen machen muss von 20 Milliarden Euro – und das ist nicht ohne, und ich kann auch das alles nachvollziehen, weil welchen Haushalten gehts gerade nicht so, die

unter Druck stehen wegen den krisenbedingten Ausgaben –, und obwohl es diese Ansagen gab, haben wir in den Verhandlungen durchgesetzt, dass jetzt schon der Bund anerkennt „steigende Flüchtlinge – mehr Geld“ und den Ländern 1 Milliarde Euro zur Entlastung der Kommunen zur Verfügung stellt. Der Bund hat auch anerkannt nach langen Diskussionen, dass es eine Daueraufgabe ist. Das sind zwei positive Ergebnisse.

Und das Dritte ist, dass wir eine klare Verabredung haben, dass wir in Verhandlungen über ein dauerhaftes System einsteigen. Und es ist für uns als Länder klar, dass diese Verhandlungen zum Erfolg führen müssen. Weder die Kommunen noch die Länder haben einen großen Einfluss darauf, wie viele Flüchtlinge zu uns kommen. Diesen Einfluss hat auch der Bund nur bedingt.

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Aber deshalb ist es auch wichtig, dass der Bund sich an dieser finanziellen Verantwortungsgemeinschaft verlässlich und dauerhaft beteiligt. Das bleibt unser Ziel.

Und was das konkret finanziell bedeutet, möchte ich einmal hier vortragen. Es ist so, dass wir in unserem Land 2021 200 Millionen Euro ausgegeben haben für das Thema Flüchtlinge, 2022 306 Millionen, und wir rechnen in 2023 mit 428 Millionen. Also man kann sagen, ungefähr über 100 Millionen Euro Mehrkosten. Und jetzt die 1 Milliarde Euro bedeutet für uns 19 Millionen Euro mehr vom Bund. Und die gute Nachricht für die Kommunen ist, auch wenn noch 81 Millionen Euro offen sind, werden die Kommunen trotzdem ihre Kosten finanziert kriegen, weil das Land einspringt.

Und jetzt kann sich jeder einmal vorstellen, was in anderen Ländern gerade los ist, die nicht die Regel haben. Die wissen eben, sie haben Mehrkosten, beispielsweise 100 Millionen Euro, aber kriegen nur 19. Und diese Differenz bleibt dann eben nicht nur bei den Ländern, sondern auch bei den Kommunen hängen. Das ist in unserem Land anders, das ist wichtig, das will ich noch mal hervorstechen. Trotzdem ist es deshalb auch für uns wichtig, dass der Bund sich beteiligt. Ich will deshalb darauf hinweisen, dass wir bereits schon beim Jahresüberschuss 50 Millionen Euro zusätzlich auch für diese Ausgaben eingeplant haben.

Ich will aber auch deutlich machen, dass es neben den finanziellen Fragen eben auch um ganz praktische Fragen geht. Und ich habe diese Debatte, die wir in den letzten Tagen erlebt haben, wo ich den Eindruck hatte, dass der Bundesregierung vielleicht noch nicht ganz klar ist, wie die Situation vor Ort ist, habe ich diese Debatte gestern auch zum Anlass genommen und berichtet über die angespannte Lage in Mecklenburg-Vorpommern. Denn obwohl die Kommunen ja die Kosten für Unterbringung erstattet bekommen, sind sie an praktischen Grenzen, an praktischen Problemen. Und deshalb war es uns wichtig, auch über diese Fragen zu sprechen. Und ein ganz wichtiger Punkt für uns ist, dass auch der Bund Liegenschaften zur Verfügung stellt, wo wir Flüchtlinge unterbringen können.

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Und diese Zusage hat der Bund gestern mit dem Beschluss gemacht, auch, dass Baumaßnahmen erleichtert werden. Das ist ein wichtiger Punkt im Bereich der Unterbringung.

Ich will auf einen anderen Punkt eingehen zum Abschluss: Zur finanziellen Seite kommen auch rechtliche Anforderungen an eine konsequente Asylpolitik. Und da waren sich Landesregierung und Kommunen schon im März einig, das Wichtigste ist, dass die Betroffenen schnell Klarheit bekommen, ob sie ein Bleiberecht haben oder nicht, und deshalb ist es wichtig, die Asylverfahren zu beschleunigen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Und der Bund hat mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren zum 1. Januar die Voraussetzungen geschaffen, die wir im Land umsetzen. Wir haben gemeinsam mit unseren Kommunen das Ziel, dass Verfahren zu „Asyl und Flüchtlinge“ in der Regel maximal in sechs Monaten abgeschlossen werden.

Und außerdem werden wir die notwendige Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen in unserem Land nur erhalten können, wenn diejenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, wieder ausreisen müssen. Und hierfür brauchen wir klare Verabredungen des Bundes mit Herkunftsländern.

(Horst Förster, AfD: Nicht nur müssen, sondern wirklich ausreisen!)

Deshalb ist es gut, dass der Bund auch einen Beauftragten eingesetzt hat zur Gestaltung von Rückführungsabkommen. Die sind ja genau auch für die Rückführung wichtig. Und der Bund hat gestern über seine Pläne berichtet, hier zu besseren Ergebnissen zu kommen. Dazu gehört auch, dass wir darüber reden, dass Staaten, die eine EU-Beitrittsperspektive besitzen, wie Georgien und Moldau, dass auch für die Asylverfahren beschleunigt durchgeführt werden können. Es ist sehr, sehr wichtig!

Ich weiß, dass es eine emotionale Diskussion ist von zwei Seiten, von der einen Seite, die ist sowieso verhetzt,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)