Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die sich die Welt noch nie wirklich angeschaut haben. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Möglichkeit, zu diesem Thema zu Ihnen zu sprechen. Und der vorherige Tagesordnungspunkt, den wir hatten, der zeigt uns sehr deutlich, warum es so notwendig ist, darüber zu reden. Dabei möchte ich mich ganz bewusst nicht auf die aktuellen multiplen Krisen der Welt konzentrieren und nicht die Ursache für die alltäglichen Herausforderungen und Schwierigkeiten bei anderen suchen, so, wie es mittlerweile die meisten in unserer Gesellschaft tun. Dabei kommen nicht wenige zu Strategien oder Handlungsvorschlägen, über die wir dachten, dass wir sie überwunden hätten, nämlich Rückzug, Abgrenzung oder Ausgrenzung.
Ich möchte mich ganz konkret auf den Titel dieser Aussprache beziehen und werde versuchen, einen Bogen zu spannen zu unserer parlamentarischen Tätigkeit und der darin enthaltenen Verantwortung, die nicht nur über diesen Tag, sondern auch weit über die Zugehörigkeit zu seiner Partei beziehungsweise die Laufzeit einer Legislatur hinausgeht. Wenn wir das doch nicht immer wieder so leichtfertig vergessen würden, könnten wir in vielem den Menschen von hier aus ein besseres und wirksameres Vorbild sein. Es geht mir um die Verantwortung, um unsere Verantwortung gegenüber unserem Land und damit gegenüber seinen Menschen.
Herr Domke hat es eben angesprochen, Dr. Terpe auch. Ich mache auch seit 33 Jahren Kommunalpolitik. Und das, was ich hier sehr oft mit uns erlebe, das ist nicht würdig, weil in der Kommunalpolitik, da erlebt man, wie man auch zusammenarbeiten kann über verschiedene Grenzen hinaus.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, FDP und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und dann auch in der ersten Stadtvertretung beteiligen, war 14 Jahre Stadtpräsidentin in Parchim. Und das, was ich hier sehr oft erlebe – Herr Ehlers, Sie müssten das aus der Stadtvertretung in Schwerin eigentlich besser wissen –, das ist,
(Sebastian Ehlers, CDU: Sie kennen ja sicher die Diskussion. Da haben Sie uns erklärt, Sie brauchen die Opposition. Jetzt machen Sie es alleine.)
gestritten haben wir immer für beste Lösungen, aber das, was wir uns hier um die Ohren hauen, das ist nicht in Ordnung.
Lassen Sie mich zuerst auf die Verunsicherungen eingehen! Die einzige Sicherheit in unserem Leben ist die Sicherheit, dass es so, wie es gerade ist, schlichtweg nicht bleiben wird. Verständlich, wenn wir alle gerne in positiven Situationen verharren möchten, im schönen Alltag, im schönen Wochenende, im Urlaub, in den guten Augenblicken mit den Kollegen im Unternehmen, im Team, bei der herrlichen Familienfeier. Aber Veränderungen kommen mit der gleichen Unausweichlichkeit, mit der ein Tag dem anderen folgt.
Die meisten von uns kommen mit diesem Wechsel klar, die meisten Menschen nutzen diesen Wechsel für die Vielfältigkeit und die Breite in ihrem Leben, doch nicht allen gelingt das. Fortschreitende Veränderungen anzunehmen, auch in dieser herausfordernden Zeit, ist wohl die größte und beste Strategie, Verunsicherungen entgegenzutreten. Damit tun wir uns sehr schwer.
Digitalisierung, Entbürokratisierung, Dekarbonisierung, erneuerbare Energien, sozialer Zusammenhalt in der Gesellschaft, Migration und, und, und – wenn wir genau hinsehen, benutzen viele diese Themen weniger, um in diesen Fragen für unsere Bürger zu antworten und Orientierung zu geben, sondern wir gebrauchen und missbrauchen diese Themen für den politischen Diskurs unter uns. Wir vollziehen Machtspiele und Armdrücken, erhoffen uns dadurch Aufmerksamkeit und Zuspruch bei den jeweiligen Anhängern und Sympathisanten und verlieren scheinbar nebenbei das Ziel und unsere Aufgabe aus dem Sinn. Die Themen werden zu oft für eine möglichst zotige Debatte gebraucht, um nicht zu sagen missbraucht. Diese zu oft aggressive und verletzende Debatte soll dann auch noch als Beispiel positiv gelebter Demokratie herhalten, doch sie schadet ihr.
Ganz nebenbei bemerkt bringt die destruktive Debatte die Themen nicht wirklich voran. Wir haben es gestern gesehen, gestern, heute, prima Beispiele, gestern bei der Genderdebatte oder auch bei dem Thema „Wirtschaft entfesseln und Wirtschaft ankurbeln“. Die Debatte dazu war nicht so geführt, dass wir sie für unser Land voranbringen konnten.
Das, was wir uns hier tagtäglich oft an parlamentarischer Kultur anbieten, ist unserer Bürger unwürdig, nicht zielführend und führt bei den Menschen, die uns noch interessiert zusehen, zur Verunsicherung. Mit Rückkehr zur Wertschätzung und Sachlichkeit – mein Kollege hat es genau vorher angesprochen – können wir dem entgegenwirken. Hier liegt derzeit unsere größte Chance und, ich befürchte, auch unsere einzige.
Zum Thema Zukunftsängste: Ängste gehören zu unserem Leben. Einige wenige sind real und durchaus beachtenswert. Aber wenn man Zukunftsängste von Menschen schürt, dann wird es ungemütlich. Und leider werden besonders die Zukunftsängste auch politisch benutzt. Oder sollte ich besser sagen missbraucht? Wenn man sich vom Ängsteschüren einen eigenen Vorteil verspricht, dann wird dieses Register immer wieder bis zur Verantwortungslosigkeit bedient.
Und dann noch einmal zur Frage des Populismus. Es ist der Populismus der anderen, den wir erkennen und anprangern, doch leider ist er mitten und überall in unserer Gesellschaft angekommen. Populismus ist zwischen uns angekommen. Doch Populismus ist dünnes Eis. Zunächst hilfreich erscheinend, stolpern wir selbst darüber. Ich erinnere nur gerade, Herr Ehlers, an Ihre Rede. Die hat mir gezeigt, wie Populismus gelebt wird an Ihrer Stelle.
Die so oft mit und durch Populismus zwischen uns verbogene Kultur schadet nicht nur dem vermeintlichen politischen Gegner, nein, der schadet der gesamten Politik. Wir verlieren Glaubhaftigkeit und Vertrauen. Ist hier jemand von den demokratischen Fraktionen nicht für dieses Land und seine Menschen?
Um Lösungen anzubieten, brauchen wir mehr gemeinsame, positive Impulse. Wir müssen die positiven Geschichten miteinander erzählen, die es ja durchaus gibt, wir haben heute viele von ihnen hier gehört, die von hier ausgehen und draußen ankommen. Mit Rückkehr zur Wertschätzung und Sachlichkeit können wir vielen Ängsten und Verunsicherungen erfolgreich entgegenwirken. Hier liegt derzeit unsere Verantwortung und auch unsere größte Chance. Nutzen wir sie! – Vielen Dank!
Frau Kollegin, ich fand es schon erstaunlich, dass bei der harschen Kritik des Kollegen Koplin an der Ampel und damit auch an der SPD es hier so fast stehende Ovationen der SPD gab, aber das nur als kleine Randbemerkung.
Frau Klingohr, wenn man jetzt Ihre Rede gehört hat und Sie jetzt in den letzten zwei Jahren hier nicht erlebt hätte,
Und Sie haben ja den Vergleich zur kommunalen Ebene gezogen, mich hier auch direkt angesprochen. Und auf kommunaler Ebene schätze ich das wirklich sehr. Aber genau Sie sind es doch, und ich mache es an einem konkreten Beispiel fest: Sie erinnern sich vielleicht noch an die Debatte, da ging es um diese Kommission zur Gesundheitsversorgung, die aus der Enquete-Kommission gewachsen ist. Da gab es einen Antrag, ich glaube, es war ein Antrag der GRÜNEN, die gesagt haben, alle Fraktionen sollen da mitarbeiten, auch die Oppositionsfraktionen. Da standen Sie hier, haben gesagt, das machen die beiden Koalitionsfraktionen, dort sitzt die Expertise, wir brauchen Sie dazu nicht. Das ist also Ihr Umgang hier mit der Opposition.
Und deswegen ist es natürlich komplett unglaubwürdig, wenn Sie jetzt so tun, und lassen Sie uns doch mehr zusammenarbeiten.
Wir reichen Ihnen oft die Hand, bei jedem Thema. Wir sehen es in den Haushaltsberatungen. Vielleicht geschehen noch Überraschungen, vielleicht gibt es da noch mal Zustimmung auch zu unseren Anträgen. Also tun Sie doch nicht so,