Protokoll der Sitzung vom 10.11.2023

Insofern freue ich mich auf die Diskussion.

Und ich will nur eine Anmerkung machen, obwohl es nicht vergleichbar ist, aber es ist uns, es ist uns ja gelungen in einer Pandemie, die uns herausgefordert hat,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

da konnten Sie alles nachlesen, jeden Tag: die Bettenbelegung, die Inzidenzwerte, was weiß ich was. Warum ist es nicht möglich, in anderen Bereichen diese Transparenz herzustellen?

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Weil es nicht gewollt ist.)

Warum reichen irgendwelche Links, die auf einigen Homepages da sind, gar nicht mal dahin, wo man überhaupt Werte finden kann, sondern ins Nirwana irgendwo im World Wide Web?

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Weil Rot-Rot vertuschen will. – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Das ist nicht, das ist nicht der Problematik angemessen, und deswegen werbe ich auch gerade für dieses Transparenzregister. Meine Damen und Herren, das ist das, was die Menschen auch zur Orientierung brauchen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP und Beatrix Hegenkötter, SPD)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprachezeit von bis zu 101 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Für die Fraktion der SPD hat das Wort der Fraktionsvorsitzende Julian Barlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Gestern haben wir hier im Landtag zu Recht den vollen Fokus auf Israel, auf den Nahen Osten gelegt, und heute, 624 Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, diskutieren wir hier in diesem Hohen Haus nicht über Humanität und über Ordnung, über den Schutz für Geflüchtete, über die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und dem Land, über unser Bild einer Willkommensgesellschaft, ohne auch die Solidarität mit denen zu erklären, die in der Ukraine, aber auch in der Welt ihre Angehörigen, ihre Freunde, Ehemänner, Söhne verloren haben, die vielleicht ihr Zuhause verloren haben, die tagtäglich bangen müssen, wie es weitergeht. Und zugleich ist – das gehört zur traurigen Wahrheit dazu – die Ukraine eben leider nicht der einzige Krieg, die einzige Krise auf der Welt, die zu Fluchtbewegungen führt.

Und deshalb, meine Damen und Herren, nimmt die Diskussion um Asyl und Migration in diesen Tagen sehr breiten Raum ein, erhitzt dieser Tage die Gemüter. Und diese Situation, meine Damen und Herren, das darf ich für die SPD-Fraktion sagen, nehmen wir sehr ernst. Wir arbeiten gemeinsam, konzentriert und entschlossen an einer Verbesserung und an Lösungen,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Bla, bla, bla!)

meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Jens-Holger Schneider, AfD: Bla, bla, bla!)

Und dafür, …

(Zurufe von Jens-Holger Schneider, AfD, und Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Daran ändert auch Ihr Geblubber nichts.

(Zurufe von Jens-Holger Schneider, AfD, und Jan-Phillip Tadsen, AfD)

… dafür, dass es aktuell kein anderes Thema zu geben scheint

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

als den Umgang mit Geflüchteten, mit Asylsuchenden, dafür gibt es sehr sachliche, dafür gibt es auch sehr reelle Gründe. Und da gibt es aber leider auch solche, die ausgesprochen unsachlich sind und auch wenig hilfreich sind und ganz sicher auch ohne Beitrag zu einer Verbesserung der Situation sind. Und deshalb möchte ich in meiner Rede gerne zu Beginn einmal ein wenig die Spreu vom Weizen trennen und komme zunächst mal zu den sachlichen Fakten.

Weltweit haben wir – ich sagte es eingangs – eine ausgesprochen problematische humanitäre Situation: viele Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Vertreibung. Und die Folge ist eine Fluchtbewegung größten Ausmaßes, die zu sehr hohen Auslastungen unserer humanitären Kapazitäten in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern führt. Und das ist tagtäglich eine große Mühe für die Kommunen, Wohnen, Gesundheit, Kita, Schule, Sprache, Integration, all das zu gewährleisten. Vielerorts arbeiten Hauptamtliche und Ehrenamtliche weit über die Grenzen einer vollen Auslastung hinaus, wissen viele Engagierte oftmals eben nicht mehr, wie sie diese Lage stemmen sollen.

Und hier wird in Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern, in den vielen Städten und Gemeinden – und das möchte ich betonen, wenn wir über dieses Thema wieder reden –, in Mecklenburg-Vorpommern wird in den Städten und Gemeinden seit vielen Jahren, nicht erst seit 2015, aber ab dann in wirklich erhöhter Intensität wirklich Großes geleistet. Unser Dank gilt nach wie vor allen Menschen, egal ob Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, Landräte, Mitarbeiter von Trägern und Diensten, von kommunalen und Landesverwaltungen, Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen, Erzieher, freiwillig Engagierte im Land und auch in den Kommunen, all diesen Menschen, die nicht dicke Backen machen,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

sondern die in die Hände spucken und die Ärmel hochkrempeln. Denen gilt unser Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Gestatten Sie eine, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Minister Dr. Till Backhaus: Nein, bloß nicht! – Der Abgeordnete Julian Barlen wendet sich an das Präsidium.)

Und im Interesse,

(Zurufe von Marcel Falk, SPD, Jan-Phillip Tadsen, AfD, und Torsten Renz, CDU)

und im Interesse dieser Menschen sagen wir ganz klar, und das ebenfalls nicht erst seit heute, sondern zum wiederholten Male – und das bitte ich auch alle einmal zur Kenntnis zu nehmen –, wenn die humanitäre Verantwortung für schutzbedürftige Menschen und das Grundrecht auf Asyl, beidem sind wir vollständig verbunden, nicht bloß Bekenntnis sein soll, sondern wenn dieser humanitäre Anspruch gelebte Praxis sein soll, und das muss er sein,

(Zuruf von René Domke, FDP)

dann muss zwingend die Humanität mit dem praktisch Leistbaren dauerhaft im Einklang sein, dann muss jede Wohnung, jede Gesundheitsdienstleistung, jeder Kita- und Schulplatz, jeder Integrations- und Sprachkurs nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret vor Ort organisiert, durchgeführt und auch bezahlt werden.

Meine Damen und Herren, hier haben wir eine Situation, dass zunehmend nicht mehr das eingelöst werden kann,

was angesichts der steigenden Zahl der Anträge eingelöst werden müsste und das ist mehr als ein rechnerisches Kapazitätsproblem. Das ist eine ernsthafte Bedrohung, und zwar eine ernsthafte Bedrohung für unseren Anspruch, wirklich denen zu helfen, die zuallererst unseres Schutzes, unserer Hilfe bedürfen. Und weil das so ist, meine Damen und Herren, erleben Sie auch hier die MVKoalition, erleben Sie die Ministerinnen und Minister in ihren Zuständigkeiten und allen voran aber unsere Ministerpräsidentin als treibende Kraft für einen menschlichen und zugleich ordnungspolitisch realistischen Umgang mit dieser Lage.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und anstatt jeden Tag, und anstatt jeden Tag eine neue parteipolitische Forderung oder Wendung durch das Dorf zu jagen, sagen wir klar, diese Herausforderung für Europa, für Deutschland und auch für unser Land MecklenburgVorpommern, die lässt sich nicht durch Populismus, die lässt sich nicht durch Effekthascherei oder parteipolitisches Taktieren lösen, sondern nur durch harte Arbeit, durch ein klares Benennen der Themen und eben auch durch wirksame Maßnahmen bewältigen. Da braucht es nicht weniger – ich wiederhole mich – als eine Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen, die diese Aufgaben eben gemeinsam und im Austausch schultern, gemeinsam getragene staatsbürgerliche Verantwortung und nicht den heimlichen Wunsch, durch Eskalation parteipolitischen Honig saugen zu können.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und diese tiefe Überzeugung ist übrigens auch der Grund dafür,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

warum wir als Koalition bereits im März hier in diesem Landtag, in diesem Hohen Hause nicht etwa ein Sammelsurium einzelner Anträge und Forderungen, sondern einen sehr umfassenden, 32 Punkte umfassenden Antrag vorgelegt haben, der sich ehrlich macht

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

und der für jedermann nachvollziehbar beschreibt, wo die Herausforderungen tatsächlich liegen, was zu tun ist. Und zu diesem Zeitpunkt haben wir das hier vorgelegt, und seit diesem Zeitpunkt arbeiten wir übrigens auch konsequent an der Umsetzung.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Und das ist übrigens auch etwas, was wir mal positiv zur Kenntnis nehmen, dass, wenn hier MPKs stattfinden, dann finden die nicht irgendwo im fernen Berlin oder andernorts statt, sondern dann steht das in einem inhaltlichen Zusammenhang zu den Dingen, die wir hier auch im Landtag miteinander besprechen. Zu dem Antrag damals gab es eine große Aussprache und, wie gesagt, unsere 32 Punkte, zu dem Zeitpunkt lag von Ihnen beispielsweise noch nichts vor.

(René Domke, FDP: Das stimmt nicht!)

Und das ist überhaupt keine Kritik, aber lassen Sie uns doch bitte einfach da beieinanderbleiben und nicht heute den Eindruck erwecken, Sie hätten hier der Weisheit letzten Schluss gefunden und würden endlich mal sagen, was gemacht werden muss! Wir diskutieren diese Punkte hier schon sehr konkret und ganz transparent lange miteinander.