Nach dem Antrag der CDU sollen zudem Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Bei einem solchen Herkunftsstaat wird per Gesetz vermutet, dass die Menschen, die von dort kommen, keiner Verfolgung und keinen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Weil es einer individuellen und unvoreingenommenen Prüfung des Schutzgesuchs zuwiderläuft, ist das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten rechtsstaatlich problematisch. Der Einstufung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat muss daher eine sorgfältige Prüfung vorausgehen. Als
wenn aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Für Algerien, Marokko und Tunesien liegt ein Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte vor, das eben diese Voraussetzungen verneint. Ein entsprechendes Gesetz wäre daher nicht zustimmungsfähig.
Die Bundesregierung soll nach dem Antrag der CDU außerdem die Rahmenbedingungen für die Auszahlung von Asylbewerberleistungen durch eine spezielle Chipkarte schaffen. Ein Ergebnis der Besprechungen des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder in der Nacht zum Dienstag war ja, Barauszahlungen an Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einzuschränken und hierzu eine Bezahlkarte einzuführen. Sollten dafür angesichts der konkreten Ausgestaltung der Bezahlkarte gesetzliche Anpassungen notwendig sein, hat die Bundesregierung bereits angekündigt, diese zeitnah auf den Weg zu bringen.
Die FDP geht einen Schritt weiter als die CDU und fordert gleich die Landesregierung dazu auf, die Auszahlung des sogenannten Taschengelds durch die Ausgabe von Bezahlkarten zu ersetzen. Hierzu muss man wissen, auch Bezahlkarten lösen nicht alle Probleme.
die es Leistungsempfänger/-innen ermöglichen soll, ihre Ausgaben an die für sie wichtigen Bedürfnisse anzupassen.
Der vollständige Entzug von Bargeld wird sich daher nicht mit unserer Verfassung in Einklang bringen lassen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
In ihrem Antrag fordert die FDP zudem die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene für die Ausweitung des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage einzusetzen. Hierzu ist anzumerken, dass die Bundesregierung am 25. Oktober 2023 einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung beschlossen hat. Mit dem Entwurf sollen gesetzliche Regelungen reformiert werden, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren. Unter anderem soll danach der Ausreisegewahrsam von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Expert/-innen kritisieren die Neuregelung als unverhältnismäßig.
Vier Wochen Haft für Menschen, bei denen keine Fluchtgefahr bestehe und bei denen man wisse, wo sie seien, ließen sich nicht mit unserer Verfassung in Einklang bringen.
Ob Transitzonen, sichere Herkunftsstaaten, Bezahlkarten oder Ausreisegewahrsam, FDP und CDU nehmen mit ihren Forderungskatalogen massive Verstöße gegen unsere Verfassung in Kauf. Und wofür?
Es sei „das Gebot der Stunde“, heißt es in dem FDPAntrag, „irreguläre Migration … zu unterbinden, indem die Anreize, nach Deutschland zu kommen, gesenkt“ würden.
Auch der Kollege Liskow hat hier eben vor falschen Anreizen gewarnt. Dass in Deutschland getroffene Maßnahmen in irgendeiner Weise auf die weltweiten Migrationsbewegungen eine Auswirkung haben,
Das Konzept, dass Migrationsbewegungen auf bestimmte Bedingungen in Herkunfts- und Aufnahmeländern, sogenannte Push- und Pullfaktoren, zurückzuführen sind, entstammt der klassischen Migrationstheorie aus den 60er-Jahren,
das Konzept der Push- und Pullfaktoren marginalisiere die strukturierende Rolle, die Staaten, Netzwerke und Institutionen für den Migrationsprozess spielen,
ignoriere nicht ökonomische Faktoren und sei nicht dazu in der Lage, die wechselhafte Dynamik des Migrationsgeschehens angemessen zu beschreiben.
Ich möchte exemplarisch auf eine Studie näher eingehen, die das sehr plastisch macht. Dabei handelt es sich um das Paper „Sea Rescue NGOs: a Pull Factor of Irregular Migration?“ von Eugenio Cusumano und Matteo Villa für das European University Institute. Die beiden Wissenschaftler haben von 2014 bis 2019 Migrationsbewegungen zwischen Libyen und Italien analysiert und keinen Zusammenhang gefunden
(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Weil die ja auch weiterwandern, die bleiben ja nicht in Italien, die Leute.)
zwischen der Präsenz von Nichtregierungsorganisationen auf dem Wasser und der Anzahl von Migrant/-innen,
die von der libyschen Küste in Richtung Italien aufbrachen. So sei etwa im Jahr 2015 die Gesamtzahl der Abfahrten aus Libyen im Vergleich zu 2014 leicht zurückgegangen, obwohl der Anteil der von Nichtregierungsorganisationen geretteten Migranten an der Gesamtzahl der aus dem Meer geretteten Migranten von 0,8 auf 13 Prozent gestiegen sei.
Man möchte meinen, solche Arbeiten kann Politik doch nicht einfach ignorieren. Aber natürlich kann sie das. Wer sich den bereits erwähnten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung genauer ansieht, stellt fest, dass danach Paragraf 96 des Aufenthaltsgesetzes geändert werden soll. Nach dieser Vorschrift machen sich bislang nur solche Personen strafbar, die Geflüchtete gegen Geld nach Europa bringen. Künftig soll es für eine Strafbarkeit schon ausreichen, wenn jemand Geflüchteten dabei hilft, ohne ein Visum in die EU einzureisen, und zwar wiederholt oder zugunsten von mehreren Geflüchteten, auch ohne dass diese dafür Geld zahlen.
Seenotretter und Seenotretterinnen handeln nicht gegen Entgelt oder zum eigenen Vorteil, aber durchaus wiederholt und zugunsten mehrerer Geflüchteter.