Protokoll der Sitzung vom 10.11.2023

(Beifall Thore Stein, AfD: Das ist auch gut so.)

und hätten dann die Wahl zwischen dem Verstoß gegen eine neue deutsche Strafvorschrift oder gegen die völkerrechtliche Seenotrettungspflicht.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nach Angaben des UNHCR sind im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 24. September 2023 über 2.500 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ertrunken.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Für eine Vorschrift, die die Rettung von Menschen im Mittelmeer unter Strafe stellen soll, habe ich nur ein Wort: unmenschlich.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Unmenschlich ist es, die Menschen aufs Meer zu locken!)

Die Anträge von CDU, FDP und AfD lehnen wir ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

An dieser Stelle muss ich schon wieder eingreifen. Auch abwertende Bemerkungen über Personen, die hier am Rednerpult stehen,

(Thore Stein, AfD: Welche? Was?!)

sind nicht erlaubt.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Oha!)

Ja, bitte! Und ich möchte auch, dass Sie sich daran halten.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Oha!)

So, für die Fraktion DIE LINKE hat nunmehr das Wort die Abgeordnete Steffi Pulz-Debler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! Nicht NGOs treiben Flüchtlinge aufs Mittelmeer.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Natürlich!)

Hunger, Sklaverei, Gewalt, militärische Konflikte, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit,

(Horst Förster, AfD: Armut!)

Natur- und Umweltkatastrophen mit einhergehender Perspektivlosigkeit zwingen Menschen in der Hoffnung auf ein besseres,

(Horst Förster, AfD: Armut!)

auf ein menschenwürdiges Leben in völlig seeuntaugliche Boote.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Menschen in Not zu helfen und humanitäre Hilfe zu leisten, hat nichts mit Schlepperei zu tun. Seenotrettung ist nicht nur – und ich wiederhole es hier – unsere morali

sche Verpflichtung, sondern nach internationalem Recht eine Pflicht.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der uns vorliegende Antrag reiht sich erneut in den Versuch ein, zivile Seenotrettung zu kriminalisieren und mit Falschaussagen zu belegen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Horst Förster, AfD: Was für eine Arroganz!)

Die Behauptungen, zivile Seenotrettungsorganisationen würden mit Schleppern kooperieren, gemeinsame Sache machen und Treffpunkte für die Übergabe von Geflüchteten vereinbaren,

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

sind haltlos und nicht darstellbar.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist zum Beispiel die Position jeglicher Schiffe via AIS, einem System zum Austausch von Navigationsdaten, öffentlich im Netz einsehbar und die Schiffe der NGOs sind natürlich verpflichtet, diese Ortungssysteme einzuschalten. Dazu kommt, die Anlandungen von Seenotrettungsschiffen werden nicht von Schleppern, sondern von der italienischen Seenotrettungsleitstelle in Rom koordiniert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, über 90 Prozent der Flüchtenden übers Mittelmeer kommen ohne Rettung ans europäische Festland. Seenotrettung ist nachweislich kein Pullfaktor. Wissenschaftliche Untersuchungen haben deutlich gezeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Seenotrettung im Mittelmeer und der Anzahl der Geflüchteten gibt.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Geben Sie mal eine Quelle an!)

Ganz im Gegenteil, die Einsätze von Seenotrettungsschiffen sind eine Reaktion auf die hohen Zahlen der Überfahrten, sie führen zu nicht mehr Geflüchteten, sie führen zu weniger Toten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Quelle!)

Menschen, die über das Mittelmeer fliehen müssen, können dieses zurzeit oft nur in seeuntauglichen Booten. Sie können keine Flugzeuge oder Fähren besuchen/benutzen, sie bekommen ganz einfach kein Visum, und ohne Visum wird man nicht transportiert.

(Thore Stein, AfD: Ja, richtig so!)

Ich denke, es besteht Einigkeit darüber, dass Schlepper skrupellos bis tödlich agieren. Sie tun dies, solange die Nachfrage besteht. Ein humaner Akt zur Rettung von Menschenleben wären sichere Fluchtwege und ein staatlich koordiniertes Seenotrettungsprogramm, wie zu Beginn der Legislaturperiode von der Bundesregierung versprochen, weil dann müssten wir heute gar nicht über die Kriminalisierung von ziviler Seenotrettung sprechen.

Da es dieses Programm nicht gibt, übernehmen zivile Seenotrettungsorganisationen, unterstützt durch ein breites Bündnis von Kirchen, Vereinen, Verbänden, diese zutiefst humanitäre Hilfe.

(Der Abgeordnete Jan-Phillip Tadsen bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete?

Nein, danke!

Die ohnehin geringe staatliche Finanzierung von 2 Millionen Euro jährlich können die riesigen Kosten dieser Organisationen gar nicht abdecken. Diese finanzielle Unterstützung einzustellen, wäre fatal und unverantwortlich. Deshalb wiederhole ich gerne die Forderung auch meiner Fraktion nach einer staatlich organisierten und koordinierten Seenotrettung und fordere die Bundesregierung auf, sich an ihr Versprechen zu halten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleg/-innen Abgeordnete! Angesichts der einseitigen Darstellung der AfD einige Fakten zu Lampedusa und Italien.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Medienwirksam wurden im August und September Bilder von Tausenden Ankommenden verbreitet, die den Forderungen nach mehr Härte in der europäischen Asylpolitik Nachdruck verleihen sollten. Ursula von der Leyen besuchte gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Meloni die Insel, um gemeinsam die Bekämpfung der sogenannten irregulären Migration zu bekräftigen. Nicht erwähnt wurde, dass das als Hotspot bezeichnete Lager für Geflüchtete lediglich Platz für knapp 400 Menschen aufweist und trotz der steigenden Zahlen in den letzten Jahren die Aufnahmekapazitäten nicht erhöht worden sind. Nicht erwähnt wurde, dass Italien in den letzten Jahren viel weniger Menschen aufgenommen hat, als es über den Verteilungsschlüssel hätte aufnehmen müssen.