Die Bilder der Überforderung Italiens sind irreführend und kein Zeichen dafür, dass Italien besonders viel Geflüchtete aufnimmt, im Gegenteil, sie sind ein Zeichen von maximaler Unsolidarität innerhalb der EU Italiens.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Horst Förster, AfD)
Nicht erwähnt wurde, dass der Besuch von der Leyens und Melonis von Demonstrationen der Insulaner begleitet wurde, die forderten die Weltgemeinschaft und die EU auf, dass Menschen keinen Grund mehr haben,
nach Lampedusa zu kommen, und sich für eine legale Aufnahme dieser Menschen aussprachen. Nicht erwähnt wird, weder in den Medien noch heute durch die AfD,
Nicht erwähnt wurde, dass Anwohnerinnen und Anwohner die Geflüchteten mit Wasser, Pizza und Decken versorgten und auf den Plätzen des Ortes Gespräche und Austausch stattfanden und stattfinden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mitnichten werden wir uns an die Seite der Postfaschistin Meloni stellen und eine Seeblockade im Mittelmeer unterstützen.
Eine solche würde das völlig falsche Vorgehen unterstützen, Menschen anstatt Fluchtursachen zu bekämpfen. Für uns steht fest, Seenotrettung ist Pflicht. Man lässt Menschen nicht ertrinken! Punkt!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! Die seit Monaten geführte hitzige Debatte über den Umgang mit Migration in Deutschland hat Fieber, Abschreckungs- und Abschiebungsfieber. Die Debatte über Schutzsuchende skandalisiert Migration und Flucht zunehmend und ein Überbietungswettbewerb in Sachen Asylrechtsverschärfung lässt uns fast täglich in neue Abgründe der schwindenden Menschlichkeit blicken. Geschürt werden Diskurse und Praktiken der Spaltung, man spricht von Unterschieden zwischen Menschen wie uns und anderen, es wird suggeriert, Geflüchtete seien die zentrale Ursache für bestehende Missstände wie fehlender Wohnraum oder fehlende Schul- und Kitaplätze.
Geflüchtete werden so zum Sündenbock der verfehlten Sozialpolitik der zurückliegenden Jahre gemacht, anstatt diese Probleme tatsächlich zu lösen.
Liebe Kolleg/-innen der CDU-Fraktion, ich teile Ihren Wunsch nach wieder mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt. Dann lassen Sie uns heute und jetzt damit beginnen, mit Respekt und Achtung allen Menschen gegenüber!
Zu Ihrem Antrag: Weil Dänemark in den letzten Wochen und auch in Ihrem Antrag gerne als Vorbild genommen wird, habe ich mir die dänische Asylpolitik genauer angeschaut, und ich kann sagen, es ist nicht alles Hygge, was aus Skandinavien kommt. Die dänische Asylpolitik gilt als eine der strengsten in Europa und wird nicht nur von Flüchtlingsorganisationen und dem UNHCR, sondern auch innerhalb der EU hart kritisiert. Das Ziel der dänischen Regierung ist es, das Land für die Einwanderung so unattraktiv wie möglich zu gestalten, und das auf Kosten europäischer Werte und der solidarischen Verteilung Schutzsuchender innerhalb der EU. So wendet sich Dänemark strikt gegen eine verbindliche und permanente Verteilungsquote.
Zum Vergleich: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind in Dänemark 1.048 Asylanträge registriert worden, im gleichen Zeitraum in Deutschland hingegen 125.566.
In den von Ihnen erwähnten Rückkehrzentren verweilen abgelehnte Asylbewerber/-innen so lange, bis die Sicherheitslage im Herkunftsland eine Rückkehr möglich macht. So sitzen Menschen jahrelang fest, ohne Perspektive und ohne Integrationschancen. Das führt in nicht wenigen Fällen dazu, dass die Geflüchteten in anderen Ländern innerhalb der EU Schutz suchen. Auch das ist extrem unsolidarisch, denn europäische Solidarität ist der Schlüssel und die Voraussetzung für eine faire Verteilung und Aufnahme von geflüchteten Menschen, sie ist wesentlicher Bestandteil menschenwürdiger Politik. Dafür sollten wir uns alle hier lautstark einsetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wie bereits in der Septembersitzungswoche dargestellt, verbreitet der tunesische Präsident Saied seit Anfang des Jahres Verschwörungserzählungen über einen angeblich großen Austausch. Massive Verfolgung, Gewalt bis hin zum Aussetzen Hunderter Menschen in der Wüste waren und sind die barbarischen Folgen.
Es werden Oppositionelle und Akteur/-innen der Zivilgesellschaft verfolgt und inhaftiert, die Meinungsfreiheit eingeschränkt und die Unabhängigkeit der Justiz ausgehöhlt. Schwere Menschenrechtsverletzungen, ähnlich wie gegenüber den Freiheitskämpfer/-innen im Iran, den Jesid/-innen aus dem Irak oder den Kurd/-innen in der Türkei stehen mitnichten für Sicherheit. Diese Länder sind weder sichere Herkunftsländer noch Länder, mit denen Rückabnahmeabkommen geschlossen werden sollten, denn Menschenrechte enden nicht an unserem Gartenzaun und auch nicht an den europäischen Außengrenzen.
Frau Präsidentin, ich warne eindringlich davor, mit Debatten über Abschiebung oder Grenzkontrollen der Bevölkerung suggerieren zu wollen, dass Migration durch diese Maßnahmen irgendwie regulierbar ist.
Ich warne davor, Lösungen zu versprechen, die nicht zu weniger Schutzsuchenden führen. Zum einen ist die Schutzquote der Geflüchteten so hoch wie noch nie, sie liegt aktuell bei über 70 Prozent. Die Menschen kommen also mit einem berechtigten Anliegen nach Schutz zu uns.
Dies wird nicht durch eine verschärfte Abschiebepraxis oder verstärkte Grenzkontrollen geändert, denn Kriege und vielschichtige Krisen zwingen Menschen, ihre Heimat zu verlassen.
Deshalb lassen Sie uns endlich die Ursachen für Flucht und Vertreibung bekämpfen, und hören Sie bitte auf, Geflüchtete für soziale Missstände in Deutschland verantwortlich zu machen!
Wir brauchen eine gerechte Vermögensverteilung in Deutschland, verbunden mit Investitionen in Wohnungsbau, und eine engagierte Sozialpolitik von einer echten Kindergrundsicherung bis zu einer armutsfesten Rente. Das sind Lösungswege, die uns als Gesellschaft tatsächlich weiterbringen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen! Auch die FDP reiht sich leider in die Abwehrdiskussion von Geflüchteten ein, fordert Leistungskürzung und Sachleistungen. Ignoriert wird von der FDP, dass diese These wissenschaftlich nicht belegt ist, wonach Menschen vorrangig durch die finanziellen Mittel, die sie in Deutschland bekommen, angezogen würden.
Der Wissenschaftliche Dienst im Bundestag und Migrationsforscher/-innen stellen fest, dass die Theorie der Push- und Pullfaktoren aus den 60er-Jahren zwar immer mal wieder hervorgeholt wird, aber längst überholt ist.
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Horst Förster, AfD, und René Domke, FDP)
Zu den wirklich entscheidenden Faktoren für die Wahl des Zufluchtsortes gehören die Aussicht auf Schutz, Anwesenheit von Familie, von Community und die Aussicht und die Chance auf Bildung und Arbeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleg/-innen der FDP-Fraktion! Ehrlich gesagt, es ist zynisch zu behaupten, dass Menschen ihr Leben riskieren, auf der Flucht gefoltert, vergewaltigt werden, nur, weil Sie in Deutschland Sozialleistungen bekommen,
die im Übrigen das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich unterschreiten. Als Partei, die von sich behauptet, die Partei der Freiheit zu sein,
erwarte ich, dass der Freiheitsbegriff nicht nur für ausgewählte Gruppen zählt oder nur die Freiheit des Kapitals bedeutet. Freiheit und Menschenwürde sind nicht zu relativieren.