(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)
Soweit, meine Damen und Herren, unsere Gedanken zu „Vertrauen stärken – Zusammenhalt festigen und Demokratie verteidigen“. – Herzlichen Dank fürs Zuhören! Ich freue mich auf die Debatte.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Conventer Schule Rethwisch. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie heute hier sind und der sicherlich sehr interessanten Debatte beiwohnen können!
Ich rufe auf für die Landesregierung den Innenminister Herrn Pegel in Vertretung für die Ministerpräsidentin. Herr Pegel, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich von der Ministerpräsidentin die herzlichsten Grüße ausrichten. Sie ist erheblich erkrankt, bittet um Nachsicht, dass sie deshalb nicht teilnehmen kann. Von hier aus meinerseits – und ich hoffe, auch in Ihrem Namen – die besten Genesungswünsche, auch an die weiteren Kolleginnen und Kollegen, die erkrankt sind.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Nikolaus Kramer, AfD, und René Domke, FDP)
„Vertrauen stärken – Zusammenhalt festigen – Demokratie verteidigen“ ist die Überschrift, und die kommt in eine schon eben deutlich angesprochene extrem emotional aufgeladene Grundstimmung – nach meinem Eindruck schon über längere Zeiträume – in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Mecklenburg-Vorpommern. Und wir erleben aktuell im Januar, einem Monat, der in polizeilicher Sicht eigentlich eher einer zum Abbauen von Überstunden ist – das gelingt in diesem Jahr nur neuerlich nicht, wir haben so eine Situation 2022 bereits einmal im Januar erlebt –, eine Situation, wo wir Proteste, eben angesprochen, der Landwirtinnen und Landwirte wahrnehmen. Wir erleben, in diesem Lande zumindest, auch
Autokorsos anderer Beteiligter, wir nehmen vor allen Dingen ganz viel Wut und Unzufriedenheit wahr und ganz viel Frust. Da kann man am Ende des Tages sagen, das ist irgendwie alles einzelnen politischen Entscheidungen zuzuordnen. Daran glaube ich nicht – ich weiß, dass manche dazu eine andere These vertreten –, ich glaube, das sind Grundthemen, also eine Grundstimmung. Und die Grundstimmung können auch nur viele Menschen gemeinsam verändern.
Ich bin nicht sicher, ob die aktuellen Protestformen uns nicht in einigen Monaten noch einmal wieder in Erinnerung rufen werden, weil ich überzeugt davon bin, dass das, was wir jetzt an Protesten erfahren haben, eine Kultur prägt, die sich fortsetzt. Und ich hoffe, dass wir gemeinsam aushalten, wenn auch andere für andere Inhalte in gleicher Weise zum Teil sehr massiv in den Alltag vieler Menschen, die durchaus sich solidarisieren mit dem, was dort vorgetragen wird, aber in den Alltag von Menschen eingreifen. Wenn wir also innerhalb von einer Woche zweimal erhebliche Einschränkungen auf Autobahnen erleben, dann bin ich nicht sicher, wie häufig eine Gesellschaft, um Zusammenhalt zu halten, wie oft eine Gesellschaft das in den kommenden Monaten und Jahren und zu welchen Themen alles aushält.
Und ich will auch formulieren – und bei beiden Stellen schaue ich kritisch drauf, wenn so ganz massiv anderen Menschen sehr viel Blockade entgegengebracht wird und sie damit in ihrer Grundrechtsausübung selbst gehindert werden, in ihrem Leben massiv beeinträchtigt werden –, wir haben uns, …
… wir haben im Kontext von jenen, die mit erheblicher Härte Klimaschutzthemen nach vorne stellen und sich auf Straßen festkleben, durchaus, wie jetzt auch, emotionale Debatten erlebt.
Und ich kann mich zuweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass einige von denen, die jetzt auf andere Weise durchaus erhebliche Blockadesituation herbeiführen, im Zweifel im vergangenen Sommer durchaus sehr kritisch auf diese Aktivitäten geschaut hätten.
Und ich halte es im Übrigen für möglich, dass es aktuell genau umgekehrt ist. Ich habe den Eindruck, dass wir Gruppen haben, die sehr weit auseinanderliegen, sich ähnlicher Protestformen bedienen, die aber, wenn der jeweils anderes ausübt, mit einer sehr unversöhnlichen Blickrichtung da draufschauen. Wir werden eine gemeinsame Aufgabe haben,
wir werden eine gemeinsame Aufgabe haben, genau diese Eskalation nicht weiter nach oben laufen zu lassen.
Meine Damen und Herren, das gilt im Übrigen auch für alle die, die politisch und gesellschaftlich in Verbänden, in Parteien, in Parlamenten Verantwortung tragen. Wir dürfen – zugespitzt selbstverständlich – Diskussionen führen, das gehört im demokratischen Dialog dazu. Die Frage ist, bei welcher Grenze ich in der Art, wie ich jemanden anspreche, argumentiere: Geht es eigentlich noch um das Argumentieren für meine Position oder geht es schon um das Diskreditieren des anderen?
Und wenn ich umgekehrt draufschaue, wenn ich umgekehrt draufschaue, wenn ich zugespitzt diskutiere, wenn ich zugespitzt aufrufe, muss ich auch vorher wissen, wie ich eigentlich hinterher mit jenen, die mir folgen, die sich von mir vertreten fühlen, umgehe. Um das mal sehr salopp zu formulieren, wenn ich die Leute erst mal auf die Bäume gebracht habe, muss ich eine Idee haben, ob ich sie eigentlich und wie ich sie wieder runterbekomme.
Und meine große Sorge ist, dass wir momentan an vielen Stellen – und da nehme ich mich mit allen anderen Beteiligten oft nicht aus –, jeder von uns immer wieder kritisch prüfen muss, bringen wir jetzt in Situationen Menschen auf Bäume und wissen in Wahrheit nicht, egal, wie der Diskurs zu Ende geht, in Wahrheit nicht, wie wir sie auch wieder runterbekommen, und umgekehrt aber auch eine gesellschaftliche Grundstimmung, in der sich nicht wenige auch gerne auf die Bäume bringen lassen. Es scheint momentan kommod zu sein, das zu tun. Das trägt nicht dazu bei, dass wir das wechselseitige Vertrauen stärken und dass wir Zusammenhalt festigen.
Von daher haben wir nach meiner Überzeugung eine große Aufgabe, gerade alle die, die in gesellschaftlichen Gruppen eine Multiplikatorenfunktion haben, die politisch engagiert sind. Wir haben auch eine Funktion, bei allem Streit in der Sache immer wieder am Anfang zu überlegen, wenn ich einen Diskurs lostrete, wie kriege ich eigentlich am Ende auch Menschen wieder nicht auf eine Position geeinigt – das wird nie funktionieren –, aber zumindest wieder darauf verständigt, dass wir in einem demokratischen Diskurs wissen, dass Mehrheiten Entscheidungen treffen und diese Mehrheiten dann auch diejenigen sind, mit denen wir verbindlich umgehen.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Jan-Phillip Tadsen, AfD: Dass Regierungen auch abgesägt werden können.)
Und weil der Zwischenruf erfolgt – genau das ist eines der Wesenselemente der Demokratie, dass Regierungen sich verändern können, dass jedes Mandat auf Zeit ist. Aber Demokratie lebt eben auch davon, dass niemand weiß, wenn man ehrlich ist, niemand weiß, was die Mehrheit, das Volk eigentlich will.
Und umgekehrt nehme ich eine Stimmung wahr, und die ist in aktuellen Demonstrationslagen positiv erkennbar, dass viele Menschen sagen, es gibt einen Punkt, es gibt eine gesellschaftliche Grundstimmung, in der man sich auch gemeinsam bekennen muss. Und da stehen Menschen zusammen auf Märkten, die mit Sicherheit nicht alle die gleiche Partei gewählt haben, die mit Sicherheit bei vielen inhaltlichen Fragen nicht die gleiche Position vertreten, die aber sagen, es gibt Grundfesten, für die ich eintrete. Es ist die Grundfeste der Demokratie, es ist, auch wenn Sie es nicht gerne hören, die Grundfeste, dass wir das, was inhaltlich zumindest aus dem Treffen in Potsdam rausgedrungen ist, dass das mit dem, was wir im Grundgesetz verankert sehen – nach unserer tiefen Überzeugung und offenbar der vieler anderer Menschen –, nicht vereinbar ist, meine Damen und Herren,
und dass auf Marktplätzen insbesondere nicht akzeptiert werden will, dass wir eine Grundstimmung schaffen, eine Grundstimmung, die versucht wird, indem man Gruppen stigmatisiert, immer wieder unterschwellig stigmatisiert.
Und da ist beinahe wie ein Geschenk des gestrigen Tages – nein, es bleibt ein Geschenk, losgelöst von der heutigen Sitzung –,
das Bundesverfassungsgericht ist sehr klar, sehr deutlich, sehr klar, sehr deutlich mit der ehemaligen NPD, heute unter dem Decknamen „Heimat“ unterwegs, mit der NPD umgegangen und hat sehr klare Hinweise gegeben. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde – ich weiß, dass manche das nicht gerne hören –,
ein Verstoß gegen die Menschenwürde sind politische Konzepte, die auf die Missachtung gerichtet sind, die einer vermeintlich ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehörende Beteiligte versuchen, in Gruppen zu fassen und zu stigmatisieren. Die Forderung nach Trennung von Ethnien und Kulturen ist ein Indiz genau für so ein Vorgehen und Denken. Die Diffamierung einzelner Gruppierungen und Minderheiten ist ein Zeichen dafür. All das nachzulesen in der gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.