Protokoll der Sitzung vom 24.01.2024

Ich habe einen kleinen, pfiffigen Jungen bei mir in der Kita, ein kleiner FASD-Superheld mit Special Effects. Jeden Tag aufs Neue muss er lernen, mit den Kindern in den Kontakt zu treten. Aber er tritt nicht in Kontakt wie andere kleine Kinder, sondern er schubst, er ruckelt und er kämpft mit ihnen. Aber er möchte gerne dazugehören. Er ist pfiffig, er kann viele Dinge mit uns mitmachen, wie jedes andere Kind. Aber er hat seine speziellen Dinge, die er jeden Tag wieder neu erlernen muss.

Und bei uns im Land wird vielerorts Aufklärungs- und Beratungsarbeit geleistet – nicht genug, das ist hier schon auch gesagt worden. Und der Vater – er ist auch ein Pflegevater, der mit mir oft im Austausch dazu ist – hat mir auch versichert, dass die Angebote in unserem Land schon sehr gut sind und dass auch von den Ämtern, von den Jugendämtern viel geholfen wird. Aber natürlich wollen wir an diesem Thema weiter dranbleiben. Diese Angebote werden wir weiter unterstützen, denn nur gemeinsam können wir das gesellschaftliche Bewusstsein schaffen, dass Kinderschutz bereits in der Schwangerschaft beginnt.

So wird in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt ein flächendeckendes, wohnortnahes und plurales Netz von insgesamt – die Ministerin erwähnte es – 42 Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen bereitgehalten. Hier kann sich jeder und jede in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen informieren und beraten lassen. Bei allen Präventionsveranstaltungen der Lan

deskoordinierungsstelle für Suchtthemen zum Thema Alkohol wird auch über die Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft aufgeklärt. Außerdem bietet die Institutsambulanz am Zentrum für Nervenheilkunde in Rostock Diagnostik, Beratung und Therapie zum Thema FASD an. Darüber hinaus gibt es auch eine Selbsthilfegruppe „Leben mit FASD“, die an den Pflegeelternverein Nordwestmecklenburg angebunden ist.

Die Landesregierung hat im vergangenen Jahr ihre Anstrengungen verstärkt und wird es auch weiterhin tun, um für das Problem FASD zu sensibilisieren und darüber aufzuklären. Angefangen von Aufklärung für Schülerinnen und Schüler sowie Unterstützung und Beratung von angehenden Eltern bis hin zu Fachtagungen und Sensibilisierung der Gesundheitsämter wird das Thema von allen Seiten angegangen. Zudem sei die Förderung der Sucht- und Drogenberatungsstellen, der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen hervorgehoben. Die Förderung für die Koordinierungsstelle wurde im jüngst beschlossenen Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025 auch noch einmal angehoben.

Alle diese Anstrengungen verfolgen ein Ziel: Wir müssen ein gesamtgesellschaftliches Verständnis dafür entwickeln, welche langfristigen Folgen selbst geringe Mengen Alkohol für das Kind während der Schwangerschaft haben. Hierfür setzen wir uns klar weiter ein und werden weiter intensiv an diesem Thema arbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Terpe.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja gesagt worden, was FASD ist. Und wir haben, glaube ich, ein nach wie vor bestehendes Aufklärungsproblem, aber wir haben natürlich auch ein Zuordnungsproblem.

Die FDP hat eine Kleine Anfrage gestellt vor einiger Zeit – ist auch beantwortet worden, die Anfrage –, und da heißt es, 2020 und 21 gab es in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt eine Diagnose von Alkoholembryopathie, nämlich eine einzige. Und das ist auch ein Teil des Problems, wir haben in der internationalen Klassifikation der Krankheiten nach wie vor diesen alten Begriff „Alkoholembryopathie“, die einherging damals mit Dysmorphie im Gesicht. Die Leute haben also gesagt, das erkenne ich auf Anhieb, ja. Aber das ist heute nicht das, was wir insgesamt unter Alkoholspektrumstörungen verstehen, weil da ein viel umfangreicheres Schädigungsbild uns sozusagen durch die Betroffenen präsentiert wird. Das können Verhaltensauffälligkeiten sein. Ich glaube, die Kollegin Klingohr hat das gemeint mit ihrem Kind da in der Kindertagesstätte – das sieht sicherlich nicht dysmorph im Gesicht aus, sondern hat eben Auffälligkeiten. Das sind Verhaltensauffälligkeiten, das sind manchmal Depressionen, also ein ganz unterschiedliches Bild. Und deswegen kann man auch davon ausgehen, dass unter Umständen sogar eine Dunkelziffer noch sein kann, weil nicht jedes Kind sozusagen diagnostiziert werden kann.

Sie müssen sich das so vorstellen, dass eine Diagnose zu dieser Alkoholspektrumstörung ganz wesentlich durch die Anamnese geprägt wird, das heißt also, es wird bei bestehenden, meinetwegen in Behandlung befindlichen oder in Beratungsstellen befindlichen Kindern oder auch in der psychiatrischen Institutsambulanz auffallenden Kindern, wird nachträglich geguckt, hat es da Alkoholkonsum in der Schwangerschaft gegeben. Also es gibt per se nach der Geburt keine, sagen wir mal, Laboruntersuchung oder was man sonst so untersuchen kann in der Medizin, die einem sagt, also da liegt eine Alkoholspektrumstörung vor, ohne dass man vorher oder ohne dass man dann dazu die Anamnese gemacht hat.

Ich habe das deswegen so ein bisschen umfangreicher ausgeführt, weil man ja schon sehen kann, wir haben – durch internationale Studien und auch durch deutsche Studien belegt – einen Wert von diesen 10.000, ja, die pro Jahr mit so einer Spektrumstörung zur Welt kommen, möglicherweise sind es ein paar mehr, weil Dunkelziffer kann sein, und wenn man das runterrechnen würde auf Mecklenburg-Vorpommern, müssten wir in der Tat 160 bis 200 Kinder pro Jahr haben, die dazukommen. Und wenn die Ministerin sagt, 2022 haben sich 23 Frauen … Habe ich das richtig jetzt, ich weiß nicht, ist sie da?

(Torsten Koplin, DIE LINKE: 22, ja. 22.)

Aber ich glaube, sie hat von 23 Frauen gesprochen, die mit Alkoholkindern oder so in die Beratungsstellen gegangen sind. Dann weiß man, wie gering im Grunde die auf…, also die aufgedeckte Zahl ist beziehungsweise wie viele Frauen und Kinder sich der Beratung, sozusagen nicht entziehen, aber vielleicht da gar nicht auftauchen. Also natürlich haben wir ein erhebliches Problem.

Man muss aber auch sagen, dass der FDP-Antrag ja nicht jetzt per se das Thema aufgemacht hat, sind unsere Beratungsstellen für die Fälle, wo es schon in den Brunnen gefallen ist – das Problem oder das Kind –, ausreichend, sondern gerade nach der Prävention gefragt hat,

(David Wulff, FDP: Sehr gut erkannt.)

nämlich, wie. Ne, also das ist manchmal auffällig, dass wir über alles Mögliche reden, aber speziell ist hier der Fall „Prävention“ gefragt:

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Sind da sozusagen die Strukturen auskömmlich? Und da wird man sicherlich sagen, es gibt erstens unterschiedliche Ansatzpunkte bei der Sache, nicht. Wir haben deutschlandweit ja die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, wo immer mal wieder – und ich glaube, wir haben auch für andere Krankheiten schon auch gute Aufklärungskampagnen –, aber wir müssen uns fragen, kommt das wirklich da an. Und deswegen ist es richtig, auch zu sagen, haben wir eine Möglichkeit, in den Schulen etwas zu machen. Ich weiß das von meinen Kindern, dass dort im Rahmen von Projektwochen solche Themen tatsächlich auch behandelt werden. Und das ist auch richtig so!

Wir haben – und das ist richtigerweise auch angesprochen worden – das System der Familienhebammen. Und da geht es nicht darum, dass die betroffenen, möglicherweise betroffenen Frauen sozusagen dort hingehen,

sondern da gehen die Hebammen in die Familien. Das ist die sogenannte aufsuchende Hilfe. Und wir müssen uns darum kümmern, dass die Problem-, möglicherweise Problemschwangerschaften oder „Problemfrauen“ mit, sozusagen, dann auch gefunden werden, wo man aufsuchen kann – Familienberatung, gynäkologische Beratung –, ist alles genannt worden.

Und ich sage mal aus meiner eigenen Erfahrung, es hat sich in der deutschen Gesellschaft bei diesem Thema auch eine ganze Menge getan. Ich verfüge ja doch schon über eine längere Lebenserwartung,

(Zurufe aus dem Plenum: Erwartung?)

und dass der Alkoholgenuss,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

der Alkoholgenuss in der Schwangerschaft ist in den vorangegangenen Generationen nicht thematisiert worden, weil man es nicht wusste.

(Horst Förster, AfD: Genau.)

Und natürlich ist es so: Der beste Schutz ist kein Alkohol in der Schwangerschaft! Und das müssen wir festhalten, dafür können wir uns alle engagieren. In unseren Familien können wir uns engagieren, im Umfeld, im Bekanntenkreis, dass man tatsächlich darauf hinwirkt: Alkohol ist ein Tabu in der Schwangerschaft, wenn man nicht dieses Risiko eingehen will!

Ich weiß, dass das in meiner Familie gut klappt. Ich glaube, es klappt in vielen Familien gut. Aber es gibt eben diese Gruppe – und wir haben gesagt, 160 bis 200 Frauen, sozusagen mit Kindern –, die dafür in Betracht kommen. Und dann wissen wir, wir machen, wir können noch, oder wir haben noch nicht genug gemacht.

(Christine Klingohr, SPD: Stimmt.)

Also, alle Kraft in die Prävention, damit das Kind gar nicht erst in den Brunnen fallen kann! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender!

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Becker-Hornickel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordnete – meine Damen und Herren Abgeordnete, so viel Zeit muss sein –, ich freue mich über diese Diskussion. Und ich denke, selten haben wir so viel Konsens über alle Fraktionen zu einem Thema gefunden. Ich habe das gehofft und auch erwartet, und ich denke, hier noch mal ein Zeichen zu setzen, wie wichtig es ist.

Und genau das, Dr. Terpe, haben Sie gesagt: Wir brauchen hier Prävention, Prävention, Prävention! Weil, wenn das Kind geboren ist und diese Störungen werden festgestellt, da gibt es ein ausreichendes Netz von Bera

tungsstellen. Das ist einfach so. Ich würde mögen oder mir wünschen, dass es diese Beratungsstellen zu diesem Thema eigentlich künftig nicht mehr gibt.

(Zuruf von Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich denke, da ist meine, okay, da ist meine Hoffnung sehr grün. Ich danke für die Diskussion und hoffe, dass – wir haben festgestellt, wir tun nicht genug –,

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

dass wir bei der nächsten Haushaltsberatung über eine Verstetigung der Mittel für die Beratungsstelle FASD positiv befinden können. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, AfD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Vereinbarungsgemäß rufe ich den Zusatztagesordnungspunkt auf: Beratung des Antrages der Fraktion der AfD – Polnischer Affront gegen Schwesig, Drucksache 8/3405.

Antrag der Fraktion der AfD Polnischer Affront gegen Schwesig – Drucksache 8/3405 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es passiert so … Also ich muss das noch mal sagen, dass ich das auch außerordentlich gut fand, dass man ja doch zu bestimmten Themen ja übereinstimmend reden kann, und ich habe was dazugelernt, was ich vorher nicht wusste, und kann rückblickend sagen, vielleicht habe ich Glück gehabt.

Also hier zu diesem Thema „Polnischer Affront gegen Schwesig“: Polen ist unser Nachbar. Wir wollen zu allen Nachbarn ein gutes Verhältnis haben, darin sind sich alle Fraktionen sicherlich einig. Polen ist für uns im Osten als direkter Nachbar noch wichtiger als Frankreich im Westen. Ein gut nachbarliches Verhältnis, eine gute Zusammenarbeit erfordern gegenseitiges Verständnis und vor allem einen respektvollen Umgang miteinander.