Protokoll der Sitzung vom 24.01.2024

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Damit verträgt sich die Absage der für Februar geplanten Reise der Ministerpräsidentin nach Polen nicht. Die Ministerpräsidentin war als derzeitige Bundesratspräsidentin von der polnischen Senatsmarschallin Małgorzata Kidawa-Błońska – ich weiß nicht, wie man das richtig ausspricht – zu einer Reise nach Polen eingeladen worden. Der Besuch sollte am 20. bis 23. Februar stattfinden und war vom polnischen Senat am 16. Januar angekündigt worden. Darin hieß es, die Einladung ist Teil der langen Tradition des Dialogs zwischen den deutschen und polnischen Parlamenten, der auch dazu dient, mögliche Meinungsverschiedenheiten zu erörtern.

Die Reise wurde nunmehr von polnischer Seite abgesagt. Die Staatskanzlei gab als Begründung an, dass die Reise aufgrund der innenpolitischen Situation Polens zu diesem Zeitpunkt nicht realisierbar sei. In den Medien beider Länder geht man davon aus, dass der Grund für die Absage in der Russlandpolitik Schwesigs vor dem Ukrainekrieg liegt.

Wie damit umgehen? Geht das den Landtag überhaupt etwas an? Wir meinen, ja. „Die Ausladung ist ein Affront gegen die Ministerpräsidentin, auch wenn sie hier als Bundesratspräsidentin eingeladen war … So geht man nicht unter Freunden und erst recht nicht auf diplomatischem Parkett miteinander um. Es war für die deutsche Seite bereits irritierend, wie im polnischen Wahlkampf versucht wurde, mit antideutschen Parolen zu punkten. Umso verletzender ist jetzt nach dem Machtwechsel die schroffe Absage an die Ministerpräsidentin.“

Wir dürfen und sollten uns hier einmischen. Die Ministerpräsidentin ist zwar als Bundesratspräsidentin eingeladen worden, aber sie ist dabei eben auch die Ministerpräsidentin unseres Landes und derzeit als rotierende Ministerpräsidentin eben auch zugleich Bundesratspräsidentin. Mecklenburg-Vorpommern ist zudem der unmittelbare Nachbar des angrenzenden Polen, und der Affront wird hier ganz anders aufgenommen als in Schleswig-Holstein oder im Saarland, dort interessiert das niemanden.

Die Beziehungen zu Polen haben hier bei uns einen ganz anderen Stellenwert. Deshalb darf sich, so meine ich, auch der Landtag von dem Affront betroffen fühlen. Es liegt im Interesse eines guten Verhältnisses zu Polen, dass sich der Landtag dieser undiplomatischen Absage annimmt und klar benennt, was es ist, nämlich ein unfreundlicher Akt, den man nicht einfach schweigend hinnehmen darf. Dies gilt umso mehr, als die Absage in beiden Ländern für mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat und auch durchaus als ein Affront gewertet wird. Auch wir haben unsere Be- und Empfindlichkeiten, insbesondere zu einer Zeit, ich sagte es bereits, wo in Polen mit antideutschen Parolen um Stimmen geworben wurde.

Deshalb ist es durchaus angemessen, wenn der Landtag sich zu diesem Vorfall klar positioniert und sich geschlossen hinter die Ministerpräsidentin stellt. Ein schweigendes Wegducken ist aus unserer Sicht die völlig falsche Reaktion. Es ist zu erwarten, dass eine Reaktion des Landtags in Polen wahrgenommen würde und dazu dienen kann, künftig etwas sensibler und respektvoller miteinander umzugehen. Redebedarf zwischen beiden Seiten besteht offensichtlich, wie sich bereits in der Verlautbarung des polnischen Senats zeigt, dies vor allem, wenn es zutrifft, dass der Ministerpräsidentin ihre frühere Russlandpolitik vorgehalten wird. Es sollte klar sein, dass die Freundschaft zu Polen nicht auf einer Feindschaft gegenüber Russland aufbaut.

Warum kommt dieser Antrag ausgerechnet von der Oppositionspartei AfD, der die Ministerpräsidentin doch ganz offen feindlich gegenübersteht? Ganz einfach: Es geht uns nicht um die Ministerpräsidentin persönlich, es geht uns um ihr Amt, das sie innehat, und um das Land, das sie repräsentiert, und darum, dass diese ohne eine deutliche Reaktion aus unserer Sicht einen Ansehensverlust erleiden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wir bitten deshalb um Zustimmung zu dem durchaus sanft formulierten Resolutionsentwurf unter Ziffer II unseres Antrags. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Es wird vorgeschlagen, eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dahlemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Polen ist zweifelsohne unser wichtigster Nachbar. Mit keinem anderen Land pflegen wir so intensive, freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen. Mit keinem anderen Land haben wir so intensiv gelebte Städtepartnerschaften. Mit keinem anderen Land entwickelt sich die Außenhandelsbilanz so beeindruckend, allein von Januar bis September 2023 von 1,2 auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine beeindruckende Bilanz, die stellvertretend für viele Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land ist. Diese intensive Zusammenarbeit erstreckt sich über Polizei, über Rettungsdienst, über Wissenschaft, über Gesundheitsversorgung, über Schulen, Kitas, Museen, Touristiker, Logistiker und viele, viele mehr. Und sie unterstreicht in einer ganz besonderen Weise, diese Zusammenarbeit steht für ein geeintes und friedliches Europa. Und das ist das größte Glück für die Entwicklung unseres Landes, bestehend aus Freiheit und Freizügigkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Umso wichtiger ist, meine sehr geehrten Damen und Herren – und davon sind wir als SPD-Landtagsfraktion zutiefst überzeugt –, dass Manuela Schwesig von Beginn an ihres politischen Wirkens für unser Land darauf einen ganz besonderen Fokus legt, sowohl als Ministerpräsidentin zu Beginn ihrer Amtszeit 2017 als auch jetzt mit einem klaren Ausrufezeichen im Nutzen für die Interessen unseres Landes, im Nutzen der Bundesratspräsidentschaft. Doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man ein solches Ausrufezeichen setzt, muss man immer bei solchen Aktivitäten die Gegebenheiten vor Ort betrachten und natürlich die innenpolitische Situation berücksichtigen. Das tun die Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig und die polnische Senatsmarschallin.

Lassen Sie uns das einmal vor Augen führen, was in Polen gerade passiert! Massive Diskussionen, massive Proteste zu den Fragen der Justiz, die die Entscheidungen von Gerichten in unterschiedlichen Institutionen nicht mehr anerkennen, der offensive Streit darüber, der, glaube ich, unsere Vorstellungskraft übersteigt, dass ein ehemaliger Minister der Regierung im Präsidentenpalast verhaftet wird, während der Präsident mehrfach versucht, diesen für seine Taten immer wieder schuldlos davonkommen zu lassen und zu begnadigen,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

eine harte Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der systematisch über Jahre parteipolitisch unterwandert wurde,

(Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

um die Agenda, die politische Agenda in der Medienarbeit umzusetzen und damit möglichen Nachfolgeregierungen das Leben besonders schwer zu machen, eine Haushaltsdebatte, die kurz vor der Blockade steht, und der Begriff „Staatskrise“ nicht nur in den Medien, sondern vor allem auch in den Sorgen der Menschen dort vor Ort die Runde macht, Zehntausende, die auf die Straße gehen, und ein ganzes Land in Wallung ist. Bei einer Amtsantrittsrede des demokratisch gewählten Staatsführers ihn als deutschen Agenten zu bezeichnen, ist, glaube ich, unter all dem, was dieses Land aktuell erlebt, einer der traurigsten Tiefpunkte.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Förster, AfD: Das meine ich ja.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all diese Fakten kann man bei einer solchen Reise nicht ausblenden. Und ich möchte die Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Cornelia Pieper, zitieren, die anlässlich der Entscheidung beider Politikerinnen, von der Bundesratspräsidentin und der Senatsmarschallin, erklärt hat: „Die aktuelle innenpolitische Situation hier in Polen muss man berücksichtigen.“ Das tun die Senatsmarschallin und die Bundesratspräsidentin, das ist auch richtig so.

Darüber hinaus bleibt eine Reise der Bundesratspräsidentin ein ganz wichtiges Zeichen und trägt zur Verständigung Deutschlands und Polen bei. Auch der polnische Botschafter hat uns im Gespräch genau diesen Eindruck eindrucksvoll unterstrichen. Und das ist es, wozu diese Fraktion im Parlament hier auch steht und dabei auch vollen Rückenwind gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es braucht hier im Land jeden Verein, es braucht jede Schule, es braucht jedes Unternehmen, es braucht jeden Bürgermeister, es braucht jeden Landrat und es braucht jede Bürgerin und jeden Bürger, sich für eine nachhaltige Verbesserung, Intensivierung und mit Leben füllende Partnerschaft einzusetzen. Eins braucht es aber nicht, es braucht keine Rechtspopulisten in diesem Parlament, die mit erhobenem Zeigefinger versuchen, scheinheilig hier ein politisches Erbe zu beschützen und dafür bedeutungsvolle Worte zu wählen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das lässt sich mit Ihrem Handeln gut unterstreichen, und da möchte ich Sie gerne auch damit konfrontieren, was Sie in der letzten Debatte hier von diesem Rednerpult zur deutschpolnischen Arbeit gesagt haben. Ich zitiere den Abgeordneten der AfD-Landtagsfraktion, der von „verstörenden Seiten aus Polen“ sprach und im Zitat sagte: „Der Schmuggel von Waren und Menschen geht hauptsächlich in eine Richtung, genau wie gestohlene Fahrzeuge, Kupferkabel oder anderes Diebesgut.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer so ein ausgrenzendes, menschenverachtendes und verlogenes Weltbild unseres Nachbarlandes hat, sollte sich in jeder

Frage zurückhalten, wenn andere sich mit aller Kraft und Leidenschaft dafür einsetzen, dass wir diese Beziehungen weiter vertiefen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wir werden aus tiefer Inbrunst diesen Antrag heute ablehnen.

Und ich will in Richtung der FDP und der GRÜNEN sagen, ich bin dankbar, dass wir das heute beraten dürfen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ein solches Schmierenblatt hat es nicht verdient, nur einen Tag länger im Parlament zu wabern. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ehlers.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Dahlemann, die CDU-Fraktion hätten Sie ruhig auch nennen können, denn auch wir haben es möglich gemacht, dass wir heute diesen Tagesordnungspunkt hier mit beraten.

Ich bin schon sehr erstaunt, und, Herr Förster, das nehme ich Ihnen natürlich auch einfach nicht ab, dass Sie jetzt sagen, Ihnen geht es hier ums Amt und Frau Schwesig, und Sie sind hier das letzte große Schutzschild. Das ist natürlich an der Stelle auch reichlich unglaubwürdig, und da bin ich in der Tat auch beim Kollegen Dahlemann. Das sieht schon sehr, sehr nach Schmierentheater aus, was Sie heute hier vorführen seitens der AfD-Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Aber – und das gehört auch zur Wahrheit dazu – da sollten wir uns alle mal gemeinsam ein Stück weit auch ehrlich machen, Herr Kollege Dahlemann. Ihre Rede kann man ja so ein bisschen unter der Überschrift zusammenfassen: Schuld sind immer die anderen. Das ist ja bewährte Praxis in der Staatskanzlei, dass man gerne so verfährt.

(Rainer Albrecht, SPD: Na, na, na, na, na!)

Und trotz des Antrags, der natürlich komplett indiskutabel ist, glaube ich, etwas Selbstkritik hätte auch Ihnen hier gut zu Gesicht gestanden, denn natürlich ist es so, dass in den letzten Jahren viel Porzellan zerschlagen wurde, dass es in Polen sehr viel, ja, Unzufriedenheit gab. Und das war ja nicht nur eine Geschichte, da brauchen Sie ja nur in die Medien zu schauen. Das sind ja nicht meine Worte, wenn ich den „Nordkurier“ dort gelesen habe von der Korrespondentin Aleksandra Fedorska, die für das „Handelsblatt“ und auch für den „Nordkurier“ schreibt und die, ich zitiere, sagt: „Schwesig wird in der polnischen

Öffentlichkeit auch gern als ,Schröder im Rock‘ bezeichnet“, oder wenn dort ein Chefredakteur, ein polnischer, zitiert wird in der gleichen Ausgabe mit den Worten: „,Sie ist bekannt für Aktivitäten, die russischen Interessen dienen.‘“

In Polen verübelt man Manuela Schwesig dabei nicht nur ihre Haltung zum Nord-Stream-2-Projekt, sondern auch ihren Protest gegen Pläne zum Bau des Atomkraftwerks an der polnischen Ostseeküste und den Widerstand der MV-Landesregierung gegen ein Containerhafenprojekt in Swinemünde. Ich glaube, das gehört einfach auch zur Einordnung und zur Wahrheit mit dazu. Und deswegen mag es unhöflich sein und nicht diplomatisch sein,

(Zurufe von Marcel Falk, SPD, und Henning Foerster, DIE LINKE)

aber zumindest ein Stück weit eine Erklärung auch für das Agieren der Polen. Und da sind die Polen ja nicht ganz allein, auch die Balten haben das über Jahre kritisiert. Das ist ja an der Stelle auch kein großes Geheimnis.

Und deswegen empfehle ich – und der Kollege Nienaß, der Europaabgeordnete der GRÜNEN, hat es ja gesagt, es bedarf erst einer Entschuldigung von Frau Schwesig gegenüber den Polen, um da wieder ein normales Verhältnis zu bekommen, die Forderung ist sicherlich auch nachvollziehbar –, da empfehle ich einfach etwas mehr Demut auch im Umgang mit Polen und genauso Bewertungen, was polnische, innenpolitische Entwicklungen angeht. Ich finde immer, wir Deutschen tun gut daran, gerade aufgrund unserer historischen Verantwortung, unserer Vergangenheit, auch das, was wir Polen angetan haben, uns da auch rauszuhalten und nicht mit erhobenem Zeigefinger und als Moralapostel Richtung Polen zu schauen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Und das eint uns wahrscheinlich, zumindest den mittleren Teil und den linken Teil des Parlaments, dass wir uns alle freuen, dass ein europafreundlicher Ministerpräsident dort jetzt gewählt ist und wir eine eher europafreundliche Regierung haben.