Dass in Deutschland getroffene Maßnahmen Anreize schaffen und sich dadurch in irgendeiner Weise auf die weltweiten Migrationsbewegungen auswirken, lässt sich jedoch in keiner Weise wissenschaftlich belegen.
Das Konzept, nach dem Migrationsbewegungen auf bestimmte Bedingungen in Herkunfts- und Aufnahmeländern,
(Sebastian Ehlers, CDU: Warum kommen sie nach Deutschland und nicht nach Polen, nicht nach Frankreich, Holland und Schweden? – Glocke der Vizepräsidentin)
entstammt der klassischen Migrationstheorie aus den 60er-Jahren. Vertreter/-innen jüngerer Ansätze in der Migrationsforschung haben längst nachgewiesen, dass sich die wechselhafte Dynamik des Migrationsgeschehens mithilfe von Push- und Pull-Faktoren nicht angemessen beschreiben lässt.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elke-Annette Schmidt, DIE LINKE: Richtig! – Zuruf von Horst Förster, AfD)
Es gibt darüber hinaus auch keinerlei Nachweise dafür, dass Geflüchtete das für ihren Lebensunterhalt in Deutschland vorgesehene Bargeld an ihre Familien im Ausland senden. Die Frau Kollegin Pulz-Debler hat Niklas Harder schon zitiert. Es gibt aber auch andere, zum Beispiel Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
„wenn die Menschen hier arbeiten und Geld verdienen“, eben nicht aus den Sozialleistungen, die ihnen gewährt werden.
Positive Aspekte an der Einführung einer Bezahlkarte sind der geringere Verwaltungsaufwand und die sichere
re Aufbewahrung von Erspartem. Bislang müssen Geflüchtete ihr sogenanntes Taschengeld persönlich an einem bestimmten Datum am Monatsanfang abholen. Das könnte mit der Einführung einer Bezahlkarte entfallen. Zudem haben Geflüchtete in der Regel kein Bankkonto und müssen ihr Bargeld in Mehrbettzimmern verwahren. Das ist purer Stress. Ist das Geld weg, kommt es abhanden, gibt es keinen Ersatz.
Sobald die Bezahlkarte jedoch mit Auflagen verbunden wird, wenn die Bezahlkarte zum Beispiel nur zum Einkauf in bestimmten Läden oder in einem bestimmten Landkreis benutzt werden kann, dann hat das sofort erhebliche Nachteile. Auflagen erhöhen den Verwaltungsaufwand. Der Innenminister hat es beschrieben, zum Beispiel müssen Verhandlungen mit einzelnen Akzeptanzstellen geführt werden.
Ist die Bezahlkarte zudem nur in einem bestimmten Landkreis nutzbar, wird dadurch sozusagen durch die Hintertür wieder die Residenzpflicht eingeführt. Das ist aber offensichtlich genau das, worauf es nach dem Willen der CDU hinauslaufen soll.
In der Begründung zu dem CDU-Antrag wird auf den Landkreis Greiz in Thüringen verwiesen, der zum 1. Dezember 2023 eine Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt hat. Im Landkreis Greiz erhalten Geflüchtete das Geld für sogenannte Sachleistungen seit dem 1. Dezember nicht mehr in bar, sondern per Geldkarte. Einkäufe sind mit dieser Geldkarte nur in den Geschäften der unmittelbaren Umgebung möglich, Bargeld abheben am Bankautomaten oder an der Supermarktkasse kann man mit der Bezahlkarte nicht.
PRO ASYL hat für die Einführung von Bezahlkarten menschenrechtliche Eckpunkte entwickelt. Bargeldleistungen/Bargeldabhebungen müssen dadurch uneingeschränkt möglich sein. Geflüchtete haben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst. Dafür aber braucht es eine Möglichkeit, über Bargeld zu verfügen.
Die Bezahlkarte darf zudem nicht örtlich beschränkt werden. Für Menschen, die weit überwiegend keiner Wohnsitz- beziehungsweise Residenzpflicht unterliegen, führt eine Bezahlkarte mit örtlicher Beschränkung zu einer unzulässigen Beschränkung der Freizügigkeit im Bundesgebiet. Der Erwerb bestimmter Waren oder die Bezahlung bestimmter Dienstleistungen darf nicht ausgeschlossen sein.
Im Sozialrecht ist zu Recht festgeschrieben, dass bedürftige Menschen eigenverantwortlich wirtschaften und damit die Freiheit besitzen sollen, selbst zu entscheiden, was sie wann brauchen. Auch geflüchtete Menschen müssen dieses Recht in Anspruch nehmen können. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.
Diese Bedingungen sehen wir beim CDU-Modell, das sich am Landkreis Greiz in Thüringen orientiert, als nicht gewährleistet an.
Andere Kommunen sind da längst weiter. Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover, die übrigens von einem bündnisgrünen Oberbürgermeister geführt wird,
ermöglicht Geflüchteten mithilfe der SocialCard einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bargeld und zum bargeldlosen Zahlungsverkehr. Das Schöne ist, auf diese Weise werden Menschenrechte gewährleistet und auch die Verwaltungen entlastet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon erstaunlich, nachdem wir den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz haben und, glaube ich, auch wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, dass sich endlich etwas bewegt in diesem Bereich. Und die Debatte führen wir hier nicht zum ersten Mal. Ich darf daran erinnern, dass unser Antrag zur Einführung einer Bezahlkarte im Land, da war wohl das Verhalten ein Versehen von allen. Da wurde abgelehnt, wir wurden beschimpft, ich glaube sogar, „Mauerbaupartei“ kam hier aus dieser Richtung. Meine Damen und Herren, was wir uns, was wir uns da anhören mussten! Jetzt sind wir endlich mal einen Schritt weiter.
Und, Frau Oehlrich, ich bitte einfach mal zur Kenntnis zu nehmen, es gibt einen Unterschied zwischen „nur Sachleistungen“ und „Bargeldauszahlung“. Und genau das haben wir versucht, genau hier einen Kompromiss zu finden mit der Bezahlkarte, mit der guthabenbasierten Bezahlkarte. Und Sie weisen darauf hin, dass das Bargeld natürlich mit Freiheiten verbunden ist. Ja, aber wir sind solidarisch, aber eben auch nicht blöd. Wir wissen auch, dass Bargeld über Western Union und über andere Transfers weitergeleitet werden kann.
und unsere Sorge ist eine ganz andere, dass das Geld nämlich in die Quellen oder dorthin versickert, in die Taschen derjenigen, die nämlich das Leben von jemandem, der sich auf die Flucht begeben will, gefährden,
(Torsten Koplin, DIE LINKE: Kümmern Sie sich auch so um die Steuerpflichtigen? – Zuruf von Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP – Michael Noetzel, DIE LINKE: Das ist der Punkt, aber es ist nicht bewiesen.)
Und noch mal: Wo ist es denn, wo ist es denn bei einer guthabenbasierten Bezahlkarte, wo habe ich denn da eine Einschränkung? Wir haben doch gerade gehört, dass daran gearbeitet wird, wieweit sie einsetzbar sein soll.
Ich bin ja, ich bin ja bei Ihnen. Bei reinen Sachleistungen hätten wir auch nicht mitgemacht, weil ich mir wünsche, weil ich mir wünsche, dass wir auch tatsächlich diejenigen, die sich hier aufhalten, wollen wir natürlich auch mit viel Eigenverantwortung ausstatten. Und zur Eigenverantwortung gehört auch der eigenverantwortliche Umgang mit dem Geld, was ihnen zugebilligt wird. Und das ist der entscheidende Punkt, und das kann ich mit einer Bezahlkarte.
Was mich wundert, ist, nachdem wir diese Diskussion hier so oft geführt haben, dass es immer noch so unruhig ist, vor allem hier unruhig ist. Was wollen Sie denn jetzt auch von der SPD?!