Protokoll der Sitzung vom 26.01.2024

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein ganz zentrales Instrument für Gerechtigkeit und damit für Akzeptanz ist das Klimageld. Es gibt ein wichtiges Gegengewicht zum CO2-Preis, der zwar entscheidend dazu beiträgt, den Klimaschaden von Produkten abzubilden und somit Preissignale zugunsten klimafreundlicher Produkte zu setzen, er birgt aber, solange er alleine und ohne Ausgleich erhoben wird, eine Unwucht, da er Haushalte mit geringem Einkommen relativ betrachtet stärker belastet als Haushalte mit hohen Einkommen. Das liegt vor allem daran, dass der Anteil der Energieausgaben an den gesamten Ausgaben der Haushalte bei vergleichsweise ärmeren Haushalten höher ist als in reicheren Haushalten. Zudem wenden Haushalte mit geringeren Einkommen einen höheren Anteil ihrer Ausgaben für Güter und Dienstleistungen der Grundversorgung auf, die relativ zum Preis betrachtet emissionsintensiver sind als Luxusgüter.

Für viele Menschen ist ein vergleichsweise hoher CO2Ausstoß gerade deshalb noch oft unausweichlicher Teil ihres Alltags. Damit trifft ein Anstieg der an sich richtigen Bepreisung von Treibhausgasemissionen ärmere Haushalte deutlich stärker als reiche Haushalte, und das, obwohl das reichste Prozent in Deutschland pro Kopf 15-mal so viel CO2 emittiert wie ein Mensch aus der ganzen ärmeren Hälfte. Daher sagen wir als Bündnisgrüne ganz klar, die Erhöhung des CO2-Preises ist richtig, aber sie muss jetzt schnellstmöglich durch ein soziales Klimageld ergänzt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau das.)

Wenn wir es ernst meinen mit einem gerechten Klimaschutz, dann muss das erste Klimageld im Jahr 2025 auf den Konten der Bürgerinnen und Bürger landen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das heißt – und das ist ganz zentral in dieser Auseinandersetzung –, es muss Anfang 2025 nicht nur einen Auszahlungsmechanismus geben, sondern am 1. Januar 2025 muss auch schon lange klar sein, woher die Finanzierung dieser Auszahlungen kommen soll.

(Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

Und dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Man muss nur den Mut haben, sie auch zu nutzen. Dazu gehört zum Beispiel die Abschaffung weiterer fossiler Subventionen, die immer noch mit hohen Milliardenbeträgen die Schädigung des Klimas befeuern. Und neben den bisher erfolgreichen Änderungen in der Besteuerung der Luftfahrt braucht es zusätzlich eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe, um auch die klimaschädliche Steuerbefreiung von Kerosin zu kompensieren, die von internationalem Recht abhängt.

Zu den Erkenntnissen gehört auch, für die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Klimakrise müssen die Schuldenregeln des Bundes angepasst werden. In Sachen Klimaschutz schützt die Schuldenbremse nicht den Wohlstand der Zukunft, sondern sie gefährdet ihn.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus sollten wir uns auch darüber unterhalten, wie diejenigen, die in Deutschland für den größten Klimaschaden verantwortlich sind, nämlich die vermögenden Menschen in unserem Land, stärker in die Verantwortung genommen werden und ihren fairen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten können. Und da müssen wir auch mal darüber reden, wie zum Beispiel das Vermögen der reichsten ein Prozent der Deutschen besser zu besteuern ist.

Das Klimageld ist übrigens keine Spezialidee der GRÜNEN, sondern hat einen breiten Kreis an Befürworter/-innen. Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung unterstreicht etwa die Relevanz eines entsprechenden sozialen Ausgleichsmechanismus. Der Direktor des Institutes, Ottmar Edenhofer, mahnte vor wenigen Monaten noch einmal dessen Unterstützung an, aber auch die Verbraucherzentrale Bundesverband oder die Ökonomin Veronika Grimm stellten sich jüngst hinter diese Forderung. Und nicht zuletzt ist die Forderung nach einem Klimageld ja bereits Teil eines Koalitionsvertrages der Ampelparteien, und Verträge hält man ein, sehr geehrter Herr Lindner!

Nun kann man viele Minuten hier im Landtag zu all diesen Themen reden.

(Sebastian Ehlers, CDU: Das stimmt.)

Sie, liebe Koalitionsfraktionen, hatten ja trotz unseres Angebotes leider nicht den Mut, dem Antrag auch beizutreten, der im Grunde nur das festhält, was auch Sie fordern.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Frau Schwesig, Sie schreiben auf der Internetseite zu Ihrer Bundesratspräsidentschaft: „Wir müssen Antworten auf dringende Fragen geben.“

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

„Sonst lassen wir Raum für eine Politik der einfachen Parolen.“ Das heißt dann aber auch, dass man hier in Schwerin insbesondere in Sachen Klimaschutz nicht immer nur gegen Berlin poltern darf, sondern auch konstruktive Vorschläge machen muss.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

In einem föderal verfassten Staat dürfen die Bundesländer sich nicht damit begnügen, kluge Tipps vom Spielfeldrand zu geben. Sie sollten mitten auf dem Spielfeld in das Geschehen eingreifen. Als Bundesratspräsidentin stehen Sie im Rampenlicht der Republik. Nutzen Sie diese prominente Position! Versammeln Sie die Bundesländer um sich und setzen Sie sich im Bund für diese so wichtigen sozialen Klimainitiativen ein!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu diesen Initiativen muss auch die Erhöhung des Geschwindigkeitsbonus der Heizungstauschförderung gehören, damit sich die Bürgerinnen und Bürger zeitnah einen Heizungstausch leisten können

(Zuruf von René Domke, FDP)

und nicht in eine fossile Kostenfalle laufen. Damit werden anfänglich höhere Investitionskosten kompensiert, die langfristig zu Einsparungen durch klimafreundliches Heizen führen.

Teil dieser Initiativen muss auch eine Reform der Netzentgelte sein, um einen gerechten Strompreis in MecklenburgVorpommern zu sichern.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung und die Ministerpräsidentin müssen auch hier gemeinsam mit den anderen Bundesländern auf eine schnelle Umsetzung drängen. Bis das erreicht ist, muss zunächst an der Bezuschussung festgehalten werden. Und Teil der Initiativen muss auch die auskömmliche Förderung des Übergangs zu einer klimafreundlichen Landwirtschaft sein, weg von fossilen Subventionen und Scheinlösungen wie Biodiesel oder Maismonokulturen für Biogas hin zu echten neuen Technologien wie den Schlepper Fendt e100 Vario, den ersten vollelektrischen Traktor, den der Traditionshersteller ab diesem Jahr in Deutschland serienmäßig produziert.

Und daher bitte ich Sie, insbesondere die Abgeordneten von den Koalitionsfraktionen, lassen Sie uns gemeinsam diesen Auftrag an die Ministerpräsidentin richten! Zeigen wir, dass Mecklenburg-Vorpommern für einen konsequenten Klimaschutz steht, der alle mitnimmt!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerpräsidentin, Sie wollen vereint Segel setzen. Nehmen Sie auf Ihrer Reise alle an Bord und fahren Sie keinen großen Bogen um konstruktive Beiträge der Opposition zum effizienten Klimaschutz in sozialer Verantwortung! – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine verbundene Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort der Abgeordnete Daniel Seiffert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Höhere Preise für Strom, Heizung und Kraftstoff belasten insbesondere Menschen mit geringen Einkommen und Pendlerinnen und Pendler,

die auf das Auto angewiesen sind und besonders lange Arbeitswege haben. Somit sind die Auswirkungen steigender Preise gerade in Mecklenburg-Vorpommern härter und deutlicher als in anderen Bundesländern zu spüren. Bevölkerung sowie Kleinst- und Kleinunternehmen nehmen wahr, dass sie die Folgen des Bundesverfassungsurteils allein ausbaden müssen. Sie nehmen trotz aller Beteuerungen weiterhin Streit und Uneinigkeit in der Ampelregierung wahr. Die Menschen haben das Gefühl, nur noch geschröpft zu werden.

Für die Linksfraktion steht fest, wir brauchen in diesem Jahr das versprochene Klimageld. Gelingt das nicht, muss eine erneute Energiepauschale zielgerichtet Bedürftige unterstützen. Das sind alle Beziehenden von staatlichen Leistungen wie Bürgergeld, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss oder Kinderzuschlag sowie BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe, kurz BAB. Wer staatliche Leistungen empfängt, ist mit Namen, Adresse und Kontodaten erfasst. Eine Ausrede wie aktuell beim Klimageld, dass erst Auszahlungsmodalitäten zu finden sind, gibt es daher nicht. Und Doppelzahlungen dürfte es auch kaum geben. Wer Bürgergeld, BAföG oder BAB bezieht, bekommt kein Wohngeld. Wer Unterhaltsvorschuss erhält, bekommt keinen Kinderzuschlag. Und gibt es vielleicht einen kleinen Teil Alleinerziehender, die trotz Unterhaltsvorschuss auf Wohngeld angewiesen sind, hilft eine doppelte Energiepauschale genau an der richtigen Stelle.

Nun zum Klimageld selbst: Uns reicht es keinesfalls, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner lediglich die Modalitäten für die Auszahlung in dieser Legislatur schaffen und die Auszahlung auf die nächste Legislatur verschieben will. Wir empfinden die Aussage des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck als Hohn, dass ja faktisch mit der Übernahme der EEG-Umlage durch den Staat ein Klimageld existiere. Dem halte ich entgegen, gemäß Koalitionsvertrag soll das Klimageld über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entlasten.

Am 8. Januar 2024 ließ der Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Katze ganz aus dem Sack. Er bestätigte, dass der Mechanismus zur Auszahlung des Klimageldes spätestens bis 2024 stehen und greifen soll. Hebestreit begründete das mit Änderungen im europäischen Emissionshandel, die ab 2027 wirksam werden. Ab dann sollen sich die Preise für den CO2-Ausstoß von Gebäuden und Verkehr dort bilden. Diese Verzögerung ist unverantwortlich. Die Fernwärmepreise, etwa in Neubrandenburg oder in und um Rostock, explodieren. Einige Stromlieferanten zogen ihre Stromfestpreisverträge noch vor ihrem Inkrafttreten wieder zurück. Sie können die Festpreise nicht einhalten.

Ich will noch einmal die Fakten bemühen, die ein Gegensteuern notwendig machen, und zwar jetzt und nicht erst in 2027. Die Strom- sowie Gas- und Fernwärmepreisbremsen liefen zum Jahresende und somit vorzeitig aus. Sie sollten bis Ende März verlängert werden. Das beschloss der Bundestag eigentlich am 16. November 2023 mit mehrheitlicher Zustimmung zu einer entsprechenden Verordnung der Bundesregierung. Der Mehrwertsteuersatz für Gas und Fernwärme ist seit Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent gestiegen. Die ursprünglich für die Stabilisierung der Netzentgelte für Übertragungsnetze vorgesehenen Bundesmittel in Höhe von 5,5 Milliarden Euro wurden gestrichen. Die Mittel sollten aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen.

Neben dem beklagten Klimafonds sind auch andere Sonderfonds wie der 200 Millionen Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts betroffen. Die Netzentgeltreform für die Verteilnetzebene greift erst im Jahr 2025. Leider hat die Bundesnetzagentur erst im Spätherbst grünes Licht erhalten, eine Reform auf den Weg zu bringen. Eine Umsetzung ist kompliziert und dauert.

Über Jahre wurde unsere Forderung nach solidarischer Wälzung der Kosten ignoriert, haben uns viele Bundesländer im Stich gelassen. Der CO2-Preis wurde stärker angehoben, als ursprünglich vorgesehen. Noch im August war die Rede von 40 Euro pro Tonne. Nun sind es mit einem Mal 45 Euro pro Tonne.

Das versprochene Klimageld ist ein sozial gerechter Ansatz, eine Umverteilung von oben nach unten. Der Anstieg des CO2-Preises soll ja dafür sorgen, dass weniger klimaschädlich geheizt, gefahren und gelebt wird. Mit der Zahlung eines Klimageldes soll dafür wiederum klimafreundliches Verhalten belohnt werden. Eine Auszahlung soll pro Kopf erfolgen. Dieses Versprechen muss eingehalten werden.

Studien belegen, dass Menschen, je mehr Geld sie zur Verfügung haben, größere Autos und mehr Kilometer fahren, im Wohneigentum beziehungsweise größeren Wohnungen leben, viel und weit reisen und so insgesamt weit mehr verbrauchen, eben einen größeren ökologischen und CO2-Fußabdruck haben. M-V gehört beim Einkommen nach wie vor zu den Schlusslichtern. Viele Menschen sparen an Heizung und unternehmen nur die Fahrten mit dem Auto, die unbedingt nötig sind. Sie rasen nicht, sondern fahren kraftstoffsparend. Wer wenig verbraucht und dadurch weniger für die CO2-Bepreisung bezahlt, soll vom Klimageld profitieren. Für sie wäre das Klimageld höher, als die CO2-Bepreisung tatsächlich gezahlt werden muss.

Die Verbraucherzentrale fordert aktuell 139 Euro pro Kopf. Das ist uns zu wenig. Die Höhe muss von der jeweiligen Höhe des CO2-Preises abhängen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung lagen 2023 bei knapp 11 Milliarden Euro, bei einem CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne. Die volle Rückgabe dieses Geldes als Klimageld wäre die beste Lösung.

(Zuruf von Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aktuell wird die CO2-Bepreisung als weitere Einnahmequelle des Staates, damit der Klimaschutz als Übel, als Last empfunden. Dagegen muss die Ampel endlich etwas unternehmen. Die eingenommenen Gelder fließen nicht in den allgemeinen Haushalt, sondern in den Klima- und Transformationsfonds. Aus diesem Fonds werden diverse Förderprogramme bezahlt – richtigerweise –: energetische Gebäudeförderung, die Abschaffung der EEG-Umlage, die Förderung der Elektromobilität, die Dekarbonisierung der Industrie, die Förderung der Wasserstofftechnologie.

Auch das Klimageld sollte daraus bezahlt werden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellte aber klar, dass nicht ausgegebene Mittel zur Bewältigung der Corona-Pandemie nicht in den Klima- und Transformationsfonds überführt werden durften. Der vermeintlich coole Schachzug der Bundesregierung entpuppt sich als

Bumerang. Nun müssen 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds gestrichen werden.