Protokoll der Sitzung vom 26.01.2024

zung und Tötung des Paragrafen 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz, die allerdings durch Ausnahmeverordnung eingeschränkt werden können, wenn dies zum Beispiel zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt erforderlich ist. Das hat Mecklenburg-Vorpommern mit der Kormoranverordnung im Jahr 2012 getan.

(Beate Schlupp, CDU: Funktioniert super.)

Da war auch die CDU mit an der Regierung, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

(Beate Schlupp, CDU: Das funktioniert auch super.)

Der Minister hat sehr ausführlich dazu die Bedingungen benannt. Deshalb werde ich darauf gar nicht eingehen. Was aber der Kern des Antrages der FDP ist – wenn ich Sie richtig interpretiere –, ist eine generelle Erlaubnis zum Abschuss von Kormoranen im Umkreis von stehenden Fischereigeräten, die sich an oder auf fischereiwirtschaftlich genutzten Küstengewässern befinden. Da geht es ja nicht um Aquakulturen, da geht es traditionell um die Küstengewässer.

(Sandy van Baal, FDP: Korrekt.)

Und Sandy van Baal hat ja deutlich gemacht, um welche Küstengewässer. Das ist ja vor allem Vorpommern, die da besonders betroffen sind. Und das sind eben ganz besondere Küstengewässer, die Boddengewässer und so weiter.

Und da haben wir aber, und das sehe ich auch, das halte ich auch für ein großes Problem, diesen Ansatz, man könne ja überall dann Kormorane schießen. Das halte ich tatsächlich für ein sehr großes Problem, denn all diese Gewässer sind auch Vogelschutzgebiete, Vogelschutzgebiete europäischer Bedeutung. Und das ganz Wichtige ist, wenn Sie da anfangen rumzuschießen, dann werden da nicht nur Kormorane …

(Zuruf von Sandy van Baal, FDP)

Ja, rumzuschießen! Wenn Sie da anfangen …

(Zuruf von Thore Stein, AfD)

Ja, wie wollen Sie denn bitte Kormorane …

(Thore Stein, AfD: Die Jagd auszuüben!)

Ja, die Jagd auszuüben! Sie schießen auf Tiere mit Waffen!

(Stephan J. Reuken, AfD: Sie haben überhaupt keine Ahnung davon! – Zuruf von René Domke, FDP)

Ja, ja, ja, genau, genau, da wird geschossen.

Und das heißt eben, dass dort, das heißt …

(Zuruf von René Domke, FDP)

Ach, dann rennen neuerdings die Jäger überall mit Schalldämpfer rum?! Das ist mir neu, okay.

(René Domke, FDP: Wäre ja mal eine Möglichkeit, um andere Arten zu schützen. – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Also der Punkt ist doch, der Punkt ist doch, in Vogelschutzgebieten wird rumgeschossen. So, und das ist ein Problem, das ist ein Problem. Das sind jetzt Vogelschutzgebiete, unter anderem, weil das ganz entscheidende Rastgebiete sind. Dort ruhen ganz viele Vogelarten, und das ist ein großes Problem. Insofern halte ich diesen Ansatz für den größten Fehler, und den kann ich nur ablehnen. Deshalb lehnen wir auch Ihren Antrag ab. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – René Domke, FDP: Wann fangen wir an, Fische dort zu schützen?)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort der Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Harald Terpe.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Kormoran hat dieser Landtag bereits viele Male hoch und runter diskutiert. Und wenn wir dem Erhalt der gesamten Biodiversität ebensolche Aufmerksamkeit widmen würden, dann wären wir beim Artenschutz ein großes Stück weiter.

(Beifall Jutta Wegner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch Ihr heutiger Antrag verkürzt das Thema allein auf den fischereiwirtschaftlichen Aspekt. Keine einzige Fischart, sage ich, ist durch den Kormoran bedroht. Von 51 heimischen Fischarten in Mecklenburg-Vorpommern sind drei Arten ausgestorben, ist eine Art vom Aussterben bedroht und vier Arten sind stark gefährdet. Und keine der ausgestorbenen und gefährdeten Fischarten hat der Kormoran zu verantworten – und auch keinen der gefährdeten Binnen- und Küstenfischer, wir sehen ja die Problematik des Fischers –, hat der Kormoran zu verantworten. All das, was unsere Fischerei in große Schwierigkeiten bringt, hat in erster Linie der Mensch selbst verursacht. Wasserverschmutzung, Verbau der Gewässer, Überdüngung, Überfischung, all das sind Eingriffe zulasten der Fischfauna, die wir auf Grundlage der EUWasserrahmenrichtlinie seit Jahrzehnten reparieren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP, nirgendwo hat bisher der Abschuss von Kormoranen zu einem messbaren Effekt auf die Kormoranpopulation geführt. Es waren politische Einlenkmanöver, um den Fischern entgegenzukommen – Entgegenkommen finde ich immer gut, aber es muss ja auch eine reale Grundlage haben –, als vor zehn Jahren hier in M-V wie zuvor auch in anderen Bundesländern ein gewisser Abschuss erlaubt wurde.

Die Wissenschaft sagte uns schon damals, Abschuss wird besonders an den Küsten nichts bringen. Kormorane sind als Teilzieher und Zugvögel sehr mobil und sozusagen europaweit vernetzt. Dort, wo ich Individuen entnehme, werden sie durch Nachzügler ausgeglichen. Andauernder Jagddruck im Binnenland hat zwar hier und

dort zur Aufgabe von kleinen Kolonien geführt, dafür sind an anderer Stelle drei neue entstanden. Es ist also auch ein Stück Wirklichkeitsverweigerung, wenn Sie hier immer wieder die gleichen Dinge fordern. Die Kormoranberichte zeigen Ihnen, dass der Kormoran seit 2004 bei den Bestandszahlen eine Art Plateau erreicht hat. Das wird auch aus anderen Bundesländern berichtet. Mit Ausnahme des Rekordjahres 2016 stiegen die Brutpaare in Mecklenburg-Vorpommern nie über 15.000 an, und in den Jahren ab 2022 sind es 11.000 Brutpaare.

Der Minister hatte ebenfalls ein Plateau praktisch beschrieben. Den stärksten Einbruch der Bestände gab es an der Küste übrigens nach dem strengen Winter 2010. Also tun Sie mit uns mehr für den Klimaschutz, und dann gibt es auch wieder kalte und lange Winter und weniger Kormorane!

(Beifall Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Sandy van Baal, FDP)

Eine effiziente Vergrämung erzielen übrigens auch natürliche Gegenspieler des Kormorans, wie Seeadler und andere Greifvögel und Großmöwen. Selbst der Waschbär trägt als Nesträuber zur Regulierung des Kormoranbestandes bei. Kormoranmanagement in Form von Schutzmaßnahmen für Teiche, Ausgleich bei nachgewiesenen Schäden und Vergrämung bei Versuch der Neuansiedlung an Teichen finden unsere Zustimmung. Populistische Forderungen nach mehr Abschuss unterstützen wir hingegen nicht. Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam in Deutschland und in der EU entschlossen für die Gesundung unserer Gewässer und ihrer Fischfauna arbeiten! Und lassen Sie uns gemeinsam die Bedingungen für erfolgreiche Verbrechensbekämpfung in der EU verbessern!

Jetzt werden Sie sich wundern, was hat das damit zu tun. Es sind aber skrupellose Verbrecher …

Herr Abgeordneter, letzter Satz!

Ja, letzter Satz:

… von Europol, die jedes Jahr rund 100 Tonnen Glasaale schmuggeln. Da sollte man eingreifen.

(Zurufe von Sebastian Ehlers, CDU, und Sandy van Baal, FDP)

Das waren zwei Sätze, Entschuldigung!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Bernd Lange, SPD)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender!

Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Abgeordnete Dr. Sylva Rahm-Präger.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Kormoran hat sich seit den 1980er-Jahren im südlichen Ostseeraum stark vermehrt. Das haben wir alle gehört. Aber

was für mich eigentlich wichtig war in meinem ganzen Lesen von Veröffentlichungen und Artikeln dazu, ist, dass wir seit Beginn der 1990er-Jahre eine riesige Brutbestandsentwicklung haben in Finnland, Island, Russland, Schweden. Dort sind die Brutpaare angestiegen aus dem Jahr 2015 von 45.000 auf jetzt 60.000 Brutpaare im Jahr 2022.

Warum sage ich das? Der Kormoran ist ein Zugvogel, ein klassischer Zugvogel normalerweise. Die Zugrouten des Kormorans haben sich aber in den letzten Jahren, seitdem die Bestandsentwicklungen so positiv sind, schlagartig auch verändert. Das heißt, einige Zugrouten, nämlich die Südroute findet überhaupt nicht mehr statt. Also unsere Vögel, die hier brüten, die ziehen Richtung Portugal, Spanien und Nordafrika. Aber seit den 90er-Jahren haben wir bei uns hier Überwinterung von Kormoranen in Größenordnungen, und das sind die Vögel, die in Estland, Finnland, Schweden und Russland brüten und dort auch kontinuierlich aufwachsen.

(Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)

Also wir sind ein großes Winterrastgebiet für Kormorane geworden und die Winterrastgebiete erstrecken sich mittlerweile auch weit in das Binnenland. Wir haben im Binnenland mittlerweile einen Anstieg von winterrastenden Kormoranen von 50 Prozent zu verzeichnen. Das heißt, der Druck – das muss man auch konstatieren –, der Druck auf die Fischbestände hat dort deutlich zugenommen.

(Beifall René Domke, FDP)

In der Wintervogelzählung werden in den letzten Jahren zwischen 15.000 und 23.000 Tiere gezählt, und es sind neue Rastplätze dazugekommen bei uns. Die Greifswalder Oie, die bis 2015 überhaupt noch keine Bedeutung hatte oder völlig untergeordnet war, ist jetzt Brutgebiet geworden, allerdings nur mit 36 Nestern. Aber wir haben dort in Spitzenzeiten bis zu 10.000 Kormorane nach Auskunft des Vereins Jordsand, der dort für dieses FFHGebiet beim Vogelschutz zuständig ist. Und ich kann Ihnen sagen, die Kollegen des Vereins Jordsand sind darüber nicht so glücklich, weil eigentlich der Status des FFH-Gebietes ein anderer war.

Der Kormoran frisst täglich 380 Gramm Fisch. Es gab eine große Untersuchung in Schleswig-Holstein 2018, und in dieser Untersuchung wurden auch die Nahrungsquellen des Kormorans noch mal genau an, ich sage mal, getöteten Tieren und an den Speiballen – so nennt man das – herausgearbeitet. Die Fischarten sind Flussbarsch, Hecht, Kaulbarsch, Dorsch, Plötze und Stint. Also das Ergebnis der Studie war, die Binnenfischer fischen 97 Tonnen dieser Fische. Der Kormoran frisst 67 Tonnen dieser Fische. Das bedeutet für mich: Homo sapiens versus carbo sinensis.

(Heiterkeit bei Sandy van Baal, FDP)