Protokoll der Sitzung vom 14.03.2024

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Sehr geehrte Damen und Herren,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

ich bitte um Ruhe, damit wir zur Abstimmung kommen können.

(Sebastian Ehlers, CDU: Sie haben Deutschlandfahnen im Klo runtergespült, Herr Barlen. – Julian Barlen, SPD: Ich habe Deutschland- fahnen im Klo runtergespült?!)

Also wir können auch gerne noch eine Auszeit machen. Ich würde gerne abstimmen, aber abstimmen kann ich nur, wenn hier Ruhe ist.

Also wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Erweiterung der Tagesordnung um diesen Dringlichkeitsantrag nicht zugestimmt worden.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bezahlbaren Wohnraum effizient und klimafreundlich schaffen – Bauen im Bestand erleichtern, Drucksache 8/3458.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bezahlbaren Wohnraum effizient und klimafreundlich schaffen – Bauen im Bestand erleichtern – Drucksache 8/3458 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Damm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! In ganz Deutschland ist der Bedarf an Wohnraum, an bezahlbarem Wohnraum, unvermindert hoch, auch in Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das zeigte zuletzt etwa eine Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Verbändebündnis „Soziales Wohnen“. Während immer mehr Haushalte zur Miete wohnen, ist der Bestand an Sozialwohnungen kontinuierlich rückläufig. Die Zahl der Sozialwohnungen ist in MecklenburgVorpommern von 2017 bis 2022, also im Verlauf von nur sechs Jahren, regelrecht eingebrochen. Mit einem Rückgang von ursprünglich knapp 6.700 Wohnungen auf heute nur etwa 2.700 hat sich der Bestand an Sozialwohnungen mehr als halbiert.

So kommt die Studie zu dem Ergebnis, auch in MecklenburgVorpommern besteht ein enormes Defizit an Sozialwohnungen. Der Bestand müsste mehr als achtmal so groß sein wie heute. Das zeigt beispielhaft, es fehlt insgesamt an einem ausreichenden Angebot an bezahlbarem Wohnraum. Die hohe Nachfrage nach ausreichendem Wohnraum ist Teil der sozialen Frage der Gegenwart. Daher muss die Politik und müssen auch wir als Landtag von Mecklenburg-Vorpommern umfassende Maßnahmen ergreifen, um im großen Stil bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Mit Sicherheit die naheliegendste Lösung würde lauten, grundlegender Neubau zahlreicher neuer Wohngebäude. Das kann aber nur ein Teil der Lösung sein, denn Neubau ist nicht nur teuer, er kommt auch mit einer gewaltigen Klimawirkung daher,

(Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD: Ach?! Unglaublich!)

denn Treibhausgasemissionen entstehen nicht nur in der Nutzung von Gebäuden. Zu diesen Emissionen, die allein schon 14 Prozent der Gesamtemissionen von M-V ausmachen, kommen nämlich,

(Glocke der Vizepräsidentin)

kommen nämlich enorme Mengen sogenannter grauer Energie beziehungsweise graue Emissionen hinzu. Dahinter verbergen sich Energieaufwand und Emissionen, die im Zuge der Herstellung und Instandhaltung von Gebäuden zustande kommen. Die Emissionen, die schon bis zur Fertigstellung eines Gebäudes, das heute gebaut wird, anfallen, können am Ende bereits 80 Prozent der Lebenszyklusemissionen ausmachen, also bereits,

(Zuruf von Petra Federau, AfD)

bevor überhaupt die erste Heizung im Gebäude eingeschaltet wird.

Das hat vor allem einen Grund: Die Herstellung von Zement geht mit extremen Emissionsmengen einher. Die Herstellung einer Tonne Zement verursacht im Mittel die Emissionen von 0,6 Tonnen CO2, was 40 Prozent der typischen Jahresemissionsmenge eines Kleinwagens entspricht. Beim typischen Verbrauch von 40 Tonnen Zement je Wohneinheit hieße das, dieser Neubau entspricht in seiner Klimawirkung 40 Jahren Nutzung eines Pkw.

Die Zementherstellung ist so allein für rund acht Prozent der globalen Kohlenstoffdioxidemissionen verantwortlich. Und das zeigt, wir stehen vor einem enormen, ganz grundlegenden Konflikt zwischen der nötigen Schaffung von Wohnraum einerseits und der Eindämmung des Klimawandels andererseits, denn klar ist, ein ungebremster Klimawandel wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten selbst zum größten Teil soziale, selbst zum größten Treiber sozialer Verwerfungen werden. Dass wir zur Lösung des einen Problems das andere verschlimmern, das müssen wir unbedingt verhindern.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie also kann Wohnraum geschaffen werden, ohne Treibhausgase, die das Klima schädigen, in großen Mengen freizusetzen? Wie lassen sich Klimaschutz und Wohnraumschaffen miteinander versöhnen, anstatt sich gegeneinander ausspielen zu müssen? Es gibt Lösungen zu all diesen Fragen, Lösungen, die nachhaltig und sozial verträglich sind. Wir müssen diese Lösungen unbedingt verstärkt in den Blick nehmen. Teil der Lösung ist zum Beispiel der Rückgriff auf nachhaltige Baustoffe aus Holz oder aus Paludikulturerzeugnissen, die nicht nur Emissionen reduzieren, da sie emissionsintensive Baustoffe ersetzen, sondern gleichzeitig Kohlenstoff sogar aus der Atmosphäre einfangen und binden.

Ein ganz zentraler Teil der Lösung ergibt sich aber schon, wenn wir uns fragen: Was haben wir bereits? Wie gelingt es, den Gebäudebestand, der bereits in unseren Siedlungen existiert, noch effizienter zu nutzen? Es gilt, Wohnungsbau grundsätzlich neu zu denken, und die zentralen Stichworte lauten hier: Bauen im Bestand. Unser Ziel muss es sein, die Möglichkeiten zum Bauen im Bestand und die damit verbundenen Potenziale zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums zu vereinfachen,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

auszuweiten und schneller nutzbar zu machen. Bauen im und Nutzbarmachung von Bestand umfasst dabei neben Sanierung auch Aufstockung und Anbauten an bestehenden Gebäuden. Hinzu kommen Potenziale durch Nutzungsänderung, zum Beispiel von bestehenden Bürogebäuden.

Eine Vorstellung davon, welche Möglichkeiten dort zu heben sind, liefert die Deutschlandstudie der TU Darmstadt, die 2019 Wohnraumpotenziale durch Aufstockung und Umnutzung von Nichtwohngebäuden untersucht hat. So ließen sich deutschlandweit 560.000 Wohneinheiten schaffen, indem bestehende Büro- und Verwaltungsgebäude aufgestockt werden. Die Umnutzung leerstehender Büro- und Verwaltungsgebäude könnte zusätzlich 350.000 zusätzliche Wohneinheiten mobilisieren. Die Aufstockung bestehender Wohngebäude würde zudem allein Potenzial von über einer Million zusätzlicher Wohnungen bieten. Addiert man all diese Potenziale, so erhält man insgesamt deutschlandweit 2,3 bis 2,7 Millionen zusätzlicher Wohnungen, kostengünstig und ohne weitere Flächen versiegeln zu müssen. Und das ist ein enormes Potenzial.

Es wird aber bisher nicht ausreichend genutzt. Und auch in M-V müssen diese Potenziale in Zukunft folglich besser nutzbar gemacht werden, denn das Bauen im Bestand bringt zahlreiche Vorteile mit sich. So wird nicht nur

ein Teil der Emissionen in der Herstellung eingespart. Auch müssen keine zusätzlichen Flächen der Natur entzogen und erschlossen werden. Das spart Emissionen und – was zentral bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist – reduziert Kosten.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Neue Flächen müssen weder erworben noch nutzbar gemacht werden, Kosten aufgrund des Erwerbs von Grundstücken entfallen vollständig. Auch kann die Infrastruktur, die das zu erweiternde oder umzunutzende Gebäude bereits angeschlossen hat, weiter genutzt werden. Es müssen keine neuen Straßen gebaut und keine Leitungen verlegt werden, wodurch nochmals Infrastrukturkosten gering gehalten werden. Die Energie- und Wärmeversorgung von aufgestockten Wohneinheiten kann durch eine bereits existierende Haustechnik in der Regel abgedeckt werden. Und durch Umlage auf dann mehrere Wohneinheiten reduzieren sich auch noch die Nebenkosten für alle. Auch liegen die betroffenen Bestandsbauten in der Regel im Kernbereich des Siedlungsraumes, wodurch mit der Schaffung von neuem, bezahlbarem Wohnraum eine sozialwirtschaftliche Durchmischung gefördert und zum Abend leergefegten Geschäftsvierteln in Innenstädten entgegengewirkt wird.

All das zeigt, das Bauen im Bestand bietet zahlreiche ökonomische, ökologische, soziale und städtebauliche Potenziale. Daher ergibt es wenig Sinn, diese Möglichkeiten im Baurecht unnötig zu erschweren. MecklenburgVorpommern hat wie jedes andere Bundesland eine eigene Landesbauordnung und kann daher selbstständig tätig werden, ohne auf den Bund zeigen zu müssen, was ja sonst oft Ausrede der Regierung für fehlende Landesinitiativen in M-V für den Klimaschutz ist.

Zudem werden so ganz ohne zusätzliche Kosten für den Landeshaushalt neue Möglichkeiten zur Wohnraumschaffung erschlossen. Da müssten doch jetzt sowohl die sozialen Regierungsfraktionen als auch die haushaltsstrengen Konservativen bei CDU und FDP denken: Jackpot, diesem Antrag der GRÜNEN stimmen wir zu!

(René Domke, FDP: Ja.)

Denn es müssten schnellstmöglich Vereinfachungen für das Bauen im Bestand auf Landesebene vorgenommen werden. Dazu gehört etwa, dass bei einmaligen Aufstockungen um bis zu zwei Vollgeschosse, bei einmaligen Flächenzubauten um bis zu 25 Prozent und bei Nutzungsänderungen die ursprüngliche Gebäudeklasse bestehen bleiben darf. Dazu gehört auch, dass Pflichten wie die Schaffung zusätzlicher Stellplätze, Aufzüge oder Abstandsflächen entfallen oder zumindest gelockert werden, womit die planerischen und finanziellen Aufwendungen des Bauens im Bestand weiter reduziert werden können. Nutzungsänderungen und Anbauten sollten zudem vermehrt genehmigungsfrei möglich sein.

All diese Dinge können hier auf Landesebene umgesetzt werden, zum Beispiel durch eine Änderung der Landesbauordnung. Teile davon wurden bereits gemeinsam von den Bundesländern beschlossen. Die Umsetzung steht allerdings in M-V noch aus. Das Bauen im Bestand war zudem bereits Teil der Bauministerkonferenz des vergangenen Jahres. Hier darf es aber nicht bei an die Bundesregierung gerichteten Aufforderungen bleiben, solan

ge wir eigene Handlungsspielräume auf Landesebene haben. Die Chancen des Bauens im Bestand müssen schnellstmöglich in M-V genutzt werden, denn damit lässt sich dringend nötiger, bezahlbarer Wohnraum nicht nur schnell und unkompliziert, sondern auch klimafreundlich schaffen.

Wir GRÜNE denken dieses Thema wie alle anderen zusammen. Ich bitte Sie deswegen um Zustimmung zu ihrem Antrag und freue mich auf die Debatte. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung der Innenminister Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Falle dann allerdings als Bauminister. Das Bauministerium, das Innenministerium sind selbstverständlich zusammengefügt. Ich würde gerne mal versuchen zu sortieren und ein Stück weit Signale dafür geben, dass kluge Gedanken drin sind, die in der Tat die Bauministerkonferenz längst aufgegriffen hat, die wir hier in die Umsetzung bringen. Aber für größere Teile würde ich bitten, die Scheuklappen von einem sehr monokausalen Blick abzuwenden.

Erste Überschrift: Ja, bezahlbarer Wohnraum ist wichtig, im Übrigen ein Thema, das wir seit vielen Jahren in verschiedenen Koalitionen intensiv verfolgt haben. Im Bundesland selber werden Sie allerdings – das habe ich ein wenig vermisst, da ist eine sehr Greifswald-Rostockspezifische Sicht drin –, werden Sie große Teile des Landes erleben, wo die Mietzinsentgelte deutlich unter den Höchstwerten liegen, die wir für sozialen Wohnraumbau in Rostock, Greifswald, Waren, Stralsund, in den touristischen Hotspots verlangen oder maximal verlangen dürfen, weil wir einfach einen völlig heterogenen Wohnungsmarkt im Lande haben.

Aber ja, es gibt größere Beritte, da haben Sie vollkommen recht, wo wir Neubau brauchen. Dann haben wir die eine Diskussion, mit welchen Baustoffen bauen wir. Sie waren jetzt sehr dabei, alles entsteht immer mit Beton. Ich glaube, dass wir Veränderungsprozesse an der Stelle erleben werden. Zumindest Ihre Beispiele waren auf Beton aufgesetzt.

Ich will aber dafür werben, dass die Aufstockung – die Sie zu Recht als eine Chance, die Verdichtung von Wohnraum, von Besiedlung, als eine mögliche Lösung angeboten haben, ansprechen – seit vielen Jahren Thema ist, und erlebe seltener, will ich auch deutlich sagen, dass die Landesbauordnung im Wege steht. Ich kann mich an spannende Diskussionen – ich gucke Rainer Albrecht als Rostocker an – in Rostock erinnern,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)