Protokoll der Sitzung vom 14.03.2024

(Nikolaus Kramer, AfD: Ja, Frau Präsidentin.)

Das ist sehr angenehm.

Und jetzt kann ich den nächsten Redner aufrufen, für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Michael Noetzel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen kurz aus dem NSU-Untersuchungsausschuss berichten, weil es mir doch recht passend erscheint. Kürzlich haben wir dort einen Ex-Neonazi vernommen, der sich vor langer Zeit glaubhaft von der Szene gelöst hat.

Spannend fand ich in diesem Zusammenhang seine Beweggründe für den Ausstieg. Ich möchte die mal wie folgt zusammenfassen. Zum einen hat er die Schwachsinnigkeit von Rassismus erkannt und zum anderen hat er die Opfermentalität in der Szene schlicht nicht mehr ertragen. Und dann schauen wir uns diese Debatte an: Funktionäre der AfD wurden mal wieder dabei erwischt, wie sie unverblümt dumpfen Rassismus verbreiten und Deportationsfantasien spinnen. Und was machen Sie nach der Veröffentlichung? Sie jammern rum,

(Horst Förster, AfD: Gegen die Verfolgung von RAF-Mördern.)

Sie fühlen sich missverstanden, Sie inszenieren sich als Opfer einer Hetzkampagne,

(Petra Federau, AfD: Die ist wahr.)

finanziert durch die Mächtigen des Staates.

(Petra Federau, AfD: Die ist wahr.)

Man möchte meinen, armes, armes Hascherl!

(Heiterkeit bei Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Diese AfD verkörpert also exakt das, was der Zeuge im Untersuchungsausschuss mit seinem Ausstieg aus der Naziszene hinter sich gelassen hat. Sie sind Überzeugungstäter in der ewigen Opferrolle. Würde ich mich in der Rolle sehen, dem rechten Rand hier im Parlament Ratschläge zu erteilen, würde ich sagen, es ist nie zu spät für einen Ausstieg, und einige Ihrer Ex-Kollegen haben es ja geschafft.

Meine Damen und Herren, es ist immer das gleiche Schauspiel der ständig falsch Verstandenen, das wir regelmäßig dargeboten bekommen, und ich bin es leid, diesem Trauerspiel eine Bühne zu bieten. Und ich werde die sehr vielen und guten und richtigen Beispiele von Herrn Ehlers hier nicht wiederholen. Es gibt sogar noch mehr. Es fehlt noch der Schusswaffengebrauch, die auf Menschen an der Grenze gerichtet sind.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Es folgt die immer ewig gleiche Leier der AfD, ein wohlorchestriertes Wechselspiel aus Grenzüberschreitung und Opfergehabe. Jedes Mal, wenn die rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ausfälle auf Empörung stoßen, will man es nicht so gemeint haben. Alle anderen, insbesondere die böse Lügenpresse, würden Zitate verfälschen und aus dem Zusammenhang reißen, um die Partei zu diskreditieren, so auch in der aktuellen Diskussion um die Pläne von rassistischen Massendeportationen.

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Ja.)

Doch die CORRECTIV-Recherche hat die klassische Täter-Opfer-Umkehr der AfD ins Wanken gebracht.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Einerseits sieht man sich nach wie vor als Opfer einer Kampagne. So versuchen sich Teilnehmer juristisch gegen die Veröffentlichung zu wehren, derzeit jedoch nicht sehr erfolgreich. Da wird eine minimale Korrektur an der umfassenden Recherche zu einem Sieg auf ganzer Linie aufgeblasen. Das ist peinlich.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Es lohnt sich aber auch nicht wirklich, auf diesen Aspekt einzugehen. Kein Gericht hat den grundlegenden Wahrheitsgehalt der Recherche und den menschenverachtenden Charakter des Treffens in Potsdam infrage gestellt

(Horst Förster, AfD: Das haben Sie selbst gemacht.)

und das machen auch die meisten AfDler nicht. Das ist die Realität.

Und andererseits bekommt die Opferfassade im Übermut von Umfrageergebnissen langsam Risse.

(Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

Mit Blick auf mögliche Machtoptionen sind mehr AfDler bereit, ihre Maske fallen zu lassen. Sie geben millionenfache Deportation als offizielles Ziel der Partei aus. Das Treffen von Potsdam hat offenbart, was die AfD in die Tat

umsetzen will, wenn sie die Möglichkeit dazu hätte. Genauso wenig wie wir hier über juristisches Klein-Klein diskutieren, werden wir hier auch nicht über Ihre vermeintlichen Remigrationskonzepte debattieren. Das, was in Potsdam besprochen wurde, hat rein gar nichts mit dem aktuellen Flüchtlingsaufkommen oder der aktuellen Situation der Kommunen zu tun. Das sind Scheindebatten, die wir mit rechten Hetzern nicht führen werden.

Wenn der Kopf der Identitären Bewegung in trauter rechtsextremer Runde über Remigration im großen Stil referiert, geht es um nichts anderes als puren Rassismus. Die Massendeportationen sind dabei nichts anderes als Mittel zum Zweck, nämlich um den Volkskörper deutsch, weiß und rein zu machen. Das, was in Potsdam besprochen wurde, ist ekelhaft, es ist menschenverachtend, aber es ist der Kern der AfD. Dagegen werden wir uns konsequent stellen.

Und wenn man sieht, wie sich die AfD hier freut, wenn Projekte wie der Demokratiebahnhof geschlossen werden, wenn man hört, dass die AfD in Bundestagsausschüssen in putschähnlicher Manier versucht, sich des Ausschussvorsitzes zu bemächtigen

(Heiterkeit bei Petra Federau, AfD – Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

oder im Burgenlandkreis vor dem Privathaus des CDULandrats aufmarschiert und diesen einschüchtern will, kann man erkennen, welche Gefahr für unsere Demokratie hier davon ausgeht.

Und, Herr Peters, an Sie persönlich: Das ist keine,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

das ist keine Hysterie, wie Sie heute in der „Zeit“ das noch von sich gegeben haben. Und vielleicht reden Sie mal mit den Parteikollegen vor Ort.

Meine Damen und Herren, die CORRECTIV-Recherchen waren tatsächlich der Auftakt eines Kampfes,

(Zuruf von Petra Federau, AfD)

das kann ich nur begrüßen, Sie waren der Auftakt eines Kampfes für Demokratie, für Menschenrechte, für unsere Freunde, für unsere Nachbarn, Arbeitskollegen und jeden, der den Deportationsfantasien der AfD zum Opfer gefallen wäre.

(Thore Stein, AfD: Mann!)

Es ist ein Kampf gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Faschismus oder, wie die AfD beklagt, ein Kampf gegen Andersdenkende. Aber die Abertausenden und Millionen Mitstreiter, die in den letzten Monaten auf die Straße gegangen sind, lassen mich zuversichtlich in die Zukunft schauen. Jetzt heißt es, am Ball bleiben und alles tun, damit die AfD und andere Menschenfeinde vom rechten Rand ihre Pläne nicht in die Tat umsetzen können.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Meine Damen und Herren, ich möchte diese Rede auch dazu nutzen, um allen Medienschaffenden, aber auch linken Recherchestrukturen für ihre Arbeit zu danken.

(Zurufe vonseiten der Fraktion der AfD: Ah!)

Ohne investigativen Journalismus wüssten wir viel weniger über die Vernetzungen am rechten Rand, die vom Rechtsterrorismus bis in die Parlamente reichen. Die Journalistinnen und Journalisten leuchten die dunklen, blau-braunen Ecken aus und klären über die Gefahren der extremen Rechten auf. Ohne sie wüssten wir beispielsweise nicht, dass die Bundestagsabgeordneten der AfD mehr als 100 Rechtsextremisten beschäftigen und so Steuergelder in demokratiefeindliche Strukturen fließen lassen und was für ein Feigenblatt angebliche Unvereinbarkeitsbeschlüsse sind.

(Zurufe von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD, und Thore Stein, AfD)

Ohne sie wüssten wir auch nicht, dass sich potenzielle oder auch tatsächliche Rechtsterroristen wie die Umstürzler von Nordkreuz oder der Mörder von Walter Lübcke auf Veranstaltungen der AfD wohl fühlen.

(Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

Nicht selten geraten die Journalistinnen und Journalisten durch ihre Recherchen selbst ins Visier dieser Menschenfeinde.

(Petra Federau, AfD: Gehts noch eine Nummer größer?!)

Insofern gilt ihnen mein ausdrücklicher Dank, denn ihre Arbeit trägt wesentlich zum Schutz unseres demokratischen Miteinanders bei. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.