Erstens ist der Begriff der Bleibeperspektive viel zu unpräzise. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stuft Menschen aus Syrien, Eritrea, Somalia und Afghanistan als solche mit guter Bleibeperspektive ein. Festgemacht wird dies an der hohen Anerkennungsquote der Asylsuchenden aus diesen Ländern. Hält man sich vor Augen, dass etwa 40 Prozent der Ablehnungsbescheide des BAMF von den Gerichten kassiert werden, verliert der Begriff der Bleibeperspektive jegliche Kontur.
Für die Beantwortung der Frage, welche Menschen an die Kommunen weiterverteilt werden sollen und welche nicht, ist das Kriterium der Bleibeperspektive schlicht unbrauchbar.
Zweitens. Die FDP-Fraktion beantwortet nicht die Frage, was denn passieren soll mit den Menschen, die keine Bleibeperspektive haben. Sollen diese allen Ernstes in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben? Das geht dem Asylgesetz zufolge nur für eine Zeit von bis zu 18 Monaten.
Minderjährige Kinder und ihre Eltern oder andere Sorgeberechtigte können sowie ihre volljährigen ledigen Geschwister dürfen sogar nur bis zu sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden.
Was mich aber wirklich ärgert – und jetzt muss ich mal was loswerden – an dem FDP-Antrag, ist, Sie, liebe Kolleg/-innen von der FDP-Fraktion, Sie haben Wahlkampf gemacht auf dem Rücken von Menschen, die zu uns kommen, weil sie Schutz suchen oder einfach nur arbeiten wollen. Sie haben im Kommunal- und Europawahlkampf den Claim „Migration begrenzen“ plakatiert, weil Sie meinen, damit Ihr politisches Überleben zu sichern,
und darüber so vergessen, darüber sogar vergessen, Ihre frühere Hauptzielgruppe, die der Unternehmer/-innen, zu bedienen. Die Unternehmer/-innen nicht nur bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, sondern bundesweit, suchen händeringend nach Arbeitskräften.
Im Jahresdurchschnitt 2022/2023 fehlten in MecklenburgVorpommern 16.396 qualifizierte Arbeitskräfte.
Damit gab es für durchschnittlich 50 Prozent aller offenen Stellen keine passenden qualifizierten Arbeitslosen.
Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge stärken Zuzüge aus dem Ausland zwar die demografische Basis, aber die derzeitigen Wanderungszahlen reichen nicht, um den demografischen Effekt vollständig zu kompensieren. Nur mit einer jährlichen Nettozuwanderung von 400.000 Personen bundesweit bliebe das Arbeitskräfteangebot bis 2060 nahezu konstant. „Deutschland braucht 1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr,“
„wenn wir abzüglich der beträchtlichen Abwanderung jedes Jahr 400.000 neue Bürger haben und so die Zahl der Arbeitskräfte halten wollen“, sagte die Ökonomin und Wirtschaftsweise Monika Schnitzer der „Süddeutschen Zeitung“. Und sie ergänzte, Deutschland brauche dringend „eine Willkommenskultur“.
Was hat das jetzt mit dem Antrag zu tun? Wir sollten dankbar sein für jeden Menschen, der zu uns kommt. Wir sollten aufhören, darüber nachzudenken, nachzudenken, ob die Menschen, die zu uns kommen, eine Bleibeperspektive haben oder nicht, ob wir sie also dezentral oder in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen.
Kurz, wir sollten diesen Menschen möglichst schnell erlauben, einer Berufstätigkeit nachzugehen und sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Michael Noetzel, DIE LINKE – Zuruf von René Domke, FDP)
Liebe Kolleg/-innen von der FDP-Fraktion, lassen Sie uns das Thema mit nach Berlin nehmen und uns gemeinsam einsetzen für ein bedarfsgerechtes Sprachkursangebot, schnellere Asylverfahren und dafür, dass Instrumente wie der Systemwechsel, die den Wechsel aus dem laufenden Asylverfahren
in die Beantragung eines Aufenthaltstitels zu Erwerbszwecken ermöglichen, ausgeweitet werden, denn dann stellen sich ziemlich viele der Fragen, die Sie derzeit offenbar umtreiben, schlicht nicht mehr. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Liebe Frau Kollegin Oehlrich, also ich weise hier an der Stelle ausdrücklich zurück, dass die FDP mit diesem Thema irgendeine Art von Wahlkampf macht.
Wir haben hier ernsthafte Probleme in diesem Land, wir haben hier ernsthafte Herausforderungen, die angegangen werden müssen. Dieser Streit und dieses Möchtegern, die FDP in die rechte Ecke stecken zu wollen,
führt genau dazu, dass die demokratische Mitte an der Stelle geschwächt wird. Genau solche Diskussionen weise ich an der Stelle ganz, ganz deutlich zurück!
Wir haben ganz klar immer gesagt, wir wollen eine geordnete Zuwanderung, wir wollen eine geordnete Migration. Wir wollen die Leute, die wir hier brauchen, die wir hier haben wollen, die sollen hierherkommen. Und das, was hier nicht funktioniert, das muss geordnet werden. Und nichts anderes schlagen wir hier vor.
Wir machen einzelne Lösungsbausteine, und ich weise Ihre Vorwürfe an der Stelle wirklich ganz vehement zurück!
Herr Kollege Wulff, also die Plakate mit dem Claim „Migration begrenzen“ hingen den ganzen Weg die Werderstraße entlang, am Marstall vorbei,
Ja, Sie haben mit dem Thema Wahlkampf gemacht. Sie haben hier einen Antrag vorgelegt mit fünf Punkten, und drei von diesen Punkten sind schlicht sachlich falsch und deswegen ganz einfach abzulehnen. Deswegen verstehe ich Ihre Aufregung nicht an dieser Stelle. – Vielen Dank!