Protokoll der Sitzung vom 12.03.2002

Nein, ich möchte in einem Stück vortragen. - Außerdem streben wir eine verbesserte Kooperation an. Daraus machen Sie, dass wir keine selbstständige Schule mehr haben wollten. Das Gegenteil aber ist der Fall. Hören Sie mit Ihren Unterstellungen auf! Sie finden die selbstständigen Schulen auch weiterhin im Schulgesetz verankert. Die Schulformen sind da.

(Klare [CDU]: Aber unter welchen Bedingungen?)

Sie werden uns anhand unseres Gesetzentwurfes nicht nachweisen können, dass wir irgendwelche selbstständigen Schulen zwangsweise zusammenlegen wollen. Das müssen Sie uns erst einmal nachweisen. Dies ist nach diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht möglich.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem wollen wir, dass es demnächst gerechter zugeht. Das heißt, dass wir den Kindern im ländlichen Raum bessere Bildungschancen anbieten wollen. Das heißt für uns „gerechter“. Dies haben Sie in einigen der CDU-geführten Landkreise - gleiches gilt aber auch für SPD-geführte Landkreise - noch nicht gut hingekriegt. Sagen Sie jetzt nicht, die Bildungsreform der 70er-Jahre hätte nichts gebracht. Natürlich hat sie mehr Bildungsbeteiligung gebracht. Das schreiben wir uns auf die Fahnen. Es sind nicht Ihre Fahnen, die da im Wind wehen.

(Beifall bei der SPD)

Die gymnasialen Angebote im ländlichen Raum müssen verbessert werden. Die Schulträger - übrigens auch die CDU-geführten - haben mit den Diskussionen schon längst begonnen. Wir werden demnächst auflisten - wie wir es auch schon im Zusammenhang mit der Verlässlichen Grundschule getan haben -, wer alles bei uns einen Antrag auf Einrichtung eines gymnasialen Angebots im ländlichen Raum stellt. Ich halte das für richtig.

(Klare [CDU]: Alle! - Busemann [CDU]: Alle! Jedes Dorf!)

- Ja, ist doch wunderbar. Da sehen Sie einmal, wie gut dieses Gesetz ist. Nicht Sie, sondern wir haben das aufgegriffen.

(Beifall bei der SPD - Klare [CDU]: Sie merken gar nicht, dass Sie eine ganze Struktur zerschlagen!)

Wir werden uns mit diesem Reformwerk bei den anderen Bundesländern gut sehen lassen können; denn wir sind das erste Bundesland, das gerade die Sprachförderung für Kinder in einem Gesetz aufgreift. Das ist nun eindeutig ein Ergebnis der PISA-Studie. Wir wollen Sprachfördermaßnahmen verpflichtend vorsehen. Wir wollen, dass sich Kinder ein Dreivierteljahr vor der Einschulung einem Pflichttest zu unterziehen haben. Wir wollen dies auch für die Quereinsteiger in den verschiedenen Schulabschnitten vorsehen, also nicht nur in der Vorschule. Kinder - das müssen alle Eltern wissen - sollen, wenn sie hier geboren worden sind, im Prinzip Deutsch sprechen können, auch wenn sie eine andere Herkunftssprache haben.

(Beifall bei der SPD)

Damit muss bereits im Kindergarten begonnen werden. Aber nicht alle Eltern werden ihre Kinder in den Kindergarten schicken. Deshalb wollen wir eine Sprachförderpflicht für die Zeit vor der Einschulung vorsehen. Dies ist meiner Meinung nach ein ganz interessanter Ansatz im vorliegenden Gesetzentwurf, der in allen anderen Bundesländern seinesgleichen sucht.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Weil kein Geld da ist!)

- Aber sicher, Herr Wulff, Sie werden es sehen. Ich habe gesagt, dass der Bildungshaushalt natürlich noch aufgestockt werden muss. Wir haben ja Zeit, eine ganze Legislaturperiode. Die wollen wir auch gestalten. Sie aber werden das nicht tun.

(Beifall bei der SPD)

Vor allem wollen wir mit dieser Reformmaßnahme das Einschulungsalter senken. Zu diesem Zweck schaffen wir eine flexible zweijährige Eingangsstufe. Das ist hier schon gesagt worden. Es soll nicht zwangsweise geschehen, sondern die Grundschulen sollen sich dieser Frage selbst stellen. Wir haben diesbezüglich im Rahmen von Schulversuchen seit 1995 entsprechende Erfahrungen gesammelt. Die Schulen sollen dann darauf verzichten, Kinder zurückzustellen. Wir haben nämlich festgestellt - darüber werden wir morgen noch ausführlich diskutieren -, dass Kinder dort zurückgestellt werden, wo es Schulkindergärten gibt, nicht aber dort, wo es keine gibt, und dort ist die Quote besonders hoch. Deshalb werden wir den Schulen die Möglichkeit eröffnen, auf das Instrument der Zurückstellung zu verzichten und stattdessen eine flexible Einschulung vorzunehmen. Dann können Kinder in der Mehrheit ein Jahr, zwei Jahre, aber auch drei Jahre in dieser Eingangsstufe bleiben.

Wir wollen vor allem Ganztagsschulen ermöglichen. Ich meine, dass wir uns an dieser Stelle einig sind. Worüber wir uns aber nicht einig sind, Herr Wulff, ist, dass wir für diese Altersstufe keine Nachmittagsbetreuung wollen. Wir wollen sie ganz ausdrücklich nicht. Die PISA-Studie sagt: Wir brauchen mehr Unterrichtszeit am Nachmittag, nicht aber nur mehr Nachmittagsbetreuung, wie Sie sie immer wieder beantragen.

(Widerspruch bei der CDU)

- Erzählen Sie doch nichts. Das ist für Kinder in der ersten und in der zweiten Klasse eine Stunde. Sie aber wollen den ganzen Nachmittag für die

Nachmittagsbetreuung vorsehen, und das in einer Altersphase, in der Kinder Unterricht brauchen.

(Widerspruch bei der CDU)

An der Stelle sind wir uns eben nicht einig.

Wir werden auch ein Initiativrecht für Eltern schaffen, Ganztagsschulen zu beantragen. Dieses neue Instrument im Schulgesetz begrüße ich außerordentlich. Das muss aber im Einvernehmen mit dem jeweiligen Schulträger geschehen. Elternräte werden demnächst jedoch Anträge auf Einrichtung einer Ganztagsschule stellen dürfen, damit wir im Lande ordentlich vorankommen. Sie werden sehen: Die kommunale Seite wird sich diesem Problem trotz aller Probleme, die sie mit ihrer Leistungsfähigkeit hat, aber stellen. Diese Probleme negieren wir ja nicht. Deshalb räumen wir den Kommunen auch Spielräume ein. Auch diesbezüglich liegen Sie völlig falsch. Sie waren ja auch beim Städtetag. Natürlich haben wir uns gegenseitig die Hand gereicht und haben gesagt, wir wüssten um die Schwierigkeiten der kommunalen Leistungsfähigkeit und der kommunalen Haushalte. Wir wollen an den aufgezeigten Problemen, die es in Deutschland gibt, aber gemeinsam arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass sich dem auch Ihre Kommunen nicht verschließen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Sie werden sich einer Notwendigkeit nicht verschließen können, nämlich der Entwicklung und der Sicherung von Standorten in der Fläche. Sie wissen ganz genau: Angesichts sinkender Schülerzahlen und vor dem Hintergrund der weiteren Qualifizierung, die die Eltern für ihre Kinder wünschen, wird es Hauptschulstandorte geben, die gefährdet sind. Deshalb werden sie bei uns Realschulzweige beantragen. Darüber hinaus wird es Haupt- und Realschulstandorte geben, an denen die Eltern bei uns Gymnasialzweige beantragen werden. Wir werden sie genehmigen, auch wenn dies schwer fällt. Wir brauchen mehr höherwertige Abschlüsse nicht nur in Niedersachsen, sondern in ganz Deutschland. Wir liegen im internationalen Vergleich nicht gut genug, was ich hier ja nicht zum ersten Mal sage.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden beides zulassen, also auch die Gesamtschulentwicklung. Sie werden sich noch wundern, was uns die internationalen Studien dazu sagen werden. Sie liegen völlig falsch, wenn Sie meinen,

dass Homogenität eine bessere Förderung zur Folge hat. Wenn Sie das glauben, muss ich Ihnen vorhalten, dass Sie wiederum nicht sinnentnehmend gelesen haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie die PISA-Studie gelesen hätten - ich weiß nicht, ob Sie es nicht getan haben; ich möchte das nicht unterstellen - oder gelesen haben, dann werden Sie dort einen Hinweis darauf gefunden haben, dass die Heterogenität offensichtlich leistungsfördernder ist als die Homogenität. Diese Tatsache werden wir im Schulgesetz dadurch abbilden, dass wir auch demjenigen Drittel der Eltern, die eine Gesamtschule haben wollen - wir wissen, dass dies nicht die Mehrheit der Eltern ist -, gerecht werden. Auch dem anderen Drittel, das ein gegliedertes Schulwesen mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten haben will, werden wir mit der vorliegenden Gesetzesnovelle gerecht. Hören Sie also damit auf, im Lande zu verkünden, wir würden mit unserem Schulgesetz irgendetwas anderes machen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zu der etwas merkwürdigen Art, in der Sie hier das Lostrommelverfahren für Kinder vorgestellt haben.

(Busemann [CDU]: Das ist auch merkwürdig!)

Ich bin darauf gespannt, was Sie sagen, wenn die Schülerströme nach Klasse 4 bei Ihrem Modell - wir warten hier ja noch auf Ihren Gesetzentwurf verstärkt Richtung Gymnasien gehen. Ich habe mit Herrn Busemann neulich über diese Frage diskutiert. Er hat genau das gesagt, was auch ich sage: Wir gehen davon aus, dass 30 bis 35 % der Eltern das Gymnasium anwählen. - Genau so hat er es gesagt, und genau so ist es auch, meine Damen und Herren. Auch in den anderen Bundesländern gibt es Übergänge zum Gymnasium in diesem Ausmaß. Insofern haben Sie das völlig richtig gesagt, Herr Busemann. Was Sie aber nicht sagen, ist, dass beide Modelle nach Klasse 4 auf der kommunalen Seite die gleichen Probleme aufwerfen. Sie sagen darüber hinaus nicht, welche Instrumente Sie den Schulträgern zur Verfügung stellen wollen, weil Sie keinen Gesetzentwurf vorlegen. Wir aber nennen die Instrumente. Wir sagen: Er kann Schulbezirke einrichten. Er kann, muss es aber nicht. Wir sagen außerdem: Er kann Kapazitätsbeschränkungen vornehmen. Er muss es aber nicht. Das heißt:

Wir geben ihm Instrumente für den Fall an die Hand, dass räumliche Probleme auftreten, die sonst nur mit Schulbauten gelöst werden könnten. Genau dieses Problem haben wir an dieser Stelle bearbeitet.

Wir empfehlen den Schulträgern allerdings, nach Möglichkeit Wettbewerb zuzulassen, damit Qualitätssteigerungen erfolgen und man sich um die Kinder bemüht.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass sich die Schulen dort, wo dies räumlich möglich ist und die Entfernungen für die Eltern tragbar sind, um die Kinder bemühen und die Eltern nicht nur eine Schule wählen können. Es soll ein maßstabsgeschneidertes Angebot für Eltern geben. Das wird allerdings nur gehen, wenn die Schulträger im Vorfeld ihrer Planungen Bedarfserhebungen durchführen, damit sie dann auch gut auf die Schülerströme eingestellt sind. Dabei haben wir genau die gleichen Probleme in beiden Modellen. Suggerieren Sie bitte nicht im Lande, dass das bei Ihnen anders ist als bei uns. Sie sagen es bloß nicht, Sie versuchen, es zu verschweigen. Das ist allerdings, finde ich, nicht besonders redlich, sondern wenig sachorientiert.

Ich will Ihnen außerdem noch deutlich sagen, dass wir auch im Bereich der Konkordatsschulen, der katholischen Schulen, eine Entwicklung zu verzeichnen haben, die spannend ist. Die künftige Kooperative Haupt- und Realschule ist ja durchaus ein Weg, den auch die Kirchen gehen wollen. Ich wundere mich, dass Sie das immer verschweigen.

(Zuruf von der SPD: Ach!)

Sie wollen nämlich genau diesem Modell folgen. Da wird gar nicht viel umzuorganisieren sein. Denn es gibt jetzt schon Haupt- und Realschulen mit Orientierungsstufe im kirchlichen Bereich, und die sollen genauso umgewandelt werden. Wir befinden uns in Konkordatsverhandlungen, und wir werden eine Vorvereinbarung schließen. Dem Parlament werden wir darüber noch berichten. Wir könnten, wenn auch ein bisschen überspitzt, geradezu sagen: Wir folgen hier der katholischen Kirche. Die kirchlichen Schulen gehen also genau den Weg, den Sie der Landesregierung als angebliche Auflösung der Haupt- und Realschule anlasten. Nein, das wird alles freiwillig passieren.

(Klare [CDU] lacht)

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Die Schulträger werden diese Wege selbst zu gehen haben. Nach dem Gesetz liegt die Eigenverantwortung auch bei ihnen,

(Klare [CDU]: Sie helfen ein bisschen dabei!)

und wir werden genehmigen müssen. - Herr Klare, das war im Schulgesetz so, auch in Ihrem, und das wird auch so bleiben.

(Klare [CDU]: Warum lassen Sie es dann nicht so, wenn es so war?)

Hören Sie mit Ihren Unterstellungen auf!

(Beifall bei der SPD - Klare [CDU]: Sie haben etwas ganz anderes im Sinn!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Diese Schulgesetznovelle ist sehr konzentriert und sehr übersichtlich.

(Biestmann [CDU]: Kein Mensch ver- steht sie! - Zuruf von Frau Körtner [CDU])