Protokoll der Sitzung vom 30.08.2002

(Beifall bei der SPD)

Ich finde das schon plump und entlarvend, weil es Ihnen - das ist auch in Ihrer Rede, Herr Wulff, eben deutlich geworden - gar nicht um eine objektive, sachliche Beratung geht. Es geht um plumpe Wahlkampfshow, wobei bei Ihnen alles im Vordergrund steht, aber mit Sicherheit nicht die Arbeitslosen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Gansäuer stellt sich hier wieder staatstragend hin und fordert, wie ich finde, zu Recht, dass es eine gemeinsame Aufgabe sei, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, und dass dazu alle an einem Strang ziehen müssten.

(Möllring [CDU]: Aber alle in die gleiche Richtung!)

- Genau! - Deshalb ist es meines Erachtens absolut sinnvoll, dass erstmals eine unabhängige, überparteiliche Kommission

(Lachen bei der CDU)

Vorschläge auf den Tisch legt, die von allen bearbeitet werden könnten. Sie tun das aber nicht. Ihr Kanzlerkandidat redet stattdessen vom „HartzGequatsche“. Meine Damen und Herren, ich finde das ungeheuerlich, und ich empfinde diesen Umgang als eine Verhöhnung der Betroffenen.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Ist denn Herr Hartz überpar- teilich?)

In Wahrheit ist diese Gesellschaft seit zwei Jahrzehnten nicht in der Lage, einen Konsens bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herzustellen. Alle Interessengruppen müssten ideologischen Ballast beiseite schieben, und sie müssten bereit sein, Kompromisse einzugehen. Ich finde, Hartz hat dafür die Voraussetzungen geschaffen. Die SPD bekennt sich unter dieser Überschrift ausdrücklich dazu. Sie haben eben deutlich gemacht: Sie nicht.

Ich darf daran erinnern, dass die HartzKommission nicht als Wahlkampfinstrument eingesetzt wurde,

(Lachen bei der CDU - Ontijd [CDU]: Pure Heuchelei!)

sondern nach der Aufdeckung erheblicher Schwachstellen in der Bundesanstalt für Arbeit eingesetzt wurde, um sofort zu reagieren. Das war

am 22. Februar. Hätte die Bundesregierung das nicht getan, hätten Sie ihr zu Recht Tatenlosigkeit vorgeworfen. Nun hat sie reagiert, und nun werfen Sie ihr vor, dass sie etwas getan hat. Was wollen Sie eigentlich, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dass auch nach Ihrem heutigen Vortrag nicht klar ist, welche Position die CDU zum HartzKonzept überhaupt vertritt. Die Aussagen führender Politiker der Union lesen sich in den letzten drei Monaten wie eine Chronik der Hilflosigkeit und Verantwortungslosigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen das noch einmal in Erinnerung rufen. Am 24. Juni erklärt Lothar Späth, das sei ein richtig mutiges Konzept mit interessanten, revolutionären Vorschlägen. Am 24. Juni erklärt Herr Goppel, die Hartz-Vorschläge seien mit der Union problemlos umzusetzen. Am 27. Juni erklärt Herr Merz, Teile der Vorschläge seien überlegenswert. Und der Gleiche kritisiert wenige Tage später Herrn Späth, dieser habe viel zu vorschnell die Vorschläge der Hartz-Kommission begrüßt. Am 8. August erklärt der Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten, dieses seien endlich Schritte in die richtige Richtung. Am 9. August - das ist noch gar nicht lange her - sagt Herr Wulff: Bei den Hartz-Vorschlägen ist manches Vernünftige dabei. Vieles ist von uns abgeschrieben.

(Ontijd [CDU]: Eben deshalb!)

Der Gleiche fasst in seiner Funktion als stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei am 16. August einen Beschluss, in dem CDU und CSU die Hartz-Vorschläge komplett ablehnen.

(Beifall und Lachen bei der SPD - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist eine Lüge, Herr Schwarz, wie Sie es immer machen!)

Meine Damen und Herren, das ist die neue Geradlinigkeit der CDU! Ich bin mir sicher, dass wenigstens einige der Redlichen in Ihren Reihen diesen Eiertanz für höchst peinlich halten. Ausgerechnet Herr Wulff wirft dem Bundeskanzler am 25. August vor, es sei eine einzigartige Beweglichkeit, dass er die Vorschläge von Hartz begrüße. Das, was Sie machen, entspricht einem völlig orientierungslosen Brummkreisel!

(Beifall bei der SPD)

Wenn die vorliegenden CDU-Anträge ernst genommen werden sollen, muss schon einmal geklärt werden, was hier eigentlich los ist. Ist denn nun alles Mist, was von Hartz vorgelegt wurde?

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wer sagt das?)

Dann können Sie alles ablehnen. Oder ist es alles abgeschrieben? Dann müssen Sie einmal deutlich machen, hinter welchen Punkten Sie stehen. Dann können Sie nicht pauschal sagen: Wir lehnen das alles ab.

Ich will einmal auf drei oder vier Punkte eingehen. Sie fordern, die Zumutbarkeitsregelung zur Arbeitsaufnahme müsse verschärft und die Beweislast umgekehrt werden. Hartz schreibt das rein; Sie lehnen Hartz aber ab.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie haben es bisher abgelehnt!)

Sie fordern, die Schaffung regulärer Arbeitsplätze in privaten Haushalten zu fördern. Hartz schreibt das rein; Sie lehnen Hartz komplett ab.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie haben es aber bekämpft!)

Hartz fordert, die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dürfe nicht zulasten der Kommunen gehen. Das praktiziert übrigens die Bundesregierung in Form von Modellversuchen schon lange, u. a. auch in Niedersachsen. Hartz ist der Erste, der sagt, wo zusammengeführt werden soll und wie es finanziert werden soll.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wo denn, Herr Schwarz? Das sagt er gerade nicht!)

- Gerade das sagt er. Lesen Sie doch wenigstens die Papiere, bevor Sie darüber reden!

(Beifall bei der SPD - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Das hält er offen! Das habe ich durchgearbeitet!)

- Hartz schreibt deutlich, dass bei Job-Centern zusammengeführt wird. Er sagt auch, wen er dort zusammenführt, und er sagt, dass dieses nicht zulasten der Kommunen geht. Das bedeutet eine Entlastung der Sozialhilfekosten der Kommunen um ein Drittel. Deshalb weiß ich gar nicht mehr, was Sie mit Ihrer Sonthofener Frontalopposition hier eigentlich betreiben wollen. Ich finde, in der

Frage haben Sie sich schon lange ins Abseits manövriert. Und das ist auch gut so; da gehören Sie auch hin.

(Beifall bei der SPD)

In Ihren Aussagen zur Leiharbeit fordern Sie, es solle Leiharbeit geschaffen werden - das fordert auch Hartz, den Sie bekanntlich ablehnen -, übrigens etwas, was in Niedersachsen schon lange praktiziert wird. Wir hatten in Niedersachsen sogar ein Sonderprogramm aufgelegt. Das ist deshalb nicht abgerufen worden, weil die Arbeitgeber den Bedarf auf einmal nicht mehr erkannt hatten. Aber immerhin nimmt Herr Wulff mit diesem Antrag seine Forderung nach mehr Leiharbeit wieder auf. Das war am 21. August. Am 25. August sagt derselbe Wulff in einem Interview des Tagesspiegel:

„Das Problem auf dem Arbeitsmarkt besteht doch nicht darin, dass die Firmen händeringend Leiharbeiter suchen.“

Jetzt muss ich fragen: Was wollen Sie eigentlich? Stehen Sie hinter Ihrem Antrag? Ist das nötig? Oder wollen Sie nur ein Schaugeplänkel, indem Sie sagen: Wir brauchen es eigentlich nicht; weil Hartz es vorgeschlagen hat, sind wir dagegen? Ich finde, das ist ein Schaukelstil, den wirklich auch der Letzte bemerkt. Wenn Stoiber das liest, dürfen Sie wahrscheinlich noch einmal mit auf den Brocken hoch, aber er wird froh sein, wenn Sie oben bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Sie fordern eine bedarfsgerechte, vielfältige Kinderbetreuung. Ich glaube, das kann jeder unterschreiben. Aber die Wahrheit in 16 Jahren Kohl sah anders aus. Es war die rot-grüne Koalition, die endlich auch für arbeitslose Frauen mit Kindern einen ausreichenden Schutz in der Arbeitslosenversicherung geschaffen

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Das ver- gessen sie gern!)

und mit dem Job-AQTIV-Gesetz auch den Bezug von Mutterschaftsgeld und die Erziehung eines Kindes bis zum dritten Lebensjahr in die Versicherungspflicht einbezogen hat. Es war die rot-grüne Koalition, die einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit verankert hat, und es war die rot-grüne Koalition, die bei Qualifizierungsmaßnahmen durch das Arbeitsamt ergänzend für Kinderbetreuung

130 Euro monatlich zur Verfügung stellt. Dieses alles haben Sie nicht nur abgelehnt, sondern Sie machen in Ihrem Wahlprogramm ausdrücklich klar, dass Sie Teile davon wieder zurücknehmen werden.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Hoffentlich wissen das alle!)

Insofern ist, glaube ich, schon deutlich, wer sich um Kinder und Familien wirklich kümmert und wer nicht.

(Frau Pawelski [CDU]: Dafür haben Sie den allein Erziehenden den Haus- haltsfreibetrag gestrichen!)

Das gilt im Übrigen auch für Niedersachsen. In Niedersachsen wurden seit 1990 60 000 Kindergartenplätze geschaffen. In den nächsten fünf Jahren wird die Anzahl der Ganztagsschulen in Niedersachsen verdreifacht. Zum Schuljahresbeginn 2002/2003 gibt es 1 350 Verlässliche Grundschulen. Auch dieses alles haben Sie, obwohl Ihnen das Wohl der Familien ja so am Herzen liegt, hier im Landtag abgelehnt.

Um auch das noch deutlich zu machen: Die KohlRegierung ist wegen ihrer mangelhaften Unterstützung der Familien erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht verklagt worden.

(Zustimmung bei der SPD)