Wenn wir also die Entwicklung hin zu einem Entschließungsantrags- und Anfrageparlament aufhalten und umkehren wollen, dann müssen wir nicht nur die Erkenntnisse dieser einen EnqueteKommission in Niedersachsen, sondern auch die Ergebnisse von mindestens 40 weiteren Kommissionen, die sich mit dieser Thematik beschäftigt haben, umsetzen. Rückblickend auf die beiden vergangenen Jahre bedauere ich, dass sich die eine Seite dieses Hauses dem ersten Teil des Untersuchungsauftrages eigentlich nur bedingt stellen wollte. Ich hatte fast den Eindruck, man hätte vielleicht mit der Aufstellung der Saalmikrofone die Arbeit einstellen wollen.
Meine Damen und Herren, eine kleine Kritik ist erlaubt, auch wenn wir es am Ende einstimmig verabschiedet haben. Ich glaube, es konnte nicht unser Auftrag sein, dass wir uns nur Gedanken darüber machen, wie wir den Parlamentsablauf innenorganisatorisch neu ordnen. Ich glaube, erst dadurch, dass den Sachverständigen in der Enquete-Kommission Stimmrecht verliehen wurde, ist Bewegung in die Sache hineingekommen.
Dennoch wird es im Parlamentsablauf Veränderungen geben. Das sind weitreichende Veränderungen. Diese weitreichenden Veränderungen - dies sage ich auch einmal nach draußen in die Lobby - werden hoffentlich nach dem 2. Februar zu einem völlig neuen, aktiven Parlament, zu völlig neuen Ideen und einem völlig anderen Ablauf führen. Es wird nicht nur der dreiwöchige Tagungsrhythmus mit nur noch zwei Plenartagen sein. Wir werden dadurch häufiger tagen. Es werden auch Tagesordnungen nach Schwerpunkten gebildet werden können. Es wird keine Redezeitbeschränkungen mehr geben. Es wird keine Vorgabe mehr geben, wann welcher Redner zu welchem Zeitpunkt zu welchem Tagesordnungspunkt sprechen wird. Das wird unter Umständen eine disziplinierende Wirkung haben. Dass man nicht mehr weiß, wann man mit seiner Rede dran ist, kann unter Umständen dazu führen, dass das Parlament dann doch häufiger von uns Parlamentariern besucht wird. Dies sage ich wohl wissend, dass auch alle diejenigen, die gerade nicht da sind, wichtige Aufgaben zu erledigen haben.
Bei der Frage des Minderheitenrechts, Regierungsmitglieder in den Ausschuss zu zitieren, konnten wir als CDU-Fraktion uns leider nicht durchsetzen. Wir hätten es richtig gefunden, diesen Weg zu gehen.
Noch etwas wird dieses Parlament zukünftig nicht mehr haben, nämlich dass - wie gerade eben bei der Dringlichen Anfrage oder auch bei mündlichen Anfragen - immer wieder dieser nette Zwischenruf kommt: „Nun fragen Sie doch endlich!“, oder der Herr Präsident - oder wer auch immer - sagt: „Wo bleibt die Frage?“ - Das wird es, wenn wir das umsetzen, nicht mehr geben; denn dann wird sichergestellt sein, dass in Form einer dreiminütigen Gegenrede auf das, was der Minister oder die Ministerin gesagt hat, geantwortet werden kann.
Ich halte das für eine richtige Weichenstellung, weil wir als Opposition - oder Sie dann ab 2. Februar - gerade bei Dringlichen Anfragen der Regierung doch erheblich unterlegen sind.
Meine Damen und Herren, die Reduzierung der Zahl der Ausschüsse von 18 auf 10 wäre nur dann konsequent, wenn Sie bereit gewesen wären, das Parlament in einem ersten Schritt zu verkleinern, auch wenn es sich nur um 20 Abgeordnete gehandelt hätte. Das wäre immerhin eine Einsparung von rund 2 Millionen Euro gewesen. Ich möchte einmal auf Folgendes hinweisen - es sind ja auch einige Bürgerinnen und Bürger dieses Landes hier, die der heutigen Plenarsitzung beiwohnen -: Derzeit kosten die aktiven 157 Abgeordneten rund 0,06 % des niedersächsischen Landeshaushalts. Jeder der 8 Millionen Einwohner in Niedersachsen zahlt derzeit für seinen Abgeordneten an aktiven Personalausgaben inklusive Aufwandsentschädigung usw. 1,75 Euro im Jahr. Das sind 15 Cent im Monat oder 0,5 Cent am Tag. Dennoch: Eine Reduzierung des Parlaments wäre ein klares Signal auch dieser Enquete-Kommission gewesen. Ich bedaure, dass Sie diesen Schritt nicht mitgehen wollten.
Ich will gar nicht weiter auf die sehr umfangreiche Stellungnahme zur Frage des Petitionsausschusses eingehen. Aber ich möchte ausdrücklich Frau Merk danken, die sich in ihrer Fraktion am Ende mit ihrer Meinung offenbar durchsetzen konnte, dass dieses Parlament - wie alle anderen Parlamente in Deutschland im Übrigen auch; Bayern
bereits seit nach 1945 - einen eigenen Petitionsausschuss einrichten wird. Ich weiß, dass es in allen Fraktionen viele Vorbehalte zu dieser Fragestellung geben wird bzw. geben kann; denn jeder ist davon überzeugt, dass der derzeitige Ablauf der richtige ist. Aber ich glaube, wir entlasten die Fachausschüsse, die sich damit auf ihre Kernarbeit konzentrieren können, wenn wir die Petitionen in einen eigenen Ausschuss geben.
Meine Damen und Herren, im letzten Teil der Untersuchung, insbesondere hinsichtlich der Einführung neuer Steuerungsinstrumente, haben wir die Ziele der jetzt einzuführenden leistungsorientierten Haushaltswirtschaft in Niedersachsen bis 2008 ein wenig unter die Lupe genommen. Wir haben sehr wohl auf die rechtliche Problematik der neuen Haushaltsinstrumente wie Zielvereinbarungen und Leistungsaufträge aufmerksam gemacht. Diese sind rechtlich äußerst umstritten. Auch wenn Sie es nicht glauben wollen: Die Frage, ob die Budgethoheit dieses Parlaments gesichert werden kann, hat bei den Erörterungen der Enquete-Kommission eine entscheidende Bedeutung gehabt. Das ist eine Kernfrage bei der Umstellung auf neue Steuerungsinstrumente. Ich kann nur eines sagen: Selbst wenn Zielvereinbarungen und Leistungsaufträge rechtlich immer noch umstritten sind, eines wird mit Sicherheit eintreten: Das heute schon nur bedingt real existierende Budgetrecht des Parlaments wird nicht wesentlich eingeschränkt werden. Aber die Kontrollfunktion des Parlaments, von uns allen - auch im Haushaltsausschuss, dem ich angehöre -, wird mit Sicherheit doppelt so schwierig werden, zumal sich bereits jetzt - das machen wir uns oftmals nicht sehr deutlich - 50 % der Haushaltsmittel in budgetierten Deckungskreisen und 7,1 % in den Landesbetrieben befinden.
Interessant waren die Warnungen vor Stiftungsmodellen. Der Landesrechnungshof hat hier eine sehr deutliche Sprache gesprochen. Ich kann nur daran erinnern, dass Niedersachsen mit seinen Hochschulen diesen Weg der Stiftungshochschulen gehen will. In der Enquete-Kommission haben wir uns sehr umfassend und ausführlich mit dieser Problematik befasst. Wir haben davor gewarnt, hier einen Sonderweg zu gehen. Professor von Campenhausen hat diese Stiftungshochschulen eine Schnapsidee genannt, weil die Stiftungskultur in Niedersachsen, Herr Minister Oppermann, oder - besser gesagt - in Deutschland wahrlich nicht so ausgeprägt ist wie in den USA oder anderswo. Ich will nicht sagen, dass das ein völlig falscher Weg ist. Aber zumindest sind die rechtlichen Probleme
der Stiftungshochschulen dort sehr deutlich aufgezeigt worden. Ich empfehle Ihnen, einmal einen Blick in den Abschlussbericht zu werfen, Herr Minister Oppermann.
Meine Damen und Herren, rund 76 Seiten mit Anspruch auf Umsetzung wurden niedergeschrieben. Dank an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst und alle, die daran mitgewirkt haben. Diese 76 Seiten harren allerdings jetzt auch der Umsetzung. Es wäre mehr als bedauerlich, würden die Ergebnisse erneut dem Tagesopportunismus geopfert werden. - Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von Ihnen einstimmig eingesetzte EnqueteKommission zur Parlamentsreform hat zwei Jahre lang – wie ich meine - sehr fleißig und intensiv miteinander gearbeitet. Sie wissen, dass in dieser Enquete-Kommission auch sechs externe Sachverständige mitgearbeitet haben. Deswegen möchte ich zuerst einen Dank insbesondere an diese Sachverständigen, an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, aber auch an die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen dieses Hauses aussprechen, die zwei Jahre lang in dieser EnqueteKommission gearbeitet haben.
Sie wissen, unser Auftrag war umfassend. Ich will die Themen nicht im Einzelnen wiederholen. Aber wir waren dem Parlament sehr dankbar, dass es rechtzeitig unseren Arbeitszeitraum verdoppelt und unserem Vorschlag zugestimmt hat, den Sachverständigen Stimmrecht zu geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch eben wieder deutlich geworden: Der Teil 2, der sich mit unseren inneren Arbeitsabläufen befasst, findet und fand in diesem Hause besonderes Interesse. Aber aus Sicht der Enquete-Kommission ist der erste Teil unseres Arbeitsauftrages der viel gewichtigere gewesen.
Es geht, wie schon gesagt, um unsere Kompetenzen als Parlament und damit letzten Endes um die Existenz dieses Parlaments. Wenn man sich mit diesen Themen befasst, ist klar, dass in gewisser Weise auch das föderale System der Bundesrepublik auf dem Prüfstand steht.
Nach der Verfassungsordnung unseres Grundgesetzes haben die Bundesländer Staatsqualität. Es gibt gute Gründe, diese bundesstaatliche Struktur zu erhalten und wieder zu stärken.
Wesentlich für die Staatsqualität eines Bundeslandes ist das Vorhandensein eines vom Landesvolk frei gewählten Parlaments. Wenn ein solches Parlament im Laufe der vergangenen 50 Jahre Kompetenzverschiebungen und Kompetenzverluste erlitten hat, dann ist es an uns, an den Abgeordneten dieses Hauses, diesen Prozess zu stoppen und wieder umzukehren.
Die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Land und Europa ist natürlich nicht neu. Sie wird seit vielen Jahren immer wieder diskutiert. Es gibt in fast allen Landtagen Enquete-Kommissionen, die sich damit beschäftigt haben. Wir finden dieses Thema auch wieder bei Diskussionen, Gesprächen, Verhandlungen auf den verschiedensten Regierungsebenen, immer auch über Ländergrenzen hinweg.
Auf der Parlamentsebene fehlte aber bisher dieses länderübergreifende Element. Wir sind deshalb in der niedersächsischen Enquete-Kommission gemeinsam der Auffassung gewesen, dass die Länderparlamente für ihre eigenen Kompetenzen und Rechte selber streiten und kämpfen müssen. Deshalb haben wir einen Konvent von Landtagsabgeordneten aller Bundesländer vorgeschlagen. Wir sind froh darüber und stolz darauf, dass das inzwischen in Vorbereitung ist. Denn wir meinen, dieser Konvent soll die gemeinsamen Interessen und Kompetenzansprüche der Länderparlamente gegenüber dem Bund und Europa stärken.
Zu diesen gemeinsamen Interessen gehört die Frage nach den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern genauso wie die Frage, ob und wie Gesetzgebungskompetenzen und Finanzverantwortung wieder stärker zusammengeführt werden können. Wir sehen es also als großen Erfolg für
Ich will auch etwas zu Kompetenzverlusten sagen, welche die Länder im Laufe der Jahre hingenommen haben, in einigen Detailfragen auch etwas zu Rückholmöglichkeiten. Von 48 Grundgesetzänderungen in den letzten Jahren sind sage und schreibe 35 zulasten der Länder gegangen. Als 1994 nach der deutschen Einheit das Grundgesetz überarbeitet wurde, hat es erste Anläufe, Tendenzen und auch Ergebnisse gegeben, um die Länderkompetenzen wieder zu stärken. Die Frage ist aber, ob wir als Parlament das genügend nutzen.
Lassen Sie mich an einigen Punkten vortragen, womit sich die Kommission im Detail beschäftigt hat. Da ist z. B. Artikel 72 des Grundgesetzes. Er eröffnet dem Bund auch nach der Neufassung erheblichen Spielraum unter der Prämisse „Wahrung der Rechtseinheit“. Zu fragen ist doch, ob das wirklich immer gerechtfertigt ist.
Bisher hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung die Länderkompetenzen eher restriktiv behandelt. Seit einigen Wochen haben wir ein neues Urteil - es geht um das Altenpflegegesetz -, in dem Karlsruhe meines Wissens erstmals das Gesetzgebungsrecht der Länder gestärkt hat. Das ist ein Lichtblick für die Länder und die Parlamente, und wir sollten das nutzen.
Ein weiteres Beispiel, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich aufzählen. Ich meine, dem Artikel 125 a Abs. 2 des Grundgesetzes sollte ein besonderes Interesse dieses Parlaments gelten. Was besagt denn dieser Artikel? - Er besagt, dass alle bis 1994 erlassenen Bundesgesetze daraufhin zu prüfen sind, ob nach dem geänderten Grundgesetz noch immer ein Interesse an einer bundeseinheitlichen Regelung besteht oder ob Konsequenzen gezogen und Kompetenzen an die Länder zurückverlagert werden. Es geht hier nicht um Peanuts, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht vielmehr um Gesetzgebungskompetenzen in ca. 35 unterschiedlichen Bereichen.
Trotz dieser Grundgesetzänderung ist in der Zeit von 1994 bis 1998 überhaupt nichts passiert. 1998 hat es dann einen Vorstoß der SPD-Bundestagsfraktion gegeben. Es wurde ein entsprechender Gesetzentwurf vorbereitet. Aber bedauerlicherweise ist auch diese Initiative mit dem Hinweis auf die
Die niedersächsische Enquete-Kommission ist einhellig der Auffassung, dass wir, das Landesparlament, prüfen lassen sollten, ob dem Parlament nicht zumindest ein Antragsrecht auf Freigabe dieser Gesetzesmaterien zugestanden werden sollte.
Auch gegenüber der EU ist im Übrigen darauf hinzuwirken, dass das Subsidiaritätsprinzip in der Praxis ausreichend umgesetzt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es eigentlich auch einen Grund zur Selbstkritik, wenn wir über mangelnde Kompetenzen reden? - Die Antwort muss bedauerlicherweise ein eindeutiges Ja sein. Es gibt nämlich auch so etwas wie eine stillschweigende Kompetenzaufgabe. Auch hierzu ein kleines Beispiel. Ich zitiere einmal aus dem Grundgesetz Artikel 80 Abs. 4:
"Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt."
So weit der Text des Grundgesetzes. Die EnqueteKommission hält die Entscheidung, ob Verordnung oder Gesetz, für eine Entscheidung, die allein das Parlament zu treffen hat. Die Kommission regt daher an, ein entsprechendes Kommunikationsverfahren zwischen der Landesregierung und dem Parlament zu entwickeln und einzuführen.
Kolleginnen und Kollegen, auch bei der Umsetzung von EU-Recht lassen Länderparlamente und eben auch der Niedersächsische Landtag häufig in großzügiger Weise Verordnungsermächtigungen zu. Damit verzichtet das Parlament, damit verzichten wir auf unser Gesetzgebungsmonopol. Da liegt auch eine Gefahr für den Bestand des Landesparlaments.
Ich will jetzt noch einige Punkte zu dem zweiten Teil unseres Auftrags erwähnen, der lautete, dass wir die Arbeit des Parlaments und der Ausschüsse effektiver, lebendiger und aktueller zu gestalten haben. Es hat dazu viele Vorschläge der Kommissionsmitglieder gegeben, die wir ausführlich diskutiert und zum Teil auch verworfen haben. Das ist
der normale Gang der Dinge. Die Fraktionen dieses Hauses werden sich mit der Umsetzung der einzelnen Punkte befassen, indem sie sie in der neuen Geschäftsordnung zu verankern haben. Meine Fraktion hat schon sehr ausführlich darüber beraten.
Ich will aus Zeitgründen nicht auf alle Einzelpunkte eingehen, sondern mich auf zwei oder drei beschränken.
Etwas ist von meinem Vorredner auch schon angesprochen worden: Einer der wesentlichsten Punkte, die unsere Arbeit verändern werden, ist die Aufhebung der Redezeiten. Das hört sich im ersten Moment vielleicht sehr revolutionär an. Aber man muss sich überlegen, was die Kommission damit bezweckt. Wir waren uns darüber einig, dass die Debatten lebhafter werden, weil mehr Abgeordnete die Möglichkeit haben, sich spontan an einer Aussprache zu beteiligen und auf Vorredner zu reagieren. Es wird aber zwangsläufig auch zu einer durchaus beabsichtigten Selbstdisziplinierung bei der Anwesenheit im Plenarsaal kommen, weil niemand mehr so genau voraussagen kann, wann die nächste Abstimmung stattfindet.
Die Gefahr, dass Debatten zeitlich völlig ausufern könnten, hat die Enquete-Kommission überhaupt nicht gesehen. Ich meine, alle, die vielleicht jetzt innerlich bedenklich den Kopf wiegen und sich fragen, ob das mit der Aufhebung der Redezeiten geht, darf ich darauf hinweisen, dass es vor 1982 in diesem Haus diese Art der Begrenzung nicht gegeben hat.