Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Sie verunstalten das Land mit einer solchen Rhetorik.

(Zuruf von Frau Harms [GRÜNE] - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Ich meine, dass wir mit Ihnen demnächst als Opposition angemessener umgehen werden; denn wir schließen die Möglichkeit nicht aus, dass auch von anderen Fraktionen Anregungen kommen, mit denen man sich auseinander setzen sollte.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist un- glaublich!)

Ich sagen Ihnen: Sie werden das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung behalten, solange Sie sich weiter mit solchen Einlassungen im Lande produzieren. Herr Scholz äußerte sich zur „Lufthoheit über den Kinderbetten“. Herr Müntefering äußerte: „Weniger privater Konsum und mehr für den Staat, damit dieser seine Aufgaben erfüllen kann“. Dann gab es all die Äußerungen von Herrn

Gabriel dahin gehend, die Schenkungssteuer zu erhöhen, die Erbschaftsteuer zu erhöhen, die Vermögensteuer einzuführen, ferner zur Akademikersteuer, zur Gesundheitssteuer und zur Mehrwertsteuer für die Rente. Alle diese Modellvorschläge aus dem Buch von Herrn Gabriel werden dieses Land vor die Wand fahren; denn die Investoren und die Konsumenten werden dadurch verunsichert. Wir brauchen aber ein Klima des Vertrauens und der Verlässlichkeit. Daran fehlt es aber.

(Beifall bei der CDU)

Mit Ihren wahrheitswidrigen und unhaltbaren Behauptungen und Äußerungen haben Sie ein Problem in Ihrer eigenen Partei. Wir sind natürlich dankbar dafür, dass wir der heutigen Ausgabe der Schaumburger Nachrichten entnehmen können, dass Mitglieder Ihrer Fraktion die Stilfrage - jedenfalls ein wenig - stellen und dafür auch eintreten. Alfred Reckmann wird wie folgt zitiert:

„Ich habe mich im Fraktionsvorstand der SPD-Landtagsfraktion gegen Anzeigen dieser Art ausgesprochen.“

(Beifall bei der CDU)

Ich zitiere weiter:

„Wir müssen ausschließlich zu Sachthemen zurückkehren und persönliche Angriffe unterlassen.“

(Beifall bei der CDU)

Ich zitiere Herrn Reckmann weiter - wenn er Recht hat, hat er Recht -:

„Mit diesem Wahlkampfstil wird man kaum Wähler gewinnen.“

Ich sage Ihnen: Sie werden mit diesem Wahlkampfstil weitere Wähler verlieren, weil Sie auf die Sorgen, Nöte und Ängste der Menschen nicht reagieren, sondern nur Ihr eigenes parteipolitisches Süppchen kochen.

(Beifall bei der CDU)

Wer hier von Respekt vor Betriebsräten und von der Schaffung von 900 Arbeitsplätzen bei VW - mehr sind es ja von den 5 000 ja noch nicht spricht, der darf dann aber nicht auf seine Großflächen schreiben „Wir haben 5 000 Arbeitsplätze geschaffen“. Nicht die SPD hat sie geschaffen,

sondern der Betriebsrat, die Unternehmensleitung, die Konzernleitung und das Unternehmen VW.

(Beifall bei der CDU)

Wer das Thema VW in den Landtag einbringt, der muss zur Kenntnis nehmen, was Herr Pischetsrieder vor wenigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung und in anderen Medien zum Besten gegeben hat.

(Präsident Wernstedt übernimmt den Vorsitz)

Er hat gesagt: Die größte und eigentliche Gefährdung von VW in diesen Tagen stellen der Zickzackkurs und die Unzuverlässigkeit der Bundesregierung dar. Er appelliert an die Bundesregierung, in die Politik, in die Steuerpolitik endlich wieder Verlässlichkeit und Vertrauen einzubringen, weil bei den Firmenwagen gewaltige Auftragsrückgänge zu verzeichnen sind, die Arbeitsplätze kosten.

(Beifall bei der CDU)

Jeder in Niedersachsen weiß, dass die CDU in Niedersachsen immer zu VW und zum VW-Anteil gestanden hat. Zu unserer Regierungszeit war der Landesanteil an VW höher als zu Ihrer Regierungszeit, weil Sie bei den Kapitalerhöhungen nicht mehr mitgegangen sind. Wir haben das VWGesetz in Zeiten einer CDU-Bundesregierung und in Zeiten einer CDU-Landesregierung immer aufrechterhalten. Jeder von Ihnen weiß, dass ich eine Aufstockung des Landesanteils auf 25 % für den Fall vorgeschlagen habe, dass das VW-Gesetz in Gefahr gerät. Jeder weiß, dass wir eine Koalition daran scheitern lassen würden, wenn jemand von uns erwarten würde, dass wir die Anteile an VW verkaufen. Deshalb ist es pure Angstmache im Lande und ein Behaupten der Unwahrheit, wenn Sie uns vorwerfen, wir würden VW in Gefahr bringen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zu- rufe von der SPD)

Sie tragen die Verantwortung für die momentane Lage in unserem Land. Wer ständig neue Vorschläge macht, wer ständig neue Steuer- und Abgabenerhöhungen vereinbart, der hat das Recht verloren, in diesem Lande zu beanspruchen, wirtschaftliche Belebungen herbeiführen zu können.

(Schurreit [SPD]: Wohin soll es ge- hen? Was ist Ihre Lösung?)

In dem von Ihnen bejubelten Koalitionsvertrag sind die Kappung des Ehegattensplittings und die Streichung der Abzugsfähigkeit von Spenden bei Körperschaften festgelegt. Gleichzeitig wollen Sie die Stiftungsuniversitäten privat finanzieren. Sie haben auch die Kürzung der Entfernungspauschale vereinbart. Das ist für ein Flächenland wie Niedersachsen eine schlichte Katastrophe. Sie haben die Abschaffung der Tonnagesteuer vereinbart. Das ist für ein Küstenland wie Niedersachsen mit Reedereien und Werften eine schlichte Katastrophe. Sie haben die weiteren Einschränkungen bei der Eigenheimzulage zu verantworten. Das alles steht im Koalitionsvertrag.

(Adam [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Sie müssen doch damit leben, dass bei Ihnen steuerpolitische Dilettanten die Politik machen und so etwas vereinbaren. Das ist doch Ihr Problem und nicht meines.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Erzählen Sie doch einmal etwas von der Wirklichkeit!)

Ich zitiere den Koalitionsvertrag, der auf Bundesebene für die kommenden vier Jahre zwischen den Grünen und der SPD vereinbart wurde. Wenn Sie einiges daraus jetzt umsetzen und einiges vertagen, dann bleibt für mich nur die Behauptung, dass Sie die weiteren Vorhaben des Koalitionsvertrages in den nächsten Monaten und Jahren verwirklichen wollen. Die Menschen wissen inzwischen, was Sie vor der Wahl sagen und was Sie nach der Wahl machen. Die Vertrauenskrise in diesem Lande liegt darin,

(Plaue [SPD]: Die Sie produzieren!)

dass man Ihnen nichts mehr glaubt. Man kann Ihnen auch nichts mehr glauben. Wer so mit den Menschen umgeht, der hat das Vertrauen verloren.

(Beifall bei der CDU)

Bevor Sie weiter mit der Plattheit der Staatsquote durch die Lande laufen, lassen Sie mich abschließend noch einmal erklären:

(Biel [SPD]: Was will Wulff denn machen? - Wegner [SPD]: Sie halten alles unter der Decke!)

Ein Anteil, Herr Wegner, von einem gewachsenen Ganzen kann mit 40 % sehr viel mehr sein als ein Anteil von 50 % an weniger. In diesem Bereich hat meiner Meinung nach die Sozialdemokratie den größten Nachholbedarf. Wenn unsere Volkswirtschaft wächst, wenn wir Dynamik, Wachstum, mehr Beschäftigung und mehr Einnahmen haben, dann sind 40 % von diesem gewachsenen Kuchen für Rente, für Gesundheit und für Soziales

(Zurufe von der SPD)

materiell, additiv mehr, als wenn die Wirtschaft schrumpft, wir Rezessionen haben und Sie eine Staatsquote von 50 % organisieren.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: 170 Milliarden Euro Staatseinnahmen aus Wachstum! Da lachen ja die Hüh- ner! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Herr Plaue, da Sie die Dinge nicht voreinander kriegen, möchte ich Ihnen noch einmal sagen: Mich hat an Ihnen besonders beeindruckt, dass Sie in jeder Podiumsdiskussion mit dem Beispiel der Staatsquote hausieren gehen und - Klein Fritzchen würde man Unrecht tun, wenn man sagen würde: wie Klein Fritzchen rechnen, nämlich 1 + 1 = 2 neulich den Spruch gebracht haben: Der Wulff will die Staatsquote von 50 % auf 40 % absenken, und diese 10-prozentige Senkung bedeutet das und das.

(Plaue [SPD]: Unter 40 %!)

Dazu kann ich erst einmal nur sagen: Das sind 20 %. Aber bei Ihnen hat man sich ja an eine ganze Menge gewöhnt, wenn es um Grundrechenarten geht. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie sagen die Unwahrheit! Was er- zählen Sie denn für Unfug! Passen Sie auf, dass ich nicht das Wort „Lügner“ in den Mund nehmen muss!)

Sie haben sich in den Beschlussfassungen der Bundesregierung inzwischen selber das Ziel gesetzt, die Staatsquote auf 40 % zu senken. Aber Sie unternehmen keine Schritte, um das zu erreichen. Eine Staatsquote von 40 % in einer dynamisch wachsenden Volkswirtschaft sind mehr als 50 % Staatsquote unter Ihren planwirtschaftlichen Bedingungen. Deshalb werden Sie scheitern.

(Beifall bei der CDU - Schurreit [SPD]: Sagen Sie endlich, was Sie wollen! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Herr Schurreit, ich habe in der Situation, in der Sie jetzt Wahlkampf führen, selbst Wahlkampf geführt. Aber auch in einer solchen Situation muss man eine gewisse Würde bewahren. Zur Demokratie gehören beide Seiten.

(Beifall bei der CDU)