Protokoll der Sitzung vom 20.06.2000

Meine Damen und Herren, der 18. Parlamentarische Untersuchungsausschuss war das einzige und richtige Mittel, die gegen Gerhard Glogowski erhobenen Vorwürfe umfassend und objektiv zu klären. Der Ausschuss - der Vorsitzende hat es eben angesprochen - hat in wenigen Monaten sehr intensiv gearbeitet. Die Beweisaufnahme in 24 Sitzungen hat sich über etwa drei Monate erstreckt. Das war, weiß Gott, keine leichte Arbeit. Es war eine harte Arbeit und für alle Beteiligten keine einfache Angelegenheit. Ich möchte das einmal in einer gewissen Entspanntheit sagen: Untersuchungsausschüsse arbeiten immer mit gewissen Schwierigkeiten. Oft war es so, dass sich die Seite des Hauses, die sich ein wenig angegriffen fühlt, eine gewisse Verteidigungshaltung einnimmt, nämlich - ich sage einmal salopp - immer genau das tut, was der Nichtaufklärung mancher Dinge dient. Aber ich hatte den Eindruck, als Tag für Tag neue Vorwürfe hervorkamen bzw. bekannte Vorwürfe bestätigt wurden, als es jeden Tag sozusagen einen neuen Dammbruch gab, ist auch die Mehrheitsfraktion zu der Erkenntnis gekommen, dass möglicherweise Obstruktion nicht richtig ist. Danach haben wir zu einer konstruktiven Zusammenarbeit gefunden.

(Plaue [SPD]: Das ist eine Frechheit!)

Ich kann Ihnen sagen - das ist zumindest meine Beurteilung -: Es gibt insgesamt einen guten, aussagekräftigen Bericht, den wir dem Parlament übereinstimmend vorlegen dürfen. - Herr Plaue, das einzige Hoch, was sich heute bemerkbar macht, ist das Hoch „Axel“ draußen. Sie sollten sich hier zurückhalten.

(Plaue [SPD]: Aber es sorgt für schö- nes Wetter!)

Meine Damen und Herren, ich will hier losgelöst vom Fall einen grundsätzlichen Punkt ansprechen. Sie wissen, dass wir uns mit der Überlegung sehr schwer getan haben - das bleibt auch so -, ob man in solchen Fällen einen Sonderermittler einsetzen kann. Wider Erwarten - ich sage dieses vorweg, damit es keine Missverständnisse gibt - konnten wir im Ausschuss den Bericht des Sonderermittlers verwerten. Das war hilfreich.

(Plaue [SPD]: Ah ja!)

- Ja, Herr Kollege. - Ich möchte aber grundsätzlich darauf hinweisen: Wenn es einen politischen Untersuchungsgegenstand gibt, der mit strafrechtlichen und abgaberechtlichen Dingen vermengt ist, dann halte ich die Institution einer Sonderermittlung auch aus staatsrechtlichen Gründen für nicht geeignet. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. Es ist ja oft so: Wann wird ein Sonderermittler eingesetzt? Dies mögen einmal die einen und einmal die anderen Regierenden machen. Er wird sehr oft eingesetzt, wenn es heißt, dass Probleme in der Welt sind, die vielleicht weiter gehende, auch staatsanwaltliche Relevanz haben. Wie gewinnt man denn Zeit vor den Medien, vor der Opposition, vor wem auch immer? Man denkt gerne an die Einrichtung eines Sonderermittlers, setzt auf die Schiene Zeit und hofft, dass es nach einigen Wochen und Monaten in Vergessenheit geraten ist, um zur Tagesordnung übergehen zu können. Es wird dann ein Freispruch erster oder zweiter Klasse geschmiedet.

Dieses Institut einer Sonderermittlung, meine Damen und Herren - das sage ich gerade in Richtung SPD -, halte ich

(Zuruf von der SPD)

- passen Sie einmal auf; es kommt nachher noch besser, als Sie denken - für nicht geeignet. Für die Zukunft möchte ich Folgendes ansprechen: Sonderermittlungen sind rechtstaatlich nicht verankert. Wenn es Dinge strafrechtlicher Art gibt, gehört es zur Staatsanwaltschaft. Wenn abgabenrechtlich etwas zu überprüfen ist, gehört es zur Finanzbehörde. Man kann das nicht durch Sonderermittlungen abtun oder in einer gesonderten Schiene behandeln lassen. Das ist nicht in Ordnung. Das sage ich Ihnen vorweg.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss allerdings Folgendes sagen: Ich hatte große Befürchtung, als Gerhard Glogowski, als Hauptbetroffener, die Sonderermittlung in Gang gesetzt hat. Man hatte ja - wir durften ja schon darüber diskutieren; es gab auch Belege - den gesicherten Eindruck, hier will der Hauptbetroffene - ich vermeide den Begriff „Täter“ - den Untersuchungsauftrag selber festsetzen und auf den Verlauf der Untersuchung Einfluss nehmen.

(Zurufe von der SPD)

Wir kennen doch die Korrespondenz zwischen Herrn Glogowski und Herrn Herbst. Sie brauchen gar nicht mit dem Kopf zu schütteln.

(Plaue [SPD]: Bedenken Sie die Art und Weise, wie Sie hier reden!)

- Hören Sie auf mit „Art und Weise“. - Ich kann nur sagen: Es kam ja dann der Rücktritt, und ich habe den Eindruck - alle Interna weiß man vielleicht auch nicht -, dass im Nachhinein sowohl der jetzige Ministerpräsident als auch der Sonderermittler Herbst mit dem Auftrag ordnungsgemäß umgegangen sind. Dies sage ich, damit wir auch wieder zusammenkommen können.

(Buß [SPD]: Hier sind Sie überrascht, wie?)

- Das bin ich nicht. Sie sind es vielleicht immer, Herr Buß. - Meine Damen und Herren, ich möchte hier mit zwei Dingen aufräumen. Nach meiner Einschätzung hat Heiner Herbst eine ordentliche Arbeit abgeliefert. Er hatte nicht einen Auftrag, der dem identisch war, den wir als Parlamentarischer Untersuchungsausschuss hatten. Es ist auch so, dass er an der einen oder anderen Ecke nicht so weit durchermittelt hat, wie wir das getan haben. An der einen oder anderen Ecke - ich spreche nur einmal den großen Komplex der Aufsichtsratsvergütungen an, d. h. die Frage, wann diese Vergütungen abzuführen waren, in welchem Umfang usw. - ist er möglicherweise auch von dem einen oder anderen Befragten verkohlt worden.

(Plaue [SPD]: „Verkohlt“ ist gut; das Stichwort ist gut! - Heiterkeit bei der SPD)

- Ja, ja, das mussten wir ja mit großer Akribie von Betroffenen, von anderen im Ausschuss herauskitzeln, und irgendwann ist ja auch Ihrem Kollegen Inselmann der Kragen geplatzt, als nämlich der Brief von der Bremer Landesbank kam, den wir im

Übrigen leider einen Tag später bekommen haben als Sie. Im NDR hat sich Herr Inselmann dazu eindeutig geäußert. Lassen Sie mich das ruhig einmal ansprechen.

Meine Damen und Herren, unter dem Strich jedenfalls hat der Sonderermittler einen Bericht abgeliefert, der für uns auch verwertbar war.

Wie ich schon sagte, wollte ich mit zwei Dingen aufräumen. Das Zweite betrifft die Debatte hier vom 17. Dezember 1999, die Sie sicherlich noch in Erinnerung haben. Zu dem Gesamtkomplex hat sich der damals gerade frisch gewählte Ministerpräsident geäußert. Ich zitiere auch das noch einmal. Gabriel sagte damals:

„Gegen Mitarbeiter der Staatskanzlei sind in diesem Zusammenhang Vorwürfe erhoben worden. Es wurde in den Medien von Aktenmanipulation und Vertuschungsmanövern gesprochen. Die Landesregierung hat aufgrund ihrer eigenen Ermittlungen nach derzeitigem Stand keine Anhaltspunkte für strafwürdiges bzw. disziplinarrechtlich relevantes Verhalten.“

Stand der Dinge, objektiv, meine Damen und Herren, auch belegt durch Befragung im Ausschuss: Ab Anfang Dezember wusste man auch in der Staatskanzlei, dass es um so etwas wie eine abgeschnittene Akte, auch für eine laienhafte Betrachtung um so etwas wie ein Urkundendelikt ging. So gesehen - die Wahrheit liegt bekanntlich sehr oft in der Mitte - hat der Ministerpräsident hier etwas gesagt, zu dem ich sage, dass es nicht der objektiven Wahrheit entsprach. Subjektiv deswegen sage ich das hier mit Nachdruck - hat die Beweisaufnahme, die Vernehmung von Zeugen aber ergeben, dass über den Kenntnisstand Anfang Dezember Herr Gabriel bis zum 17. Dezember nicht in Kenntnis gesetzt worden war. Er konnte es nicht besser wissen. Deswegen: Objektiv falsch,

(Unruhe bei der SPD)

subjektiv - im Strafrecht sagen wir: mangels Vorsatz, keine Absicht - konnten Sie es nicht besser wissen. Wem in Ihrer Umgebung Sie dafür die Ohren lang ziehen müssen, müssen Sie klären.

(Zurufe von der SPD)

- Ist geschenkt, ist in Ordnung. Nur meine ich, wir sollten mit diesen Dingen aufräumen, damit das klar ist.

Meine Damen und Herren, der Ausschussvorsitzende und Berichterstatter hat Ihnen den Bericht bereits anempfohlen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie den Bericht zum Teil schon gelesen haben. Er ist sehr umfangreich. Wenn man das ganze Ergebnis liest, dann muss man sagen: Es packt einen zum Teil das Entsetzen. Manchmal muss man auch schmunzeln. Jedenfalls ist es für Gerhard Glogowski absolut vernichtend.

In verschiedenen Bereichen sind wir zu übereinstimmenden Ergebnissen gekommen, in einzelnen Bereichen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie können das den Berichten entnehmen. Ich will bestimmte Punkte herausgreifen und für die Seite der CDU hier noch einmal kommentieren.

Zu dem gesamten Komplex „Edelsause“ muss man Folgendes sagen: Die politische Verantwortung für die völlig überdimensionierte Abschiedsfeier der Stadtwerke, die von Eitelkeiten und geradezu von Prasserei geprägt war, trägt der Gastgeber, und der Gastgeber hieß Gerhard Glogowski, damals Aufsichtsratsvorsitzender und heute Aufsichtsratsvorsitzender.

(Unruhe bei der SPD)

Für den gesamten Ablauf war letztlich der Aufsichtsratsvorsitzende zuständig. Er kann sich nicht mit dem Hinweis auf die Wahrnehmung vieler Ämter herausreden, kann nicht sagen, er habe da mal eine Rede gehalten, damit, was davor und danach gewesen sei, habe er nichts zu tun. So geht das nicht. Gerade die Stadtwerke Braunschweig sind ein gebranntes Kind, und wir alle wissen, dass ein gebranntes Kind das Feuer scheuen sollte.

(Beifall bei der CDU)

Aber das war hier wohl in Vergessenheit geraten. Ich kann die politische Verantwortung hierfür nur bei Gerhard Glogowski festmachen.

Zu der Frage, wie intensiv er dann aus Kasachstan eingewirkt hat, würde ich sagen, er hat nicht den Befehl gegeben, dass man irgendeinen Gastwirt anrufen und dem 20.000 DM Rechnungsreduzierung abpressen soll. Aber durch seine Intervention aus Kasachstan hat er diesen Gang der Ereignisse in Bewegung gesetzt. Leider ist es auch so, dass sich heute die Staatsanwaltschaft Braunschweig

damit zu befassen hat. Es sind bereits diverse Strafverfahren gegen Leute der Geschäftsführung und andere aus Braunschweig gelaufen. Was sich da ereignet hat, ist also weiß Gott kein Ruhmesblatt.

Ich will noch einen anderen Komplex ansprechen: Auftragsvergabe sechster Rettungshubschrauber. Wenn irgendwo etwas dran ist, dann muss man das sagen, und wenn irgendwo etwas nicht dran ist, dann muss man das auch sagen. Hier ist es so: Das gesamte Verfahren ist wenig ruhmreich für die Landesregierung, vor allem auch für die Sozialministerin, aber wir haben im Untersuchungsausschuss nicht sozusagen den Beleg dafür gefunden, dass Gerhard Glogowski in persona auf das Verfahren Einfluss genommen hat.

Hat er nicht vielleicht allgemeines Interesse bekundet, wie so viele andere auch? - Hier war reichlich viel Lobbyismus unterwegs. Dazu darf ich aus der Erinnerung heraus vielleicht einmal unseren Kollegen Dr. Schultze zitieren. Sinngemäß sagte er: Wenn ich als Lobbyist - Herr Dr. Schultze, Sie sind ja gleichzeitig Vertreter des Hauses Preussag - und gleichzeitig als Politiker mich nach dem Stand der Dinge erkundige, dann ist das schon deswegen kein Lobbyismus, weil die ja alle wissen, dass ich ein Lobbyist bin. - Wenn wir es uns so einfach machen, Herr Kollege, dann darf man sich über manches vielleicht nicht wundern.

Ein anderer Komplex ist Wohnung Lüerstraße, im Eigentum der Landesregierung. Wer diese Wohnung bewohnt, der muss dafür auch zahlen. Das gilt nach allgemeinem Recht für alle Mieter in Deutschland, und das gilt auch für einen Ministerpräsidenten. Man kann hier rechtliche wie sonstige Verantwortlichkeit auch nicht anderen Leuten in die Schuhe schieben. Man muss wissen, dass man zu bezahlen hat, und man muss sich selbst darum kümmern. Das hat Gerhard Glogowski in diesem Fall über Monate nicht getan. Dadurch ist das Land geschädigt worden. Wenn man erwischt wird und dann bezahlt, dann ist immer noch ein Zinsschaden im Raum. Ich will das hier gar nicht in Mark und Pfennig ausdrücken, aber das war jedenfalls von vorn bis hinten nicht in Ordnung und kann von der Verursachungs- und Verschuldungsseite auch nicht bei anderen Leuten abgeladen werden. Hier muss Gerhard Glogowski selbst Verantwortlichkeit übernehmen.

Ein anderer Vorgang ist, wie gesagt, diese Reise Aida. Darüber haben wir einige Befragungstermine gehabt. Schon während der Befragung, nach meinem Eindruck aber auch heute noch gibt es nur einen, der meint, das sei eine Dienstreise gewesen. Das ist wohl Gerhard Glogowski. Alle anderen sind der Auffassung, dass das von Anfang bis Ende keine Dienstreise war. Von vorn bis hinten hatte sie nicht den Charakter einer Dienstreise und diente ausschließlich dem privaten Vergnügen, Besuch von Aida mit allem, was dazu gehört.

Ich kann hier nur sagen: Allein auch nur diese Position so beizubehalten ist schon eine Dreistigkeit und Uneinsichtigkeit in sich, d. h. weiterhin darüber nachzudenken, ob das vielleicht eine Dienstreise gewesen sei. Wer eine Dienstreise macht, die gar keine ist, der schädigt denjenigen, der die Reise dann bezahlen soll. Wenn man später wieder erwischt wird und nachträglich bezahlt, dann ist das vielleicht eine wirtschaftliche Entlastung, weiß Gott aber keine Entlastung von der Verantwortlichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, den Gesamtkomplex Hochzeitsreise, diese komischen TUI-Fotos - da gibt es diverse Widersprüche -, Bezahlen der Hochzeitsfeier - das alles haben Sie reichlich den Medien entnommen. Das muss man wohl nicht besonders vertiefen.

Ein wichtiger Komplex ist allerdings noch der der Wahrnehmung und des Innehabens von Aufsichtsratsmandaten. Zum Einen muss man über die Fülle von Mandaten, die da gegeben war, eigentlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wir wollen im Lande Niedersachsen insoweit ja auch andere Verhältnisse herbeiführen. So weit ist das gut und schön. Ich habe mich allerdings manchmal gefragt: In welcher Funktion war Herr Glogowski eigentlich unterwegs, war er am Ende Ministerpräsident nur im Nebenamt, und die hauptsächlichen Tätigkeiten hat er irgendwelchen Aufsichtsratspositionen und Sonstigem gewidmet?

(Zurufe von der SPD)

- Ich könnte Ihnen jetzt drei Seiten Aufsichtsratsmandate vorlesen; dann ist aber meine Redezeit abgelaufen. Das können Sie vielleicht in einer beschaulichen Minute selbst lesen. Ich finde, da ist das Maß des Verträglichen bei Weitem überschritten worden.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen musste die Wahrheit dazu zum Teil auch mit der Kneifzange hervorgeholt werden. Es war ja nun nicht so, dass Herr Herbst da schon zu der entscheidenden Wahrheit durchgestoßen war. Wir mussten uns jedenfalls von Sitzung zu Sitzung damit befassen bis hin zum Ausüben von Druckmitteln, ehe wir eine Aufstellung darüber bekamen, was da alles an finanziellen Mitteln vereinnahmt worden ist, welche Summen gekommen sind, welche Beträge gar nicht abgeführt wurden, welche Beträge erst nach Anmahnung abgeführt wurden, warum Abschläge gar nicht gezahlt wurden, warum Abschläge vielleicht verspätet gezahlt wurden. Herr Glogowski, das ist ein Gesamtkomplex, den Sie schon selbst verantworten müssen. Jeder kann das auf Mark und Pfennig in den Berichten nachlesen.

Lassen Sie mich jetzt noch einen anderen Komplex ansprechen. Das ist das Thema Aktenmanipulation. Für uns als CDU - die Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen denken wohl genauso - ist völlig geklärt: Die so genannte Drittelseite bei der Akte Aufsichtsratsnebenvergütungen kann nur Ihr Büroleiter, Herr Glogowski, nämlich Herr Wehrmeyer, abgeschnitten haben. Alle anderen Bemühungen bzw. Überlegungen, die in andere Richtungen gehen, sind absolut fruchtlos. Es kann nur Herr Wehrmeyer gewesen sein.