Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 13, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 19.45 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin Frau Langhans.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Kultusminister, Herr Busemann, von 11.30 Uhr bis zur Mittagspause, der Minister für Inneres und Sport, Herr Schünemann, von 9 Uhr bis ca. 16.30 Uhr, der Finanzminister, Herr Möllring, vormittags, von der Fraktion der CDU Herr Albrecht bis 12 Uhr, von der Fraktion der SPD Frau Saalmann und Frau Leuschner vormittags und von der Fraktion der FDP Frau König bis 15 Uhr sowie Herr Rickert.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13: Dringliche Anfragen

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor.

Wir kommen zur ersten Anfrage:

a) Welche Probleme schafft die Umstrukturierung im Maßregelvollzug? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3296

Diese Anfrage wird von der Abgeordneten Frau Helmhold eingebracht. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Meine Damen und Herren, ich bitte darum, dass jetzt Ruhe einkehrt, damit wir die Fragen der Rednerin an die Landesregierung hören können.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung beabsichtigt,

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

zum 1. Januar 2007 die in Landeshand verbleibenden Maßregelvollzugseinrichtungen Moringen und Brauel zu Maßregelvollzugszentren - Südwest bzw. Nordost - zu erklären.

Für die verbleibenden Landeskrankenhäuser, die die Aufgaben des Maßregelvollzugs wahrnehmen, werden jeweils elf Beschäftigte eingesetzt, die nur den Weisungen des Landes unterworfen sind. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Eingriffe in den Kernbereich von Grundrechten nur auf Anordnung dieser Beschäftigten erfolgen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie erfolgte die Personalbedarfsberechnung für diese elf Beschäftigten, und ist auf dieser Grundlage sichergestellt, dass an 365 Tagen über jeweils 24 Stunden mindestens eine entsprechende Beschäftigte bzw. ein entsprechender Beschäftigter anwesend sein kann, wenn man durchschnittlich übliche Ausfallzeiten berücksichtigt?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Auffassung vieler Verfassungsexperten, dass bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges nicht nur die Anordnung, sondern auch die Durchführung der Maßnahme einen so schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte darstellt, dass diese als hoheitliche Aufgabe zu betrachten sind und von entsprechendem Personal durchgeführt werden müssen?

3. Wie beurteilt die Landesregierung die Bedarfsentwicklung im Maßregelvollzug? Wie gedenkt sie daneben die künftige Unterbringung der nach §§ 126 a und 81 StPO untergebrachten Personen zu regeln?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Die Anfrage wird von der Sozialministerin beantwortet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat im Vorfeld des beabsichtigten Trägerwechsels der Niedersächsischen Landeskrankenhäuser die rechtliche Situation umfassend geprüft. Sie hat insbesondere alle im Maßregelvollzug anfallenden Maßnahmen daraufhin näher untersucht, wie sie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einzuschätzen sind.

Als Ergebnis dieser Prüfung liegt nunmehr der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetz und zum Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vor, der dem Niedersächsischen Landtag zugeleitet wurde. Der Gesetzentwurf sieht u. a. vor, dass diejenigen Anordnungen, die Eingriffe in den Kernbereich von Grundrechten der Patientinnen und Patienten im Maßregelvollzug bedeuten, grundsätzlich nicht von Bediensteten des neuen Trägers getroffen werden, sondern in staatlicher Hand verbleiben. Diese Aufgaben werden durch die Vollzugsleitungen, deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter, durch Pflegedienstkräfte und Sicherheitsbeauftragte wahrgenommen. Organisatorisch werden diese Beschäftigten des Landes den Maßregelvollzugszentren Südwest bzw. Nordost zugeordnet.

Im Übrigen sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, die Erwerber der Landeskrankenhäuser als neue Träger mit den sonstigen Aufgaben des Maßregelvollzugs im Wege der Beleihung zu betrauen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Landesregierung hat damit im Vergleich zu anderen Bundesländern einen sehr restriktiven Weg gewählt. Dadurch können wir dem Grundrechtsschutz der Patientinnen und Patienten umfassend Rechnung tragen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Berechnung bezieht sich nicht auf die Zahl der Beschäftigten, sondern auf die Stellen. Laut Gesetz sind für die Vollzugsleitungen Stellvertretungen in ausreichender Zahl zu bestimmen.

Damit soll die jederzeitige Anwesenheit einer oder eines Beschäftigten des Landes gewährleistet werden. Dies ist bei der Personalbedarfsberechnung berücksichtigt worden.

Zu 2: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Entscheidung über die Anwendung unmittelbaren Zwangs grundsätzlich von einer Übertragung auf eine juristische Person des Privatrechts im Wege der Beleihung ausgenommen ist. Dies beruht auf der Auffassung, dass der eigentliche Eingriff in die Grundrechte einer Patientin oder eines Patienten in der Entscheidung liegt, unmittelbaren Zwang anzuwenden. Es ist also ausschlaggebend, dass die Vollzugsleitung z. B. anordnet, eine Patientin oder einen Patienten zu fixieren, wenn therapeutisch in dem Moment keine andere Möglichkeit besteht. Nicht entscheidend ist, dass die Vollzugsleitung diese Maßnahmen auch selbst durchführt.

Die Gesamtverantwortung für die ärztlichen und pflegerischen Aufgaben des Vollzugs liegt übrigens schon jetzt - wie auch künftig - bei der Vollzugsleitung, die ausschließlich von Bediensteten des Landes wahrgenommen werden soll.

Zu 3: In der Vergangenheit ist die Zahl der Patientinnen und Patienten, die im Maßregelvollzug zu behandeln sind, um rund 60 Personen jährlich gestiegen. Die Zahl hat sich damit von 1996 bis heute nahezu verdoppelt. Angesichts solcher Zahlen muss es unser Ziel sein, dieser Entwicklung unabhängig von der Trägerschaft entgegenzuwirken. Ein wichtiger Schritt dabei ist die flächendeckende Implementierung der forensischen Nachsorge in Niedersachsen. Dies ist zum 1. April 2006 erfolgt. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Bereitschaft der Strafvollstreckungskammern, Maßregeln zur Bewährung auszusetzen, unter diesem Aspekt gefördert wird.

Bei den Personen, die gemäß § 126 a StPO einstweilig untergebracht werden, gibt es dringende Gründe für die Annahme, dass sie eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen haben. Die Unterbringung nach § 81 StPO dient der Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand einer oder eines Beschuldigten, die oder der einer rechtswidrigen Tat dringend verdächtig ist. Die Zahl der hiervon insgesamt betroffenen Personen ist allerdings begrenzt. Sie liegt in Niedersachsen bei ca. 65 Patientinnen und Patienten pro Jahr. Eine Möglichkeit besteht darin, diese Patientinnen und Patienten in den beim Land verblei

benden Einrichtungen in Moringen, Bad Rehburg und Brauel unterzubringen. Unabhängig hiervon könnte im Interesse der Betroffenen auch eine weitere Dezentralisierung erfolgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor ich die Zusatzfragen aufrufe, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. - Frau Steiner, Sie haben sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Frau Ministerin, Sie haben auf unsere erste Frage nach der Zahl der Beschäftigten, die befugt sind, die Aufgaben wahrzunehmen, sehr allgemein geantwortet. Sie haben auf die Personalbedarfsplanung verwiesen, in der das berücksichtigt sei, und auf die Möglichkeiten des Trägers aufmerksam gemacht, entsprechendes Personal einzusetzen. Ich möchte von der Landesregierung wissen, wie sichergestellt wird, dass ständig die Anwesenheit eines, wie es heißt, hoheitlich Berechtigten gewährleistet ist.

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Ross-Luttmann.

Wir werden die Vorgaben des Gesetzentwurfs umsetzen, sobald er beschlossen sein wird. Das heißt, es wird Vollzugsleitungen und deren Stellvertretungen in ausreichender Zahl geben. Wir gehen zunächst davon aus, dass es sich dann um fünf Ärztinnen und Ärzte, fünf Pflegekräfte und einen Sicherheitsbeauftragten pro Einrichtung handeln wird. Es kann die eine oder andere Abweichung geben. Darüber befinden wir uns in Gesprächen mit den Einrichtungen. Dann wäre gewährleistet, dass, wie Sie formuliert haben, an jedem Tag rund um die Uhr ein in öffentlicher Trägerschaft verbliebener Beschäftigter in den Häusern ist.

Zu einer Zusatzfrage hat sich der Abgeordnete Meihsies gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich habe eine weitere Nachfrage: Wann werden die Stellen für die jeweils elf beim Land verbleibenden Beschäftigten ausgeschrieben?

Frau Ministerin Ross-Luttmann!

Die Entscheidung hierzu wird in Kürze fallen.

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Helmhold.

Frau Ministerin, sehr viele Fachleute bezweifeln, dass zehn Stellen - die Stelle des Sicherheitsbeauftragten muss hierbei abgezogen werden - ausreichen, um rund um die Uhr die Anwesenheit eines Berechtigten zu gewährleisten. Allein um einen Nachtdienst ein Jahr lang zu besetzen, braucht man bereits vier Stellen. Außerdem haben gar nicht alle Krankenhäuser fünf Arztstellen, sodass ich mich wundere, wie Sie gewährleisten wollen, dass fünf Stellen im ärztlichen Bereich besetzt werden. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen.

Mich interessiert aber noch Folgendes: Einer der Hauptargumentationsstränge für den Verkauf war stets, dass 200 Betten im Maßregelvollzug benötigt würden. Von wem werden diese Betten an welcher Stelle errichtet?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das waren zwei Fragen. - Frau Ministerin RossLuttmann antwortet für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Helmhold, die Plätze werden tatsächlich benötigt; darüber besteht sicherlich kein Streit. Es ist geplant, 36 zusätzliche Plätze jeweils in Wehnen und in Königslutter zu errichten. Im

Hochsicherheitsbereich werden es etwa 70 Plätze sein. Letztere wird das Land errichten.