Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Wolfkühler und Herr Thümler, Sie haben für Ihre Fraktionen gerade eine hafenpolitische Rede gehalten. Sie erkennen auf der Landkarte offenbar nicht, dass die norddeutsche Küste die Lastenautobahn ist, die unsere Zukunft darstellt und dass die Hauptverbindung in Ost-WestRichtung die ist, die die Feederschiffe nehmen, wenn sie zum JadeWeserPort und von dort wieder

wegfahren. Deswegen ist bei den Verkehrsgutachten im Zusammenhang mit dem JadeWeserPort, die diese Landesregierung in Auftrag gegeben hat, herausgekommen, dass es durch den Bau des JadeWeserPorts ein zusätzliches Verkehrsaufkommen von nur einem Lkw pro Stunde in Ost-West-Richtung geben wird. Dass Sie sagen, dafür bräuchte man eine neue Autobahn, und das mit dem JadeWeserPort begründen, ist wirklich ein Witz der Geschichte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie erkennen auch nicht, dass die ARA-Häfen durch eine solche Autobahn einen enormen Vorteil hätten; denn dann kann von dort aus mit den Containern über diese Autobahn nach Skandinavien und auch nach Osteuropa gefahren werden, übrigens dann mit den von Ihrem Wirtschaftsminister eingeführten neuen Gigalinern, die 50 % mehr Last aufnehmen können und damit - so die Berechnungen der Bundesbahn - den Transport auf der Schiene wegen Unwirtschaftlichkeit um 50 % reduzieren würden. Das ist ein Konzept, das wir allerdings ablehnen und das hinter jeder wirtschaftlichen Vernunft zurücksteht. Wenn Sie dabei bleiben - Herr Wolfkühler, dabei nehme ich Sie beim Wort - -

Herr Hagenah, Sie haben im Augenblick nichts mehr zu sagen, weil die Zeit abgelaufen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist aber sehr schade, Herr Biel!)

Herr Minister Hirche für die Landesregierung!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Da würde Herr Hagenah jetzt aber eine bessere Rede halten!)

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle erfreut fest, dass die drei größeren Fraktionen in diesem Hause beim Thema Infrastruktur übereinstimmen. Das ist beruhigend für die Zukunft.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage ganz deutlich, dass ich es für falsch halte, eine Art von Infrastruktur gegen die andere auszuspielen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir brauchen die verschiedenen Häfen nach dem Motto: jedem Schiff nach seiner Größe seinen Hafen. - Wir brauchen auch Anbindungen auf der Schiene, und wir brauchen Anbindungen auf der Straße. Wir brauchen in Norddeutschland eine Vernetzung, damit hier eine Wirtschaftsentwicklung stattfindet, wie wir sie in Bayern und BadenWürttemberg auch wegen der anderen Verkehrsbedingungen ganz selbstverständlich vorfinden.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die haben in Hochschulen, Wissenschaft und Forschung investiert!)

Meine Damen und Herren, der Mittellandkanal, nach dessen Bau sich 30 km nördlich und südlich 50 % des Bruttoinlandsprodukts entwickelt haben, ist das beste Beispiel dafür, dass große Infrastrukturprojekte zur wirtschaftlichen Entwicklung dazugehören.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielleicht müssen wir sogar Folgendes zur Kenntnis nehmen: Der Münchner Flughafen hat zwar zehn Jahre rote Zahlen geschrieben. Aber die Bayern haben mit ihm eine richtige Infrastrukturentscheidung getroffen, weil er ab sofort einen zusätzlichen Boom in diese Region gebracht hat. Daran müssen wir uns ein Beispiel nehmen und dürfen uns nicht an so kurzfristigen Überlegungen orientieren, wie sie hier manchmal vorgebracht werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Realität in unserem Lande ist: Im November dieses Jahres gab es 57 000 Arbeitslose weniger als im Vorjahr. Die Jugendarbeitslosigkeit ist um 24,3 % zurückgegangen. Bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben wir ein Plus, das über dem Bundesdurchschnitt liegt, meine Damen und Herren. Am Ende der SPD-Regierungszeit lag Niedersachsen bei den Arbeitslosenzahlen in der unteren Tabellenhälfte der Bundesländer. Mit Platz 7 sind wir inzwischen in der oberen Hälfte der Tabelle der Bundesländer.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein wichtiges Rahmendatum für die Erholung der Wirtschaft im Lande ist auch, dass das Land seine jährliche Neuverschuldung seit 2003 bis zum Ende der Legislaturperiode um zwei Drittel herunterfährt. Der geringere „Kredithunger“ des Staates stabilisiert die Zinskonditionen, schafft neue Arbeitsplätze und verhindert damit gleichzeitig, dass Kinder und Enkel weiter ungehemmt Lasten auf ihre Schultern bekommen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist selbstverständlich, dass auch der Etat des Wirtschaftsministeriums seinen Beitrag zur notwendigen Konsolidierung der Landesfinanzen leisten muss. Dennoch erhöhen sich die Investitionssumme und die Investitionsquote im Wirtschaftsetat. Aber natürlich bleiben - anders als es die Grünen hier darstellen - Wünsche im Straßenbau offen. Wir müssten dort in der Tat zusätzliche Mittel haben.

Da Herr Lenz das wieder angeführt hat, möchte ich noch Folgendes sagen: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Staat mit seinen Investitionen das Wachstum maßgeblich bestimmt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Körtner [CDU]: Richtig!)

Das Statistische Bundesamt hat für 2005 festgestellt - ich vermute, das ist in diesem Jahr nicht anders -: Die Bauinvestitionen in Deutschland erfolgen zu 89 % von Privaten, von Firmen und von Bürgern und nur zu 11 % vom Bund, den Ländern und den Kommunen, meine Damen und Herren. Wachsende Steuereinnahmen und mehr Arbeitsplätze gibt es nur dann, wenn die Politik unter Verzicht auf eigene Allmachtsphantasien wieder Raum für Eigenverantwortung, Investitionswilligkeit und unternehmerische Initiativen eröffnet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen bleibe ich dabei - auch wenn ich alle diese Auffassungen kenne -, dass Steuererhöhungen in einer solchen Situation kontraproduktiv sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es!)

Herr Kollege Lenz, man könnte fast meinen, Sie hätten die Pressemitteilungen des Wirtschaftsministeriums sehr aufmerksam gelesen; denn darin

steht in der Tat: Neue Arbeitsplätze wird es in Zukunft nur mit neuen Produkten und neuen Dienstleistungen geben.

Wir sind uns völlig einig: Wir werden keinen Lohnkonkurrenzkampf mit Asien gewinnen und in diesem Zusammenhang auch nicht gewinnen wollen. Wir können uns zwar über das Thema Lohnzusatzkosten unterhalten. Aber eigentlich ist das eine Bundesverantwortung, die wir hier nicht zu erörtern brauchen. Wir müssen vielmehr unserer Wirtschaft helfen und sie unterstützen, um mit neuen Produkten und neuen Dienstleistungen im internationalen Wettbewerb nach vorne zu kommen. Meine Damen und Herren, deswegen werden dem Wirtschaftsförderfonds mehr als 50 Millionen Euro zugeführt und zinsverbilligte Kredite aus EFREMitteln bereitgestellt. Zudem haben wir die Absicht - das müssen wir im nächsten Jahr realisieren -, aus Erlösen des Landes bei Privatisierungen einen Zukunfts- und Innovationsfonds aufzulegen, meine Damen und Herren.

Seit Beginn der Legislaturperiode ist die Innovationspolitik - im Übrigen erstmals ressortübergreifend, nämlich zwischen Wirtschaftsministerium, Umweltministerium, Wissenschaftsministerium und Landwirtschaftsministerium - im Innovationszentrum Niedersachsen organisiert - hoch effektiv mit dem Ziel, Niedersachsen als Innovationsland aufzubauen. Ich komme auf die Themen gleich noch zurück oder kann es auch jetzt sagen: Natürlich gibt es bei Landesinitiativen Schwerpunkte. Ich fand es gerade merkwürdig, dass von der SPD die Initiative Brennstoffzelle eingefordert wurde. Das hat das Wirtschaftsministerium zusammen mit dem Umweltministerium und Wirtschaftsunternehmen vor einigen Jahren auf den Weg gebracht. Das läuft im Lande Niedersachsen wirklich. Es gibt noch andere Dinge im Bereich Biotechnologie, Medizintechnik, neue Materialien, Telematik und Ähnliches. Ich will das hier nicht alles aufzählen, meine Damen und Herren.

Ich sage aber auch: Neben mehr Innovation sind auch mehr Internationalität und die Unterstützung unserer Firmen bei der strategischen Orientierung auf ein Weltmarktniveau nötig. Es gibt zweierlei Entwicklungen, die sich ergänzen: Wir haben einerseits die Globalisierung und andererseits in Firmen eine Spezialisierung auf ihre Kernkompetenzen zu verzeichnen. Spezialisierung bedeutet, dass der Radius für das Absetzen der Produkte immer größer werden muss, weil man im eigenen Bereich keinen ausreichenden Absatz für seine

Spezialprodukte mehr findet. Deswegen helfen wir den Unternehmen beim Öffnen von Märkten, beim internationalen Eintritt und mit Messen. Es gibt Programme, z. B. das Training von Belegschaften in Unternehmen im Mittelstand - das betrifft natürlich nicht die großen börsennotierten Unternehmen -, um sie bei dieser internationale Aufgabe zu unterstützen. Denn nur dann können wir die Arbeitsplätze zu Hause sichern.

Neben Innovation und Internationalität ist Mobilität aus meiner Sicht ein wesentlicher Punkt. Ich freue mich, dass drei Fraktionen hierin übereinstimmen. Mehrere Redner haben gesagt: Gewinner der Globalisierung sind weltweit die Küstenregionen. Die Entscheidung dieser Landesregierung, trotz Haushaltskonsolidierung alle notwendigen Mittel für den Bau des neuen Tiefwasserhafens bereitzustellen, setzt die richtigen Maßstäbe.

Meine Damen und Herren, die Entscheidung der EU über eine Förderung in Höhe von 50 Millionen Euro für Wilhelmshaven - nachdem sich die Umwelt- und die Wirtschaftsleute in der EU abgestimmt haben - bedeutet, dass man auch dort die Dinge - genau wie die drei Fraktionen in diesem Hause - anders beurteilt als die Grünen. Hier ist die Notwendigkeit insgesamt erkannt worden. Wir brauchen in Europa zusätzliche Hafenkapazitäten. Wilhelmshaven ist ein hervorragender Standort dafür. Das ist keine Frage.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Grundentscheidungen sind in der letzten Legislaturperiode getroffen worden. Ich unterschlage das nirgendwo. Das finde ich gut. Auch damals hat es zwischen den großen Parteien eine Übereinstimmung in diesem Hause gegeben. Jetzt gibt es eine Übereinstimmung zwischen drei Fraktionen. Die Zustimmung ist also insgesamt gewachsen.

Die Anbindung an das Hinterland ist ein wesentliches Thema. Deswegen nur einen Satz dazu. Meine Damen und Herren, die A 31 mit ihrer vorzeitigen Feststellung und den wirtschaftlich positiven Effekten für das Emsland und für Ostfriesland verdeutlicht, dass es Sinn macht, in Infrastruktur zu investieren,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

und dass es Sinn macht, das frühzeitig zu tun, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Punkt.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang als letzten Punkt noch Folgendes sagen: Was wir gerade angesichts des internationalen Wettbewerbs auch brauchen, ist mehr Flexibilität. Die Landesregierung leistet ihren Beitrag dazu durch Entbürokratisierung. Auch die Umwandlung der alten Hafenverwaltung in eine privatrechtliche Rechtsform,

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

die ja kritisiert wurde, hat sich als Erfolgsmodell erwiesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Liebe Haushälter, wir haben in der Hafenverwaltung im ersten Jahr 5 Millionen Euro zugunsten von Investitionen eingespart. Das ist in der Landesgeschichte schon etwas, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir machen etwas im Wirtschaftsministerium. Wir warten nicht darauf, dass andere immer zustimmen. Das hat sich beim begleitenden Fahren, dem Führerschein mit 17, gezeigt, bei dem der Bund und viele Länder zunächst gesagt haben: Das wird nichts. - Wir sind vorangegangen, und nun laufen alle hinterher, meine Damen und Herren. Das ist ein Erfolg.