In diesem Jahr wurden zum zehnten Mal hoch radioaktive atomare Abfälle in das Zwischenlager Gorleben transportiert. Inzwischen lagern dort 80 Castortransportbehälter, die über mehrere Jahre und Jahrzehnte abkühlen müssen, oberirdisch in einer nur nach Baurecht genehmigten Halle. Selbst wenn es bereits ein genehmigtes Endlager für HAW gäbe, könnte keine unterirdische Einlagerung erfolgen.
Auch 2006 waren die Transporte von erheblichen Protesten begleitet. Der Innenminister und seine nachgeordneten Behörden behaupteten, es seien 700 gewaltbereite Personen festgestellt worden. Außerdem wurden für die Gefahrprognose vermeintliche G-8-Gegner herangezogen, die den diesjährigen Castortransport sozusagen als Trainingsmöglichkeit für den im kommenden Jahr stattfindenden G-8-Gipfel in Mecklenburg-Vorpommern nutzen wollten. Wieder wurde ein umfangreiches Versammlungsverbot erlassen, das zu erheblichen Einschränkungen des Demonstrationsrechtes der Bevölkerung führte. Gleichzeitig musste die einheimische Bevölkerung erhebliche Einschränkungen hinnehmen.
Auch der diesjährige Protest wurde wieder im weit überwiegenden Teil von friedlich protestierenden Menschen aus der einheimischen Bevölkerung getragen.
So wurde am 12. November in den Abendstunden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Versammlung in Gusborn im Rahmen der Aufforderungen zum Verlassen der Verbotszone erklärt, sie würden mit ihrer Teilnahme eine strafbare Handlung begehen.
Schon vor der sogenannten ersten Aufforderung wurde ein Kessel gebildet, aus dem Personen nur nach einer IDF herausgelassen werden sollten, weil ihre Daten abgeglichen werden sollten. Erst nach einer Reihe von Interventio
Am 10. November wurden die Fahrzeuge mehrerer Landwirte in der Ortschaft Pudripp sichergestellt, die Fahrzeugführer wurden erkennungsdienstlich behandelt bzw. gefilmt. Nach glaubhaften Aussagen mehrerer Zeugen wurden genau diese Fahrzeugführer vorher durch die Polizei daran gehindert, den Kreuzungsbereich zu verlassen. Ergebnis dieses Handelns waren erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen auf der B 191.
Am 12. November führte die Polizei auf der B 216 im Bereich Barendorf in der Nähe von Lüneburg eine Sperrung durch. Nach Augenzeugenberichten wurden Fahrzeuge, die keine Lüchow-Dannenberger Kennzeichen hatten, an der Weiterfahrt gehindert. Ergebnis waren erhebliche Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs.
Am 12. November vormittags wurde in der Nähe der Ortschaft Harlingen eine Reihe von friedlich protestierenden Menschen aus der Lüchow-Dannenberger Bevölkerung durch einen Polizeieinsatz verletzt, obwohl sie sich deutlich außerhalb der Verbotszone befanden und erkennbar nur ihrem Protest Ausdruck verleihen wollten.
1. Handelt es sich bei der Teilnahme an einer nicht genehmigten bzw. durch ein rechtlich fragwürdiges Versammlungsverbot verbotenen Versammlung um eine strafbare Handlung, und hat diese Aussage gegenüber den Teilnehmenden der Versammlung rechtliche und tatsächliche Auswirkungen?
2. Wie viele Anzeigen und Festnahmen mit welchen Inhalten wurden im Zusammenhang mit dem Castortransport gegen Demonstranten und gegen Polizeibeamte erstattet bzw. durchgeführt?
3. Aufgrund welcher rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten wurden die oben geschilderten Eingriffe in den Straßenverkehr bei Lüneburg und Pudripp mit welchen Auswirkungen vorgenommen?
Die Sicherheit im Zusammenhang mit den Castortransporten aus dem französischen La Hague in das Transportbehälterlager Gorleben kann auch weiterhin nur durch den Einsatz starker Polizeikräfte gewährleistet werden. Ursache hierfür sind die nach wie vor erheblichen Proteste mit Stör- und Blockadeaktionen bis hin zu schweren Straftaten und dieses nicht nur während der eigentlichen Transportdurchführung sondern auch bereits im Vorfeld. Der Brandanschlag auf die Jeetzelbrücke im Jahr 2001, der Brandanschlag auf die Polizei
unterkunft in Woltersdorf im Jahr 2005, die Zerstörung eines Polizeifunkmastes in diesem Jahr sowie alljährlich zahlreiche gefährliche Eingriffe in den Bahn- und Straßenverkehr und gewalttätige Angriffe auf Polizeibeamte belegen dieses.
Bei der Ausführung ihres gesetzlichen Auftrages verfolgt die Polizei stets das Ziel, die Normalität in der Region so weit möglich zu erhalten. Darüber hinaus verhält sie sich trotz des notwendigen allgemeinen Versammlungsverbotes entlang der Transportstrecken versammlungsfreundlich. So hat die Polizeidirektion Lüneburg von insgesamt 45 im Zusammenhang mit dem Castortransport 2006 angemeldeten Versammlungen 40 bestätigt, teilweise unter Erteilung von Auflagen. Zwei Veranstaltungen fielen nicht unter das Versammlungsrecht. Lediglich drei Versammlungen wurden von der Polizeidirektion verboten, da diese in enger zeitlicher und räumlicher Nähe zum Straßentransport stattfinden sollten. In einem Fall wurde das Verbot in einem gerichtlichen Eilverfahren aufgehoben.
Das Versammlungsverbot im Rahmen der Allgemeinverfügung ist räumlich und zeitlich so eng wie möglich beschränkt; der damit verbundene Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist verhältnismäßig. Ihm lag auch 2006 eine Gefahrenprognose zu Grunde, die sich insbesondere auf die Erfahrungen zurückliegender Castortransporte sowie auf aktuelle Ereignisse im Vorfeld des Transportes stützt.
Die Allgemeinverfügung ist ganz überwiegend durch die Verwaltungsgerichte bestätigt und im Jahr 2001 auch durch das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren für rechtmäßig erachtet worden. Lediglich für das Jahr 2004 liegt ein erstinstanzliches Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vor, wonach die Allgemeinverfügung teilweise rechtswidrig war. Diese Sache ist derzeit in zweiter Instanz beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg anhängig, das die Allgemeinverfügung 2004 im Eilverfahren bestätigt hatte. Im Jahr 2005 hat das Verwaltungsgericht Lüneburg die Allgemeinverfügung im Eilverfahren bestätigt. Die Allgemeinverfügung 2006 war nicht Gegenstand gerichtlicher Eilverfahren.
Der Polizeieinsatz aus Anlass des Castortransportes 2006 wird derzeit noch intensiv durch die Polizeidirektion Lüneburg nachbereitet. Abschließende Zahlen und Fakten liegen daher noch nicht zu allen Sachverhalten vor. Aus Anlass der Münd
Der in der Anfrage genannte Bezug zum G-8-Gipfel in Heiligendamm basierte demnach auf Lageerkenntnissen, die aufgrund von Aufrufen innerhalb der Protestszene gewonnen wurden. Darüber hinaus hat die polizeiliche Aufklärung während des Transportes das gewaltbereite Potential auf ca. 700 Personen eingeschätzt. Gestützt wird diese Einschätzung auch durch die während des Einsatzes an verschiedenen Örtlichkeiten festgestellten Gewalttätigkeiten. Beispielhaft sind hierfür die nachfolgenden Situationen anzuführen:
Bei der Auftaktkundgebung am 11. November 2006 in Gorleben lösten sich ca. 50 Personen aus dem Aufzug, warfen Absperrgitter um, beschädigten den Zaun des Zwischenlagers und bewarfen einschreitende Polizeibeamte mit Feuerwerkskörpern sowie brennenden Strohbündeln.
Später wurden aus einer Gruppe von ca. 100 Versammlungsteilnehmern heraus drei Feuer auf der Fahrbahn entzündet. Die Schläuche der eingesetzten Werksfeuerwehr wurden durch Unbekannte zerschnitten und die Feuerwehren Gartow und Gorleben bei der Zufahrt behindert.
Aus einem Laternenumzug mit bis zu 250 Personen heraus wurden am 11. November 2006 in Metzingen Barrikaden auf der Fahrbahn errichtet und entzündet. Ca. 20 Personen bewarfen in der Folge Einsatzfahrzeuge der Polizei mit Steinen. Zeitgleich wurde in der Ortschaft Bredenbock ein Einsatzfahrzeug der Polizei von ca. 70 Personen eingeschlossen und erheblich beschädigt. Hinzueilende Einsatzkräfte wurden aus der Menge heraus u.a. mit Steinen beworfen.
Im Bereich Grünhagen kam es am 12. November 2006 nach einem Barrikadenbau auf dem Bahngleis ebenfalls zu Steinwürfen auf Einsatzkräfte durch ca. 40 Personen.
Im Bereich Pussade/Harlingen kam es in den Vormittagsstunden des 12. November 2006 zu einer Vielzahl von Versammlungen sowie Ansammlungen und davon ausgehenden Störaktionen entlang der Schienentransportstrecke. Im Zusammenhang mit den überwiegend im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung durchgeführten Aktionen erfolgten auch immer wieder massive Durchbruchversuche in Richtung Gleisanlagen. So beispielsweise gegen 12.50 Uhr aus einer Gruppe von ca. 500 bis 600 Personen heraus unter starkem Steinbewurf
und Beschuss mit Signalmunition auf Einsatzkräfte. Im gesamten Bereich kam es zu einer Vielzahl von Ausschreitungen, bei denen Polizeibeamte dem Bewurf mit Steinen, Ästen und Pyrotechnik ausgesetzt waren. Neun Beamtinnen/ Beamte wurden hier verletzt. Ein Einschreiten der Einsatzkräfte zum Schutz der Schienentransportstrecke sowie zum eigenen Schutz war zwingend erforderlich. Da gegen die überaus gewalttätigen Handlungen sowohl mit dem Einsatz körperlicher Gewalt als auch mit Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt in Form von Pfefferspray-, Schlagstock- und Wasserwerfereinsatz vorgegangen werden musste, ist nicht auszuschließen, dass auch Störer verletzt wurden. Diesbezügliche Meldungen liegen der Polizei aber nicht vor.
Auch im Bereich der in der Anfrage genannten Örtlichkeit Harlingen hat es gewalttätige Angriffe unter Inkaufnahme schwerer Verletzungen von Polizeibeamten gegeben, sodass die Polizei u. a. mit Zwangsmitteln dagegen vorgehen musste.
Im Verlauf des Castorstraßentransportes nahmen mehrere Hundert Personen an Protestaktionen entlang den Transportstrecken teil. Vor dem Transportdurchlauf wurden u. a. vier Ankettaktionen durch zahlreiche Personen umsäumt. So auch am Abend des 12. November 2006 in Gusborn. Dort hatten sich im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung mehrere Personen an eine auf die Fahrbahn der L 256 gebrachte Betonpyramide angekettet. Ca. 250 Personen befanden sich im direkten Nahbereich dieser Aktion. Diese Versammlung wurde durch den polizeilich Verantwortlichen vor Ort aufgelöst. Im Rahmen der Auflösungsverfügung wurden die Personen angewiesen, sich in Richtung Süden zu entfernen. Darüber hinaus war Teil der Auflösungsverfügung der Hinweis, dass das Nichtbefolgen des Platzverweises eine strafbare Handlung darstellen kann. Dieser bezog sich auf den bestehenden Anfangsverdacht der Nötigung durch das Verbringen eines als Blockade-mittel genutzten Betonklotzes unter Ankettung mehrerer Personen auf die Fahrbahn.
Bei der Räumung solcher Blockadeaktionen ist es erforderlich, sogenannte innere und äußere Absperrungen einzurichten, um die Gefahr von Personenschäden für die angeketteten Personen zu minimieren. Die Einrichtung dieser Absperrbereiche gestaltete sich angesichts der vor Ort anwesenden größeren Menschenmenge zunächst schwierig. Konfliktmanager und Einsatzkräfte forderten die Umstehenden auf, sich um einige Meter
von der Ankettaktion zurückzuziehen. Auch die vor Ort anwesende Abgeordnete des Europaparlaments Rebecca Harms forderte nach Abstimmung mit dem Einsatzleiter der Polizei die anwesenden Personen per Lautsprecherdurchsage dazu auf, den Radius um die Ankettaktion zu erweitern. Nach Errichtung der äußeren Absperrung wurden Personen, die sich innerhalb des abgesperrten Bereichs befanden aufgefordert, diesen in Richtung eines angrenzenden Feldes zu verlassen. Einige Personen, die die Absperrung verlassen hatten, machten einen Konfliktmanager vor Ort darauf aufmerksam, dass Personalienfeststellungen erfolgen würden. Auf Anordnung des Einsatzleiters wurden in der Folge Personalienfeststellungen nicht bei Personen durchgeführt, die die Örtlichkeit freiwillig verlassen. Der Inhalt dieser Anordnung wurde den Beschwerdeführern mitgeteilt.
Nach Einschätzung des Konfliktmanagers war die Situation vor Ort zu keinem Zeitpunkt dramatisch, noch drohte sie zu eskalieren. Auch sind der Polizeidirektion Lüneburg keine vergeblichen Interventionen durch die drei vor Ort anwesenden Seelsorger bekannt geworden. Vielmehr bestätigten Frau Pastorin Drude sowie zwei weitere Pastoren gegenüber dem Konfliktmanager, dass sich die Polizei bei der Räumung absolut besonnen und vorbildlich verhalten habe.
In Pudripp kam es am 10. November 2006 ab ca. 19.30 Uhr im Kreuzungsbereich B 191/K 8 zu einer Blockadeaktion, an der sich etwa 300 Personen mit ca. 40 Traktoren beteiligten. Die Blockade hatte erhebliche Verkehrsbehinderungen zur Folge. Aufgrund der vollendeten Nötigung zum Nachteil mehrerer Verkehrsteilnehmer ist in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren gegen die an der Blockade beteiligten Personen eingeleitet worden. Diesbezügliche Strafanträge geschädigter Verkehrsteilnehmer liegen der Polizei vor. Gegen 21.35 Uhr entschied die Gesamteinsatzleitung der Polizei, die Blockade aufzulösen und die Traktoren sicherzustellen. Bis zum Beginn dieser Maßnahme, die mit einer Einschließung zum Zwecke der Identitätsfeststellung und Vorbereitung der Sicherstellung eingeleitet wurde, hatten alle Versammlungsteilnehmer jederzeit die Möglichkeit, den Kreuzungsbereich zu verlassen. Aufgrund von Aufklärungsergebnissen, dass die Traktoren zu einer Folgeblockade an die Bahnstrecke verlegt werden sollten, wurde ein Entfernen der Fahrzeuge nach erfolgter Einschließung und Auflösung der Versammlung nicht mehr zugelassen. Weiterführende strafprozessuale Maßnahmen, wie Doku
mentation, Identitätsfeststellung von ca. 300 Personen und erkennungsdienstliche Behandlung wurden teilweise noch vor Ort getroffen. Darüber hinaus erfolgte die Sicherstellung von insgesamt 36 als Blockademittel eingesetzter Traktoren. Aufgrund des damit verbundenen logistischen sowie zeitlichen Aufwands und des wenig kooperativen Verhaltens der Beschuldigten hielten die Verkehrsbeeinträchtigungen im Zuge der B 191 bis ca. 3.30 Uhr an.
Zu 1: Die Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung, deren Durchführung durch vollziehbares Verbot untersagt ist, stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Strafbar macht sich der Veranstalter oder Leiter einer solchen Versammlung, der diese trotz Verbotes durchführt, bzw. jede Person, die öffentlich zur Teilnahme an einer solchen Versammlung auffordert. Strafbar macht sich außerdem, wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung durchführt.
Der im Zusammenhang mit dem Sachverhalt in Gusborn in die Auflösungsverfügung aufgenommene Hinweis auf eine Strafbarkeit bezog sich auf den Tatbestand der Nötigung, da sich mehrere Personen unter Zuhilfenahme eines Betonklotzes auf der Fahrbahn der L 256 angekettet hatten. Der Hinweis hat keine weiteren rechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
Zu 2: Im Zusammenhang mit dem Castortransport 2006 wurden mit Stand 27.November 2006 nach Mitteilung der Polizeidirektion Lüneburg insgesamt 121 Strafanzeigen erstattet, davon: