Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Wir suchen vielmehr eine europäische Lösung. Unsere Nachbarn lassen bereits EuroCombis zu. Wir werden diese an der Grenze nicht aufhalten können.

Frau Kollegin König, Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Das ist mein letzter Satz. - Erinnern wir nur an das Projekt „Begleitetes Fahren ab 17“: Es wurde von Niedersachsen eingeführt, vom Bund abgelehnt, später von immer mehr Ländern übernommen und ist heute ein gefeierter Erfolg, der auch vom Bund anerkannt wird. Wir versuchen, das Thema angemessen, sachlich und nüchtern anzugehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In Ihrem Satz war ein Doppelpunkt, deswegen war das in Ordnung.

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Will. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es wieder vernommen, die Position der FDP-Fraktion ist: Hauptsache das Etikett stimmt, was drinsteckt, ist nicht so entscheidend.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Rühl, wenn ich Ihren Vortrag rekapituliere und zusammenfasse, dann komme ich zu folgendem Ergebnis: Sie sind bereit, ruinösen Wettbewerb zulasten der Schiene hinzunehmen und in Kauf zu nehmen, dass sich der Straßenzustand massiv verschlechtert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja dummes Zeug!)

Meine Damen und Herren, aus gutem Grund hat sich Bundesverkehrsminister Tiefensee gegen den Alleingang einiger Bundesländer bei der Erprobung sogenannter Gigaliner ausgesprochen. Der von Verkehrsminister Hirche - er ist leider nicht anwesend - ausgerufene Modellversuch ist nach Auffassung der Bundesregierung schlichtweg rechtswidrig. Die Bundesregierung erklärt hierzu eindeutig:

„Da die Erprobung neuer Fahrzeugkonzepte nicht Bestandteil der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist, besteht für die Erteilung von Erlaubnissen durch die Länderbehörden keine Ermächtigung. Vielmehr wird eine Grundentscheidung des Verordnungsgebers zur Zulässigkeit übermäßiger Straßenbenutzung durch das niedersächsische Vorgehen unterlaufen.“

Wie wahr! Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung hat sich über diese rechtlichen Bedenken einfach hinweggesetzt - ein Vorgehen, das wir von dieser Landesregierung aus anderen Fällen durchaus gewohnt sind.

(Walter Meinhold [SPD]: Das nennt man Rechtsbruch!)

Die Bundesregierung ist weiter der Auffassung, dass es durch den Modellversuch gar nicht möglich ist, hinreichende Erkenntnisse über die Auswirkungen der Gigaliner auf den Straßenverkehr zu gewinnen.

(Gabriela König [FDP]: Das machen die Niederländer!)

Ich darf wiederum aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag zitieren:

„Hinsichtlich des Nutzens des niedersächsischen Vorgehens vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Ergebnisse des sog. Modellversuchs keine tragfähige Entscheidungsgrundlage für eine Zulassung modularer Nutzfahrzeugkonzepte bieten wird, da angesichts der Komple

xität der Fragestellungen eine angemessene wissenschaftliche Begleitung nicht vorgesehen ist.“

Meine Damen und Herren, auch über diese fachlichen Bedenken hat sich das Ministerium von Herrn Hirche einfach hinweggesetzt.

(Walter Meinhold [SPD]: Wie immer!)

Offenbar geht es der Landesregierung gar nicht darum, neue Fahrzeugkonzepte zu erproben. Der Minister wollte einfach der Erste sein, der die Gigaliner auf Deutschlands Straßen fahren lässt, um damit seine vermeintliche Fortschrittlichkeit zu demonstrieren.

(Reinhold Coenen [CDU]: Wer hat das denn aufgeschrieben?)

Meine Damen und Herren, der Betrieb von Gigalinern ist höchst problematisch, leistet doch der Einsatz solcher Fahrzeuge, wenn auch nur im Probebetrieb, der Einführung größerer Transportsysteme und höherer Tonnagen auf der Straße weiteren Vorschub. Das verkehrspolitische Ziel, die Güter stärker auf die Schiene zu bringen, wird damit konterkariert. Gerade die von uns politisch gewollten steigenden Zuwachsraten im kombinierten Güterverkehr sind damit auf der Schiene wieder infrage gestellt. Mit der Entscheidung, den Gigaliner in Niedersachsen zunächst versuchsweise auf die Straßen zu lassen, wird der Wettbewerb gegen die Schiene weiter verschärft und macht man alle übrigen Verkehrsteilnehmer mit zu Verlierern.

Meine Damen und Herren, einige Anmerkungen zum Stichwort Verkehrsfluss. Man stelle sich vor: Drei Gigaliner überholen sich im Weserbergland auf der A 2 gleichzeitig auf zwei Spuren. Das würde endgültig zu verstopften Straßen führen.

Bis 2015 sollen im Übrigen die Güterverkehre nach Schätzungen der Bundesregierung um ca. 40 % zunehmen. Nun kommt es darauf an, daraus auch die richtigen Schlüsse zu ziehen. In erster Linie soll nicht mehr Güterverkehr auf die niedersächsischen Straßen gezogen werden, sondern die Schiene sollte weiter ausgebaut werden, damit mehr Güterverkehr auf ihr gebunden werden kann.

Niedersachsen als ein Hauptlogistik- und Transitland mitten in Europa trägt bereits heute die Hauptlast des Güterverkehrs auf der Straße. Durch Feldversuche etwa mit dem Gigaliner und mögli

chen Öffnungen leisten wir den Begehrlichkeiten mancher europäischen Nachbarn Vorschub, die seit langem für ihre Logistikunternehmen die Freigabe einer höheren Tonnage auf deutschen Autobahnen fordern. Welche Folgen hat das für den Zustand der Bundesautobahnen? - Natürlich kommt es zu einem explodierenden Sanierungsbedarf. Welche Folgen hat das für die sich schon heute in einem erbärmlichen Zustand befindlichen Landesstraßen? Wer ersetzt den Landkreisen und Kommunen die zerstörten Kreis- und Gemeindestraßen?

Herr Kollege Will, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Runkel?

Nein, ich möchte jetzt zu Ende führen. - Ganz zu schweigen von der Notwendigkeit des Ausbaus, damit solche großen Verkehrssysteme dort überhaupt zurechtkommen können. Das ist doch alles nicht durchdacht.

Meine Damen und Herren, wir halten die Vorgehensweise der Landesregierung für puren Aktionismus und für schädlich für die Landesinteressen. Wir lehnen den Feldversuch ab. Es handelt sich bei ihm verkehrspolitisch letztendlich um eine einseitige und kurzsichtige Lobbyarbeit für das Straßenspeditionsgewerbe. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Mir liegen jetzt noch zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen vor. Zunächst Herr Kollege Hoppenbrock. Bitte schön!

Lieber Kollege Will, nachdem sich Ihre Fraktion gestern im Rahmen der Diskussion über Innovation sehr lang und breit ausgelassen und auch zugestanden hat, dass auch Mobilität dazu gehört, bin ich enttäuscht, dass Sie heute die Erprobung eines neuen Fahrzeugkonzeptes rundweg ablehnen, bevor überhaupt Ergebnisse vorliegen. Sie ziehen sich auf Formalismus zurück und sagen, was das Land darf und was es nicht darf. Beim Fahren mit 17 war es ähnlich. Ich hoffe, dass Ihnen bekannt ist, dass der große Vorteil dieser Öko

Combis - so nenne ich sie jetzt einmal - darin besteht,

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Walter Meinhold [SPD]: Unglaublich ist das! - Weitere Zurufe)

dass der CO2-Ausstoß pro transportiertem Kubikmeter wesentlich geringer ist.

Außerdem möchte ich einmal auf die Belastung der Straßen pro Achse hinweisen. Herkömmliche 40-t-Lkw haben fünf Achsen. Von daher wird das transportierte Gut bei fünf Achsen von 18 Rädern getragen. Bei normalen Lkw - also keinen Ökolinern - verteilt sich die Last auf zehn Räder an drei Achsen. Sie können sich ausrechnen, in welchem Fall die Belastung der Straßen und Brücken am größten ist.

Meiner Meinung nach sollten wir den Versuch durchführen. Wir sollten in aller Ruhe die Ergebnisse abwarten.

Diese Ruhe haben Sie nicht. Ihre anderthalb Minuten sind abgelaufen, Herr Kollege Hoppenbrock.

Kein Zitat mehr. Anderthalb Minuten!

Nein, tut mir leid. Ich habe das Mikrofon abgestellt. Kurzintervention heißt definitiv: anderthalb Minuten. - Ich habe keine Möglichkeit, auch nur eine Sekunde zu verschenken.

Herr Kollege Hagenah, auch Sie haben 90 Sekunden zur Verfügung. Danach stelle ich das Mikrofon ab.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Will dafür dankbar, dass er der CDU und der FDP noch einige zusätzliche

wichtige Argumente genannt hat. Die Rechtswidrigkeit des niedersächsischen Versuchs und die fehlende wissenschaftliche Begleitung machen doch all ihre Argumente, man müsse zunächst einmal das Ende abwarten, um daraus Schlüsse zu ziehen, obsolet; denn letztendlich kann man aus den Ergebnissen keine Rückschlüsse ziehen, weil es keine wissenschaftliche Begleitung gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Hoppenbrock sprach hier zur Innovation.

Herr Kollege Hagenah, Ihre Kurzintervention bezieht sich auf Herrn Kollegen Will.

Das stimmt.