Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 12 der Abg. Heinz Rolfes und Hans-Christian Biallas (CDU)

Bericht zur Inneren Sicherheit in Niedersachsen 2002 bis 2006

Das Justizministerium und das Ministerium für Inneres und Sport haben im Juni einen Bericht zur Inneren Sicherheit in Niedersachsen 2002 bis 2006 vorgelegt. Der Bericht stellt nach Aussage der Landesregierung eine ganzheitliche Informationsquelle dar, in der statistische Daten mit vor allem kriminologisch geprägten Analysen und Schlussfolgerungen zusammengeführt worden sind.

Wie konkret die innere Sicherheit gefährdet ist, zeigen die verhinderten Terroranschläge in London vor wenigen Tagen. Hieraus können sich Erkenntnisse ergeben, die noch nicht im Sicherheitsbericht berücksichtigt werden konnten.

Daher fragen wir die Landesregierung:

1. Welches sind die wesentlichen Kernpunkte des Berichts insbesondere mit Blick auf die Maßnahmen zur Gewährleistung der inneren Sicherheit?

2. Ergibt sich nach den verhinderten Terroranschlägen in London eine neue Sichtweise hinsichtlich einer möglichen Bedrohung vor terroristischen Anschlägen in Niedersachsen und im Zusammenhang damit weiterer zu ergreifender Maßnahmen?

3. In welcher Hinsicht unterscheidet sich die aktuell vorgelegte Fortschreibung vom Sicherheitsbericht 2002?

Die Niedersächsische Landesregierung trägt konsequent dafür Sorge, dass die Menschen in Niedersachsen sicher leben können. Unsere Polizei und Justiz setzen alles daran, Kriminalität zu verhindern und begangene Straftaten aufzuklären und konsequent, schnell und lückenlos zu verfolgen, während das Landesamt für Verfassungsschutz durch intensive Aufklärungs- und Beobachtungstätigkeit einer eventuellen Anschlagsgefahr gerade auch im Bereich des Terrorismus bereits im Vorfeld entgegentritt.

Der vom Ministerium für Inneres und Sport und dem Justizministerium vorgelegte Bericht zur Inneren Sicherheit in Niedersachsen 2002 bis 2006 gewährt einen umfassenden Einblick in die Arbeit und Strukturen der niedersächsischen Sicherheits

behörden. Der Bericht bilanziert die Sicherheitslage und stellt eine Bestandsaufnahme aller sicherheitsrelevanten Bereiche dar. Er beschreibt und bewertet Entwicklungen und Tendenzen, informiert über staatliche Strategien, Projekte, Konzepte und Maßnahmen und zeigt weiteren Handlungsbedarf sowie die diesbezüglichen Planungen von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz auf.

Der Bericht spiegelt damit die Aktivitäten der Landesregierung im Bereich der inneren Sicherheit umfassend wider, unterstreicht die guten Arbeitsergebnisse der Sicherheitsbehörden und verdeutlicht sehr anschaulich die Vernetzung zwischen staatlichen und gesamtgesellschaftlichen Handlungsfeldern.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Der vorgelegte Bericht vermittelt ein objektives Bild zur inneren Sicherheit in Niedersachsen für die Jahre 2002 bis 2006. Unter Einbeziehung des Berichtszeitraumes des ersten Berichtes (1992 bis 2001) sind nunmehr insgesamt 15 Jahre erfasst.

Bei der allgemeinen Kriminalitätsentwicklung ist dabei festzustellen, dass die Anzahl der den Strafverfolgungsbehörden bekannt gewordenen Straftaten im Jahr 2006 mit 603 597 Fällen weit unter dem Niveau des Ausgangsjahres von 1992 mit 635 326 Fällen liegt. Im Berichtszeitraum von 2002 bis 2006 wurden im Jahr zwischen 587 282 (2004) und 608 467 (2002) Straftaten erfasst. Abnehmenden Anteilen der Diebstahlkriminalität (2002: 50,3 %, 2006: 43,11 %) stehen Zuwächse vor allem bei den Rohheitsdelikten von 9,58 % (2002) auf 11,84 % (2006) und den Vermögens- und Fälschungsdelikten von 15,31 % (2002) auf 18,83 % (2006) entgegen.

Die Aufklärungsquoten waren im Berichtszeitraum die höchsten, die jemals verzeichnet wurden; 2005 und 2006 wurden hier Spitzenwerte von 55,72 % und 55,52 % erreicht, was als Beleg für die qualitativ hochwertige Arbeit der Polizei anzusehen ist.

Hervorzuheben ist, dass die Kriminalprävention in Niedersachsen in den vergangenen Jahren zunehmend als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird. Deshalb erarbeiten Polizei, Justiz und Verfassungsschutz präventive Konzepte und Maßnahmen inzwischen fast ausschließlich im Zusammenwirken mit anderen Institutionen und Einrichtungen, etwa aus dem Bereich der Jugend

hilfe, Kommunen, Schulen, Kirche und Wirtschaft. Nur so können das Kriminalitätsaufkommen wirksam und nachhaltig bekämpft und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden.

Der Bericht stellt die Entwicklungen der Sicherheitslage in den Phänomenbereichen sehr differenziert dar, erläutert Tendenzen und berücksichtigt dabei wissenschaftliche Befunde. Er informiert über die spezifischen und übergreifenden präventiven wie repressiven Maßnahmen und Konzepte.

Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich die Sicherheitslage - in Deutschland - nachhaltig verändert. In Reaktion darauf befasst sich der Bericht in einem Schwerpunktthema mit der Bedrohung durch den islamistischen Extremismus und Terrorismus.

Die Niedersächsische Landesregierung ist im Berichtszeitraum 2002 bis 2006 auf den unterschiedlichsten Handlungsfeldern aktiv gewesen, um die innere Sicherheit in Niedersachsen dauerhaft zu gewährleisten und zu stärken. Belege hierfür ergeben sich u. a. aus den vielfältigen organisatorischen und personellen Maßnahmen bei Polizei, Verfassungsschutz und Justiz.

Als organisatorische Maßnahme für den Bereich Polizei ist insbesondere die im Jahre 2004 erfolgte Neuausrichtung zu nennen, mit der ein modernes ganzheitliches Strukturkonzept entwickelt und umgesetzt wurde. Im Zentrum ging es dabei um eine Stärkung der Polizei in ihren Kernaufgaben - der Bekämpfung von Kriminalität - durch eine präsente und qualifizierte Polizei. Einhergehend mit dieser organisationsstrategischen Optimierung hat die Landesregierung die Polizei z. B. mit dem sogenannten 1000er-Programm auch personell gestärkt. So verfügt Niedersachsen bereits heute über den höchsten Stellenbestand im Polizeivollzug seit Gründung des Landes.

Die Bedeutung der Polizei für die Landesregierung spiegelt sich auch in der Entwicklung des zur Verfügung stehenden Finanzrahmens wider. Trotz des notwendigen Konsolidierungskurses in der Haushaltspolitik des Landes sind die Gesamtaufgaben im Ausgabenblock des Polizeibereiches kontinuierlich gewachsen und haben im Haushaltsgesetz 2007 ihren bislang höchsten Stand mit 985,6 Millionen Euro erreicht. Naturgemäß bezieht sich der größte Anteil dieser Summe auf den Bereich Personal; doch auch im Bereich Investitionen sind die bereitgestellten Mittel deutlich erhöht worden. So

hat sich dieser Anteil von 33,8 Millionen Euro im Jahre 2001 auf 48,3 Millionen Euro in 2007 erhöht. Damit können zukunftsfähige Verbesserungen für die innere Sicherheit - wie etwa die Einführung des Digitalfunkes oder der Ausbau der DNA-Analyse erreicht werden.

Auch der Verfassungsschutz verfügt inzwischen über eine personelle, finanzielle und technischmaterielle Ausstattung, die seinen vielschichtigen Aufgaben gerecht wird. Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage hat die Landesregierung die Personalstärke um rund 10 % ausgebaut, wodurch insbesondere die Beobachtung des islamistisch geprägten Ausländerextremismus und -terrorismus verstärkt werden konnte. Die finanzielle Ausstattung des Verfassungsschutzes ermöglicht eine nachrichtendienstliche Tätigkeit, die den aktuellen Anforderungen entspricht. Da innere Sicherheit auch durch verstärkte Aufklärungsmaßnahmen verbessert werden kann, hat das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz in den letzten Jahren nicht unerhebliche Personalund Sachmittel in die Erstellung und Durchführung von Wanderausstellungen, in die Lehrerfortbildung und in Aufklärungsbroschüren investiert.

Im Bereich der Justiz sind insbesondere Maßnahmen zur gezielten Stärkung der Staatsanwaltschaften und Strafgerichte im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption hervorzuheben.

In Reaktion auf Kriminalitätsentwicklungen und auf Besonderheiten in bestimmten Kriminalitätsbereichen hat die Landesregierung daneben durch Gesetzesinitiativen auf Bundes- und Landesebene dafür Sorge getragen, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auch zukünftig zu gewährleisten. Hervorzuheben sind insoweit

- der von der Landesregierung im Jahre 2003 in den Bundesrat eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Jugenddelinquenz (BR-Drs. 312/03), mit dem in Reaktion auf die Entwicklungen im Bereich der Jugendkriminalität u. a. ein sogenannter Warnschussarrest eingeführt werden soll,

- der von Niedersachsen gemeinsam mit anderen Ländern in den Bundesrat eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BR-Drs. 660/06), der auf eine Verbesserung der Verfahrensabläufe zielt.

Bei der Bekämpfung wirtschaftlich orientierter Kriminalität hat sich in Niedersachsen neben der

klassischen Ermittlungstätigkeit mit dem Ziel der Verhängung von Geld- und Freiheitsstrafe die Gewinnabschöpfung fest etabliert. Zur Vereinfachung des Verfahrens einerseits und einer Stärkung der Rückgewinnungshilfe zugunsten Tatverletzter andererseits hat sich das Justizministerium im Berichtszeitraum auf Bundesebene verstärkt für Reformen eingesetzt und gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und anderen Landesjustizverwaltungen einen Gesetzentwurf zur Reform der gesetzlichen Regelungen von Verfall und Einziehung erarbeitet. Hieraus ist das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 entstanden (BGBl. 2006 I, S. 2350), das am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist.

Einen wesentlichen Beitrag zur inneren Sicherheit leistet schließlich der Justizvollzug. Nach Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug infolge der Föderalismusreform am 28. August 2006 hat die Landesregierung diese Kompetenz konsequent aufgegriffen und den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen vorgelegt. Dieser fasst den Vollzug der Freiheitsstrafe bei Erwachsenen, der Jugendstrafe, der Untersuchungshaft und der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in einem Gesetz zusammen. Durch umfangreiche und gezielte Maßnahmen zur Resozialisierung der Gefangenen, deren Eigenverantwortung im Justizalltag gestärkt und eingefordert werden soll, sowie durch eine bessere Koordination interner und externer Institutionen zur Vorbereitung der Entlassung wird sich die Rückfallgefahr weiter verringern und auf diese Weise nachhaltig zur inneren Sicherheit in Niedersachsen beigetragen.

Zu 2: Die versuchten Autobombenanschläge in London am 29. Juni 2007 sowie die terroristisch motivierte Gewalttat auf dem Flughafen in Glasgow am Folgetag sind nach derzeitiger Einschätzung vor einem islamistisch motivierten Hintergrund geplant worden. Bezüge nach Deutschland sind bislang nicht erkennbar. Die Terrorakte bestätigen erneut die seit längerer Zeit bestehende Bewertung deutscher Sicherheitsbehörden zur Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus, wonach Westeuropa und damit auch Deutschland im Zielspektrum islamistischer Gruppierungen liegen. Wie die versuchten Anschläge auf den öffentlichen Personennahverkehr vom 31. Juli 2006 bei Koblenz und Dortmund zeigen, hat die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus Deutschland unmittelbar erreicht.

Eine neue Sichtweise hinsichtlich einer möglichen Bedrohung vor terroristischen Anschlägen in Niedersachsen ergibt sich aus den jüngsten Ereignissen in Großbritannien nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht. Dies gilt auch für die bisher schon durch die niedersächsischen Sicherheitsbehörden auf hohem Niveau getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus.

Zu 3: Der im Juni vorgelegte Bericht ist unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem ersten Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2002 erstellt worden. Er wurde inhaltlich wie strukturell weiterentwickelt. Beispielhaft sind als wesentliche Punkte hervorzuheben:

Bei der Darstellung der allgemeinen Kriminalitätslage ist zugunsten einer phänomenologischen Befassung Abstand von einer institutionellen Betrachtung genommen worden. Wer Kriminalitätsphänomene verstehen und diesen wirksam begegnen will, muss heute mehr denn je mit einem ganzheitlichen, also auch verantwortungs- und sachübergreifenden Verständnis vorgehen. Diesem Ansatz trägt die Fortschreibung des Berichtes zur Inneren Sicherheit in Niedersachsen 2002 bis 2006 konsequent Rechnung.

Ferner ist noch stärker als im ersten Sicherheitsbericht die Prävention in den Fokus genommen worden. Auf nahezu allen Tätigkeitsfeldern der niedersächsischen Sicherheitsbehörden geht es vermehrt auch um Vorsorge, um Früherkennung und um Verhinderung von Straftaten - sei es auf dem Gebiet der Kriminalprävention, der Sozialen Dienste der Justiz, der Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes oder auch der Präventionsmaßnahmen in der Verkehrsicherheitsarbeit.

Vor dem Hintergrund der veränderten Sicherheitslage wird die Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus als Schwerpunkt in einem gesonderten Abschnitt behandelt.

Aufgrund des Umfanges des Sicherheitsberichts ist erstmals eine Zusammenfassung vorangestellt worden. Der „eilige Leser“ findet hier in aller Kürze die wesentlichen Aussagen des Berichts über die Sicherheitslage in Niedersachsen. Zudem erleichtert diese Kurzfassung das Auffinden der entsprechenden Bezüge im Gesamtbericht und dient so einer nutzerfreundlichen Handhabung. Details zu den genutzten Daten sind zudem aus einem Tabellenanhang ersichtlich.

Anlage 12

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 13 der Abg. Georgia Langhans (GRÜNE)

Anerkennung irakischer Pässe

Durch Allgemeinverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 6. März 2007 wurde die Anerkennung der irakischen Reisepässe der Serie S mit Wirkung vom 1. April 2007 widerrufen. Es werden seitdem nur noch Pässe der Serie G anerkannt. Die Serie S war im Jahr 2004 von der irakischen Übergangsregierung eingeführt worden. Die Serie G ist dagegen neu, verfügt über verbesserte Sicherheitsmerkmale, kann aber wegen Unzulänglichkeiten in der Verwaltung nur verzögert ausgegeben werden. Nach meinen Informationen können die Pässe der Serie G nur im Irak selbst ausgestellt werden. Die irakischen Botschaften wollen deshalb weiterhin Pässe der Serie S ausstellen.

Laut Auskunft der Region Hannover sollen bestehende Aufenthaltserlaubnisse zwar von der widerrufenen Anerkennung der Serie S unbeschadet bleiben. Wenn aber eine Aufenthaltserlaubnis verlängert werden müsse, werde ein neuer Pass der Serie G verlangt werden. Ein Pass der Serie S reiche dann nicht mehr aus.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wird sie die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen handhaben, wenn der bisherige Pass der Serie S abläuft und statt eines Passes der Serie G nur einer der Serie S von der irakischen Botschaft erhältlich ist?

2. Wie steht die Landesregierung zu der Problematik, dass eine große Anzahl von irakischen Staatsbürgern seit dem 1. April 2007 nicht über gültige Passpapiere verfügt?

3. Wie wird sich diese Problematik auf die erforderlichen Aufenthaltszeiten in Einbürgerungsverfahren auswirken?

Reisepässe der Serie S waren im Jahr 2004 von der irakischen Übergangsregierung ausgegeben worden und sollten mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr als Übergangslösung dienen. Die Sicherheitsmerkmale dieser Pässe sind unzureichend. Es sind Missbrauchsfälle sowie der Handel mit gefälschten Dokumenten der Serie S bekannt geworden. Mittlerweile gibt es neue Pässe der Serie G, die jedoch wegen innerbehördlicher Probleme auf irakischer Seite derzeit noch nicht ausgestellt werden können. Es handelt sich dabei um einen zeitlich begrenzten Engpass, der die Ausstellung von Nationalpässen bei den Aus

landsvertretungen umfasst. Das Bundesministerium des Innern hat mit Verfügung vom 6. März 2007 die Anerkennung irakischer Reisepässe der Serie S mit Wirkung vom 1. April 2007 widerrufen. Die Gültigkeit der Pässe wurde davon nicht berührt.