Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das die Meinung Ihrer Fraktion ist. Herr Jüttner hatte doch - ich zitiere aus dem Rundblick - noch gestern gesagt, das Thema Karmann eigne sich nicht für einen Streit zwischen Opposition und Regierung im Niedersächsischen Landtag. Genau so sind wir es angegangen. Ich hatte schon den Eindruck, dass Sie hier alle Gemeinsamkeiten aufkündigen, indem Sie eine solche Schärfe in die Diskussion bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Die wollen nur politisches Kapital daraus schla- gen! Denen geht es gar nicht um Ar- beitsplätze!)

Ich beginne es einmal anders: Als Abgeordneter aus der schönen Stadt Melle im Landkreis Osnabrück bedanke ich mich zunächst einmal ganz herzlich beim Landtag dafür, dass wir zu dieser gemeinsamen Erklärung gekommen sind

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und dass wir gemeinsam diesen Antrag heute verabschieden. Es ist natürlich richtig, was zur sofortigen Abstimmung gesagt wurde. Ich bedanke mich aber auch bei der Landesregierung, die in Person von Ministerpräsident Wulff und in Person von Wirtschaftsminister Hirche schon lange den Weg von Karmann konstruktiv begleitet. Dafür noch einmal schönen Dank von meiner Fraktion!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Es hätte noch nicht einmal eines Antrags be- durft!)

Meine Damen und Herren, Karmann ist ein Leuchtturm im Landkreis und in der Stadt Osnabrück. Karmann gehört zu den innovativsten Unternehmen. Karmann ist ein Symbol für Ingenieurskraft und für den Automobilbau in ganz Niedersachsen und speziell im Raum Osnabrück. Karmann gehört zu Osnabrück wie Conti, die Medizinische Hochschule oder auch VW zu Hannover gehören. Deshalb muss man verstehen, dass es in Osnabrück diese große Aufbruchsstimmung zu einer Zeit gibt, in der Karmann Sorgen hat. Karmann hat in der Vergangenheit - dadurch ist dieses Unternehmen fast jedem Bundesbürger bekannt - wunderschöne Autos gebaut. Wer erinnert sich nicht an den Karmann Ghia, an die Golf- und Käfer-Cabrios? Alles ist in Osnabrück entstanden, und Karmann ist heute noch Marktführer bei den Verdecken. Nur beim kompletten Automobilbau fehlen zurzeit die Folge

aufträge, weil es anscheinend Überkapazitäten in den großen Autofirmen gibt.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Karmann hat in Osnabrück 4 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und in Rheine 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie können sich vorstellen, dass viele Zulieferbetriebe daran hängen. An Karmann hängen also sehr viele Familien. Deswegen ist es für die Region sehr wichtig, dass um jeden Arbeitsplatz bei Karmann gekämpft wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion bringt mit dem gemeinsamen Antrag zum Ausdruck, dass Karmann mit Sitz in Osnabrück auch künftig Automobilstandort in Niedersachsen bleiben soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir stehen hinter den Beschäftigten des Unternehmens. Wir möchten die Unternehmensleitung dabei unterstützen, das Unternehmen so umzubauen, dass möglichst viele Arbeitsplätze in Osnabrück und Rheine erhalten bleiben. Der gemeinsame Antrag, Frau Graschtat, leistet dazu einen Beitrag. Wir lassen uns aber von Ihnen hier in diesem Hause nicht auseinanderdividieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir appellieren mit diesem Antrag an die deutsche Automobilindustrie - an die Unternehmen und an die Vorstände -, das große Potenzial und die innovativen Kompetenzen von Karmann auch weiterhin durch entsprechende Aufträge zu unterstützen.

Wir unterstützen natürlich auch die Initiative der Landesregierung, das Unternehmen Karmann bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder zu begleiten. Bisher fördert das Land schon im Rahmen eines Projekts für alternative Antriebe ganz gezielt die Strategien von Karmann, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Landesregierung hat sich bereits 2006 finanziell im Rahmen einer Transfergesellschaft zur Qualifizierung und Vermittlung von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Karmann engagiert, und sie hat angekündigt, dass sie dies vor dem Hintergrund der heutigen Lage in ähnlicher Weise wieder zu tun gewillt ist.

Meine Damen und Herren, wir haben es gehört: Am 3. November gab es in Osnabrück eine machtvolle Demonstration, die zeigte, dass die Region

hinter Karmann steht. Die Botschaft war: Wir stehen hinter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses innovativen Unternehmens. Alle Redner haben als Hauptproblem nicht die Geschäftspolitik von Karmann, sondern nicht ausgelastete Kapazitäten in deutschen Automobilwerken angeführt. Sie appellierten an die Solidarität der Vorstände von VW, Ford, Daimler Benz und anderen, die dort in der Vergangenheit ihre Autos haben bauen lassen. Es handelte sich immer um Nischenmodelle. Aber es waren immer besonders komplizierte und teure Fahrzeuge, die in Osnabrück gebaut wurden.

Wenn das Know-how dort verschwinden sollte und die ersten Mitarbeiter - die Besten finden zuallererst auch anderswo einen Arbeitsplatz - gehen sollten, dann wird es sich nicht mehr aufbauen lassen. Deswegen der Appell an die Firmen: Bringt Aufträge zur Überbrückung dieser Zeit, bis ihr auch selbst wieder die Auslastung habt. Helft Karmann damit weiter.

Bei dieser Demonstration gab es aber noch eine weitere Frage. Herr Meine von der IG Metall war dort. Die IG Metall-Vorsitzenden hielten dort Reden. Die Frage war: Wie steht es eigentlich mit der Solidarität der IG Metall? Die Metaller in Osnabrück warten auf Aufträge. Herr Jüttner hat es gestern gesagt: An der Arbeitnehmerbank bei VW vorbei wird nichts entschieden. Deswegen stellt sich die Frage: Wie steht es um die Solidarität der IG Metall-Mitglieder - zu 90 % organisiert - bei VW mit den IG Metall-Mitgliedern in Osnabrück? Auch das muss gefragt werden.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Demonstration in Osnabrück wurde das nicht beantwortet. Ich denke, Sie sollten darauf eine Antwort geben.

Herr Jüttner, ich freue mich, dass Sie sagten, Sie wollen keinen Streit über dieses Thema, sondern wir sollten nach vorn schauen und der Region demonstrieren, dass wir hinter den Menschen dort stehen und das Thema ernst nehmen. Ich sage Ihnen Dank für den Rückhalt aus Sicht der Region. Wir registrieren, dass der Landtag sich nicht nur für die große Firma VW einsetzt, sondern dass Karmann in Osnabrück für den Landtag ebenso wichtig ist. Deshalb wollen wir uns auch weiterhin für die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Karmann einsetzen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Hoppenbrock. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Hagenah das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der SPD-Antrag war für uns eine notwendige Reaktion auf die Darstellung der mehr als mäßigen Strategievorstellung des Wirtschaftsministeriums gegenüber den Fraktionen im Wirtschaftsausschuss letzten Freitag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Unterschied zu den markigen Forderungen des Ministerpräsidenten in der Öffentlichkeit war einfach zu eklatant. Zunächst hieß es vom Wirtschaftsministerium, auch eine vergleichbare Firma in Frankreich sei gerade in Konkurs gegangen. Nischenmodelle würden von den großen Autokonzernen derzeit eben weltweit wieder selbst gebaut. Das heißt doch nichts anderes, Herr Hoppenbrock, als dass das hiesige Wirtschaftsministerium die Kraftfahrzeugsparte bei Karmann praktisch schon aufgegeben hat. Das finden wir völlig inakzeptabel.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Jörg Bode [FDP])

Es kam aber noch krasser! In der Sitzung, an der Sie gar nicht teilnahmen, Herr Bode, wurde vom Wirtschaftsministerium beruhigend gesagt, die

Probleme durch die drohenden Entlassungen seien nach den positiven Erfahrungen mit der bereits 2006 für die vorangegangene Entlassungswelle eingerichteten Transfergesellschaft wegen des

guten regionalen Wirtschaftswachstums auffangbar. Ich bitte Sie, Herr Bode! Ist das eine engagierte Haltung, um Arbeitsplätze im Unternehmen zu sichern? Oder zeigt das Ministerium mit derartigen Positionen nicht eigentlich, dass es nicht an eine Zukunft mit Karmann im bisherigen Beschäftigungsumfang glaubt? Das konnte und durfte nicht so stehenbleiben. Deshalb waren wir Grüne froh, dass die SPD mit einem Vorschlag zu einem gemeinsamen Antrag in dieses Plenum gegangen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist wichtig, dass wir nach innen, in die Landesregierung und in die Verwaltung, aber auch nach außen klar machen, dass es sich bei Karmann

nicht um einen Sanierungsfall handelt, sondern um einen modernen, konkurrenzfähigen Betrieb.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darauf und nur darauf muss sich unsere Arbeit in den nächsten Wochen konzentrieren, um das

Know-how und die hohe Fertigungskapazität möglichst in vollem Umfang am Standort zusammenzuhalten.

Deshalb ist es nötig, dass der Antrag im ersten Punkt eine stärkere Verpflichtung der Landesregierung bzw. des Landes als Anteilseigner von VW einfordert. Herr Ministerpräsident Wulff, Ihre eigene Forderung an die deutschen Automobilunternehmer richtet sich letztlich auch an Sie selbst, nicht - wie es Herr Hoppenbrock in seinem Beitrag darstellen wollte - vorrangig an die Verantwortung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Natürlich handelt es sich um eine Unternehmensentscheidung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Auch!)

Da braucht es einen neuen Anlauf. Auf der Demonstration am 3. September in Osnabrück haben Sie, Herr Wulff, bei Licht betrachtet gegen Ihr eigenes, bisher erfolgloses Arbeiten bei VW demonstriert. Für Karmann erwarte ich, dass das in Zukunft besser wird. Der Niedersächsische Landtag fordert das heute geschlossen ein. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Hagenah, was war jetzt die Bot- schaft?)

Herzlichen Dank, Herr Hagenah. - Für die FDPFraktion hat nun Frau Kollegin König das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin entsetzt, wie Herr Hagenah und Frau Graschtat dieses für uns so wichtige Thema als Wahlkampfkeule benutzen. Das ist ohnegleichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun zu den Fakten. Karmann ist seit 1901 ein in Osnabrück tief verwurzelter Familienbetrieb. Die Firmenphilisophie ist von hohem Engagement gegenüber seinen Mitarbeitern, der Region und der Technologie geprägt. Wie viele andere hat auch diese Firma in den vergangenen Jahren unter den Problemen des Automarktes zu leiden gehabt. Als Spezialist für Cabrios, insbesondere bei Stoffdächern, hat sich Karmann einen Namen gemacht, der weit über die Grenzen Deutschlands hinausgeht. Ich greife hier nur zwei herausragende Beispiele auf: das des Cabrios Mercedes CLK und das des VW Käfer. Diese hohe Qualität sichert auch heute noch Aufträge und hat in steigendem Maße Erfolg. Sie ersetzt jedoch nicht die Automobilherstellung, die seit dem Karmann Ghia auf andere Fabrikate ausgebaut wurde.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

In den Jahren 2003, 2004 - und jetzt hören Sie genau zu - wurde der Golf Cabrio von VW abgezogen, und zwar nicht, um die Produktionsstätte in Wolfsburg auszulasten, wie es anfangs behauptet wurde, sondern weil die Produktion schlicht gestrichen wurde, obwohl das Auto ein Renner war. Die interne Begründung auf der Geschäftsebene hierzu war: Alles, was nicht von VW gebaut wird, wird von VW auch nicht anerkannt.

2005 brach der Umsatz erstmalig um 30 % ein. Die Fertigung des Chrysler Crossfire wie auch des Mercedes CLK Cabrio konnten dieses Defizit nicht vollständig schließen. Das Auslaufen des Audi A 4 im nächsten Jahr, der als sogenanntes Nischenmodell direkt bei Audi gefertigt werden soll, verschärft diese Situation extrem.

Seit Jahren versucht Karmann mit einem hochqualifizierten Angebot, neue Aufträge zu akquirieren. Das Unternehmen muss dieses Feld noch mehr ausbauen, aber ich bin sicher, Karmann wird das schaffen.