- Hören Sie doch einmal zu, damit Sie sich wirklich erinnern! Auch Sie waren damals ja schon dabei. Sie haben unseren Kindern von der 1. bis zur 10. Klasse 17 Unterrichtspflichtstunden gekürzt. Sie haben nur jede zweite Lehrerstelle wieder besetzt, Herr Jüttner, und einmal gar keine Lehrer eingestellt.
Das war die Situation hinsichtlich der Arbeitszeiterhöhung von Lehrkräften usw. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen.
Sie haben hier von Menschenrechten gesprochen. Aber gleichzeitig haben Sie dieses Menschenrecht in Ihrer Regierungsverantwortung, wenn man so will, in einer eklatanten Weise gebrochen. Das halte ich schon für infam!
Herr Jüttner, Sie wissen schon seit 40 Jahren, wie sich die Schulsituation darstellt. Sie kennen das schon 40 Jahre lang, allerdings immer nur von einer Seite aus. Sie haben doch von 1990 bis 2003 regiert. Warum haben Sie dann Ihr Wissen nicht in eine solche Schulstruktur umgesetzt, die Sie für richtig halten?
Ich erinnere mich sehr wohl an die wunderschönen Ausdrücke für „Qualität in der Schule verbessern“. Nehmen wir einmal die Sprachförderung. Dazu haben wir ein wunderbares Konzept vorgelegt. Aber umgesetzt hat es niemand, weil die Finanzierung fehlte. Frau Jürgens-Pieper hat das Konzept hier vorgestellt, Bernd Busemann hat es umgesetzt, und wir haben das Geld zur Verfügung gestellt. Das war Qualitätsverbesserung.
Nun zum Stichwort Chancengleichheit. Ich habe hier gesessen, als Ihr Kabinettskollege Minister Thomas Oppermann über Studienbeiträge gesprochen hat. Es hieß: Studienbeiträge werden kommen. Wir machen das. - Ich weiß, dass es daraufhin etwas Grummeln bei Ihnen gab. Wenn aber der
eigene Minister Studienbeiträge fordert und wir es jetzt so umsetzen, wie Ihr Minister das unter Ihrer Regierungsverantwortung gefordert hat, dann kann das wahrscheinlich nur richtig sein. Thomas Oppermann war jedenfalls auf dem richtigen Weg. Sie werden die Studienbeiträge auch nicht wieder abschaffen. Das kann ich Ihnen schon heute sagen.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen, und zwar die Schulen in freier Trägerschaft. Wer ist es denn hier gewesen, der den Schulen in freier Trägerschaft dreimal die Finanzmittel gekürzt hat? - Das war die alte Regierung von Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel. Diesen Schulen wurden dreimal die Finanzmittel gekürzt, und zwar in erheblichem Maße.
Diese Landesregierung hat die Finanzmittel zum ersten Mal seit 1990 wieder erhöht. Das ist die Realität.
Der Antrag trägt die Überschrift „Individuelle Förderung im Unterricht stärken, Elternwillen berücksichtigen“. Das können Sie zwar so schreiben, aber das ist nicht die Wahrheit. Sie führen hier wieder eine Schulstrukturdebatte. Ich sage Ihnen jetzt einmal, was in diesem Antrag steht. Ich lese es Ihnen auch gerne vor. Ich habe heute übrigens auf einer Veranstaltung eines Ortsvereins der SPD mitbekommen, dass nicht einmal die Ortsvereine der SPD Bescheid wissen, was Sie wirklich wollen. Man war völlig entsetzt, als ich das dort gesagt habe.
Ich sage Ihnen jetzt, was Ihr Ziel ist. Darüber werden wir draußen reden. Das tun wir übrigens jetzt schon. Ihr Ziel ist es, in Niedersachsen die Einheitsschule einzuführen. Sie nennen das „Gemeinsame Schule“. Das hört sich auch viel schöner an. Sie wollen die Einheitsschule bzw. die gemeinsame Schule als alleinige Schulform durchsetzen. Wenn das die alleinige Schulform ist, heißt das, dass die Gymnasien, die Realschulen, die Haupt
Es steht noch mehr darin: Sie beginnen damit 2008. So steht es dort wörtlich; ich zitiere dies. Sie enden damit 2013. Dann haben Sie es flächendeckend eingeführt, wie Sie es wollen.
Wenn Sie die Gymnasien so loben, dann sprechen Sie doch einmal mit Vertretern des Philologenverbandes. Dort schicken Sie Frau Hendricks hin. Wir haben gerade mit dem Bezirksverband des Philologenverbandes in Braunschweig gesprochen. Die Leute vom Philologenverband - das sind ja Leute, die lesen können; sie können natürlich auch dieses Papier lesen - sprechen davon, dass die SPD jetzt dabei ist, den Kampf gegen die Gymnasien zu führen. Das machen sie natürlich nicht mit, weil die Gymnasien und auch die Realschulen gute Arbeit geleistet haben.
Nun zu der Frage, wie sozial man ist, wenn man die Einheitsschule einführt. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an das von Sigmar Gabriel in Auftrag gegebene Gutachten zur integrierten Schulform Orientierungsstufe erinnern. Das Ergebnis Ihres Gutachtens damals war, dass die Schwächsten die großen Verlierer bei dem integrierten Schulsystem Orientierungsstufe sind. Die Schwächsten sind im Übrigen nicht nur im schulischen Sinne Verlierer, sondern sie verlieren sogar menschlich und persönlich an Selbstwertgefühl. Das ist das Schlimmste, was passieren kann. Das steht in dem Gutachten, das Sigmar Gabriel seinerzeit hier sozusagen verkauft hat.
Schwächsten und auch die Stärksten benachteiligt wurden. Auch Letzteres war das Ergebnis Ihres Gutachtens.
Das hat Sigmar Gabriel hier erklärt. Ich habe das Gutachten selbst gelesen. Jetzt kommen Sie daher und sagen: Wir wollen nicht nur die Klassen 5 und 6 zwangsintegrieren, sondern darüber hinaus auch die Klassen 7, 8, 9 und 10 zwangsintegrieren. Das heißt, Sie machen es noch schlimmer, als es damals war.
Nun zu der sozialen Frage. An was Sie dabei denken, hat auch die SPD-Frau aus Wagenfeld nicht verstanden. Sie packen - das wird nicht bestritten wirklich alle Kinder in eine Lerngruppe. Mir geht es jetzt gar nicht um den Starken, der in dieser Gruppe ist. Er wird seinen Weg gehen. Es geht mir um das potenzielle Förderschulkind. Dieses Förderschulkind, das in dieser Lerngruppe sitzt, erfährt zehnmal am Tag, dass es das schwächste Kind ist. Sie sprechen zwar von sozialer Schule, handeln aber genau im gegenteiligen Sinne. So ist es in der Praxis.
Schwächsten schon fast zu Verlierern gestempelt. Wohin soll es denn aber führen, wenn Sie den hochbegabten Mathematikfreak und das Sonderschulkind zusammen in eine Lerngruppe bringen? - Das führt dazu, dass das Sonderschulkind scheitern wird. Die Verantwortung dafür hätten Sie zu tragen.
Herr Jüttner, Sie benutzen immer gern das Wort „Anscheinserwecker“. Sie wollen mit dieser Diskussion den Anschein erwecken, als hätte die von der SPD gewollte gemeinsame Schule, die Einheitsschule - ich habe das erklärt - etwas mit dem erfolgreichen finnischen Schulsystem zu tun. Das ist absolut falsch, Herr Jüttner.
Merken Sie sich das doch einfach einmal oder fahren Sie einmal nach Finnland! Sie können das finnische Schulsystem doch überhaupt nicht mit dem deutschen Schulsystem vergleichen. Die Personalausstattung in Finnland ist eine völlig andere.
Dort sitzen drei oder vier Lehrer, Gesundheitserzieher und Psychologen in der Lerngruppe. So etwas können Sie bei uns doch nicht umsetzen, es sei denn, Sie bringen einen entsprechenden