Deswegen profilieren wir unsere Schulen, ausgerichtet auf die Begabungen der Kinder, die in diesen Schulformen unterrichtet werden.
Meine Damen und Herren, nur durch diese Profilbildung, durch diese Ausrichtung auf die Kinder, die in den Schulen unterrichtet werden, schaffen wir es, mit unseren Fördermaßnahmen so nahe wie möglich an das einzelne Kind heranzukommen. Nur wenn uns das gelingt, gelingt auch Förderung. Das muss man doch einsehen.
Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass integrierte Schulsysteme nur dann funktionieren können, wenn sie um ein Vielfaches besser ausgestattet sind als die differenzierten Maßnahmen. Das kann man überall sehen. Schauen Sie nach Finnland, schauen Sie, wie die finnischen Schulen ausgestattet sind. Das kann man nicht übertragen, es sei denn, Sie wollen uns alle überfordern. Die Ergebnisse der OS-Studie - die haben Sie in Gang gebracht - zeigen doch eindeutig, dass diese integrierten Systeme das nicht leisten können. Wer leidet am meisten darunter? Das sind die schwächsten Kinder; das wissen wir doch.
Meine Damen und Herren, wenn Kinder ihr Selbstwertgefühl verlieren, weil sie in einem integrierten System jeden Tag zehnmal oder zwanzigmal erfahren, dass sie die Schwächsten sind, dann müssen wir ein solches System doch verändern.
Ich sage es jetzt ein bisschen platt: Gleichmacherei von Kindern ist grundsätzlich der falsche Weg. Deshalb nehmen wir hier eine Veränderung vor. Es ist kein Wunder, dass man den Kindern, die sehr unterschiedliche Ansprüche haben, mit den Maßnahmen, die zuvor über Jahre hinweg gelaufen sind, nicht in Gänze gerecht wird. Das muss man mit aller Deutlichkeit sagen, damit man darüber auch einmal nachdenkt. Das Unsozialste Ihrer Politik war, dass 20 % eines Schülerjahrgangs entweder gar keinen Schulabschluss erlangt haben oder aber keine ausreichenden Grundlagen zur Gestaltung ihres künftigen Lebensweges bekommen haben. Meine Damen und Herren, wer so viele junge Menschen um ihre Zukunftsgestaltung betrogen hat wie Sie, der sollte im Büßergewand durch Niedersachsen laufen und nicht so große Sprüche machen.
Schulpolitik wird in diesem Lande als Folge des schwachen Ergebnisses der letzten Jahre neu organisiert. Das ist richtig so. Dies bedeutet, dass wir umsteuern müssen. Wir steuern auch um. Der Minister hat die Details angesprochen. Zusätzliche Lehrkräfte sind das eine. Das neue Schulgesetz ist das andere. Die neue Kultur des Förderns ist das Dritte. Wir werden auch die Inhalte neu gestalten, weil das genauso wichtig ist. Wir werden die Inhalte auf die Erfordernisse der heutigen Zeit ausrichten. Schließlich ist es dringend geboten, wieder anspruchsvolle, aber realistische und verbindliche Lernziele mit klaren Bildungsstandards und zentralen Prüfungen zu organisieren.
- Ja, mit Perspektive, Herr Bartels. Das ist ein Problem, das nicht nur wir bewältigen müssen, sondern die Kultusminister aller Länder. Sie sind sich darin einig. Sie sollten mitmachen und nicht rummäkeln. Das wäre vielleicht der bessere Weg.
Meine Damen und Herren, damit es deutlich wird: Von zentraler Bedeutung wird das Thema Leistung sein. Rot und Grün haben über Jahre hinweg eine Abkehr von Leistung regelrecht verordnet. Jetzt aber wird die Leistungsfähigkeit wieder zentrale Bedeutung gewinnen.
Wer eine hohe Bildungsqualität will, der muss in den Schulen wieder ein Klima von Leistungsbereitschaft schaffen. Wir werden das in wohl verstandenem Sinne von kindgemäßen Leistungsanforderungen machen. Es bleibt einer der großen Irrtümer von SPD bzw. von Linken überhaupt - wenn ich das einmal so sagen darf -, dass Qualitätsstandards immer nur an den Schwächsten ausgerichtet werden sollten. Das aber ist ein falsches Verständnis von dem, was wir „sozial“ nennen.
Frau Korter, die Abiturquote ist nicht das Maß aller Dinge bei der Schulpolitik, sondern wir müssen uns auch an 70 % eines Jahrgangs ausrichten, die berufsbezogene Abschlüsse erlangen.
Die werden immer vergessen; es sind aber 70 %. Wenn Sie sagen, dass darüber nichts in der Antwort der Landesregierung steht, dann will ich Folgendes zitieren:
„In Niedersachsen erwerben 37,2 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die Hochschulreife. Damit liegt Niedersachsen etwas über dem Bundesdurchschnitt von 36,6 %.“
Wir werden weiter daran arbeiten. Auch in regionalen Bezügen muss noch nachgearbeitet werden. Aber mit der Erhöhung der Abiturquote allein kann man nicht die Qualität eines Bildungssystems unter Beweis stellen, ganz und gar nicht. Wir brauchen nicht ein Übermaß an Abiturienten, sondern wir brauchen gut ausgebildete junge Leute, die in ihrem Beruf ihren Mann bzw. ihre Frau stehen.
Nun noch ein Wort zum Zusammenhang zwischen schulischem Erfolg einerseits und sozialer Herkunft andererseits. Diesen Zusammenhang haben wir natürlich im Auge. Gehen Sie aber einmal in die Länder mit einem Privatschulsystem. Wer bezahlt denn das? - Oder gehen Sie doch einmal nach Finnland, wo es auch für Leistungsstarke ein differenziertes Angebot gibt. Wer sitzt denn da drin? Das müssen wir einmal untersuchen. Sie dürfen nicht immer nur behaupten, dass es dort besser ist.
Meine Damen und Herren, Minister Busemann hat viele Dinge zusätzlich angesprochen. Ich brauche darauf nicht im Detail einzugehen. Wenn wir in Zukunft erfolgreich sein wollen, sind Veränderungen unumgänglich. Die Große Anfrage ist zwar rückwärts gewandt, aber trotzdem war sie richtig. Nach dem vielen Negativen der Vergangenheit - lassen Sie es mich jetzt ein wenig blumig sagen - strahlt das positive Neue umso heller in die Zukunft. - Ich danke Ihnen, Herr Minister, noch einmal für diese tolle Antwort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein wichtiges Thema, vielleicht sogar über das Schlüsselthema von Schulpolitik, nämlich über die bessere individuelle Förderung von Kindern und jungen Menschen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Minister Busemann, ich hätte mir gewünscht, dass Sie Ihre Antwort auf diese Große Anfrage mit etwas mehr persönlicher Überzeugungskraft vorgetragen hätten. In der Schule würde man sagen, Sie hätten die Antwort runtergeleiert.
Meine Damen und Herren, ich war auf die Antwort der Landesregierung sehr gespannt. Leider - ich sage wirklich „leider“ - hat sich beim Lesen und auch in der heutigen Debatte bestätigt, was wir schon immer gemerkt haben: Sie haben immer noch nicht adäquate Schlussfolgerungen aus PISA, IGLU und TIMSS gezogen. Frau Korter hat dies bereits im Einzelnen dargelegt.
Ich fordere Sie auf: Überwinden Sie endlich Ihre Lernschwäche mit Blick auf internationale wissenschaftliche Studien. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihr Zukunftskonzept, die begabungsgerechte Dreigliedrigkeit, ein Irrweg ist.
Es macht die politische Arbeit zugegebenermaßen einfach, wenn das konservative Weltbild heißt: Es gibt minderbegabte, normal begabte und hoch begabte Menschen, und man weiß auch schon in der 4. Klasse, wer wohin gehört.
(Ursula Körtner [CDU]: Wir respektie- ren jede Begabung, Frau Trauernicht! - Weitere Zurufe von der CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Ihre Töpfentheorie kann man gerade nicht mit Auszeichnung bewerten, auch nicht, wenn Sie jetzt eine neue Terminologie verwenden und die Menschen in Leistungsschwache und Leistungsstarke unterscheiden wollen. Sie gehen an die Förderung junger Menschen einfach mit einer falschen Grundhaltung heran. Es ist die falsche Grundhaltung, mit der Sie aus PISA angeblich Konsequenzen ziehen. Ich sage Ihnen: Ihre politische Beratungsresistenz wird sich bitter rächen. Wer bereit ist, aus den empirischen Studien Konsequenzen zu ziehen, der muss auch bereit sein, sein bisheriges schulpolitisches Weltbild infrage zu stellen und neu auszurichten.
Meine Damen und Herren, „neu ausrichten“ heißt z. B.: Frühe Förderung - Sie haben es gesagt fängt im Kindergarten an. Aber: Drei Jahre Kindergarten für alle - das ist das Credo mit der darin liegenden Chance, in altersgemischten Gruppen, in heterogenen Gruppen eine umfassende Bildung der Sinne zu betreiben, kognitive Fähigkeiten zu entwickeln und die Entwicklung sozialer Kompetenzen zu ermöglichen.
Sie aber setzen auf das dritte Kindergartenjahr als vorschulisches Jahr. Das jedoch ist ein falsches Verständnis von vorschulischer und früher Förderung.
„Neu ausrichten“ heißt auch, eine Ausweitung der von uns auf den Weg gebrachten Sprachförderung vorzunehmen. Sie aber kürzen bereits im zweiten Jahr die Haushaltsmittel. Auch das ein falscher Weg, meine Damen und Herren.
„Schulpolitik neu ausrichten“ heißt ferner, die heterogene Zusammensetzung als Chance für besseres Lernen zu begreifen. Das heißt, die Chancen höherer Schulabschlüsse insgesamt zu ermöglichen. Sie aber - Herr Klare hat es noch einmal eindrucksvoll dargelegt - setzen auf frühe Selektion
Die Durchlässigkeit auf so genannte besondere Einfädelungsspuren zu reduzieren ist auch nicht originell. Aber selbst bei dieser Variante haben Sie offensichtlich den Faden verloren. Mein Kollege Claus Peter Poppe wird Ihnen gleich unter Tagesordnungspunkt 29 darlegen, wie undurchlässig Ihre zum Schulgesetz vorgelegten Verordnungen sind.
„Schulpolitik neu ausrichten“ heißt auch, die Qualität des Unterrichts in den Mittelpunkt zu stellen, den einzelnen Schüler bzw. die einzelne Schülerin individuell zu fördern sowie das unmittelbare Interesse jedes einzelnen jungen Menschen am Bildungsprozess deutlich zu machen und darzulegen. Das heißt, die Praxis des Lernens und Lehrens in der Schule zu verändern, damit verbundene Unterrichtsdefizite aufzugreifen und die Fortbildung zu intensivieren. Nicht so aber die CDU und die FDP. Sie streichen bei der Lehrerfortbildung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, welche Zielmarke setzt sich die Landesregierung für den schulischen Erfolg in Niedersachsen? - Es ist verblüffend - die Antwort der Landesregierung auf diese Frage bringt es zutage -: Sie setzt sich keine Ziele. Peinlicherweise legitimiert sie das mit einem Hinweis auf die Planwirtschaft der ehemaligen DDR. Welch ein Fauxpas, meine Damen und Herren!
Zur Frühauslese und zur mangelnden Durchlässigkeit kommen weitere falsche oder fehlende Weichenstellungen durch die Landesregierung hinzu. Ich nenne sie nur kursorisch:
Ganztagsschulen sind kein Thema, die Lernmittelfreiheit wird eingeschränkt, die Hausaufgabenhilfe wird gestrichen, Schülerbeförderung wird zur finanziellen Belastung von Eltern, Qualitätsabbau ergibt sich aus der Streichung des Landesprogramms n-21, auf Phänomene wie Gewalt wird mit Anweisungspädagogik reagiert. Meine Damen und Herren, die Liste der Mängel in der Schulpolitik ist nach einem halben Jahr Regierungszeit schon bemerkenswert.