- Wir wollen den Schattenhaushalt auflösen, ja. Wenn ich in der vergangenen Woche im Haushaltsausschuss von 126 Millionen Euro gesprochen habe, dann bezog sich das auf den aktuellen Schuldenstand. Bis zur Überführung in die Landesschulden wird das etwas abgebaut sein. Das sei angemerkt, damit hinterher niemand sagt, ich hätte zwei unterschiedliche Zahlen genannt. Um die 126 Millionen Euro geht es jetzt. Am Ende des Jahres wird ein bisschen davon getilgt sein. Dann werden wir wahrscheinlich bei 124,3 Millionen Euro sein. Gleichzeitig mit der Überführung der Schulden in den Landeshaushalt werden natürlich Bürgschaften in gleicher Höhe frei, denn dieses Geld ist ja zu 100 % landesverbürgt. Im Prinzip sind es Landesschulden.
Die EXPO-Verbindlichkeiten des Landes werden derzeit noch über einen zweckgebundenen Kredit getilgt. Auch diesen Kredit werden wir in die allgemeine Verschuldung des Landes überführen, damit wir eine Zahl haben und wissen, wie viele Schulden wir haben, sodass nicht an allen Ecken und Enden des Haushalts irgendwelche Verschuldungen stehen.
Die alte Landesregierung hat im Rahmen des Landtagswahlkampfes gegenüber Dritten Finanzierungsankündigungen gemacht, die zwar rechtlich keine Bindungswirkung für das Land entfalten, aber bei den Begünstigten den Anschein der Verbindlichkeit erweckt haben, z. B. Spatenstiche für Finanzämter erwecken immer eine gewisse Verbindlichkeit. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang beispielsweise das von der alten Landesregierung verkündete so genannte Schulbausanierungsprogramm.
Dieses Ungetüm, ohnehin nur als Wahlkampfshow des alten Ministerpräsidenten gedacht, würde als punktueller Mischfinanzierungstatbestand ordnungspolitischen Grundsätzen völlig widersprechen und an den Bedürfnissen der kommunalen Seite vorbeigehen. Wir können vor dem Hintergrund der Finanzsituation des Landes derartige von Dritten nicht einklagbare Finanzierungsankündigungen nicht bedienen. Wir müssten sie nämlich neu in den Haushalt einstellen. Es ist zwar von den Häusern einiges abgeliefert worden. Aber zum Teil handelt es sich dabei um etwas, was wir nicht einstellen können. Das Schöne ist, dass man, wenn man in so ein Haus kommt, auch einmal in die Akten gucken kann. Da ist mir ein Vermerk vom 7. Januar 2003 aufgefallen, in dem zu diesem Schulbausanierungsprogramm aufgeführt ist:
„Es ist grundsätzlich dringend davon abzuraten, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Die bekannte haushaltswirtschaftliche Lage lässt ein solches Programm nicht zu. Vor diesem Hintergrund sind Mehrausgaben, die nicht auf Rechtsverpflichtung beruhen, nicht finanzierbar und darstellbar. Mit der in Aussicht genommenen Vereinbarung werden Erwartungen geweckt, die faktisch aus heutiger Sicht unerfüllbar sind.“
Ich könnte noch weiter lesen. Dies ist über den Staatssekretär der Staatskanzlei zugeleitet worden. Die Staatskanzlei wusste also, dass dieses Programm nicht finanzierbar ist.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Täu- schungspolitik! Die kommunalen Spitzenverbände sind getäuscht wor- den!)
Ein weiterer offener Punkt, von dem wir noch nicht abschätzen können, in welchem Umfang er zu einem Finanzierungsproblem wird,
ist der Jahresabschluss des Haushaltsjahres 2002. Die Arbeiten am Abschluss dauern derzeit an. Nach unseren Hochrechnungen auf der Basis des zweiten vorläufigen Kassenabschlusses sowie der von den Ressorts gemeldeten Einnahmen- und Ausgabereste müssen wir aber mittlerweile davon
ausgehen, dass wir das Jahr - trotz massiver Kreditaufnahmen im Finanzierungsnachtrag in Höhe von 2,95 Milliarden Euro - mit einem Fehlbetrag in einer Größenordnung von etwa 200 Millionen Euro abschließen werden, der nun nachträglich zulasten der finanziellen Möglichkeiten der neuen Landesregierung gedeckt werden muss. Dieses Defizit in Höhe von 200 Millionen Euro aus dem Jahr 2002 müssen wir nach der Landeshaushaltsordnung in den Haushalt 2004 einarbeiten - in den Haushaltsplan für das Jahr 2003 wird es nicht mehr gehen -, und es wird da natürlich die Ausgaben zusätzlich belasten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist eine Menge schlechter Nachrichten, die ich mit der Eröffnungsschlussbilanz überbringen muss. Das Land ist derzeit in einer gefährlichen Dynamik aus steigenden Ausgaben, zunehmender Verschuldung und dramatisch wegbrechenden Einnahmen gefangen.
Was bedeuten diese schlechten Nachrichten jetzt aber konkret für unsere aktuelle Haushaltsaufstellung? Die finanzielle Lage des Landes ist nach wie vor in hohem Maße abhängig von der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland. Auch wenn die von der Bundesregierung prognostizierte leichte Erholung eintreten sollte, werden wir unsere Einnahmeerwartung um rund 120 Millionen Euro nach unten korrigieren müssen. Es wäre schön, wenn es bei der optimistischen Prognose von Herrn Eichel - nur 120 Millionen Euro - bliebe. Ich komme gleich, ein paar Sätze weiter, zu der Zahl, die wir einsetzen müssen, weil die Konjunktur nämlich schlechter läuft als erhofft.
Ich halte in diesem Zusammenhang die derzeitige Wachstumserwartung der Bundesregierung in Höhe von 1 % für sehr risikobehaftet - und das übrigens nicht zum ersten Mal.
Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Erwartungen mittlerweile gesenkt. Die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute liegen zwischen 0,4 % beim IfW und bei unter 1 % beim IWH. Auch der stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende der SPD, Joachim Poß, spricht in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom vorletzten Sonntag, also vom 23. März, angesichts dieser Konjunkturerwartung von „großer Unsicherheit und Ungewissheit“. Für ihn
ist die optimistische Prognose der Bundesregierung lediglich ein „Zeichen der Zuversicht“. Auch Bundesfinanzminister Eichel spekuliert bereits öffentlich über mögliche „Korrekturnotwendigkeiten“, und es ist ja bereits ein weiterer Nachtrag im Gespräch. Aber wir können in die Haushaltspläne nicht überhöhte Konjunkturerwartungen hineinschreiben, um zu zeigen, wie zuversichtlich wir sind.
Bei Haushaltsplanungen muss man nun wirklich mit den echten Zahlen arbeiten. Man kann trotzdem zuversichtlich sein, aber man kann nicht die Zuversicht zur Realität erklären und sich hinterher wundern, wenn der ganze Laden zusammenbricht.
Wie ich bereits ausgeführt habe, müssen wir derzeit unsere Einnahmeerwartungen wegen der schwachen Konjunktur um weitere 250 Millionen Euro nach unten korrigieren - leider nicht um 120 Millionen Euro, sondern um 250 Millionen Euro.
Darüber hinaus ergibt sich ein zusätzlicher Handlungsbedarf durch notwendige Korrekturen von Haushaltsansätzen. Beispielsweise müssen wir höhere Ansätze für das Wohngeld in den Nachtrag einstellen: Das macht 28 Millionen Euro aus. Außerdem ergibt sich zusätzlicher Handlungsbedarf durch die Korrektur von zu gering veranschlagten Beihilfeaufwendungen: Das macht 20 Millionen Euro aus. Schließlich ergibt sich ein zusätzlicher Handlungsbedarf durch einen Nachfinanzierungsbedarf im Schulbereich für die von der alten Landesregierung eingestellten 700 Lehrer - das macht 26 Millionen Euro aus - und für Betreuungskosten bei den Verlässlichen Grundschulen - das macht 24 Millionen Euro aus -, denn Verlässliche Grundschulen einzurichten, ist das eine, aber das Geld dafür in den Haushalt zu stellen, um die Betreuung auch sicherzustellen, ist das andere. Aber wenn man das nicht macht, ist das Wählertäuschung, dann täuscht man den Eltern etwas vor. Wir müssen das jetzt korrigieren, und deshalb müssen wir allein im Schulbereich jetzt 50 Millionen Euro oben drauflegen.
Wenn Sie diese Hinterlassenschaften der alten Regierung zusammenrechnen, allein für den Nachtrag 2003, sind wir bei einer Größenordnung von 200 Millionen Euro, die wir finanzieren müs
sen, und das in der jetzigen Zeit, ohne dafür eigene Politik gestalten zu können. Aber wir werden das tun, weil wir die Leute nicht im Regen stehen lassen können.
Außerdem werden wir die haushaltsmäßigen Voraussetzungen für die Einstellung 2 500 neuer Lehrerinnen und Lehrer schaffen - also nicht von Lehrern, die für Pensionierte kommen, sondern wir werden richtige neue Lehrerstellen schaffen; die können Sie von 1 bis 2 500 alle im Haushalt nachlesen - und das Einstellungsprogramm für 1 000 neue Polizistinnen und Polizisten mit der Ausweisung der ersten 250 Anwärterstellen beginnen. Auch hierfür werden im laufenden Jahr rund 41 Millionen Euro und im nächsten Jahr rund 120 Millionen Euro fällig. Auf die Finanzierung werde ich aber noch zu sprechen kommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies sind die wesentlichen Herausforderungen, mit denen wir in diesem Haushaltsjahr zu rechnen haben. Insgesamt müssen wir uns nach derzeitigem Kenntnisstand auf einen Worst case von maximal rund 650 Millionen Euro einstellen, die durch den von der alten Landesregierung aufgestellten Haushalt und durch den bisherigen Nachtrag nicht gedeckt sind. Ein möglicher Fehlbetrag aus dem Haushaltsjahr 2002 ist hierin wohlgemerkt noch gar nicht enthalten; den können wir erst in 2004 buchen. Das ist eine außerordentlich erschreckende Summe.
Die Aussicht für die kommenden Jahre sieht auch nicht besser aus. Für das kommende Jahr rechnen wir mit einem Konsolidierungsbedarf von 2,2 Milliarden Euro. Wohlgemerkt: über die in der Mittelfristigen Planung der alten Landesregierung bereits vorgesehene Nettoneuverschuldung von 1,25 Milliarden Euro hinaus; die ist also schon als Einnahme gebucht. Darüber hinaus haben wir einen Konsolidierungsbedarf von 2,2 Milliarden Euro. Dieser Konsolidierungsbedarf ergibt sich im Wesentlichen aus der bereits in der Mipla ausgewiesenen Deckungslücke von rund 1 Milliarde Euro sowie einer Korrektur der Steuereinnahmeerwartung in einer Größenordnung von mindestens 1,1 Milliarden Euro.
Diese Lage ist historisch beispiellos in Niedersachsen. Sie duldet keinen weiteren Aufschub und fordert schnelles und entschlossenes Handeln. Wir müssen gegensteuern. Das hätten wir schon seit drei Jahren machen müssen; wir haben es seit drei Jahren eingefordert.
Wir haben es in der Opposition gefordert, aber die Regierung hat es nicht getan. Jetzt machen wir es in der Regierung, zwar spät, aber besser als nie.
Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Erstellung des Entwurfs für den Konsolidierungsnachtrag 2003, mit dem wir diese sich öffnende Lücke für das laufende Haushaltsjahr schließen wollen. Der Nachtrag wird im Mai in den Landtag eingebracht werden und kann, wenn Sie wollen, noch im Juni verabschiedet werden. Das ist für die 2 500 Lehrer von Bedeutung, sonst könnten die nicht fristgerecht zum 15. August eingestellt werden.
Parallel zu den Arbeiten am Nachtrag wird ebenfalls bereits der Entwurf für den regulären Haushaltsplan 2004 vorbereitet. Dieser wird im September eingebracht und soll im Dezember verabschiedet werden.
Parallel zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfs werden wir außerdem die neue Mittelfristige Planung 2003 bis 2007 vorlegen.
Unsere Strategie zur durchgreifenden Konsolidierung der niedersächsischen Landesfinanzen wird in diesen Werken eine umfassende Konkretisierung erfahren; denn eines ist doch klar: Eine Regierung, die gerade einmal vier Wochen im Amt ist, kann nicht alles ungeschehen machen, was in 13 Jahren roter und rot-grüner Regierungen in der Finanzund Haushaltspolitik versäumt worden ist.
Wir behaupten ja auch nicht, dass alles falsch war, was in diesen Jahren gemacht wurde. Aber vieles von dem, was richtig gemacht worden ist, ist von Ministerpräsident Gabriel in kurzer Zeit wieder zunichte gemacht worden.
Wir können nicht in vier Wochen alle Löcher stopfen, die seine Regierung uns hinterlassen hat. Das Land wird lange an seiner Hypothek zu tragen haben. Wir machen aber Schluss damit, die Lage schönzureden und über unsere Verhältnisse zu leben. Wir vollziehen den Turnaround, und wir tun dies sofort.
Angesichts der großen Probleme sind einschneidende Sofortmaßnahmen unverzichtbar. Noch bevor wir mit dem Nachtragshaushalt den notwendigen Kurswechsel für die Haushalte ab 2004 einleiten können, haben wir deshalb umgehend gehandelt: Wir haben auf die bereits seit Beginn des Jahres geltende Haushaltssperre, die angesichts der Dramatik der Lage längst nicht ausreicht, einen sofortigen Einstellungsstopp aufgesetzt. Insgesamt haben wir die Ressortbudgets für Personalausgaben um 67 Millionen Euro gekürzt. Das entspricht dem monetären Gegenwert von sage und schreibe über 1 200 Stellen. Diese 67 Millionen Euro sind für den Nachtragshaushaltsplan von den einzelnen Ressorts bereits erbracht; auch dafür bedanke ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen.
- Sie wären doch dankbar gewesen, wenn Sie so einer Rede einmal in Ihrer Regierungszeit hätten Beifall zollen können.
Herr Meinhold, wir kennen uns doch gut. Wir wissen doch, wie Sie unter der Finanzpolitik Ihrer Regierung gelitten haben und dass Sie da nicht klatschen konnten.
Die Landesverwaltung muss im Kern mit dem bereits vorhandenen Personal zurechtkommen. Da es in dieser Frage andere Behauptungen gegeben hat, möchte ich hier zweierlei klarstellen. - Herr Möhrmann hat das mit seinem Pressesprecher so ein bisschen versucht, aber vielleicht hat der auch nur Ihr Pseudonym verwandt, weil Sie als Person es eigentlich besser gewusst hätten. Aber mit Ihrem Namen ist die Presseerklärung der SPD rausgegangen. So was passiert, dass man nicht da ist, und dann schießt das einer raus, und dann ist es falsch. Das weiß ich doch, das ist mir auch schon passiert.
Es gibt keine Wiederbesetzungssperre, denn die Verwaltung soll ja nicht handlungsunfähig werden. Wir wollen ja gerade, dass man, wenn irgendwo eine Stelle frei wird und die Aufgabe weiter erfüllt werden muss, guckt, ob es irgendwo im öffentlichen Dienst eine Person gibt, die sie erfüllen kann.
Und es gibt natürlich auch keinen Beförderungsstopp, weil dieser ungerecht, entmutigend und leistungshemmend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre. Was soll es denn, wenn jemand neuneinhalb Jahre auf seine Beförderung gewartet hat, die Regierung wechselt und es dann heißt: „April, April, war wieder nichts“? - So kann es nicht sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung dürfen doch nicht unter den Fehlern der alten Landesregierung leiden.