Protokoll der Sitzung vom 28.04.2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der steuerpolitische Kurs dieser Bundesregierung wird ihr Maut II werden. Das können wir Ihnen schon heute vorhersagen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie mit der Frage der Übungsleiterpauschale redlich umgegangen wären, wenn Sie vernünftig und redlich mit den vielen Ehrenamtlichen in Niedersachsen umgegangen wären, wenn Sie mit den Feuerwehrleuten, Sportlern und all den anderen ehrlich umgegangen wären, dann hätten Sie nicht den Eindruck erwecken dürfen, dass man ihnen etwas wegnehmen wolle und dass daran die CDU schuld sei. Zu Steuervergünstigungen und zum Abbau von Steuersubventionen zitiere ich Herrn Eichel, der am 12. Februar im Deutschen Bundestag erklärt hat: „Diskussionswürdig ist in der Tat der Abbau von Steuervergünstigungen.“

Das Steuerkonzept von Friedrich Merz sieht in erster Linie eine Neufassung des Einkommensteuergesetzes vor, weil es für keinen Steuerberater in Deutschland mehr nachvollziehbar oder umsetzbar ist. Es gibt kein Land in Europa, das eine derart komplizierte Steuergesetzgebung hat wie die Bundesrepublik Deutschland. Das ist heute Morgen

schon gesagt worden. Wir brauchen eine radikale Steuervereinfachung. Wir brauchen eine radikale Vereinfachung der Steuererklärung. Wir brauchen eine Vereinfachung der Besteuerungsgrundlagen. Wir brauchen hohe Grundfreibeträge und wollen das Ehegattensplitting erhalten - genauso wie die Übungsleiterpauschale. Sie haben hier einen falschen Eindruck erweckt. Es wäre ehrlich gewesen, Sie hätten diesen Antrag heute, nachdem Sie nach dem Hinweis unseres Finanzministers einen Erkenntnisfortschritt hatten, zurückgezogen, damit hier im Hause Ehrlichkeit herrscht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Diese liegen nicht vor. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses eindeutig gefolgt worden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 10: Zweite Beratung: Ausbildungsplatzabgabe stoppen! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/789 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Drs. 15/902

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme.

Auch bei diesem Tagesordnungspunkt ist eine Berichterstattung nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Beratung kommen können. Als Erster hat sich der Kollege Eppers von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Weitere Wortmeldungen liegen mir noch nicht vor. Herr Kollege Eppers, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 19. Februar haben wir im Rahmen der ersten Beratung sehr heftig über das Für und Wider einer Ausbildungsplatzabgabe bzw. -umlage

gerungen. Die Heftigkeit des Streits war aus meiner Sicht berechtigt, weil das Problem sehr groß ist und dringend einer Lösung harrt. Ich möchte das zu Beginn meiner Ausführungen noch einmal sagen, weil das der Punkt ist, der wohl uns alle eint. Es ist wirklich eine schlimme Situation, wenn tausende von jungen Menschen keine Ausbildungsplatz- und damit keine Berufsperspektive bekommen.

Der Streit, den wir führen, geht nicht darum, wer mehr für junge Menschen tun will oder wer nichts für junge Menschen tun will, sondern darum: Welches sind die besten Instrumente, um dieses Problem zu lösen? - Wir als Union, aber auch die FDP meinen, dass das duale Ausbildungssystem, das bislang erfolgreich in Deutschland zur Qualifikation junger Menschen geführt hat, das geeignete System ist.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Herr Jüttner, gleich. - Ich habe insbesondere in den Ausschussberatungen versucht, zu ergründen, warum die SPD so beharrlich auf diesem unseres Erachtens falschen Weg weitermarschiert. Ich könnte es mir jetzt einfach machen, Herr Kollege Oppermann, und seitenweise - dafür reicht die Redezeit aber nicht aus - SPD-Ministerpräsidenten und SPD-Politiker zitieren, die Ihrer Bundesregierung und Ihnen hier in Niedersachsen ins Stammbuch schreiben, dass dieser Weg einer Zwangsabgabe, eines staatlichen Dirigismus falsch ist. Sie schaffen damit keinen einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz. Sie belasten die Wirtschaft. Sie vernichten Arbeitsplätze. Das Ganze führt am Ende in ein Desaster und nicht zu einem Erfolg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Leider ist das Ganze ja in einer Kette. Bernd Althusmann hat eben von Maut II gesprochen. Wir sind eigentlich schon bei Maut IV, V bzw. VI. Das Dosenpfand, die Lkw-Maut und das Desaster um die Hartz-IV-Reform, das auf die Kommunen zukommt, und jetzt die Ausbildungsplatzabgabe

(Thomas Oppermann [SPD]: Umlage!)

- von mir aus Umlage - sind Murks. Als solchen muss auch der Niedersächsische Landtag dies brandmarken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage noch einmal: Das Problem fehlender Ausbildungsplätze ist ein differenziertes Problem. Es ist natür

lich ein Mengenproblem. Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze. Aus unserer Sicht hat das mit der schlechten Konjunktur und mit über 40 000 Unternehmenspleiten - dort sind Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren gegangen zu tun. Das heißt, der Schlüssel zur Lösung an dieser Stelle ist eine bessere Konjunkturlage und wäre eine bessere Wirtschaftspolitik. An dieser Stelle gibt es viel an dem zu kritisieren, was Sie in Berlin in den letzten Jahren getan haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Der zweite Punkt, liebe Freunde - ich sagte, das ist ein differenziertes Problem -, ist ein bildungspolitischer Aspekt. Es ist ein Phänomen und eigentlich auch ein gesellschaftlicher Skandal, dass immer mehr parteipolitisch neutrale Institute sagen: Immer mehr Jugendliche werden ausbildungsunfähig, kommen von der Hauptschule, von der Realschule, zum Teil auch vom Gymnasium und bringen nicht die Grundvoraussetzungen mit, um eine Ausbildung im dualen System erfolgreich bestehen zu können. - Der Lösungsschlüssel liegt hier in einer besseren Bildungspolitik der Bundesländer, die ja zuständig sind. Wir in Niedersachsen haben in den letzten 12, 14 Monaten gezeigt, wie das funktioniert. Unser Schulgesetz ist richtungweisend. Wir haben 2 500 neue zusätzliche - -

(Thomas Oppermann [SPD]: Warum ist denn in Baden-Württemberg das gleiche Problem?)

- Herr Oppermann, hören Sie doch einmal zu! Sie hatten 13 Jahre Zeit, in diesem Land zu gestalten, und haben eine Ruinenlandschaft in diesem Bundesland hinterlassen.

(Thomas Oppermann [SPD]: In Ba- den-Württemberg regiert die CDU seit 30 Jahren und noch länger! Warum gibt es dort das gleiche Problem?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bleibe bei meiner Position, dass die bessere Bildungspolitik der zweite Teil ist - genauso wichtig wie eine bessere Konjunktur durch eine bessere Wirtschaftspolitik -, damit junge Menschen ausbildungsfähiger sind.

Bei der Beratung habe ich mich darüber gewundert, weshalb diese Argumente von Ihnen nie berücksichtigt worden sind. Ich sage dazu - das habe ich auch in der ersten Beratung gesagt -: Ich habe mittlerweile den Eindruck, der SPD geht es an die

ser Stelle vordergründig gar nicht darum, mit der Ausbildungsplatzabgabe bzw. -umlage das Problem für junge Menschen zu lösen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist un- verschämt!)

- Nein, Herr Jüttner, das müssen Sie sich anhören. - Vielmehr geht es Ihnen darum, Frieden in Ihrer eigenen Partei zu schaffen und die eigene Parteilinke zu beruhigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

- Ich lasse mir ja viel von Ihnen vorwerfen. Aber deutlicher, als Franz Müntefering dies bei jedem Fernsehauftritt rüberbringt, kann man das gar nicht machen. Er hat es doch den Müllers & Co. in Ihrer Bundestagsfraktion versprochen, damit der Laden steht, damit Sie bis zur Bundestagswahl 2006 durchhalten. Deswegen müssen Sie das tun und nicht für junge Menschen. Das ist die Wahrheit. Herr Jüttner, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Sie können sich ja gleich noch zu Wort melden. Ich sage das schon einmal vorab.

Ein weiterer Punkt, der das ebenfalls deutlich macht, ist, dass alle Experten sagen: Sie schaden an dieser Stelle der Wirtschaft und können nicht sagen, wie Sie die Mittel, die Sie kassieren wollen, so einsetzen können, dass es zu Ausbildungsplätzen kommt. Sie bauen eine Bürokratie mit tausend zusätzlichen Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst auf, Sie werden teuer verwalten, umverteilen und dann das tun, worin sich Sozialdemokraten immer gefallen, nämlich durch die Lande zu reisen, mildtätig Geld zu verteilen und so zu tun, als ob das Ihr Geld wäre. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist das Geld der Unternehmen, die das erst erwirtschaften müssen und die Sie damit belasten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um den Wahnsinn hier noch zu benennen - das ist wieder die Rubrik Murks und Pannen, die Sie hier machen -: Sie belasten damit ja nicht nur die Wirtschaft - allein das ist ja schlimm genug -, sondern auch die öffentlichen Hände in einem Maße, das ich mir bis vor einigen Tagen kaum vorstellen konnte. Das Land Niedersachsen müsste nämlich auch Ausbildungsplatzumlage bzw. -abgabe zahlen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Wie viele Aus- zubildende haben Sie in Ihrer Frakti- on?)

Bei einem Tarifpersonal von 45 627 Beschäftigten müssten wir als Bundesland Niedersachsen eine Ausbildungsplatzabgabe in der Größenordnung von 10,7 Millionen Euro bezahlen.

(Thomas Oppermann [SPD]: Das wä- re ja fast schon allein ein Grund, dafür zu sein!)

Das ist doch wohl ein Stück aus dem Tollhaus! Das Gleiche gilt auch für viele Kommunen. Für meine Stadt Salzgitter würden das 236 000 Euro bei einem Haushaltsdefizit von fast 50 Millionen Euro bedeuten. Wer soll das denn noch aufbringen, liebe Freunde? Und dies in einer Situation, in der wir uns eigentlich darüber einig sein sollten, dass wir den öffentlichen Sektor und die Beschäftigtenzahl dort reduzieren müssen.

(Thomas Oppermann [SPD]: Die jun- gen Menschen stehen dann bei der Stadt beim Sozialamt auf der Matte!)

Auch dies ist ein deutliches Argument dafür, dass diese Abgabe nicht zum Ziel führt. Vielmehr sollten wir einmal ernsthaft darüber nachdenken. Auch wir haben den Königsweg und den Stein der Weisen nicht gefunden. Denn das Problem ist - das räume ich gerne ein -: Das, was ich als Lösung vorgeschlagen habe, wird mittelfristig mit Sicherheit helfen. Wir stehen aber vor der Frage: Was machen wir im August/September dieses Jahres?

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Das möchte ich Ihnen gerne noch in wenigen Sekunden sagen. Wenn Betriebsräte und Gewerkschaften einschließlich der Politik bereit wären, darüber nachzudenken, zumindest bei den großen Unternehmen, die dies könnten - das ist bei VW so, das ist bei der Salzgitter AG so -, auf gewisse Dinge zu verzichten - wie die Übernahmegarantie -, vielleicht auch über die Frage der Ausbildungsplatzvergütung nachzudenken - denn 1 200 Euro Ausbildungsvergütung, die zum Teil gezahlt werden, sind relativ viel -, und wenn man einen solchen Vertrag kurzfristig hinkriegen und sagen würde: „Jeder gibt etwas nach: geringere Ausbildungsplatzabgabe, keine Übernahmegarantie“ - nämlich nach dem Motto „Ausbildung vor Übernahme“ -, dann wäre ich sicher, dass noch einige tausend Ausbildungsplätze auch in Nieder

sachsen entstehen könnten. Aber das kann die Politik nicht alleine. Dazu müssen die Tarifpartner und die Gewerkschaften, Unternehmen und Betriebsräte helfen. Dann kriegen wir auch kurzfristig etwas hin, was jungen Menschen in diesem Land und in Deutschland hilft. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Lenz das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Eppers, wenn Sie hier schon formulieren, dass wir gemeinsam das Anliegen haben, für alle jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu beschaffen, dann hätte ich mir gewünscht, dass Sie Ihren Redebeitrag hauptsächlich darauf verwandt hätten, Vorschläge zu unterbreiten, wie uns das gemeinsam gelingen kann.

Das, was Sie am Ende dazu gesagt haben, war, bezogen auf das, was Sie vorher gesagt haben, ziemlich dünn. Wenn es sich darauf reduziert, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, die Ausbildungsvergütung verringern und die Übernahmegarantie in den Tarifverträgen abschaffen zu wollen, dann muss ich Sie einmal fragen: Was fordern Sie denn von der Wirtschaft, dass sie endlich ihrer Verpflichtung, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, nachkommt? Fehlanzeige!

(Beifall bei der SPD)