Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

(Beifall bei der CDU - Unruhe)

Herr Klare, kleinen Augenblick! - Meine Damen und Herren, ich habe nur einem das Wort erteilt. Herr Klare!

Es ist ein immenses Tempo vorgelegt worden. Jetzt muss die Reform wachsen. Das dauert seine Zeit. Die Schule braucht jetzt eine Zeit der Ruhe. Aber der richtige Weg - darauf kommt es an - ist jetzt geebnet.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich möchte - das ist mir ein Anliegen - all denen, die daran mitgewirkt haben, genau so herzlich danken, wie es der Minister getan hat. Ich beziehe selbstverständlich die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen mit ein, ebenso die Elternschaften und die Schüler, wenn sie denn beteiligt waren. Ich hebe die Schulleitungen hervor, die in besonderer Weise an diesen Aufgaben mitgewirkt haben. Ich danke den Schulträgern, dass sie sich diesen Herausforderungen gestellt haben, die Aufgaben gut gelöst haben - übrigens über alle Parteigrenzen hinweg - und sich in den Dienst einer guten Sache gestellt haben.

Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bezirksregierungen, die zusätzlich und auch sehr gut gearbeitet haben. Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium. Ich sage einmal ein bisschen locker - ich bitte, es mir nicht übel zu nehmen -: Dort wurde noch nie so viel gearbeitet wie bei dieser Schulreform.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Viele haben auch die Freude an der Arbeit zurückgewonnen; denn sie haben endlich einmal die Bestätigung für das bekommen, was sie geleistet haben. Dort gibt es nämlich wirklich Könner. Das ist über Jahre ein bisschen vernachlässigt worden. Man muss sich einmal fragen, woran das liegt.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke ferner den Personalräten auf allen Ebenen. 13 000 Lehrkräfte umzusetzen, und zwar so reibungslos, das gelingt nur dann, wenn man von einer Sache überzeugt ist und wenn Lehrkräfte und Personalräte mitziehen. Ich habe den Vorsitzenden des Lehrerhauptpersonalrats, Herrn Liu, vorhin in der Loge gesehen. Ihnen und Ihren Kollegen sei im Namen der CDU-Fraktion auch herzlich gedankt. Es wäre schön, wenn Sie es Ihren Kollegen ausrichten würden.

(Beifall bei der CDU)

In den Personalräten sitzen nun nicht alles in der Wolle schwarz gefärbte Leute, also CDUMitglieder. Im Gegenteil; das wissen wir. Wichtig ist, dass sie an einem Strang gezogen haben, weil das Vertrauen in Schulpolitik zurückgekehrt ist. Dies war über Jahre verloren gegangen. Das ist vielleicht das Wichtigste, was wir den Schulen erst einmal geben müssen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben die umfassendste Schulreform mit einer grundlegenden Neuausrichtung auf den Weg gebracht, die es in diesem Land jemals gegeben hat; denn wir standen den Schülerinnen und Schülern gegenüber in einer besonderen Pflicht. Das Wissen der Welt verdoppelt sich alle sechs bis sieben Jahre. Die Zugänge zum Wissen der Welt sind völlig verändert worden. Deswegen war die Neuausrichtung überfällig und dringend erforderlich.

Die immer schnelllebigeren Veränderungsprozesse in der Gesellschaft verlangen auch von Schule, sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Stillstand ist Rückschritt. So haben wir die Schule auf die Anforderungen von heute und auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtet.

Ich habe mit Herrn Gabriel - jetzt ist er leider hinausgegangen; aber ich gehe einmal davon aus, dass er draußen am Lautsprecher mithört - im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Neustadt über Schulpolitik debattiert. Er hat dort in einer sehr lockeren Art und mit erstaunlicher Leichtigkeit die Fragen der Schulpolitik behandelt. Es ging um Schulstrukturfragen, Lehrerbildung und Ganztagsschulen. Auch zur Unterrichtsversorgung hat er sich geäußert. Das war nicht alles in meinem Sinne - das will ich gerne zugeben -, aber durchaus logisch; das muss man sagen. Aber das Erstaunen über das, was er dort gesagt hat, bleibt: Warum hat dieser Mann das eigentlich nicht umgesetzt, als

er dafür die Verantwortung hatte? Diese Frage müssen wir uns heute stellen.

(Beifall bei der CDU)

Er hätte diesem Land, den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften dadurch viel Ärger und viele Sorgen erspart. Das ist angesichts des Chaos, das hier in den letzten Jahren aufgebaut worden ist, leider die Wahrheit. Ich komme darauf noch zu sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Dann zu den Finanzierungsproblemen, die er da hat. Es gibt kein Erkenntnisproblem, was die Frage von Frühförderung oder von Stärkung der Grundschule anbetrifft. Er hätte das alles umsetzen können, weil die Daten aus der Zeit stammen, in der er Verantwortung getragen hat. Jetzt, glaube ich, will er die Eigenheimzulage dafür in Anspruch nehmen. Vor zwei Jahren war es die Erbschaftsteuer. Ein bisschen weiter zurück war es der Jäger 90. Noch früher, als er bei den Falken war, wollte er, glaube ich, die gesamte Bundeswehr abschaffen, damit in Bildung investiert werden kann.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Da war ich Zeitsoldat!)

- Zeitsoldat, gut! Da hätten Sie sich gleich mit abgeschafft.

(Sigmar Gabriel [SPD]: So ist das mit den Vorurteilen!)

- Genau das ist es! - Genau diese Art einer gewissen Verlogenheit kann ich Ihnen leider nicht absprechen; das ist so.

(Beifall bei der CDU)

Gut, dass Herr Gabriel wieder in den Sitzungssaal gekommen ist und das hören kann.

Herr Jüttner, jetzt zu Ihnen und Ihrer Rede. Ich frage deshalb sehr präzise, weil diejenigen, die uns heute kritisieren, sich erst einmal fragen müssen, wohin sie die Schulpolitik in diesem Lande eigentlich getrieben haben. Herr Jüttner, Sie haben versucht, die persönliche Integrität des Ministers ein bisschen zu beschädigen. Wissen Sie, das ist stillos. In der Sache setzen wir uns gerne mit Ihnen auseinander. Das werde ich im Laufe meiner Rede auch tun.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Nennen Sie doch einmal ein Beispiel!)

Herr Jüttner, wenn Sie mich gemeint haben, als Sie davon sprachen, dass ein bisschen mit dem Herzen Schulpolitik gemacht würde, so gebe ich das gerne zu. Ich mache mit dem Herzen Schulpolitik, weil unsere Kinder das auch verdient haben. Da gehe ich nicht pragmatisch heran, wie Sie es vielleicht das eine oder andere Mal tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eines aber sage ich noch einmal: Wenn Sie alles so gut wissen, wie Sie es heute dargestellt haben, warum haben Sie es nicht umgesetzt, als Sie die Verantwortung getragen haben?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich hätte es begrüßt, wenn Sie wenigstens so fair gewesen wären und uns ein wenig Geld übrig gelassen hätten, damit wir das Vernünftige tun können, ohne andere zu belasten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir mussten - das will ich sehr sachlich feststellen - auf einem schulpolitischen Chaos aufbauen, das in Deutschland einmalig war. Das, was wir hier erlebt haben, war ein Debakel.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Deswe- gen macht ihr jetzt alles nach!)

Ich will das auch benennen. Dass Sie die Unterrichtsversorgung als „Sch...“ - Entschuldigung! bezeichnet haben, ist in allen Zeitungen nachzulesen. Sie haben es so drastisch formuliert, wie es niemand anders tun kann. Möchten Sie das in der Zeitung noch einmal nachlesen?

Ich nenne als Stichworte: Verunsicherung von Lehrkräften, von Eltern, Unsicherheiten bei den Schulträgern, täglich neue Vorschläge aus der Tagespresse, kein Vertrauen. Herr Gabriel hat seine eigene Partei verunsichert. Der schulpolitische Sprecher ist zurückgetreten. Das bildungspolitische Profil der SPD, das sich über Jahrzehnte entwickelt hat, alte Grundüberzeugungen wurden über Nacht über den Haufen geworfen, weil Ministerpräsident Gabriel mit eigenwilligen Ideenskizzen kam, um wieder einmal Schlagzeilen in der Presse zu machen. Das war die Realität. Die niedersächsische SPD, Herr Jüttner, machte alles mit. Sie verlor damit fast alles, zunächst ihre schulpolitische Glaubwürdigkeit und am Ende auch die Regierungsverantwortung. Das wirklich Fatale daran ist, dass die innerparteilichen Auseinandersetzungen der Regierungspartei SPD allein über

Fragen der Schulstruktur Niedersachsen in den letzten 13 Jahren enorm zurückgeworfen haben. Das ist die Wahrheit. Sie haben unsere Kinder in Niedersachsen jahrelang benachteiligt, weil Sie nicht in der Lage waren, eine vernünftige Schulpolitik zu machen, die ganz sicher mehr ist als ein Streit über Schulstrukturfragen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jede Fundamentalkritik in diese Phase hinein, in der der dringend notwendige Neuanfang an den Schulen gerade einmal drei Wochen läuft, ist schlichtweg unverantwortlich. Es ist zugleich unglaubwürdig, weil - ich sage es noch einmal - Sie nicht in der Lage sind, auch nur einen abgestimmten Vorschlag zu präsentieren, der eine halbwegs glaubwürdige Alternative darstellt. Die SPD in Niedersachsen war in anderthalb Jahren nicht in der Lage, auch nur einen Grundsatz mit einem schulpolitischen Konzept zu entwickeln. Ich denke, das sagt wohl alles über den Zustand der SPD in Niedersachsen. Herr Landesvorsitzender Jüttner, das wäre eine Aufgabe, der Sie sich jetzt stellen könnten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie werden sich wundern!)

Wer so kleinkariert, wie Sie es hier gemacht haben, die wirkliche Erfolgsbilanz von Kultusminister Busemann zu zerreden versucht, ohne Alternativen zu benennen, hat nicht die Kinder, sondern Parteistrategien im Auge, Herr Jüttner.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Bei den Grünen wird es ähnlich sein; das werden wir gleich erleben. Sie kündigen ständig ein neues Schulkonzept an. Bis jetzt liegt noch nichts vor. Da, wo Sie mitregieren, ändern Sie nichts. Hier aber reden Sie von tollen Schulkonzepten. Bisher haben Sie aber nur geredet, und es gibt kein einziges verschriftetes Wort, das wir nachlesen können.

Meine Damen und Herren, wir mussten die Schulreform zügig umsetzen, und sie musste in einem Guss umgesetzt werden, weil die Schulen langfristige verlässliche Rahmenbedingungen brauchen, mit denen gearbeitet werden kann. Das wussten alle Beteiligten. Es gab hier keine halben Sachen. Weil Sie das genau so gesehen haben wie wir, waren viele bereit, sehr hohe Belastungen auf sich zu nehmen.

Die Kritik vor allem der Grünen, aber auch die der SPD, wir hätten zu viel auf einmal gemacht, ist falsch und unseriös. Ich muss Sie an einiges erinnern. Wäre das noch im Juni 2002 beschlossene Schulgesetz - das ist ja noch gar nicht so lange her - umgesetzt worden, wären Förderstufen nur an vierzügigen Schulsystemen angegliedert worden. Das hätte bedeutet, dass alle anderen Schulen in diesem Lande - das ist die Masse der Schulen - hätten aufgelöst werden müssen. Ihr Gesetz hätte damals zu einer massiven Schulkonzentration mit der zwangsläufigen Folge von umfangreichen Neubaumaßnahmen, einer Vielzahl von Umbauten sowie einer Masse von leer stehenden Schulen geführt.

Mit dem neuen Schulgesetz haben CDU und FDP hunderte von Schulstandorten und damit auch wichtige infrastrukturelle Einrichtungen in diesem Lande gerettet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb war die zügige Behandlung des Schulgesetzes in einem Guss besonders wichtig.