Protokoll der Sitzung vom 28.01.2005

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun werden Sie fragen: Wo stehen wir insgesamt in der Debatte? - Die Kultusministerkonferenz hat sich trotz längerer Diskussionen noch nicht einigen können. Das, was ich versucht habe, Ihnen vorzutragen, ist die niedersächsische Positionsausrichtung struktureller wie inhaltlicher Art. Wir meinen, dass der alte ideologische Grundsatzstreit „staatliche Abschlüsse gegen universitäre Abschlüsse“ im Grunde nicht zielführend ist.

(Ursula Körtner [CDU]: Richtig!)

Wir in Niedersachsen sagen: Wir wollen selbst und jetzt die Verantwortung für die Bildung in diesem Land übernehmen, und dazu gehört auch die Lehramtsausbildung. In diesem Zusammenhang brauchen wir alle Ihre konstruktive Mitarbeit bei der Beratung des Antrages in diesem Hause. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das war ein ganz treffender Beitrag!)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Wulf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag von CDU und FDP das erste Mal gelesen habe, fiel mir natürlich sofort das Wort „Plagiat“ ein. Sie wissen, Plagiat ist die Aneignung fremden Gedankenguts. Unter dem Begriff „Plagiat“ wird die unbefugte Übernahme fremden Geistesgutes, der Diebstahl geistigen Eigentums verstanden. Aber diese Möglichkeit hat man natürlich, gerade auch in der Politik. Das ist in Ihrem Antrag nämlich der Fall. In wesentlichen Teilen haben Sie von der CDU- und der FDPFraktion einfach aus Papieren und aus einem Antrag der SPD-Fraktion aus dem Mai letzten Jahres abgeschrieben.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wo stand denn „schulformbezogene Aus- bildung“, Herr Wulf?)

Wenn Sie unsere Positionen als Meilenstein bezeichnen, dann ehrt uns das. Das finde ich ganz in Ordnung.

Allerdings ist aber auch festzustellen - Frau Bertholdes-Sandrock, das will ich durchaus sagen -: Bei Ihnen ist ein Lernfortschritt erkennbar. Das ist auch dringend nötig; denn im Oktober letzten Jahres, als der Antrag der SPD-Fraktion im Ausschuss behandelt worden ist, sind Dinge von Ihren Vertreterinnen und Vertretern dargebracht worden, die so falsch und so schlimm gewesen sind, dass Sie sich eigentlich hätten in Grund und Boden schämen müssen. Sie wussten noch nicht einmal, was das Wort „Polyvalenz“ bedeutet, also die Mehrfachnutzbarkeit des Bachelor-Abschlusses.

Herr Abgeordneter Wulf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwarz?

Das gestatte ich nicht, da ich nur wenig Zeit habe. Ich muss viel zu dem sagen, was hier vorgebracht wurde.

Sie haben damals den Antrag der SPD-Fraktion auf eine Abstimmung abgelehnt, weil Sie noch Beratungsbedarf hatten. Das stimmte in der Tat; den hatten Sie dringend. Aber ich kann auch feststellen: Offensichtlich haben Ihre Besuche, z. B. in Oldenburg bei der dortigen Lehrerausbildung, gefruchtet. Von daher sind einige Punkte in Ihrem Antrag durchaus korrekt. Aber das sind natürlich genau die Passagen, die Sie von uns abgeschrieben haben.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Nein, Herr Wulf!)

In allen Veröffentlichungen und Beschlussvorlagen, die wir von der SPD-Fraktion seit dem Jahr 2000 zur Veränderung der Lehrerausbildung vorgelegt haben, haben wir immer wieder verdeutlicht, dass von Anfang an eine verstärkte Verknüpfung von Theorie und Praxis notwendig ist, dass der Stellenwert der Fachdidaktik erhöht werden muss, dass die Grundwissenschaften verstärkt werden müssen und dass die Diagnosefähigkeit der Lehramtsstudenten stärker herausgebildet werden muss. Das haben Sie von uns abgeschrieben. Es steht in Ihrem Antrag und ist ja auch richtig.

Immerhin: Die Erkenntnis ist bei Ihnen angekommen. Aber eines kommt noch hinzu: Es kommt nicht nur entscheidend darauf an, dass das von Anfang an geschieht; das ist in der Regel bei den meisten Lehramtsstudiengängen sowieso der Fall. Es kommt aber entscheidend darauf an, dass der Anteil der Fachdidaktik, der Erziehungswissenschaften, der Praxis deutlich erhöht wird - darum geht es; das ist der entscheidende Punkt - und dass die inhaltlichen Anforderungen stärker auf die tatsächliche berufliche Praxis ausgerichtet sind. Das sind die entscheidenden Tatsachen. Doch um diese Äußerungen drücken Sie sich offensichtlich, weil Sie wissen, das erfordert natürlich auch verstärkt finanzielle Mittel. Und diese geben Sie ja offensichtlich nicht her, sondern Sie kürzen an den Hochschulen.

Der von Ihnen geforderte verstärkte Ausbau von Kooperationen mit Schulen in der Lehramtsausbildung ist natürlich richtig, verkennt aber völlig die Tatsache, dass diese Kooperation an den lehramtsausbildenden Hochschulen in der Regel schon seit vielen Jahren erfolgt, allerdings in unterschiedlicher Intensität.

Besonders bei den herausragenden Hochschulen in dem Bereich der Lehrerausbildung, wie z. B. Oldenburg, ist diese Zusammenarbeit mit den Schulen schon seit Jahren der Fall. Das entstand nämlich, als die vorbildliche einphasige Lehrerausbildung entwickelt worden ist. Seinerzeit ist ein umfassendes System von mit den Hochschulen zusammenarbeitenden Schulen entwickelt worden, von dem noch heute profitiert wird. Das sind vor allen Dingen so genannte mitwirkende Lehrer, die an der Lehrerausbildung mitarbeiten. Das ist an anderen Hochschulen dieses Landes nicht so ausgeprägt. Dort fehlt es durchaus an einer hinreichenden Zahl kooperierender Schulen. Das haben mir z. B. die verantwortlichen Leute an der Hochschule Vechta dargestellt. Da muss nachgebessert werden.

Das bedeutet in der Konsequenz - darüber müssen Sie sich im Klaren sein -, dass die notwendigen Stunden für diese Lehrkräfte bereitgestellt werden müssen, damit sie von der Unterrichtstätigkeit an den Schulen entlastet werden, um an den Hochschulen in der Lehrerausbildung mitzuwirken. Dazu fehlen bei Ihnen leider konkrete Aussagen; denn das kostet nun einmal etwas. Da bitten wir ein bisschen um Butter bei die Fische.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn Sie fordern, dass die erforderliche inhaltliche Reform der Lehrerausbildung auch mit entsprechenden Vorgaben abgesichert werden soll, dann müssen Sie eben sagen, dass es selbstverständlich auch finanzielle Mittel zur Absicherung dieser Vorhaben erfordert. Das bedeutet ein Mehr an Hochschullehrern und ein Mehr an mitwirkenden Lehrkräften in der Ausbildung. Da beißt die Maus keinen Faden ab: Das kostet nun einmal Geld.

Bereits mehrfach in mündlichen und schriftlichen Anfragen und zuletzt in unserem Antrag aus dem Mai letzten Jahres haben wir gefordert, dass die Abschlüsse der Master- und Bachelor-Studiengänge der Lehramtsausbildung bundesweit anerkannt werden müssen. Es ist schön, dass auch Sie

das inzwischen erkannt haben. Sie wissen natürlich, dass das eine absolute Notwendigkeit ist.

In diesem Zusammenhang haben Sie, Frau Bertholdes-Sandrock, erwähnt, dass es im Rahmen der KMK zum Scheitern der Verhandlungen kam. Wir würden natürlich gerne wissen - Herr Minister Stratmann, vielleicht können Sie uns das darlegen -, wie das jetzt weitergehen soll, welche konkreten Vorstellungen das Land Niedersachsen hat und wie diese Verhandlungen im Rahmen der KMK laufen sollen. Vielleicht können Sie uns über den neuesten Stand der Verhandlungen berichten. Ich meine, das Parlament hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie die Landesregierung die Interessen der Lehramtsstudierenden Niedersachsens im Rahmen der von Ihnen doch so geliebten KMK vertritt.

Natürlich interessiert uns auch eine andere wichtige Frage, die im Ausschuss beraten worden ist, nämlich: Wie soll die staatliche Beteiligung - Sie haben es erwähnt - vonseiten des Landesprüfungsamtes an den Abschlussprüfungen beim Master aussehen? Welche Regelungen soll es da geben? - Es gab einen Verhandlungsstand zwischen dem MWK und den Hochschulen. Wie ist das inzwischen fortgeschritten? Wie sieht das Kultusministerium das? Wie ist der neueste Stand in dieser Sache? - Ein Bericht in dieser Sache würde uns interessieren.

Sie haben, wie ich es schon gesagt habe, inzwischen verstanden, was Polyvalenz bedeutet. Frau Bertholdes-Sandrock, ich muss Ihnen sagen: Ihr Beitrag hob sich wohltuend von dem ab, was ich in der Vergangenheit von den Vertretern Ihrer Fraktion gehört habe. Sie wissen, dass es notwendig ist, die Studierenden in die Lage zu versetzen, ihre Befähigung für das gewählte Berufsziel zu erkennen. Sie haben erkannt, dass eine Durchlässigkeit zwischen Lehramtsstudium und Fachstudium notwendig ist. Ich will es aber ergänzen: Es kommt auch darauf an, dass man eine Flexibilität in der Wahl der Lehrämter, auch in den ersten Semestern, herstellen muss; denn viele Studierende erkennen erst während der Praktika, ob sie eher in der Lage sind, z. B. mit Grundschülern zu arbeiten, oder ob ihre Fähigkeiten mehr bei der Frage der Vermittlung von Wissen an gymnasiale Oberstufenschüler liegt. Auch hier muss ein Wechsel möglich sein.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ernsthaft bitten, von Ihrem Vorhaben abzulassen, die

seit einigen Jahren eingeführte gemeinsame Lehrerinnen- und Lehrerausbildung im Bereich der Grund-, Haupt- und Realschullehrer zu zerschlagen, wie Sie das angedroht haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die übergroße Zahl auch Ihrer Fachleute wird Ihnen insbesondere im Hinblick auf die Frage der Unterrichtsversorgung sagen, dass eine solche Zerschlagung dieses gemeinsamen Lehramtes vor dem Hintergrund zurückgehender Schülerinnenund Schülerzahlen und der damit drohenden Ausdünnung der Schullandschaft völlig kontraproduktiv ist. Es ist nämlich notwendig, über Lehrkräfte zu verfügen, die zwar einen Schulformschwerpunkt haben - das wird durchaus auch in dieser gemeinsamen Ausbildung gemacht -, die aber so flexibel ausgebildet sind, dass sie auch in verschiedenen Schulformen unterrichten können. Wenn Sie die gemeinsame Lehrerausbildung zerschlagen, dann werden Sie nur noch Lehrkräfte bekommen, die eindimensional ausgebildet und die für den notwendigen flexiblen Einsatz in der Praxis nicht mehr geeignet sind. Wir brauchen jedoch solche flexiblen Lehrkräfte, wenn es an einigen Orten wegen zurückgehender Schülerinnen- und Schülerzahlen keine eigenständigen Schulformen mehr gibt.

Die Abschaffung flexibel einsetzbarer Lehrkräfte, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, kann doch wohl nicht ernsthaft Ihr Ziel sein. Oder? Kommen Sie von Ihrer ideologischen Scheuklappenpolitik ab.

(Inse-Marie Ortgies [CDU]: Wer die wohl hat!)

Seien Sie pragmatisch, und nähern Sie sich der Wirklichkeit des Lebens in der Schullandschaft.

Wir werden im Ausschuss im Übrigen beantragen, dass zu den drei vorliegenden Anträgen, dem Antrag von der CDU und der FDP, dem Änderungsantrag, den die Grünen im Ausschuss eingebracht haben, und unserem Antrag, eine gemeinsame Anhörung der wichtigen, an der Lehrerausbildung beteiligten und interessierten Einrichtungen durchgeführt wird, um deren Meinung zu hören.

Abschließend dies: Bachelor- und Masterausbildung in der Lehramtsausbildung entspricht zwar, wie Sie es gesagt haben, der europäischen Entwicklung. Es ist deswegen eine notwendige und richtige Maßnahme. Das allein garantiert aber

noch nicht eine Qualitätssteigerung in der Lehrerausbildung. Entscheidend ist die finanzielle Ausstattung der Hochschulen mit qualifiziertem Lehrpersonal und mit ausreichenden materiellen Mitteln.

Inhaltlich kommt es entscheidend darauf an, die Praxisorientierung sowie die fachdidaktische und grundwissenschaftliche Orientierung in diesen Studiengängen von Anfang an zu verstärken. Bei diesen Punkten wird sich zeigen, ob wir den qualitativen Sprung schaffen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Dazu sind wir bereit. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wir beraten über das Thema Lehramtsausbildung ja jetzt schon seit einigen Monaten im Ausschuss. Ich muss gestehen, welchen neuen Beitrag Sie dazu mit dem neuen Antrag leisten wollen, kann ich nicht erkennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Außer Allgemeinplätzen habe ich auch heute hier nichts gehört. Sie befürworten die bundesweite Anerkennung, einen stärkeren Praxisbezug und die Erhöhung des Anteils der Berufswissenschaften. Diesbezüglich hätten Sie sich in der Tat einfach den Anträgen von SPD und Grünen, die sich bereits in der Beratung befinden, anschließen können.

Bei der wirklich spannenden Frage - damit meine ich konkret die Frage nach der Polyvalenz des Bachelors - bleiben Sie aber hinter den aktuellen Entwicklungen zurück. Sie reden im Titel Ihres Antrags von schulformbezogener Ausbildung, führen aber weder in Ihrem Antrag noch in Ihren Redebeiträgen hier konkret aus, was Sie damit eigentlich meinen. Meine Damen und Herren, Sie denken bei Polyvalenz anscheinend an ein Einbahnstraßenmodell. Das heißt, wer nach der bereits schulformbezogenen Bachelor-Ausbildung als

Lehrer scheitert, darf mit dem Abschluss auch einen anderen Beruf ergreifen. Das wollen Sie gestatten. Ein schulformübergreifender Bachelor oder gar ein Quereinstieg in die Lehramtsausbildung erst ab dem Master kommt jedoch in Ihrem Antrag nicht vor. Diese Festlegung, meine Damen und Herren von CDU und FDP, hat aber zwei ganz entscheidende Nachteile.

Erstens fallen Sie damit hinter das zurück, was an Niedersachsens Hochschulen geplant bzw. zum Teil auch schon konkret umgesetzt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie haben Recht, das wollen wir in der Tat anders haben!)

Das Verbundvorhaben Bachelor/Master in der Lehramtsausbildung sieht einen polyvalenten Bachelor vor und nimmt die endgültige Schulformdifferenzierung erst ab dem Master vor.

(Zuruf von der CDU)

- Wenn Sie das wollen, müssen Sie die Frage nach dem Zeitpunkt stellen. - In allen Vereinbarungen über die Umstellung von Staatsexamensstudiengängen auf Bachelor- und Master-Strukturen im Lehramt, geschlossen zwischen dem MWK und den betroffenen Hochschulen, ist ausdrücklich von einem polyvalenten Bachelor und einem lehramtsspezifischen Master die Rede. Ich empfehle Ihnen beides dringend als Lektüre.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese späte Schulformdifferenzierung ist auch sinnvoll; denn sie orientiert sich am neuen Leitbild des Lehrerberufs, das Sie sich anscheinend noch nicht richtig vergegenwärtigt haben. Wenn die Kernkompetenz des Lehrers die Fähigkeit zu gezielter Planung, Organisation und Reflexion von Lehr-Lern-Situationen sein soll, wenn angesichts der Forderung nach autonomen Schulen Strategieplanung und Qualitätsmanagement zum Qualifikationsprofil einer Lehrkraft gehören sollen, dann macht es Sinn, diese Kenntnisse schulformübergreifend zu vermitteln.