Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Frau Korter, einen kleinen Moment! Es ist hier zu viel Unaufmerksamkeit, als dass Sie durchkommen. Wir warten einmal 30 Sekunden, bis mehr Ruhe eingetreten ist. - Danke schön.

Aber die Probleme bei den Schulträgern gibt es nicht erst in 20 Jahren, sondern es gibt sie schon heute. Wenn Sie Herrn Poppe zugehört haben, dann haben Sie das eben schon einmal gehört. Nicht nur Grundschulen sind bereits jetzt von Schließung bedroht - das wissen einige von Ihnen aus ihren Wahlkreisen -, sondern nach Ihrer so genannten Schulstrukturreform auch immer mehr Hauptschulen und auch schon einige Realschulen. Gleichzeitig sind die Wege zu den nächstgelegenen Gymnasien häufig viel zu weit. Meine Damen und Herren, wir brauchen nämlich Konzepte - das wissen Sie und geben Sie eigentlich auch zu -, die auf lange Sicht tragfähig sind.

In anderen Bundesländern, in denen die Probleme heute schon größer sind, gehen die Überlegungen wesentlich weiter. Daher beziehen wir unsere Bezugsgrößen, Herr Busemann. Wir haben nicht frei

gegriffene Zahlen, sondern unsere Bezugsgrößen sind Zahlen aus Schleswig-Holstein und Brandenburg. Aber das wissen Sie vielleicht nicht.

Die Schulstandortkommission des Landes Brandenburg hat festgestellt, dass die Dreigliedrigkeit des Schulsystems künftig zumindest regional kaum noch aufrechterhalten werden kann. Sie hat deshalb ein zweigliedriges System empfohlen. Die CDU-regierten Bundesländer in Ostdeutschland sind inzwischen längst zu einem zweigliedrigen Schulsystem übergegangen. In Sachsen-Anhalt, in Thüringen, in Sachsen und in Brandenburg gibt es keine Hauptschulen mehr. Das dürfte vielleicht auch ein Grund dafür gewesen sein, dass diese Länder beim jüngsten PISA-Test so gut aufgeholt haben.

Ein Gutachten des Instituts für Schulentwicklungsforschung der Uni Dortmund empfiehlt zur Veränderung der Schulstruktur in Schleswig-Holstein, dort eine Gemeinschaftsschule einzurichten, in der alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen. Das ist die richtige Antwort auf die dortige demografische Entwicklung.

Unsere Landesregierung, die Niedersächsische Landesregierung, hat kein Konzept für die Schulentwicklung bei zurückgehenden Schülerzahlen, stelle ich fest. Was noch schlimmer ist: Sie hat auch kein Konzept dafür, wie ein großer Teil der jungen Menschen für künftige Anforderungen des Arbeitsmarktes qualifiziert werden soll.

Herr Busemann, es ist bezeichnend, dass Sie davon ausgehen - das finde ich wirklich schlimm -, dass im Jahr 2020 über 7 % der Schulabsolventen nicht einmal einen Hauptschulabschluss erreichen werden. Ihr Ergeiz, dieses skandalöse Versagen unseres Schulsystems endlich zu überwinden, ist offenbar gering.

Genauso wenig wissen Sie Zahlen darüber anzugeben, wie hoch der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund in den einzelnen Schulformen ist.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das wird doch gar nicht erfasst!)

Stattdessen loben Sie sich für Ihre Sprachförderung, die Sie in Wirklichkeit in den Kitas zurückführen.

Wenn man die Antwort der Landesregierung ernst nimmt, hat man auf weite Strecken den Eindruck,

in Niedersachsen regieren nicht Politiker mit Weitblick, sondern Bürokraten und Ideologen. Wer die Schulstrukturen der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zum Dogma erklärt, der wird die Probleme des kommenden Jahrhunderts nicht bewältigen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Korter. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich stelle fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage damit abgeschlossen ist.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 35: Kommunale Ausschussbesetzung umgehend reparieren! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2173

Der Antrag soll ohne erste Beratung an den Ausschuss überwiesen werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport tätig sein, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Gibt es Widerspruch? - Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 36: Herausforderung für Niedersachsens Hochschulen - steigende Schulabsolventenzahlen und „doppelter“ Abiturjahrgang 2011 - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1980 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/2163

Vereinbarungsgemäß soll die Besprechung im Oktober-Plenum behandelt werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 37: Für eine einheitliche Strategie zum Erhalt der staatlichen Sportwetten- und Lotterieerträge! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2174

Auch hierzu soll es heute keine erste Beratung geben. Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden, mitberatend sollen die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen, für Wissenschaft und Kultur und für Frauen, Soziales, Familie und Gesundheit tätig werden. Gibt es Widerspruch? Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 39: Innovationsoffensive „Weg vom Öl“ - Wer zu spät kommt, den trifft der Preisschock Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2177

Vereinbarungsgemäß findet hierzu heute ebenfalls keine erste Beratung statt. Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss überwiesen werden, mitberatend sollen der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen und der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit tätig werden. Gibt es Widerspruch? - Das ist so beschlossen.

Der nächste, der 25. Tagungsabschnitt ist für den 5. bis 7. Oktober 2005 vorgesehen. Der Präsident wird den Landtag einberufen und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat Beginn und Tagesordnung der Sitzung bestimmen.

Ich schließe die heutige Sitzung. Für die letzten 48 Stunden 38 Minuten und 10 Sekunden wünsche ich Ihnen viel Energie, starke Nerven und einen letzten Wahlkampfendspurt. Herzlichen Dank und eine gute Heimfahrt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Schluss der Sitzung: 17.23 Uhr.

Anlagen zum Stenografischen Bericht

noch:

Tagesordnungspunkt 28:

Mündliche Anfragen - Drs. 15/2155

Anlage 1

Antwort

des Finanzministeriums auf die Frage 3 des Abg. Dieter Möhrmann (SPD)

Steuerprivilegien in der Landwirtschaft erhalten - Blindengeld streichen - Gerechtigkeit á la Christian Wulff

In der Union und der FDP findet gegenwärtig eine breite Debatte über den Abbau von Steuersubventionen statt. Die FDP will in diesem Zusammenhang „alle Steuervergünstigungen streichen", so Hermann Otto Solms, FDP, am 1. Juni 2005. Innerhalb der CDU/CSU werden immer wieder die Streichung der Eigenheimförderung und die Absenkung der Pendlerpauschale gefordert. Auch Ministerpräsident Stoiber hat sich in der Zeit bereit erklärt, die Eigenheimförderung „auf den Prüfstand zu stellen".

Während sich der FDP-Vorsitzende Westerwelle gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen hat, befürworten dies führende CDU-Politiker. Auch Ministerpräsident Wulff und Finanzminister Möllring schließen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nach einem Bericht der Braunschweiger Zeitung vom 27. Mai 2005 nicht aus.

Im Widerspruch zu den Forderungen nach einem breiten Subventionsabbau steht die Äußerung von Ministerpräsident Christian Wulff in der Zeitung Das Landvolk vom 4. Juni 2005:

„Die Kürzungen beim Agrardiesel sind Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen europäischen Ländern. Eine ab Herbst unionsgeführte Bundesregierung wird sich darum bemühen, den Steuersatz für Agrardiesel wieder abzusenken. Auch die Einschnitte bei den Bundeszuschüssen zur landwirtschaftlichen Kranken- und Unfallversicherung belasten unsere aktiven Landwirte über Gebühr. Hier brauchen wir über kurz oder lang neue Konzepte, sonst kollabiert das System...“

Die Subventionen für Agrardiesel betragen ausweislich des 19. Subventionsberichtes der Bundesregierung 420 Millionen Euro im Jahre 2004.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Position nimmt sie zu den Forderungen nach dem Abbau von Steuersubventionen und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer ein?

2. Steht die Ankündigung des Ministerpräsidenten, die Steuervorteile für Agrardiesel wiederherstellen zu wollen, nicht im Widerspruch zu den Forderungen aus Union und FDP nach einem breiten Abbau von Steuervergünstigungen, und wie gedenkt die Landesregierung, die Einnahmeausfälle kompensieren zu wollen?

3. Wie hoch sind die Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Kranken- und Unfallversicherung im Vergleich zu den Zuschüssen zur Kranken- und Unfallversicherung für nicht in der Landwirtschaft tätige Arbeitnehmer, Freiberufler und Selbständige in Euro und in Prozent der entsprechenden Ausgaben?

Die Anfrage des Abgeordneten Möhrmann (SPD) beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Sehr geehrter Herr Kollege Möhrmann, Ihre Anfrage versetzt mich in Erstaunen. Sie mahnen Widersprüche in der Vorgehensweise der Landesregierung an, legen aber auf Bundesebene für die dort regierenden Parteien offensichtlich andere Maßstäbe an. Wie könnte man sonst die täglich neuen Wasserstandsmeldungen über die Umsetzung gesetzgeberischer und steuerpolitischer Maßnahmen deuten? Bestes Beispiel hierfür ist die Sondersteuer für die Bezieher hoher Einkommen in Höhe von genau den 3 Prozentpunkten, die erst vor kurzem bei der Senkung des Spitzensteuersatzes um 3 v. H. entlastet worden sind.

Der niedersächsische Ministerpräsident hat dagegen von Anfang an zugesagt, die Wähler vor der Bundestagswahl über die Vorhaben einer unionsgeführten Bundesregierung zu informieren. So ist es mit dem am 10. Juli 2005 beschlossenen „Regierungsprogramm 2005 - 2009“ geschehen, das Ihnen bereits die Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt.