Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Der niedersächsische Ministerpräsident hat dagegen von Anfang an zugesagt, die Wähler vor der Bundestagswahl über die Vorhaben einer unionsgeführten Bundesregierung zu informieren. So ist es mit dem am 10. Juli 2005 beschlossenen „Regierungsprogramm 2005 - 2009“ geschehen, das Ihnen bereits die Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt.

Ganz einfache Zahlen belegen, dass sich Deutschland - gerade auch durch die Regulierungswut der Bundesregierung - in einer bedrohlichen Lage befindet:

In den letzten fünf Jahren ist der Umfang des Bundesgesetzblattes um 100 % angestiegen. Hauptverursacher dieser im Namen der Gerechtigkeit stattfindenden Regelungswut ist das deutsche Steuerrecht.

Sich durch den Dschungel deutscher Steuergesetzgebung zu schlagen, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Der Anteil der deutschsprachigen Steuerliteratur an der steuerrechtlichen Weltliteratur beträgt rund 70 %. Genau wie Ihnen stellt

sich uns allen daher unweigerlich die Frage: Müssen die Steuergesetze unwiderruflich so kompliziert sein und bleiben?

Der verfassungsrechtliche Auftrag „Steuerrecht“ ist ganz und gar nicht kompliziert: Die Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben ist so auf alle steuerpflichtigen Bürger zu verteilen, dass jeder entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seinen Beitrag leistet. Damit bleibt das Gleichheitsgebot des Artikel 3 des Grundgesetzes gewahrt. Es ist dagegen nicht Aufgabe der Steuergesetzgebung, durch Privilegierungen einzelner Gruppen die Entstehung von Steueraufkommen zu verhindern und den Finanzierungsbedarf durch entsprechend höhere Steuersätze auf die Schultern der anderen Steuerbürger abzuladen.

Wir müssen für die Zukunft das deutsche Steuerrecht wieder fit für seine ursprüngliche Aufgabe machen und den Missbrauch als reines Lenkungsmittel beenden.

Die damit einhergehende Vereinfachung und systemkonforme Ausgestaltung des Steuerrechts kommen dann allen zugute. Sie ist ein Garant für die Steuergerechtigkeit und wird für jeden Beteiligten zu einer erheblichen Erleichterung, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit führen.

Fakt ist jedoch, dass wir uns mit jedem neuen Gesetz - mit jeder neuen Verkomplizierung und jeder Änderung von Änderungen - immer weiter von dieser Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung entfernen. Wir brauchen gerade im Steuerrecht Stetigkeit und Verlässlichkeit.

Wesentlicher Bestandteil des Zukunftsprogramms Steuergesetzgebung ist darüber hinaus natürlich auch eine gesicherte Gegenfinanzierung durch Kürzung von Subventionen, Streichung von Vergünstigungen und Ausnahmetatbeständen. Wir müssen im Zusammenhang mit der Gegenfinanzierung jedoch darauf achten, dass die Gegenfinanzierungsmaßnahmen nicht ihrerseits Investitionen hemmen oder Schieflagen erzeugen. Wir müssen hier beachten, dass unsere Unternehmen europa- und weltweit im Wettbewerb stehen.

Im Länderranking des World Economic Forums von 2004/2005 findet sich das deutsche Steuersystem - in puncto Effizienz, nicht auf die Höhe des Steuersatzes bezogen - auf Platz 104 von 104 untersuchten Ländern wieder. Der Standort Deutschland hat bei der ständigen Komplizierung

verloren und die Menschen auch, da sich mittlerweile alle benachteiligt fühlen. Es muss erkannt werden: Ein Mehr an Gerechtigkeit beim Einzelnen führt zu einem Weniger an Gerechtigkeit für alle. Da die Bundesregierung hier am Zug ist, das aber offensichtlich nicht hinbekommt, bleibt uns die Zuversicht auf die zukünftige Bundesregierung. Diese Landesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles tun, was für Reformen aus einem Guss, für verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Chancen im europa- und weltweiten Wettbewerb erforderlich ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung hat ein großes Interesse an einer klaren, einfachen und von Ausnahmen freien Besteuerung. Deshalb unterstützen wir das Regierungsprogramm der Union: einfache, wettbewerbsfähige und gerechte Steuern. Deutschland ist für den internationalen Wettbewerb endlich wieder fit zu machen. Dafür ist eine Senkung der Steuersätze unabdingbar. In welcher Höhe damit im konkreten einzelnen Steuerfall auch eine Nettoentlastung verbunden werden kann, muss man bei der konkreten Umsetzung im Auge haben.

Eine Steuerentlastung „auf Pump“ ist aus Sicht der Landesregierung der falsche Weg. Wesentlicher Bestandteil des Programms ist deshalb neben Senkung des Eingangs- und Spitzensteuersatzes natürlich der Abbau von Subventionen und Ausnahmetatbeständen.

Herr Möhrmann hat hier an dieser Stelle am 23. Oktober 2002 (118. Sitzung des Niedersächsi- schen Landtags vom 23. Oktober 2002, Seite 11907) die Umsatzsteuererhöhung vehement vertreten.

Die im Regierungsprogramm der Union enthaltene Anhebung des Umsatzsteuersatzes um zwei Prozentpunkte beim Regelsteuersatz ist eine Reaktion auf die dringendsten Finanzierungsnotwendigkeiten: Absenkung des auf ein Rekordniveau angewachsenen Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes. Die Senkung der Lohnzusatzkosten ist der richtige Schritt zur Steigerung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit ein Baustein des Projektes Vorfahrt für Arbeit.

Zu 2: Sehr geehrter Herr Kollege Möhrmann, Sie haben sich am Mittwoch über die Absicht von CDU und CSU ereifert, im Falle eines Wahlsiegs die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtzu

schlägen gleichmäßig abzubauen. Heute möchte ich Ihnen anhand des Agrardiesels einmal nahe bringen, wie die Bundesregierung Subventionsabbau ohne Augenmaß betrieben und dadurch eine bestehende Schieflage noch verschärft hat.

Die nach dem Regelsteuersatz zu entrichtende Mineralölsteuer für Diesel beträgt in der Bundesrepublik seit dem 1. Januar 2003 47 Cent pro Liter. Für in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff wird die Mineralölsteuer unter bestimmten Voraussetzungen abzüglich eines Betrages von 25,6 Cent pro Liter vergütet. Mit anderen Worten: Der deutsche Landwirt zahlt für einen Liter Agrardiesel 25,6 Cent Mineralölsteuer.

Dieser Steuersatz beschert Deutschland im Vergleich mit anderen EU-Ländern immer noch den absoluten Spitzenplatz. Landwirte in anderen europäischen Ländern zahlen aktuell folgende Mineralölsteuerbeträge je Liter Agrardiesel:

Niederlande 19,7 Cent;./. 5,9 Cent;

Schweden 17,7 Cent;./. 7,9 Cent;

Italien 11,7 Cent;./. 13,9 Cent;

Österreich 9,8 Cent;./. 15,8 Cent;

Portugal 7,6 Cent;./. 18,0 Cent;

Finnland 7,0 Cent;./. 18,6 Cent;

Großbritannien 6,7 Cent;./. 18,9 Cent;

Irland 4,7 Cent;./. 20,9 Cent;

Spanien 2,4 Cent;./. 23,2 Cent;

Griechenland 2,1 Cent;./. 23,5 Cent;

Frankreich 1,7 Cent;./. 23,9 Cent;

Dänemark 0,0 Cent;./. 25,6 Cent;

Belgien 0,0 Cent;./. 25,6 Cent;

Luxemburg 0,0 Cent;./. 25,6 Cent.

Halten Sie sich das bitte vor Augen! In drei europäischen Ländern zahlen die Landwirte für Agrardiesel überhaupt keine Mineralölsteuer. Und als ob diese Wettbewerbsverzerrung nicht schon ausgereicht hätte, hat die Bundesregierung hier nochmals eingegriffen. Seit Beginn des Jahres müssen die deutschen Betriebe weitere rund 287 Millionen Euro mehr zahlen als im Vorjahr. Der Bund hat

durch das Haushaltsbegleitgesetz 2005 für die Steuervergütung bei Agrardiesel eine betriebliche Obergrenze von 10 000 l pro Kalenderjahr und außerdem für jeden Betrieb einen Selbstbehalt von 350 Euro eingeführt.

Mit diesen neuen Belastungen ist Deutschland bei einem Durchschnittswert für die gesamte Landwirtschaft von 40 Cent pro Liter angekommen - 21 bis 40 Cent mehr als in den Nachbarländern.

Über die Wettbewerbschancen deutscher Landwirte muss ich in diesem Zusammenhang wohl nichts mehr sagen.

Erschwerend kommt noch etwas anderes hinzu: Es gibt eine EU-Richtlinie, die einen Mindeststeuerbetrag für Gasöl, das für Arbeiten in der Landwirtschaft, im Gartenbau, in der Fischzucht und in der Forstwirtschaft eingesetzt wird, in Höhe von 2,1 Cent je Liter festschreibt. Wenn die Bundesregierung schon an der Steuerschraube dreht, dann hätte sie wenigstens auf europäischer Ebene eine Harmonisierung der unterschiedlichen Steuersätze erreichen müssen.

Was die Landesregierung unter Subventionsabbau versteht, habe ich bereits in der Vorbemerkung ausführlich dargelegt: Steuererhöhungen beim Agrardiesel sind nicht der Subventionsabbau, den diese Landesregierung meint, wenn sie von Gegenfinanzierung spricht. Die Landesregierung hat daher versucht, die Umsetzung der Rückführung der Vergütung für Agrardiesel zu verhindern. Die Bundesregierung wollte die Kürzung mit dem zustimmungsbedürftigen Haushaltsbegleitgesetz 2004 umsetzen. Der Bundesrat hat das Haushaltsbegleitgesetz 2004 mit den Stimmen Niedersachsens allerdings abgelehnt. Im Rahmen der Beratungen des Vermittlungsausschusses ist die Kürzung der Agrardieselvergütung aus dem Gesetz gestrichen worden.

Das hat die Bundesregierung jedoch nicht daran gehindert, die vorgenannten Regelungen dann mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 durchzusetzen. Hierbei handelte es sich allerdings um ein Einspruchsgesetz. Der Einspruch des Bundesrates ist dann durch den Bundestag zurückgewiesen worden.

Um schließlich auch diesen Teil Ihrer Frage zu beantworten: Das Aufkommen der Mineralölsteuer steht dem Bund und nicht den Ländern zu. Einnahmeausfälle sind hier - entgegen der Unterstel

lung Ihrer Anfrage - von der Landesregierung daher nicht zu kompensieren.

Zu 3: Im Jahr 2004 stellte die Bundesrepublik 216,5 Millionen Euro für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zur Verfügung. Damit sind die Bundeszuschüsse im Vergleich zu 1998 um 32 % reduziert worden. Die anhaltende Absenkung der Bundesmittel hat zwangsläufig zu Beitragserhöhungen bei den landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträgern geführt. So musste die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft NiedersachsenBremen ihre Beiträge allein für das Jahr 2004 um 14,5 % erhöhen. Falls die im Agrarhaushalt des Bundes für dieses Jahr vorgesehene globale Minderausgabe von 50 Millionen Euro greift, zeichnet sich erneut eine deutliche Beitragserhöhung ab. Auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung sind durch das Haushaltsbegleitgesetz 2005 mit der Beteiligung an der Finanzierung der Krankenversicherung der Altenteiler weitere finanzielle Belastungen hinzugetreten.

Die Gesamtausgaben der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen betrugen im Jahre 2004 insgesamt rund 111,2 Millionen Euro. Dem standen Bundesmittel in Höhe von rund 19,1 Millionen Euro gegenüber; das sind 17,1 % der Ausgaben. Die Gesamtausgaben der Landwirtschaftlichen Krankenkasse NiedersachsenBremen betrugen im Jahre 2004 rund 329,5 Millionen Euro. Dem standen Bundesmittel zur Durchführung der Altenteiler-Krankenversicherung in Höhe von 180,5 Millionen Euro gegenüber: das sind 54,8 % der Gesamtausgaben. Bezogen auf die Leistungsausgaben für die Krankenversicherung der Altenteiler machten die Bundesmittel 79,76 % aus.

Zu den nicht in der Landwirtschaft tätigen Arbeitnehmern bleibt mir nur zu sagen, dass die Krankenkassen keine Zuschüsse im vorgenannten Sinn erhalten. Die hier zur Verfügung gestellten Bundesmittel (2004 = 1 Milliarde Euro; 2005 = 2,5 Milliarden Euro; ab 2006 = 4,2 Milliarden Euro; Gegenfinanzierung durch Erhöhung der Ta- baksteuer) dienen der Abgeltung von so genannten versicherungsfremden, gesamtgesellschaftlichen Leistungen, wie z. B. dem Mutterschaftsgeld.

Anlage 2

Antwort

des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf die Frage 4 der Abg. Dorothea Steiner (GRÜNE)

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