Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Hochspannungsleitung in Osnabrück - Freileitung im Siedlungsgebiet?

RWE plant seit 1998 eine neue Hochspannungsfreileitung im Osnabrücker Stadtteil Schinkel. Betroffene Bürger und ebenso die Stadt Osnabrück fordern, dass statt der Hochspannungsfreileitung die Leitung als Erdkabel verlegt wird. Die Vorrangigkeit der Erdverlegung hatte die Stadt Osnabrück auch im Raumordnungsverfahren vertreten. Die Bezirksregierung Weser-Ems hatte das Verfahren 2000 mit der landesplanerischen Feststellung abgeschlossen. Danach widersprach die geforderte Erdverkabelung den Zielen einer sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung.

Am 18. April 2005 hat das Niedersächsische Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz darauf hingewiesen, dass die Freileitung nach wie vor mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar sei.

Bereits auf der Grundlage des geltenden Landes-Raumordnungsprogramms ist der Erdverkabelung der Vorrang zu geben, wenn sie technisch und wirtschaftlich vertretbar ist. Neuere Gutachten (Prof. Heinrich Brakelmann, Univer- sität Duisburg-Essen) belegen, dass heute Erdkabel bei 110-kV-Leitungen wirtschaftlich vertretbar sind. Deshalb sollten 110-kV-Freileitungen nicht mehr mit dem Landes-Raumordnungsprogramm vereinbar sein.

Der Niedersächsische Städtetag stellt im Juni 2005 fest, dass die Regelungen des Raumordnungsprogramms an neue Entwicklungen angepasst werden müssten. Es sei notwendig, die Pflicht zur Erdverkabelung als Ziel der Raumordnung auszugestalten. Dies hätte zur Folge, dass eine Erdverkabelung als Ziel der Raumordnung auch im Rahmen der Planfeststellung oder der Planfeststellungsverfahren durchgesetzt werden kann.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Hält sie an der oben zitierten Auffassung des ML fest? Wenn nein, wann wird dies überprüft?

2. Wann wird angesichts der neuen Forschungsergebnisse für Freileitungen kleiner als 110 kV eine Erdverkabelung im LROP verbindlich festgeschrieben?

3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die aktuellen Forschungsergebnisse in weitere Planungen einfließen zu lassen bzw. in

Planfeststellungsverfahren wie in Osnabrück zu berücksichtigen?

Die RWE Transportnetz Strom GmbH hat im März 2005 um Verlängerung der Geltungsdauer der befristeten Landesplanerischen Feststellung der Bezirksregierung Weser-Ems für die geplante 110kV-Hochspannungsfreileitung Osnabrück - Belm gebeten. In der im Jahr 2000 ergangenen landesplanerischen Feststellung hatte die Bezirksregierung Weser-Ems das Vorhaben der RWE in der Ausführung als Freileitung mit den Erfordernissen der Raumordnung für vereinbar erklärt.

Grundlage der Prüfung in einem Raumordnungsverfahren sind die Ziele, Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung. In dem geltenden Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen 1994 ist als Ziel der Raumordnung festgelegt, dass Hochspannungsfreileitungen zu verkabeln sind, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Dementsprechend war die Frage einer Erdverkabelung Prüfgegenstand in dem Raumordnungsverfahren für die 110-kV-Leitung. Sie wurde seinerzeit detailliert und umfassend unter Hinzuziehung gutachterlicher Äußerungen geprüft. Nach Abwägung der relevanten Belange wurde für die Freileitung die Vereinbarkeit mit den Erfordernissen der Raumordnung festgestellt.

Die zeitliche Befristung der Geltungsdauer einer landesplanerischen Feststellung soll eine Überprüfung der tatsächlichen Gegebenheiten ermöglichen, wenn die Bauausführung oder nachfolgende Zulassungsverfahren sich verzögern. Zum Zeitpunkt der Herausgabe der landesplanerischen Feststellung bestand noch keine Verpflichtung zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für Hochspannungsfreileitungen ab 110 kV, die mit Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes mit Wirkung vom 3. August 2001 erstmalig in Kraft getreten ist. Somit wurde für das Vorhaben die zeitaufwendige Erarbeitung umfangreicher Unterlagen für ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. Die Befristung der Geltungsdauer, wonach die landesplanerische Feststellung unwirksam wird, wenn nicht innerhalb von fünf Jahren nach ihrer Bekanntgabe mit dem Bau der Leitung begonnen wird, war deshalb zu überprüfen.

Maßgebend für die Überprüfung der Verlängerung der Geltungsdauer der landesplanerischen Feststellung sind weiterhin die Erfordernisse der Raumordnung. Neue Ziele, Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung, die dem landesplanerisch festgestellten Vorhaben entgegenste

hen, liegen nicht vor. Die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens, in dem eine umfassende Prüfung des Vorhabens stattfindet, war zum Zeitpunkt der Überprüfung der Geltungsdauer bereits absehbar, sodass die Verlängerung der Geltungsdauer der landesplanerischen Feststellung sachgerecht ist.

Das nach dem Energiewirtschaftsgesetz erforderliche Planfeststellungsverfahren wurde am 20. April 2005 von der zuständigen Planfeststellungsbehörde, der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, eingeleitet. Die öffentliche Auslegung der Unterlagen erfolgte vom 9. Mai bis zum 9. Juni 2005 in der Stadt Osnabrück und der Gemeinde Belm. Im Herbst/Winter dieses Jahres ist nach derzeitigem Stand vorgesehen, den Erörterungstermin durchzuführen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Ja.

Zu 2: Mit Bekanntmachung der allgemeinen Planungsabsichten am 13. April 2005 hat die Landesregierung die Änderung und Ergänzung des Landes-Raumordnungsprogramms eingeleitet. Dabei wurde angekündigt, die bisherigen Festlegungen zur Standort- und Trassensicherung zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern und zu ergänzen. Ein Referentenentwurf wird derzeit erarbeitet. Das förmliche Beteiligungsverfahren nach § 6 Abs. 2 NROG soll noch in diesem Jahr eingeleitet werden.

Zu 3: Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wird die Frage, ob einer Erdverkabelung der Vorzug gegenüber einer Freileitung zu geben ist, von der Planfeststellungsbehörde erneut bewertet und im Kontext mit betroffenen öffentlichen und privaten Belangen mit- und untereinander abgewogen und gewichtet werden. Insoweit ist es möglich, neue Ergebnisse von Untersuchungen zum Thema zu berücksichtigen.

Anlage 3

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 6 der Abg. Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE)

Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes gegen NPD-Gegendemonstranten weiterhin ungeklärt

Am 18. Juni 2005 fand in Braunschweig ein Aufmarsch der NPD statt, an dem 280 Personen teilnahmen. Zu Gegendemonstrationen hatten sich zum gleichen Zeitpunkt ca. 3 000 Bürgerinnen und Bürger versammelt, von denen viele mit friedlichen Sitzblockaden immer wieder versuchten, den NPD-Aufmarsch aufzuhalten. Die Polizei entschied, den NPD-Zug auf der von der NPD angemeldeten Route (wenn auch in umgekehrter Richtung) unter Anwendung von Schlagstöcken und Wasserwerfern durch die Stadt zu bringen.

Die Beobachter der Polizeiaktionen, ob Passanten, friedliche Gegendemonstranten oder anwesende Pressevertreter, haben das Vorgehen gegen die Sitzblockaden als unverhältnismäßig bewertet und zeigten kein Verständnis für einzelne Maßnahmen der Polizei. Selbst der frühere Braunschweiger Polizeipräsident, Horst Udo Ahlers, der 2003 den NPD-Aufmarsch stoppte, nachdem er wegen der Überzahl an Gegendemonstranten einen Notstand feststellte, zeigte kein Verständnis für das Vorgehen der Polizei. In der Braunschweiger Zeitung vom 20. Juni 2005 wird er mit den Worten zitiert: „Es ist für mich unvorstellbar, dass für die braunen Gesinnungsgenossen Wasserwerfer eingesetzt werden müssen, um den Durchzug zu ermöglichen.“ Auf öffentliche Empörung stieß auch, dass nach der Auflösung der Sitzblockade in der Langen Straße am Hagenmarkt über 250 Bürgerinnen und Bürger, darunter viele unbeteiligte Passanten, Alte und Kinder, zweieinhalb Stunden lang festgehalten wurden.

Aufgrund der öffentlichen Proteste fand am 22. Juni eine Unterrichtung des Innenministers über das Demonstrationsgeschehen im Ausschuss für Inneres und Sport statt. Die Schilderung der Vorgänge im Ausschuss ist dabei in wesentlichen Punkten nicht in Deckung zu bringen mit Schilderungen von Beteiligten vor Ort.

Im Ausschuss meinte ein CDU-Abgeordneter, es habe nach Auskunft des Innenministers keine Sachbeschädigungen und keine Personenschäden gegeben. Das sei auf das umsichtige Verhalten der Polizeikräfte zurückzuführen. Auf einer Veranstaltung des DGB vom 5. Juli 2005 in Braunschweig berichteten allerdings eine Vielzahl von Personen von selbst erlittenen oder bei Dritten beobachteten Verletzungen infolge des Polizeieinsatzes.

Polizeipräsident Döring sagte in der Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport, es sei kein Einsatzmehrzweckstock eingesetzt worden, weil man wisse, welche Gefahren der Einsatz dieses Stockes in sich berge. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gegendemonstration berichten aber sehr wohl von Einsätzen mit Schlagstöcken. Der Polizeisprecher Thomas Geese, der auf dem Podium an einem Streitgespräch der Braunschweiger Zeitung am 23. Juni 2005 teilnahm, wird in der Braunschweiger Zeitung vom 24. Juni 2005 mit den Worten wiedergegeben, „Prellungen durch den Einsatz von

Schlagstöcken seien indes nicht auszuschließen“.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist der Schlagstockeinsatz bei Sitzblockaden ein übliches polizeiliches Einsatzmittel, bzw. rechtfertigt die Landesregierung das Vorgehen der Polizei mit Schlagstöcken gegen eine Sitzblockade in der Langen Straße, obwohl ausweislich einer Aussage des Polizeisprechers Thomas Geese bis zum Beginn des Auflösens der Sitzblockade vonseiten der Gegendemonstranten keine Gewalt angewendet wurde (so von Herrn Geese berichtet bei o. g. Stadtgespräch der Braunschweiger Zeitung am 23. Juni 2005)?

2. Hält die Landesregierung die einschließende Ingewahrsamnahme von 250 bis 400 Personen, darunter viele unbeteiligte Passanten, über einen Zeitraum von zweieinhalb Stunden für verhältnismäßig, obwohl der Demonstrationszug der NPD den Hagenmarkt bereits nach kurzer Zeit passiert hatte?

3. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus den Vorkommnissen in Braunschweig für zukünftige NPD-Aufmärsche und die damit einhergehenden Gegendemonstrationen angesichts der Tatsache, dass das vorhandene Polizeiaufgebot ob der Vielzahl von friedlichen Gegendemonstranten nicht in der Lage war, die Gesamtstrecke der Demonstrationsroute von insgesamt 6 km Länge von Sitzblockaden frei zu halten?

Über den Polizeieinsatz am 18. Juni 2005 in Braunschweig, der dieser Mündlichen Anfrage zugrunde liegt, habe ich den Ausschuss für Inneres und Sport am 22. Juni unterrichtet. Dabei habe ich auch die versammlungsbehördlichen Maßnahmen, die dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen sowie die polizeiliche Einsatzvorbereitung, die Einsatzleitlinien und den Einsatzverlauf dargestellt. Da Darstellungen in der vorliegenden Mündlichen Anfrage nicht in jeder Hinsicht den Tatsachen entsprechen, muss ich noch einmal auf Grundlage der Berichterstattung der Polizeidirektion Braunschweig einige grundsätzliche Ausführungen machen, bevor ich auf die Einzelfragen eingehe.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 meldete der Landesverband Niedersachsen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bei der Stadt Braunschweig als zuständiger Versammlungsbehörde eine Demonstration in Braunschweig für den 18. Juni 2005 in der Zeit von 12:00 bis 19:00 Uhr unter dem Motto „Sozialabbau, Rentenklau, Korruption - Nicht mit uns!“ an.

Die Aufzugsroute sollte, vom Hauptbahnhof startend, den Innenstadtkernbereich umrunden, um wieder am Bahnhof zu enden. Dabei waren drei Kundgebungen von jeweils einer Stunde vorgesehen. Als Versammlungsleiter wurde Herr Adolf Dammann, stellvertretender Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Niedersachsen benannt. Die NPD ging von ca. 300 Teilnehmern aus.

Am 6. April fand ein erstes versammlungsrechtlich gebotenes Kooperationsgespräch statt, an dem Vertreter der NPD, der Stadt Braunschweig und der Polizeidirektion teilnahmen. Bei einem weiteren Kooperationsgespräch am 17. Mai wurden die vorgesehen Auflagen einschließlich der endgültigen Streckenfestlegung besprochen, wobei keine Einigung erzielt werden konnte.

Durch Verfügung der Stadt Braunschweig vom 23. Mai wurden der NPD zur Durchführung der Demonstration 20 zum Teil sehr weitgehende Auflagen erteilt und darin u. a. die angemeldete Strecke verkürzt und erheblich verlagert. Die NPD hat dagegen den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Im Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Beschluss vom 10. Juni mehrere der erteilten Auflagen als unverhältnismäßig aufgehoben bzw. modifiziert:

Die Auflage zur Streckenführung wurde aufgehoben, sodass es bei der angemeldeten Strecke blieb, allerdings wurde ein Mindesttempo von 3 km/h verfügt.

Die Beschränkung auf eine Kundgebung von 15 Minuten Dauer wurde aufgehoben und statt dessen drei Kundgebungen von insgesamt 90 Minuten gestattet; angemeldet waren drei Kundgebungen zu insgesamt drei Stunden.

Die zeitliche Beschränkung der Demonstration auf die Zeit von 12 bis 15 Uhr wurde aufgehoben.

Die Auflage zur Ordnerzahl - ein Ordner auf zehn Teilnehmer - wurde aufgehoben, sodass es wie angemeldet bei einem Ordner je 30 Teilnehmer blieb.

Das Verbot rechtsextremer Musik wurde als zu unbestimmt aufgehoben.

Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht Braunschweig u. a. formuliert, dass die Polizei gehalten sei, „ein hinreichend starkes Aufgebot an Polizeipersonal und -mitteln bereitzuhalten, um die

Durchführung der geplanten NPD-Demonstration zu sichern“. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Stadt wies das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 15. Juni zurück und hat darauf hingewiesen, „dass das etwaige Ziel von Gegendemonstranten, die Demonstration der NPD zu verhindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt ist. Da die NPD nicht verboten ist, steht auch ihr das Grundrecht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit zu, solange sie sich bei einer Demonstration im Rahmen der Gesetze hält.“

Dieses war die rechtliche Ausgangslage für die Polizei. In der polizeilichen Einsatzplanung ging es daher darum, für die NPD die Wahrnehmung ihres Demonstrationsrechtes auf der vorgesehenen Strecke zu sichern und insoweit die Vorgaben der Gerichte zu beachten.

Dass sich die in diesem Zusammenhang zu treffenden Maßnahmen nicht gegen Gegendemonstranten richteten, die sich im Rahmen des Versammlungsrechts und des Artikels 8 des Grundgesetzes bewegen, ist selbstverständlich.

Für jeden Demokraten ist es eine schwer erträgliche Provokation, wenn die NPD und ihre Gesinnungsgenossen auf unseren Straßen demonstrieren und ihr Gedankengut in der Öffentlichkeit zu verbreiten suchen.

Dass das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, ist sehr bedauerlich und bereitet uns jetzt viele Probleme. Als nicht verbotene Partei kann sich die NPD jedoch in vollem Umfang auf das Parteienprivileg und auf die Versammlungsfreiheit berufen, und sie kann auch verlangen, dass diese Rechte durch den Staat geschützt werden.

Dieser Auftrag stößt an Grenzen, wenn eine NPDDemonstration nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme schwerer Auseinandersetzungen zu schützen wäre. 2003 war in Braunschweig eine solche Situation entstanden, und das Verwaltungsgericht hat den so genannten polizeilichen Notstand, der die erzwungene Umkehr der NPD-Demonstration rechtfertigte, in erster Instanz auch bestätigt. Diese Situation konnte sich in diesem Jahr aber schon deshalb nicht wiederholen, weil die Polizei jetzt über die Erfahrungen aus 2003 verfügte und sich - vor allem durch eine andere Kräfteplanung - darauf vorbereiten konnte und nach den Vorgaben der von mir soeben zitierten Gerichtsentscheidungen auch musste.