Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Dieser Auftrag stößt an Grenzen, wenn eine NPDDemonstration nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme schwerer Auseinandersetzungen zu schützen wäre. 2003 war in Braunschweig eine solche Situation entstanden, und das Verwaltungsgericht hat den so genannten polizeilichen Notstand, der die erzwungene Umkehr der NPD-Demonstration rechtfertigte, in erster Instanz auch bestätigt. Diese Situation konnte sich in diesem Jahr aber schon deshalb nicht wiederholen, weil die Polizei jetzt über die Erfahrungen aus 2003 verfügte und sich - vor allem durch eine andere Kräfteplanung - darauf vorbereiten konnte und nach den Vorgaben der von mir soeben zitierten Gerichtsentscheidungen auch musste.

Daran ändert auch nichts die von der Fragestellerin zitierte Äußerung des ehemaligen Polizeipräsidenten von Braunschweig, die Polizei habe „Wasserwerfer für braune Gesinnungsgenossen“ eingesetzt. Abgesehen davon, dass derartige Bewertungen immer eine unmittelbare Kenntnis der Lagesituation vor Ort voraussetzen, sind nach dem Bericht der einsatzführenden Behörde die Wasserwerfer ausschließlich zum Schutz der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eingesetzt worden, die bei der Ausübung ihrer rechtlichen Pflicht von blockierenden Gegendemonstranten mit Flaschen und anderen Wurfgegenständen angegriffen worden sind.

Es kann doch nicht allen Ernstes erwartet werden, dass sich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte von Straftätern mit Steinen, Flaschen und anderen Wurfgegenständen bewerfen lassen und hierdurch ihre Gesundheit riskieren, ohne die ihnen zu Gebote stehenden Mittel einzusetzen, solche Angriffe zu unterbinden.

Sowohl der Wasserwerfer als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt als auch der Schlagstock als Waffe sind nach den mir vorliegenden Berichten der Polizeidirektion Braunschweig ausschließlich zur Abwehr tätlicher Angriffe eingesetzt worden und nicht etwa zur Räumung von Sitzblockaden.

Der Wasserwerfereinsatz war erforderlich im Bereich Lange Straße. Dort hatten in Höhe Alte Waage ab 14:10 Uhr zunächst ca. 200 Personen die Straße blockiert. Durch ständigen Zulauf wuchs die Gruppe später auf 400 bis 500 Personen an. Vom Einsatzleiter der Räumkräfte vor Ort wurde bei der Gesamteinsatzleiterin vorsorglich um 14:11 Uhr Wasserwerferunterstützung angefordert, um diese im Rückraum der Polizeikette für die Demonstranten sichtbar bereitstellen zu können. Die Unterstellung erfolgt mit der Maßgabe, die Wasserwerfer nur in Notwehrsituationen (z. B. Bewurf) einzusetzen.

Ab 14:47 Uhr erfolgten über Lautsprecher drei Aufforderungen zur Räumung der Blockade, die Anwendung von Zwangsmitteln wurde angedroht. Als die Polizeikräfte nach der dritten Räumungsaufforderung vorrückten, wurden sie mit Flaschen und anderen harten Gegenständen beworfen. Militante Störer in den vorderen Reihen griffen mit Tritten und Schlägen Polizeibeamte an. Diese machten ihrerseits vom Einsatzmehrzweckstock zur Abwehr und Verhinderung dieser Angriffe Gebrauch. In dieser Situation gab der Einsatzleiter

vor Ort den Wasserwerfereinsatz frei. Die Anordnung hierzu hatte er vorher dem Wasserwerferkommandanten in folgenden Wortlaut gegeben: „Wasserwerfereinsatz ausschließlich, aber sofort und ohne weitere Anordnung bei Gewalttätigkeiten, besonders Bewurf und damit verbundener Gefährdung von Polizeikräften und nur gezielt auf erkannte Störergruppen.“

Im weiteren Verlauf kam es bei den direkt folgenden Räumungsmaßnahmen, bis zur Einmündung der Straße Höhe, zu drei weiteren Blockaden mit Bewurf gegen die Einsatzkräfte und zu drei weiteren Wasserwerfereinsätzen, die wiederum gezielt und kurzfristig gegen erkannte Störer zur Abwehr tätlicher Angriffe gerichtet wurden.

Um die Bildung immer weiterer Blockaden wirkungsvoll zu unterbinden und unter Berücksichtigung, dass im weiteren Verlauf der Aufzugsroute am Bohlweg eine Großbaustelle ein großes Reservoir an Wurfgegenständen bot, entschloss sich der Einsatzleiter „Streckenschutz“ zu der einschließenden Ingewahrsamnahme am Hagenmarkt, die mit der Gesamteinsatzleiterin abgesprochen wurde.

Im Zusammenhang mit der Einsatzdurchführung ist bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen verantwortliche Polizeiführer sowie den Polizeipräsidenten wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung im Amt ein Ermittlungsverfahren anhängig, sodass weitere Ausführungen und eine abschließende Bewertung durch die Niedersächsische Landesregierung derzeit nicht möglich sind.

Im Übrigen habe ich mich im Ausschuss für Inneres und Sport selbst zu Personen- und Sachschäden geäußert. In meiner vorläufigen Bewertung habe ich gesagt: „Die Polizeiführerin und alle Einsatzkräfte haben das ihnen Mögliche geleistet und im Ergebnis dafür gesorgt, dass Personenund Sachschäden von Bedeutung eben nicht zu verzeichnen waren“.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Zu 1: Auch NPD-Gegner können sich, wenn sie ihre Ablehnung in Demonstrationen kundtun, auf die Versammlungsfreiheit berufen. Die Versammlungsfreiheit endet aber dort, wo es Gegnern darum geht, die abgelehnte Demonstration physisch zu verhindern. Sitzblockaden mit dem Ziel, andere Bürger an einer Demonstration zu hindern, sind

von der Versammlungsfreiheit ebenso wenig gedeckt wie gewalttätige Angriffe auf andere Demonstranten oder auf Polizisten. Ich wiederhole insoweit die von mir bereits zitierten Beschlüsse des OVG Lüneburg und des VG Braunschweig, wonach das etwaige Ziel von Gegendemonstranten, die Demonstration der NPD zu verhindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt ist und die Polizei ein hinreichend starkes Aufgebot an Polizeipersonal und –mitteln bereitzuhalten hat, um die Durchführung der geplanten NPD-Demonstration zu sichern.

Es sind eindeutig die Sitzblockierer und sonstigen Gegenaktivisten, die im polizeirechtlichen Sinne Störer sind und gegen die sich daher die Maßnahmen der Polizei in erster Linie richten müssen. Welche Mittel dabei angemessen sind, hängt ganz von dem jeweiligen Einzelfall, von den Umständen und vom Verhalten der Störer ab. Leider, und so war es auch bei der Blockade in der Langen Straße, verhalten sich die Teilnehmer von Blockadeaktionen gegenüber den Einsatzkräften eben nicht immer friedlich und gewaltlos. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

Zu 2: Der Niedersächsischen Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die die Unverhältnismäßigkeit der einschließenden Ingewahrsamnahme am Hagenmarkt belegen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

Zu 3: Der Versammlungsfreiheit kommt in unserer pluralistischen Demokratie eine überragende Bedeutung zu, daher ist die Absicherung von Demonstrationen für die Polizei eine rechtlich gebotene Aufgabe für die je nach Demonstrationslage ein hoher Aufwand in Kauf genommen werden muss. Dabei ist der Aufwand für die Polizei dann besonders groß, wenn sich Gegendemonstranten rechtswidrig verhalten. Auch in Zukunft wird es darum gehen, im Umgang mit NPD-Demonstrationen die Einsätze so zu planen und zu gestalten, dass der Versammlungsfreiheit von Demonstranten und Gegendemonstranten mit ihrem besonderen Gewicht für unsere Demokratie Rechnung getragen wird. Von daher kann es auch nicht Ziel der polizeilichen Maßnahmen sein, bei NPD-Demonstrationen die gesamte vorgesehene Aufzugsroute für die Gesamtdauer der Veranstaltung freizuhalten. Vielmehr muss hier ein abgestuftes und lageabhängiges Sperr- und gegebenenfalls Räumkonzept zur Anwendung kommen.

Anlage 4

Antwort

der Staatskanzlei auf die Frage 7 des Abg. Jacques Voigtländer (SPD)

Der Ministerpräsident zwischen WasabiScampi, Schampus und Promis

Die BILD-Zeitung berichtet am 9. Juli 2005 ausführlich aus der Berliner Party-Szene. Dort ist zu lesen: „Das beste, weil intimste Fest: Filmunternehmer David Gronewoeld (32, u. a. ,German Film Productions’) lud 140 VIPs in den exklusiven ,China-Club’ zu Ehren von Niedersachsens Ministerpräsident Dr. Christian Wulff (46, CDU). Wulff zwischen Wasabi-Scampi & Schampus...“.

Der Ministerpräsident wird zitiert: „Kino ist kulturelle Bereicherung. Es muss doch möglich sein, dass so viel Geld in Filme fließt, wie es in Frankreich längst selbstverständlich ist.“ BILD weiter: „Tosender Applaus. Als die Hände nicht mehr klatschten, suchten sie neue Ziele.“ In einigen Ausgaben ist neben dem Bericht ein gelöst dreinschauender Ministerpräsident zu sehen. Eine blonde, weibliche Person schmiegt sich an seine Schulter. Die Bildunterschrift lautet: „Niedersachsens Ministerpräsident Dr. Christian Wulff (46) und der sexy, frisch erblondete TV-Star Naike Revelli (30) im ,ChinaClub’.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat sich der Ministerpräsident auf der Wasabi-Scampi & Schampus-Party in Berlin nur gut amüsiert, oder ist es ihm gelungen, auch Kontakte im Interesse der niedersächsischen Filmwirtschaft zu knüpfen, stand also ausschließlich die landesväterliche Pflichterfüllung im Vordergrund?

2. Wie viel öffentliches Geld

a) fließt in Frankreich in die öffentliche Filmförderung,

b) floss durch die Filmförderung des Bundes jeweils in den Jahren 2000 bis 2004,

c) und wie viel Geld ist in den Jahren 2000 bis 2004 (nach Jahren aufgeschlüsselt) in Form von Landesmitteln und NDR-Mitteln in die niedersächsische Filmförderung geflossen?

3. Ist die Aussage des Ministerpräsidenten auf der Wasabi-Scampi & Schampus-Party so zu verstehen, dass in Niedersachsen zukünftig deutlich mehr Geld in Filme fließt, oder wollte der Ministerpräsident sich gegenüber seinem Gastgeber David Groenewoeld nur erkenntlich zeigen und mit seiner Äußerung die Stimmung auf der Party ein wenig anheizen?

Im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung besucht der Ministerpräsident Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art, um für den Standort Niedersachsen zu werben und das Land voranzubringen - unabhängig davon, ob er eine solche Veranstaltung amüsant findet.

Der zu der Veranstaltung am 7. Juli einladende Unternehmer verfügt über sehr gute Verbindungen in die Film- und Medienbranche und engagiert sich als Gründer und Geschäftsführer der Medienbeteiligungsgesellschaft Promedium und des Medienfonds German Film Productions (GFP). Der GFP investiert ausschließlich in deutsche Filmproduktionen, so beispielsweise auch in die Produktion des von der nordmedia unterstützten, hauptsächlich in Niedersachsen produzierten und mehrfach preisgekrönten Films „Wunder von Lengede“. Den Betreibern von Medienfonds ist es im vergangenen Jahr gelungen, rund 1,5 Milliarden Euro von privaten Anlegern in Deutschland einzuwerben. Die Landesregierung setzt sich daher für klare Regelungen ein, die Investoren Anreize bieten, Privatkapital zielgerichtet in deutsche Produktionen zu lenken. Die Medienwirtschaft ist eine deutsche Zukunftsbranche. Hiervon würde auch Niedersachsen profitieren.

Der Ministerpräsident hat in seiner Ansprache an die Empfangsteilnehmer darauf hingewiesen, dass die Politik dabei nicht in der komfortablen Situation sei, Subventionen zu versprechen. Mit Blick auf Frankreich hat der Ministerpräsident deutlich gemacht, dass er es bewundere, dass dort sehr viel mehr privates Kapital für den heimischen Film eingeworben werde. Stärker als in Deutschland würden auch Finanzierungsinstrumente wie Darlehen und Bürgschaften eingesetzt. Die Finanzwirtschaft sei aufgerufen, in Filmprojekten nicht nur Risiken, sondern auch Chancen zu sehen und Personal mit branchenspezifischen Kenntnissen vorzuhalten. Die Landesregierung wünscht sich daher einen konstruktiven Dialog mit den Kreditinstituten, um Instrumente wie Landesbürgschaften optimal zum Nutzen der Filmwirtschaft einzusetzen. Diese Aussagen wurden in mehreren Zeitungen richtig wieder gegeben. Blickpunkt Film (29/05) berichtet beispielsweise: „Internationaler kann ein Abend kaum sein. Ein Trend aus den USA, zelebriert im ‚China Club‘ in Berlin. Im Mittelpunkt: Ein Spitzenpolitiker, dem Schauspieler und Filmmanager mit ihrem Besuch Sympathie bekunden. Was in Hollywood seit Jahrzehnten üblich ist, war für den Produzenten David Groenewold (GFP Medienfonds/Promedium) eine spannende Premiere.“… „Wulff war bestens

vorbereitet, seine Tischrede war gespickt mir berühmten Filmzitaten, und seine politischen Forderungen für eine noch breitere Unterstützung des deutschen Films fanden ausnahmslos Zustimmung. Privates Kapital ja, aber bitte für deutsche Produktionen und nicht für Hollywood. Gastgeber David Groenewold wird dies für seinen GFP Medienfonds wohl vernommen haben, denn er produziert ausschließlich deutsche Filme (u. a. ‚Der Wix- xer‘) und erfreut sich unter Regisseuren, Schauspielern und Produzenten höchster Sympathie. Mit dem Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner, MME-Chef Martin Hoffmann und Thomas Weymar (Telepool) nutzten auch die Managergrößen diesen kurzweiligen Abend zum Dialog. Fazit Media meets Politik.“

Der Ministerpräsident hat die Gelegenheit auch genutzt, auf die von der nordmedia erarbeitete DVD über den Medienstandort Niedersachsen hinzuweisen. Hier werden verschiedene unverbrauchte Motive für Filme und der Service für Produzenten, der in Niedersachsen geboten wird, vorstellt. Denn nur wenn die Vorzüge der „Location Niedersachsen“ unter den Produzenten bekannt sind, können sie sich für Niedersachsen als Produktionsort entscheiden.

Die vielen Gespräche, die der Ministerpräsident bei dem Empfang im Interesse des Landes Niedersachsen geführt hat, haben zu ersten positiven Rückläufen mit der Aussicht auf mögliche Projektanbahnungen und Arbeitsplatzansiedlungen in Niedersachsen geführt. Ein Produktionsunternehmen denkt beispielsweise darüber nach, die Produktion einer bereits vertraglich gesicherten Telenovela vollständig in Studios in Hannover durchzuführen. Dies wäre ein weiterer Baustein auf dem Weg zu dem von der Landesregierung angestrebten Ausbau des Medienstandortes Niedersachsen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Dem Ministerpräsidenten ist es in hervorragender Weise gelungen, Kontakte im Interesse der niedersächsischen Film- und Medienwirtschaft zu knüpfen.

Zu 2 a: Die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle listet in Ihrer Datenbank KORDA die Fördereinrichtungen bzw. -programme der europäischen Länder auf. Die Addition der Volumina der französischen Institute ergibt für das Jahr 2004 staatliche Mittel für die Filmförderung in Höhe von

521 212 339 Euro. Der Löwenanteil (473 958 000 Euro) dieser Summe wird über die Abgaben der Medien-Unternehmen finanziert.

Zu 2 b: Der Bund stellte in den Jahren 2000 bis 2004 Mittel für die Filmförderung wie folgt zur Verfügung:

2000 2001 2002 2003 2004

Filmförderungsanstalt

121 940 000 Euro 62 480 000 Euro 68 940 000 Euro 76 470 000 Euro 86 070 000 Euro

Bundesbeauftragte für Kultur und Medien

26 600 000 Euro 16 390 000 Euro 22 400 000 Euro 23 130 000 Euro 28 970 000 Euro

Zu 2 c: Im Jahr 2000 wurden

a) 3 870 000 DM an Landesmitteln und

b) 1 150 000 DM aus Mitteln des NDR

im Rahmen der früheren niedersächsischen Filmförderung vergeben.

Seit dem Jahr 2001 wird die Filmförderung in Niedersachsen über die Mediengesellschaft der Länder Niedersachsen und Bremen abgewickelt. Zum Mittelaufkommen der Gesellschaft trugen NDR und Land Niedersachsen wie folgt bei: