Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Zu den Vorschlägen ist in allen Ländern die gerichtliche Praxis beteiligt worden. Eine umfassende Einbindung der Gerichte ist wegen der Tragweite der vorgeschlagenen Rechtsänderungen unerlässlich. Sie stellt sicher, dass die zu erarbeitenden Regelungen sachgerecht und praktikabel sind. Welche unerwünschten Folgen übereilte Änderungen des sensiblen Bereichs der Prozesskostenhilfe haben können, haben die am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Änderungen des § 115 der Zivilprozessordnung gezeigt. Die Bundesregierung hatte die im Zuge der Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vorgeschlagenen Änderungen der Zivilprozessordnung in ihrem Regierungsentwurf lapidar als „redaktionelle Anpassungen“ bezeichnet (Bundestags-Drucksache 15/1514 S. 75) , ohne zu bemerken, dass dadurch der Kreis der Prozesskostenhilfeberechtigten in unvertretbarer Weise ausgeweitet wurde, wie selbst Bundesjustizministerin Zypries am 25. Februar 2005 vor dem Deutschen Bundestag einräumen musste (Plenarprotokoll 15/161 S. 15089 li. Sp.). Auf Drängen der Länder hat der Bundestag daher zum 1. April 2005 eine erneute Gesetzesän

derung zur Korrektur des § 115 der Zivilprozessordnung beschlossen, die den früheren Rechtszustand weitgehend wieder herstellt (Artikel 1 Nr. 2 a des Justizkommunikationsgesetzes vom 22. März 2005, BGBl. I S. 837).

Der Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist auch der 76. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 29. bis 30. Juni 2005 vorgelegt worden. Diese hat ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung folgenden Beschluss gefasst:

„Die Justizministerinnen und Justizminister nehmen den Zwischenbericht über die ‚Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe‘ zur Kenntnis. Sie begrüßen die Absicht der Länder Niedersachsen und Baden-Württemberg, gemeinsam mit den übrigen Ländern und unter Einbeziehung des Bundesministeriums der Justiz auf der Grundlage des Zwischenberichts und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Praxisbeteiligung einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der im Herbst dieses Jahres mit möglichst breiter Ländermehrheit vom Bundesrat eingebracht werden soll. Sie halten es für erforderlich, die Einführung einer Mindestbeteiligung bedürftiger Parteien an den Kosten des Rechtsstreits erneut zu prüfen.“

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist derzeit damit befasst, die Stellungnahmen der gerichtlichen Praxis auszuwerten und die Frage einer Mindestbeteiligung vertieft zu prüfen. Sie wird ihre Arbeiten mit der Vorlage eines Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Prozesskostenhilfe im Herbst dieses Jahres abschließen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Zu 1: Es besteht keine im Justizministerium eingerichtete Arbeitsgruppe, sondern eine Bund-LänderArbeitsgruppe, in der Vertreter der Landesjustizverwaltungen und des Bundesministeriums der Justiz mitarbeiten. Ihr Arbeitsauftrag zielt auf die Erarbeitung von Vorschlägen, die zu einer Begrenzung der Ausgaben für die Prozesskostenhilfe beitragen können. Die von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Änderungen des Rechts der Prozesskostenhilfe sind oben skizziert.

Zu 2: Die Landesregierung wird erst nach Vorlage des von der Arbeitsgruppe zu erarbeitenden Referentenentwurfs entscheiden, welche Rechtsänderungen sie im Wege einer Gesetzesinitiative des Bundesrates vorschlagen wird.

Zu 3: Auf die Antwort auf Frage 2 wird verwiesen. Welche rechtlichen Argumente für oder gegen die Einführung einer Mindestbeteiligung im Bereich der Prozesskostenhilfe sprechen, wird gegenwärtig von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Auftrag der Justizministerkonferenz geprüft. Die Frage gibt der Landesregierung keinen Anlass, der Prüfung vorzugreifen.

Anlage 23

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 26 des Abg. Klaus-Peter Bachmann (SPD)

Wer hat eigentlich das modernste und effektivste Polizeigesetz?

Anlässlich der mit den Stimmen von CDU und FDP im Dezember 2003 beschlossenen Änderung des niedersächsischen Polizeigesetzes sprach der CDU-Innenminister davon, Niedersachsen habe nunmehr das „bundesweit modernste und effektivste Polizeigesetz“. Doch nicht nur in Niedersachsen wurde das Polizeigesetz überarbeitet: Am 15. Dezember 2004 gab der hessische CDU-Innenminister seiner Überzeugung Ausdruck, dass jetzt Hessen über das modernste Polizeigesetz aller Länder verfüge. Auch aus Hamburg wird vermeldet, dass die dortige CDU das modernste Polizeigesetz Deutschlands schaffen wolle.

Angesichts dieses offensichtlichen Modernitätswettbewerbs in den CDU-regierten Ländern sind viele Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen verunsichert. Sie fragen sich, ob die Behauptung aus dem Jahr 2003, Niedersachsen habe das bundesweit modernste und effektivste Polizeigesetz, nach wie vor zutreffend ist, zumal das Gesetz zwischenzeitlich vom Bundesverfassungsgericht in Teilen für nichtig erklärt worden ist.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Nach welchen konkreten Kriterien bemisst sich nach Auffassung der Landesregierung die Modernität eines Polizeigesetzes?

2. Nach welchen konkreten Kriterien bemisst sich nach Auffassung der Landesregierung die Effektivität eines Polizeigesetzes?

3. Welchen Rang nimmt das Niedersächsische „Gesetz über die öffentliche Sicherheit um Ordnung“ bei Betrachtung der Kriterien „Modernität“

und „Effektivität“ im Ländervergleich heute ein, und welche Auswirkungen hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 auf diesen Rang?

Vorbemerkung:

Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung bietet der Polizei auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 hervorragende Eingriffsbefugnisse, ihre Aufgabe der Gefahrenabwehr für unsere Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen wirkungsvoll erledigen zu können. Die Landesregierung wird auch zukünftig keine Möglichkeit ungeprüft lassen, das gesetzliche Instrumentarium für die Polizei fortzuentwickeln, sich insofern auch den technischen Neuerungen nicht verschließen und damit stets für die effektivste Aufgabenerledigung durch die Polizei Sorge tragen.

In diesem Sinne bedeutet modern, dass etwas zeitgemäß ist, dem neuesten Stand der gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Entwicklung entspricht und sich damit im Gegensatz zum Veralteten befindet. Effektiv bedeutet, dass wirkungsvoll ist, was das vorgegebene Ziel unter Einsatz der geeigneten Mittel erreicht.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Frage des Abgeordneten namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1 bis 3: Siehe Vorbemerkung.

Anlage 24

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 27 der Abg. Sigrid Leuschner (SPD)

Welche Bedeutung hat der Satz „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ für die Landesregierung?

„Wer nichts zu verbergen hat, kann auch nicht gegen eine Überwachung mit Videokameras sein.“ Mit diesen Worten wird der Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland/Wittmund in der Wilhelmshavener Zeitung vom 6. August 2005 zitiert. Der örtliche CDU-Bundestagskandidat stimmte ausweislich des zitierten Presseberichts dieser Sichtweise ausdrücklich zu und lässt sich mit den Worten „Sie laufen bei mir offene Türen ein“ zitieren.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche konkreten Erweiterungen der bereits gemäß § 32 Abs. 3 Nds. SOG zulässigen Vi

deoüberwachung plant sie, und welche Einschränkungen hält sie aus datenschutzrechtlicher Sicht für erforderlich?

2. Wie bewertet sie die Aussage, dass derjenige, der nichts zu verbergen habe, auch nicht gegen eine Überwachung sein könne?

3. Mit welchen konkreten Maßnahmen will sie dem Motto „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehungsdelikten und Wirtschaftskriminalität, die einen gigantischen volkswirtschaftlichen Schaden zur Folge haben, Geltung verschaffen?

Die Frage der Abgeordneten beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung plant keine rechtliche Erweiterung der bereits nach § 32 Abs. 3 Nds. SOG zulässigen Videoüberwachung. Insofern stellt sich die damit verbundene Frage nach der Erforderlichkeit von Einschränkungen aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht.

Zu 2 und 3: Die Landesregierung enthält sich der Bewertung einer Aussage, die nach Darstellung in der Presse der Leiter einer Polizeiinspektion getroffen haben soll.

Anlage 25

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 28 des Abg. Ralf Briese (GRÜNE)

Warum erfolgte keine Routenänderung der NPD-Demonstration am 3. September in Oldenburg?

Am Samstag, dem 3. September 2005, hat eine rechtsradikale Minidemonstration in der Stadt Oldenburg stattgefunden. Etwa 70 Rechtsextreme haben die Huntestadt zur Verbreitung rechtsradikaler Propaganda heimgesucht.

Ein hohes Polizeiaufgebot von 3 000 Polizisten hat für diese Demonstration über mehrere Stunden fast die komplette Innenstadt eingekesselt. Mehrere tausend Menschen wurden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, Arbeitnehmer kamen nicht rechtzeitig zu ihren Arbeitsorten, verstörte Renterinnen konnten nicht mehr zu ihren Wohnungen oder mussten kilometerlange Umwege in Kauf nehmen, Autofahrer blieben in Parkhäusern stecken, und nicht zuletzt mussten Geschäftsleute hohe Umsatzeinbußen hinnehmen. Viele Menschen waren verärgert über die beträchtlichen Bewegungseinbußen.

Die Demonstrationsfreiheit ist im liberalen Rechtsstaat ein Grundrecht und gilt natürlich

auch für Minderheiten. Es stellt sich aber die Frage, ob es verhältnismäßig ist, fast die komplette Innenstadt eines regionalen Oberzentrums über mehrere Stunden einzukesseln und damit auch Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit von vielen Bürgerinnen und Bürgern stark einzuschränken, damit Rechtsradikale ihre Propaganda an exponierten Orten verbreiten können. Eine Änderung der Demonstrationsroute der Rechtsextremen wäre daher angebracht gewesen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum wurde die Demonstrationsroute der NPD nicht geändert und mit entsprechenden Auflagen versehen?

2. Ist es verhältnismäßig, für 70 Rechtsextreme die Oldenburger Innenstadt durch ein hohes Polizeiaufgebot mehrere Stunden abzuriegeln und somit Freiheitsrechte anderer Bürgerinnen und Bürger stark zu beschränken?

3. Welche Kosten hat der Polizeieinsatz in Oldenburg für das Land Niedersachsen hervorgerufen?

Vorbemerkung: