Sie haben sich dann hingestellt und wollten mir erklären, dass die Steuererhöhung kein Problem sei, da sie der Endverbraucher tragen müsse. Meine Damen und Herren, wenn ich Finanzexperte bin, muss ich mich auch an diesem Punkt im System bewegen und darf nicht Krokodilstränen vergießen. Sie haben damals sogar noch die Mehrwertsteuererhöhung verteidigt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind nicht bereit, so etwas zu akzeptieren. Ich lese vor, was Herr Möllring Herrn Möhrmann heute geantwortet hat:
„Herr Möhrmann hat hier an dieser Stelle am 23.10.2002 (118. Sitzung des Niedersächsischen Landtags vom 23.10.2002, Seite 11907) die Umsatzsteuererhöhung vehement vertreten.“
Ich stelle hier fest: Herr Möllring hat wissentlich die Unwahrheit gegenüber einem Abgeordneten dieses Parlaments gesagt.
Wir werden beantragen, dies in der nächsten Sitzung des Ältestenrates zu behandeln. Wir sind nicht bereit, von Mitgliedern des Kabinetts so mit uns umspringen zu lassen.
Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Paketverkauf der Landeskrankenhäuser stoppen - Psychiatrische Versorgung regional und gemeindenah organisieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2161
Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Privatisierung der Landeskrankenhäuser stoppen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2172
der Landeskrankenhäuser hat für erhebliche Unruhe gesorgt und erfüllt alle Betroffenen mit großer Sorge. Sehr eindringlich ist dies gestern auf der Demonstration von über 2 000 Beschäftigten der Landeskrankenhäuser bestätigt worden, die ihrer Angst, der Sorge um ihre Arbeitsplätze, aber auch der Sorge um die Qualität der zukünftigen Versorgung psychisch kranker Menschen in Niedersachsen Ausdruck gegeben haben.
Diesem Beschluss liegen - das finde ich im Prinzip am kritikwürdigsten - keinerlei fachlich-inhaltlichen Erwägungen zugrunde, sondern es geht alleine darum, durch das Einstellen eines geplanten Erlöses einmalig Haushaltslöcher zu stopfen.
Da hat der Finanzminister die Psychiatrie als Geldquelle entdeckt, und die Sozialministerin, die derzeit, wie zu hören, zu höheren Weihen auf Bundesebene schweben möchte, hat sich leider das Heft von ihm aus der Hand nehmen lassen und hat sich innerlich wohl schon aus Niedersachsen verabschiedet: Nach mir die Sintflut.
Es ist unschwer zu vermuten, dass das Thema Psychiatrie die Sozialministerin bislang wenig bis gar nicht interessiert hat. Denn von einem psychiatriepolitischen Reformkonzept haben wir seit ihrem Amtsantritt überhaupt nichts gesehen. Das wäre bitter nötig gewesen, um dem Finanzminister jetzt Einhalt zu gebieten, wo er mit klebrigen Fingern jeden Heller und Cent zu fassen versucht, den er in die Finger kriegen kann.
Lassen Sie mich mit den ökonomischen Fakten anfangen. Es ist doch keinesfalls so, dass die niedersächsischen Landeskrankenhäuser defizitär arbeiten würden. Der Bilanzgewinn lag allein im Jahre 2004 bei 5,2 Millionen Euro. Der Maßregelvollzug in Niedersachsen nimmt, was Wirtschaftlichkeit, therapeutische Effizienz und Sicherheit angeht, bundesweit eine Spitzenposition ein. Ich weiß überhaupt nicht, warum Sie das preisgeben wollen. Sachliche Gründe gibt es dafür nicht, meine Damen und Herren.
Sie können sich auch nicht auf das Gutachten des Landesrechnungshofs stützen. Der schlägt Ihnen ja keinen Verkauf vor, sondern eine Änderung der Rechtsform in eine oder mehrere Anstalten des öffentlichen Rechts. Diese Option bleibt auch für uns vordringlich.
Aber der Rechnungshof hat Ihnen ja etwas ins Stammbuch geschrieben. Ich darf das einmal zitieren: Das MS hat als Träger der niedersächsischen Landeskrankenhäuser seine Aufgaben im Bereich der Steuerung, Lenkung und Strategieentwicklung nur unzureichend wahrgenommen. Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den niedersächsischen Landeskrankenhäusern finden nur in wenigen Bereichen statt. Mögliche Synergieeffekte bleiben dadurch ungenutzt. Das MS hat weder die Jahresberichte in der gebotenen Weise ausgewertet, noch interne oder externe Betriebsvergleiche durchgeführt oder ein überörtliches Controlling mit entsprechenden Kennzahlsystemen eingerichtet. - Zitat Ende.
Im Klartext: Das Ministerium hat in der Vergangenheit geschlafen, und jetzt soll die niedersächsische Psychiatrie mit diesem übereilten Verkauf dafür bezahlen. Das geht nicht.
Ihre ganze Argumentation stützt sich auf zwei Annahmen. Die eine heißt: Die Landeskrankenhäuser werden zukünftig vermehrt im Wettbewerb stehen und nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Das ist doch hergeholt! Öffentlich getragene Krankenhäuser und die Psychiatrien könnten sich wirtschaftlich weiterentwickeln, wenn man sie denn ließe und wenn das Ministerium sie nicht über Jahre behindert hätte.
Die zweite Annahme ist: Das Land braucht 200 neue Betten im Maßregelvollzug. - Das stimmt ja so nicht ganz. Denn auf den 980 sozusagen offiziellen Plätzen werden derzeit doch schon 1 158 Patienten betreut. Das heißt, die Einrichtungen waren sehr wohl in der Lage, aus eigener Kraft die Versorgung im Maßregelvollzug zu ändern. Aber selbst wenn man akzeptieren würde, dass es einen steigenden Bedarf gibt, dann kommt doch die Finanzierung der Investitionen privater Eigner über
den Pflegesatz das Land auf Dauer viel teurer zu stehen. Es ist finanzpolitisch kurzsichtig, was Sie hier betreiben.
Nun dämmert es ja offenbar auch den Regierungsfraktionen, dass ein Verkauf der Psychiatrie, insbesondere der Forensik, nicht so einfach durchgezogen werden kann; denn wir und andere haben erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Sie wissen, dass in Schleswig-Holstein eine Klage anhängig ist, die mit Sicherheit bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen wird. Der Landesrechnungshof rät Ihnen wegen der ungeklärten verfassungsrechtlichen Lage u. a. von einem Verkauf ab. Und Sie wollen mal eben privatisieren mit dem lapidaren Hinweis des Staatssekretärs „Das lässt sich alles vertraglich regeln.“! Da wäre ich aber ganz vorsichtig, meine Damen und Herren.
Nachdem Sie sich nämlich sowohl beim Polizeigesetz als auch beim Mediengesetz deftige Watschen vor Verfassungsgerichten geholt haben, würde ich es an Ihrer Stelle auf eine dritte hier wirklich nicht ankommen lassen.
Eine Privatisierung des Maßregelvollzugs verbietet sich aber auch aus ökonomischen Gründen. Sie wissen doch, dass Sie mit den Pflegesätzen und dem Sicherstellungsauftrag in der Pflicht bleiben. Ein privater Investor hat naturgemäß wenig Interesse daran, therapieintensive Behandlung statt Verwahrung zu betreiben. Er hat kein Interesse daran, Menschen möglichst schnell in den offenen Vollzug zu entlassen; denn Tag für Tag muss ihm das Land ja 190 Euro Pflegesätze bezahlen. Eine nur um einen Monat längere Verweildauer würde das Land 6,6 Millionen Euro kosten. Das ist doch kurzsichtig, was Sie da vor haben!
Sie schenken, wenn Sie das so tun, dem privaten Investor die Gelddruckmaschine im Keller doch gleich noch mit dazu, meine Damen und Herren.
Auch hier gilt doch: Das Land hat es in der Hand, das Volllaufen des Maßregelvollzugs zu stoppen, wenn es denn dafür sorgen würde, dass die foren
sischen Institutsambulanzen und die neue Prognosekommission endlich ihre Arbeit aufnehmen könnten und Einrichtungen des offenen Vollzugs aufgebaut würden. Genau dies, was Sie bis jetzt immer noch nicht auf die Reihe bekommen haben, würde es ermöglichen, den stationären Bereich zu entlasten und damit für das Land auch Kosten zu senken.
Ich komme nun zum zweiten Punkt unseres Entschließungsantrags. Keinesfalls darf, wenn es denn zu einem Trägerwechsel käme, dieser Verkauf - oder diese Übergabe - als Paketverkauf stattfinden. Dagegen sprechen nicht nur kartellrechtliche Gründe, sondern - das wiegt aus meiner Sicht viel schwerer
auch fachlich-inhaltliche. Es ist schon interessant zu verfolgen, mit wie vielen und sich ständig verändernden Positionen die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen hier durchs Land irrlichtern. Der Staatssekretär, den die Ministerin wohl aus Zeitgründen wegen des Kompetenzteams an ihrer statt durch die Personalversammlungen hat reisen lassen, gibt die Parole aus, nicht um jeden Preis zu jedem Preis werde verkauft. Aber das erklärte Ansinnen des Kabinettskollegen Herrn Möllring ist ja doch, möglichst viel Geld in seine Kasse zu kriegen. Dabei assistiert der Vorsitzende der CDU-Fraktion, der von einem Paketverkauf nur dann abrücken möchte, wenn es kartellrechtliche Schwierigkeiten gibt. Die FDP dagegen rudert leicht zurück und sagt: „Einen Paketverkauf finden wir auch schwierig, die Privatisierung des Maßregelvollzugs ist wohl auch nicht so toll.“ Und Frau Bethge, die Sprecherin der Sozialministerin, dreht eine ganz andere Pirouette und sagt: „Na ja, wir können ja auch in Zweier- und Dreierpäckchen verkaufen.“
Ich würde aber gerne noch kurz auf inhaltliche Aspekte eingehen. Die gemeindenahe Versorgung von psychisch kranken Menschen als gesundheitspolitische Zielsetzung ist in Niedersachsen noch nicht am Ende angelangt. Das, was wir im Moment haben, ist noch nicht das Ende der Psychiatriereformen in Niedersachsen. Bei einem Paketverkauf würde ein Monopolist natürlich überhaupt kein Interesse daran haben, die Psychiatrie