Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass es die Justizministerkonferenz mit Reformen zurzeit nicht ganz eilig hat, mag man an der Tatsache ersehen, dass ihr zwar auf der Sitzung am 24. November 2005 ein ausführlicher Bericht zum Bologna-Prozess in der Juristenausbildung vorlag - immerhin 343 Seiten lang! -, dass sie aber Beschlüsse dazu nicht gefasst hat, sondern sich im Jahr 2008 erneut berichten lassen will.
Die letzte größere Reform der Juristenausbildung, und zwar gerade auch des Teils, den wir mit diesem Antrag erneut radikal verändern wollen, liegt erst zwei Jahre zurück. Da mag der Wille zu einer erneuten Diskussion von Ausbildungsfragen - vielleicht verständlicherweise - noch nicht wieder sehr ausgeprägt sein. Das ändert aber nichts daran, dass wir die Initiative unserer Ministerin nachdrücklich unterstützen, selbst wenn mit schnellen Ergebnissen kaum zu rechnen ist.
cherstellen können. Noch gibt es also kein Qualitätsproblem. Aber das ist keine Garantie für die Zukunft. Die nachuniversitäre Juristenausbildung soll auf die Berufspraxis vorbereiten. Die Qualität dieser Ausbildung könnte noch gesteigert werden, wenn sie spartenbezogen erfolgen würde. „Spartenbezogen“, das könnte z. B. bedeuten, dass die öffentlichen Arbeitgeber ihren eigenen juristischen Nachwuchs ausbilden, ebenso die freie Wirtschaft und die Anwaltsverbände, jeder für sich, gegebenenfalls in Teilverbünden.
Andererseits - so jedenfalls vermutet das anfangs zitierte Gutachten - würde eine spartenbezogene Ausbildung die Anerkennung der Abschlüsse auf europäischer Ebene erschweren, was sicherlich nicht im Sinne des Bologna-Prozesses wäre.
Ein anderes, eher psychologisches, aber durchaus nicht gering zu schätzendes Argument für die bisherige Einheitsausbildung ist, vor Gericht würden die Rechtsanwälte den Richtern oder Staatsanwälten nur dann auf Augenhöhe begegnen können, wenn sie, jedenfalls prinzipiell, die gleiche Ausbildung durchlaufen hätten.
Bisher konnten sich die öffentlichen Arbeitgeber ihre Juristen de facto nach der Examensnote unter allen Absolventen aussuchen. Falls Examensnoten etwas aussagen, war das eine Bestenauslese. Beim Spartenmodell würde sich die Auswahlmöglichkeit notwendigerweise auf diejenigen Absolventen beschränken, die sich für die Sparte Öffentlicher Dienst entschieden hätten. Für die Zulassung zu dieser Sparte könnte aber die Performance im Referendariat offensichtlich nicht berücksichtigt werden.
Der DAV, der Deutsche Anwaltsverein, sieht dem Spartenmodell mit Zuversicht entgegen. Er hofft, dadurch bei der Zulassung zur Sparte „angehender Anwalt“ begrenzend eingreifen zu können, etwa durch vorherigen Nachweis eines Ausbildungsplatzes, wie auch immer das im Einzelnen aussehen könnte. Das würde der so genannten Juristenschwemme, die eigentliche eine Anwaltsschwemme ist, entgegenwirken.
Man sieht, bei der Frage, ab wann sich die juristische Ausbildung spezialisieren soll, spielen neben dem großen übergeordneten Ziel, nämlich einer optimalen Rechtspflege, unterschiedlichste Gesichtspunkte und Interessen eine Rolle. Deshalb möchte ich an dieser Stelle unsere Justizministerin
„Ob die Anwaltsausbildung zu den Kernaufgaben der Justiz gehört, ist in der Tat eine Frage, der man sich wird zuwenden müssen. Auch diese Frage lässt sich aber nur nach genauer Analyse in einem komplexeren Zusammenhang entscheiden.“
Gestatten Sie mir zum Schluss einen etwas spekulativen Blick in die Zukunft. Wenn man über frühere Spezialisierung und Effizienz der Ausbildung nachdenkt - vorausgesetzt, dies sei sachlogisch und fachimmanent möglich -, sollte man dann nicht auch erwägen, die Spezialisierung sofort nach dem Bachelorgrad zu beginnen, wenn er denn einmal eingeführt worden sein sollte? - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wissen Sie, Frau Kollegin Bockmann, was Sie gesagt haben, stimmt. Der Antrag, der von den Mehrheitsfraktionen gestellt wurde, ist ausgesprochen dünn. Man kann an ihm viel kritisieren. Aber wir sind froh darüber, dass die Mehrheitsfraktionen überhaupt einmal ein rechtstatsächliches Problem erkannt haben und nicht immer nur überflüssige Bundesratsinitiativen machen oder Scheinprobleme auf den Tisch legen, die dann spätestens dort abgeschmiert werden oder große Koalitionskräche hervorrufen. Insofern sind wir froh darüber, dass hier überhaupt einmal ein richtiges Problem erkannt worden ist.
Es ist zwar richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir die Juristenausbildung gerade erst vor zwei Jahren reformiert haben; allerdings wissen auch wir, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann.
Ich gebe Ihnen allerdings völlig Recht: Man wundert sich ein bisschen, wenn man diesen Antrag liest. Wenn das die ganz großen schwarz-gelben Schritte sein sollen, die Sie immer ankündigen, kann ich nur sagen, dass die Forderung nach einem Prüfauftrag, die Sie erhoben haben, eine ganz harmlose, eine ganz dünne Forderung ist. Der Antrag schließt nahtlos an den Antrag an, den wir vor der Mittagspause debattiert haben: viel Gerede, viel deskriptive Beschreibung, aber wenig konkrete inhaltliche Forderungen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Und jetzt kommen wir zum Thema!)
- Wir sind schon mitten dabei, Herr Schwarz. Wenn Sie genau zugehört haben, haben Sie gemerkt, dass das eine ganz präzise Einleitung war.
Wissen Sie, zur Beantwortung der Frage, ob die Einheitsausbildung für den Juristendienst noch aktuell, noch modern ist, brauchen wir keinen Prüfauftrag. Sogar ein Politologe kann Ihnen sagen, dass das eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist. An dieser Ausbildung gibt es mittlerweile sehr viel Kritik. Das gibt der Antrag ja auch her. Sie schreiben dort, dass die allerwenigsten JuraStudierenden anschließend in den staatlichen Dienst gehen und der Rest in irgendwelche anderen Berufe geht. Das ist natürlich eine Verschwendung von Lebenszeit. Das ist eine individuelle Lebenszeitverschwendung. Auch volkswirtschaftlich ist es nicht sinnvoll, dass wir Leute sehr lange ausbilden - in meinen Augen zu lange -, die dann gar nicht in den entsprechenden Beruf gehen, sondern irgendwelche anderen Berufe ergreifen.
Ich finde die Frage, die in dem Antrag aufgeworfen wird, nämlich ob eine Spartenausbildung sinnvoll ist, nicht verkehrt. Das will ich deutlich sagen. Die Idee bzw. die Anregung, die dahintersteckt, ist nicht so dumm.
Die Kritik, die die Kollegin Bockmann geäußert hat, ist allerdings sehr wohl berechtigt. Man muss aufpassen, ob die Juristenausbildung anschließend
nicht zu einem Marktzugangshemmnis oder einer Konkurrenzvermeidung in den freien Berufen führt. Das ist eine sehr interessante Debatte.
Von den Mehrheitsfraktionen wird immer sehr viel nach mehr Markt gerufen. Mehr Markt ist das allein Seligmachende. Aber mit diesem Antrag versuchen Sie ganz vorsichtig, ein Marktzugangshemmnis auszubauen. Warum sollte es nicht auch auf dem Anwaltsektor mehr Markt geben? Die Verbraucher wird es vielleicht freuen, dass die Preise ein bisschen purzeln.
Aber da hält man an solchen sonderbaren, einzig und allein in Deutschland existierenden Rechtsberatungsgesetzen fest. Das ist in der ganzen Welt einzigartig. Niemand anders darf Rechtsberatung machen. Das ist auch ein Marktzugangshemmnis. In diesem Bereich könnten wir auch ein bisschen mehr Wettbewerb brauchen. Wir dürfen nicht immer nur auf die Lobbyarbeit der Anwälte hören, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Mit Blick auf diesen Antrag ist es auch sehr gewagt, wenn man sagt, Niedersachsen bzw. die Justizministerin wäre die Speerspitze der Reformbewegung. Der Kollege Zielke und die Kollegin Bockmann haben das richtig dargestellt. Es wird überhaupt nicht diskutiert, ob der Bologna-Prozess auf die Juristenausbildung übertragen werden kann. In der aktuellen Ausgabe der Richterzeitung wird ein interessantes Modell präsentiert. Dort steht auch, dass man das sehr wohl übertragen könnte. Der Rest Europas schafft das ja auch. Nur Deutschland geht mit der Ausbildung zum Volljuristen wieder einen Sonderweg. Andere Staaten haben längst den Bachelor- und Masterabschluss in Jura eingeführt. Ich weiß nicht, warum wir das nicht hinkriegen sollten.
Ich finde es in Ordnung, dass wir zu diesem Thema im Fachausschuss eine breite Anhörung machen. Dort wird es viele Anregungen geben. Meine erste Forderung wäre zu prüfen, ob man auch für den Jura-Ausbildungsberuf Studieneingangsprüfungen durchführen sollte. Man sollte die Studierenden einmal konkret befragen. Jura ist ähnlich
wie das Lehramtsstudium häufig ein Verlegenheitsstudium. Die Leute wissen nicht genau, was sie machen sollen, also studieren sie Jura, weil man damit angeblich alles machen kann. Dem ist heute nicht mehr so, das wissen Sie.
Wenn dann jemand in der Studieneingangsprüfung sagt: „Was ich damit machen will, weiß ich noch nicht so genau; notfalls werde ich vielleicht Politiker“, dann sollte derjenige gar keinen Studienplatz bekommen.
Ich finde, wir sollten auch darüber nachdenken, das Grundstudium etwas zu entschlacken. Da gibt es viel zu viel Paragrafenhuberei. Das ist ein genereller Mangel im deutschen Universitätsstudium. Die Lehrpläne sind viel zu voll. Wir sollten mehr kritisches Denken beibringen und weniger Faktenhuberei betreiben. Prinzipiell kann ich nur sagen: Die gegenwärtige Juristenausbildung kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Da können wir noch etwas optimieren oder verbessern. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße den Entschließungsantrag. Ich glaube, er kommt zur richtigen Zeit und auch von den richtigen Fraktionen.
Meine Damen und Herren, ich begrüße diesen Entschließungsantrag im Interesse der Qualität unserer Juristenausbildung. Ich werde deshalb diesen Arbeitsauftrag sehr gerne annehmen; denn, meine Damen und Herren, es geht dabei auch um die beruflichen Erfolgschancen der Absolventinnen und Absolventen unserer juristischen Examina.
Die Fakten sind Ihnen bekannt - davon gehe ich aus. Tatsache ist, dass heute etwa drei Viertel der Referendare in den Anwaltsberuf streben. Diese anwaltlichen Berufsanfänger treffen auf einen Ar
beitsmarkt, der im Jahr 2004 bereits rund 127 000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte umfasste. Dies stellt eine Steigerung um mehr als 100 % seit 1990 dar.
Die Aufnahmefähigkeit und -bereitschaft dieses Arbeitsmarktes ist für die Zukunft mehr als begrenzt. So müssen wir bereits heute feststellen, dass selbst Absolventen mit sehr ordentlichen Abschlüssen oft monatelang einen Arbeitsplatz suchen. Meine Damen und Herren, das ist in dieser Ausprägung neu und meines Erachtens nach der sehr langen und guten Ausbildung Besorgnis erregend. Denn das Durchschnittsalter der Absolventinnen und Absolventen des zweiten Staatsexamens beträgt 30 Jahre. Frau Bockmann, ich bin der Überzeugung, dass es für diese Personen, die erst mit 30 Jahren in diesen Markt kommen, vorteilhafter wäre, wenn sie sich schon zu einem früheren Zeitpunkt die Frage stellten, ob das tatsächlich der richtige Weg ist. Insofern ist das, was Herr Briese gesagt hat, in diesem Fall richtig. Hier geht es tatsächlich um Verschwendung von Ressourcen.
In dieser harten Konkurrenzsituation sind wir gefordert, frühzeitig zu prüfen, ob die bereits mit Erfolg ergriffenen Maßnahmen, also die Ausbildung stärker auf die Anwaltstätigkeit auszurichten, für die Zukunft für alle juristischen Berufsfelder ausreichen. So müssen wir ebenfalls beobachten, wie sich die stärkere Betonung der Anwaltsausbildung auf die berufsspezifische Vorbereitung für die späteren Justiz- und Verwaltungsjuristen auswirkt. Auch in diesen Berufsfeldern sind spezielle Fertigkeiten gefordert, und die Anforderungen steigen weiter durch immer komplexere Sachverhalte. Meine Damen und Herren, die bisherige Ausbildungsreform wird deshalb hinsichtlich beider Aspekte fortlaufend zu prüfen sein.
Unabhängig von der begleitenden Beobachtung sollten wir aber schon jetzt über Alternativen und vor allem die weitere Entwicklung der Ausbildung nachdenken. Die dargestellte Situation lässt es nämlich auch vor dem Hintergrund europäischer Überlegungen nicht zu, mit der sorgfältigen Entwicklung von Alternativkonzepten erst zu beginnen, wenn der Bericht über die Ergebnisse der letzten Reform vorliegt. Dieser Bericht wird dem Koordinierungsausschuss der Justizministerkonferenz erst im Jahre 2008 zur Verfügung stehen. Insoweit hat Frau Bockmann Recht,
und insoweit hat sie auch richtig berichtet. Sie hat dabei nur leider vergessen, dass die Justizministerkonferenz darüber hinaus einen weiteren Beschluss gefasst hat, und zwar auf Anregung Niedersachsens, meine Damen und Herren.