Protokoll der Sitzung vom 27.01.2006

Antwort

des Umweltministeriums auf die Frage 33 des Abg. Hans-Joachim Janßen (GRÜNE)

Wie gefährdet sind die Hochspannungsmasten in Niedersachsen?

Ende November 2005 sind vor allem im Münsterland zahlreiche Strommasten im Hoch- und Höchstspannungsbereich infolge erheblicher Anhaftungen von Eis und Schnee an den Leiterseilen umgeknickt. Die örtliche Bevölkerung war tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten.

Als wesentlicher Grund, warum über 50 Masten nordwestdeutschen Witterungsbedingungen offenbar nicht standgehalten haben, wird in Medienberichten die Verwendung von so ge

nanntem Thomasstahl genannt, der bis zum Ende der 60er-Jahre für den Bau von Gittermasten eingesetzt wurde.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Kenntnisse liegen ihr über die Anzahl und die räumliche Verteilung der Hoch- und Höchstspannungsmasten in Niedersachsen vor, die mit Thomasstahl hergestellt wurden?

2. Welche Maßnahmen hat sie ergriffen, um gegenüber den Energieversorgungsunternehmen eine Sanierung der brüchigen Masten durchzusetzen, bzw. welche Maßnahmen sind geplant?

3. Wie haben sich in den vergangenen fünf Jahren die von den Übertragungsnetzbetreibern geforderten Netznutzungsentgelte entwickelt? Wie stehen diese im Verhältnis zu den Investitionen der Übertragungsnetzbetreiber aus den vergangenen fünf Jahren?

Die Unterbrechung der Stromversorgung nach den ungewöhnlichen Witterungsbedingungen, von denen die Bevölkerung in den östlichen Teilen Nordrhein-Westfalens und in geringerem Umfang auch in Niedersachsen betroffen war, hat wieder deutlich gemacht, welch hohe Bedeutung eine störungsfreie Energieversorgung für die Volkswirtschaft hat. Die Stromausfälle im RWE-Netz wirkten sich auch auf das Gebiet im Raum Osnabrück aus. Am Freitag, dem 25. November 2005, traten in der Zeit von 16:30 Uhr bis 17:15 Uhr starke Störungen auf, von denen rund 600 000 niedersächsische Bürger betroffen waren. Ab 17:15 Uhr konnte eine Teilversorgung des Gebietes wieder erreicht werden. Am Sonntag, dem 27. November 2005, wurde die Vollversorgung wieder erreicht.

Mit den Ursachen der Stromausfälle haben sich verschiedenen Stellen beschäftigt: So befassten sich der Nordrhein-Westfälische Landtag und das dortige Wirtschaftsministerium mit der Sicherheit des RWE-Freileitungsnetzes. Der Netzbetreiber RWE beauftragte einen unabhängigen Gutachter mit der Erforschung der Ursachen.

Neben den oben genannten Stellen untersuchen u. a. auch die Bundesnetzagentur, der Verband der Netzbetreiber und der Bund-Länder-Arbeitskreis „Energiepolitik“ die Stromausfälle. Die Bundesnetzagentur hat u. a. ein Gutachten bei der Bundesanstalt für Materialprüfung in Auftrag gegeben, dessen Zwischenbericht Ende Januar erwartet wird. Die Wirtschaftsministerkonferenz beauftragte auf ihrer Sitzung am 13./14. Dezember 2005 den Arbeitskreis „Energiepolitik“, einen Bericht zu

erstellen, der in einer Sitzung Ende März behandelt werden soll.

Nach gegenwärtigem Stand könnte die Versprödung des Maststahls eine Ursache gewesen sein. Stahl kann verspröden, wenn er wie der so genannte Thomasstahl einen hohen Stickstoffanteil aufweist. Solcher Stahl kann unter ungünstigen Bedingungen schneller altern und an mechanischer Festigkeit verlieren.

In einem Zwischenbericht stellte RWE fest, dass schwere Eislasten und Orkanböen die typischen Belastungen der Stromleitungen um mehr als das 15-Fache überschritten hätten. Dabei traten allerdings nicht nur bei älteren Masten aus so genanntem Thomasstahl Schäden auf, sondern auch bei neueren Masten aus den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ohne Thomasstahl.

Das Niedersächsische Umweltministerium hat im Dezember letzten Jahres von dem für Niedersachsen zuständigen Netzbetreiber, die E.ON Netz AG, eine Bericht über die Übertragbarkeit der Vorfälle auf Niedersachsen angefordert, der in Kürze vorliegen wird. Daher ist gegenwärtig eine Beantwortung der Frage 2 noch nicht möglich.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Der Auf- und Ausbau des 380 000 VoltHöchstspannungsnetzes in Niedersachsen erfolgte durchweg nach 1965. Insofern kam hierbei kein Thomasstahl zum Einsatz. Im verbleibenden 220 000 Volt-Höchstspannungsnetz und im 110 000 Volt-Hochspannungsnetz in Niedersachsen gibt es Strommasten, die vor 1965 errichtet wurden. Nach einer überschlägigen Abschätzung könnte bei ca. 3 000 Masten Thomasstahl zum Einsatz gekommen sein. Informationen über die räumliche Verteilung dieser Masten liegen der Landesregierung nicht vor.

Zu 2: Auf die einleitenden Ausführungen wird verwiesen.

Zu 3: Nach Angaben der Elektrizitätswirtschaft haben sich die Netznutzungsentgelte (in ct/kWh) im Bereich des Höchstspannungsnetzes wie folgt entwickelt:

2000 2005 E.ON 0,45 0,58 EnBW 0,40 0,61 RWE Net. 0,45 0,59 VET 0,58 0,70

Im gleichen Zeitraum sind die Investitionen in die Leitungsnetze von rund 2 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen. Die Investitionen in der Stromwirtschaft erhöhten sich insgesamt von 3,3 Milliarden Euro auf 4,4 Milliarden Euro pro Jahr.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Stromwirtschaft in ihre Kraftwerke und Netze rund 50 Milliarden Euro investiert. Das entspricht einer Investitionsquote von 7 % und ist damit eine der höchsten in der deutschen Industrie.

Anlage 27

Antwort

des Umweltministeriums auf die Frage 34 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜNE)

Auswirkungen der Müllverbrennung im GKV Veltheim auf das Land Niedersachsen

Das Gemeinschaftskraftwerk Veltheim (GKV) wurde Anfang der 1960er-Jahre im Bereich der damals selbständigen Gemeinden Veltheim und Möllbergen (heute Stadt Porta Westfalica) mit zunächst zwei Blöcken an der Weser gebaut. Es wurde als Kohlekraftwerk eingerichtet. 1970 und 1975 gingen zwei weitere Blöcke in Betrieb, der Block 4 zur Befeuerung mit Gas und/oder Heizöl. Block 1 ist inzwischen stillgelegt. Der Brennstoff Steinkohle wurde später durch Petrolkoks ergänzt. Mit Bescheid vom 9. April 2003 genehmigte die Bezirksregierung Detmold die Mitverbrennung von Tiermehl und Schlämmen (kommunale Klärschlämme) in den Blöcken 2 und 3 in einem Umfang von bis zu 20 % der jeweils gefahrenen Feuerungswärmeleistung. Hierzu war eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorzunehmen. In ihr wurde der Untersuchungsraum nach der TA Luft 86 mit einem Radius von 4 200 bzw. 4 500 m um das Kraftwerk herum berücksichtigt. Mögliche schädliche Einwirkungen auf die Stadt Rinteln wurden nicht berücksichtigt. Das Gebiet der Stadt Rinteln beginnt 3 km vom GKV entfernt, der Stadtkern hat eine Entfernung zum GKV von 8 km. Aufgrund neuerer Erkenntnisse legt man im Umweltrecht inzwischen den direkten Einflussbereich der Schadstoffe mit einer Entfernung bis zu 7 000 m zugrunde.

Tatsächliche Auswirkungen auf die Umwelt konnten offensichtlich nicht hinreichend sicher bezeichnet werden, weshalb man Umwelteinflüsse auf der Grundlage teilweise überholter Erkenntnisse lediglich prognostizierte. Die erteilte Genehmigung wurde schon bald dahin gehend erweitert, dass nun vorwiegend industrielle Klärschlämme verbrannt werden dürfen. Diese werden aus dem deutschen und darüber hinaus auch aus dem europäischen Raum (z. B. Stadt Ulm sowie Holland und Belgien) angeliefert.

Obwohl das Ergebnis der UVP zur Genehmigung von 2003 eher unzureichend erscheint, verzichtete das Staatliche Amt für Umweltschutz und Wasserwirtschaft (StAfUA) in Minden in seiner Genehmigung zur Mitverbrennung der so genannten heizwertreichen Fraktionen aus Müll vom 13. Oktober 2005 ausdrücklich auf eine neue Untersuchung und baut auf der UVP zur Genehmigung von 2003 auf, indem es ausführt: „Die nunmehr zur Verfeuerung beantragten Sekundärbrennstoffe sind vom Schadstoffpotenzial (Input) mit den bereits genehmigten Stoffen ,Tiermehl und Schlämmen‘ vergleichbar, bzw. die Schadstoffgehalte liegen teilweise deutlich niedriger. Da somit keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen durch das beantragte Vorhaben zu erwarten sind, ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich.“ (Seite 16 der Genehmigung)

Im Hinblick auf die durchaus sehr unterschiedliche Stoffzusammensetzung der genehmigten Ersatzbrennstoffe (siehe hierzu die vom GKV erstellte „Auswertung der Brennstoffanalyse“) und die dem GKV genehmigten vergleichsweise hohen Emissionswerte sind die vorgenannten Feststellungen in der Genehmigung außerordentlich fragwürdig. Die Emissionswerte der Müllverbrennungsanlagen Bielefeld und Hameln liegen um ein vielfaches niedriger, obwohl auch diese Anlagen bereits älteren Datums sind. Sie sind jedoch mit erheblich umfangreicherer und wirksamerer Filtertechnik ausgestattet. Das GKV besitzt nicht einmal einen sonst üblichen Gewebefilter zur Reduzierung der mit Schadstoffen befrachteten Stäube.

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob das in § 5 Bundes-Immissionsschutzgesetz enthaltene Gebot zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen der Genehmigungspraxis des StAfUA in Minden im Fall des GKV entspricht. Die Stadt Rinteln hat deshalb Widerspruch gegen die Genehmigung vom 13. Oktober 2005 eingelegt.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welcher Weise ist das Land Niedersachsen am Verfahren zur Genehmigung der Mitverbrennung von Sekundärbrennstoffen aus Abfällen im benachbarten Kohlekraftwerk Veltheim (NRW) beteiligt, bzw. welche inhaltlichen Stellungnahmen haben die zuständigen Behörden des Landes abgegeben?

2. Liegen dem Land Erkenntnisse darüber vor, z. B durch Daten der LÜN-Messstation in Rinteln, in welchem Umfang Umwelt- und Gesundheitsbelastungen auf Emissionen des Kraftwerks Veltheim auf die östlich gelegene Stadt Rinteln und auf weitere in Hauptwindrichtung gelegene Gemeinden im Wesertal zurückzuführen sind?

3. Was gedenkt das Land Niedersachsen zu tun, um negativen Auswirkungen durch schädli

che Emissionen des Veltheimer Kraftwerks auf die Gesundheit der Menschen, für die Umwelt allgemein und im Besonderen auf die Touristikbranche im Bereich Rinteln mit dem Doktorsee und dem Luftkurort Steinbergen, aber auch darüber hinaus im weiteren niedersächsischen Weserbergland mit dem Weserradweg, zu begegnen?

Das Gemeinschaftskraftwerk liegt im Stadtteil Veltheim der nordrhein-westfälischen Stadt Porta Westfalica in ca. 3 km Entfernung von der niedersächsischen Stadt Rinteln. Das Kraftwerk, das in den 60er-Jahren zunächst als Kohlekraftwerk genehmigt wurde, ist im Laufe der Jahre um die Brennstoffe Gas, Heizöl und Petrolkoks erweitert worden.

Im Jahre 2003/2004 wurde die Mitverbrennung von Tiermehl und Klärschlämmen bis maximal 20 % der Feuerungswärmeleistung genehmigt. Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens, das mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt wurde, wurde auch die Stadt Rinteln beteiligt.

Wesentlicher Bestandteil der UVP war seinerzeit ein Gutachten, das die Immissionsbelastung durch luftverunreinigende Stoffe betrachtete. In diesem Gutachten wurde prognostiziert, dass die Zusatzbelastung in der Luft, die durch die Mitverbrennung von Tiermehl und Klärschlamm hervorgerufen werde, so gering sei, dass sie sich nicht messbar von der Vorbelastung unterscheiden dürfte und deshalb aus lufthygienischer Sicht unkritisch ist.

Als emissionsbegrenzende Anforderungen wurden zum Einen Emissionsgrenzwerte im Abgas festgesetzt; darüber hinaus wurden zusätzlich die Schadstoffgehalte Chlor, Quecksilber, Cadmium etc. für die zugelassenen Einsatzstoffe „Tiermehl“ und „Klärschlämme“ begrenzt und entsprechende Kontrollen vorgegeben.

Durch Überwachung der Emissionen konnte festgestellt werden, dass beim Betrieb der Anlage mit Klärschlamm und Tiermehl die festgesetzten Emissionsgrenzwerte nicht ausgeschöpft werden. Insbesondere trifft dies für die Schadstoffe „Quecksilber“ (< 20 % des Grenzwertes) und „Dioxine“ (< 10 % des Grenzwertes) zu. Entsprechend ist die durch den Betrieb des Kraftwerks hervorgerufene Zusatzbelastung niedriger als in dem Gutachten prognostiziert wurde.

Genehmigungsantrag für zusätzliche Abfälle (Se- kundärbrennstoffe)

Mit Antrag vom 15. Dezember 2004 wurde die Mitverbrennung weiterer Abfallarten beantragt. Eine Erhöhung des bereits genehmigten Anteils von 20 % an der jeweils gefahrenen Feuerungswärmeleistung ist nicht vorgesehen, sondern der Anteil aller Ersatzbrennstoffe (Tiermehl, Klär- schlamm, Sekundärbrennstoffe) soll zukünftig auf maximal 12 % der jeweils gefahrenen Feuerungswärmeleistung reduziert werden.

Für die Abfälle, die zusätzlich eingesetzt werden sollen, werden ebenfalls maximal zulässige Schadstoffgehalte festgesetzt, die mit den Schadstoffgehalten für die bereits genehmigten Abfälle Klärschlamm und Tiermehl vergleichbar sind bzw. teilweise darunter liegen.

Rechtliche Einordnung des Genehmigungsantrages (BImSchG/17.BImSchV)

Da das Kraftwerk in Veltheim neben Kohle Abfälle mitverbrennt, unterliegt es den entsprechenden Anforderungen der Verordnung über die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen (17. BimSchV). Die Emissionsgrenzwerte werden entsprechend der Menge der Einsatzstoffe Kohle und Sekundärbrennstoffe bestimmt (Mischungsre- gelung). Für Dioxine/Furane, Schwermetalle und Quecksilber gelten bereits jetzt niedrigere Emissionsgrenzwerte, als sie in der 17. BImSchV für Anlagen vorgegeben werden, die ausschließlich Abfälle einsetzen.

Der Vorhabenträger hat beantragt, von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie von der Auslegung des Antrages und der Unterlagen abzusehen und gutachterlich nachgewiesen, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen nicht zu besorgen sind. Wie bereits dargelegt, wird die Mitverbrennung von Abfällen im beantragten Umfang nicht zu anderen oder mehr Emissionen und Immissionen führen, als durch die vorhandenen Genehmigungen zugelassen ist. Erhebliche nachteilige Auswirkungen sind daher nicht zu besorgen. In diesem Fall sieht das Bundes- Immissionsschutzgesetz vor, dass die zuständige Behörde einem entsprechenden Antrag auf Nichtveröffentlichung stattgeben soll.

Umweltverträglichkeitsprüfung

Die beantragte Änderung des Kraftwerkes fällt darüber hinaus unter den Geltungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). In Anwendung dieses Gesetzes hat die zuständige Genehmigungsbehörde durch eine