Protokoll der Sitzung vom 27.01.2006

(1997/1999/2004) ausgewählt, die der EU-Kommission übersandt wurden.

Am 11. September 2001 hat der Europäische Gerichtshof auf Klage der Europäischen Kommission festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/43 EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen hat, dass sie der Kommission nicht die in Artikel 4 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie genannte vollständige Liste von Gebieten zusammen mit den in Artikel 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Information über diese Gebiete übermittelt hat.

In einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 19. Dezember 2005 hat die Kommission unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Nachmeldungen die bisherigen FFH-Meldungen Deutschlands erneut als unvollständig eingestuft und Nachforderungen hinsichtlich Gebieten und Arten in verschiedenen Bundesländern gestellt. Deutschland wird ab Zustellung eine Frist von zwei Monaten zur Behebung der angemahnten Mängel eingeräumt. Erfolgt dies nach Meinung der Kommission nicht zufrieden stellend, beabsichtigt die Europäische Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof zu erheben. Bei einer Verurteilung könnte dann gegen die Bundesrepublik Deutschland neben einem Zwangsgeld, das erst ab Erlass eines entsprechenden Urteils in der vorliegenden Rechtssache zu zahlen wäre, ein Pauschalbetrag festgesetzt werden, der ungeachtet dessen zu zahlen sein könnte, ob bis zu einer zweiten Verurteilung der Rechtsverstoß beseitigt wurde. Diese Kumulation von Zwangsgeld und Pauschalbetrag ist in dem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Frankreich wegen fortdauernder Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Fischereibestimmung erstmals vom EuGH angewandt worden. Vorliegend bedeutet dies, dass Deutschland als Reaktionszeit für die Abwendung einer möglichen Zahlung eines Pauschalbetrags nur der Zeitraum bis zum 19. Februar 2006 verbleibt.

Die Landesregierung hat daher am 24. Januar 2006 die Meldung von weiteren 18 FFH-Gebieten zur Beseitigung der in der begründeten Stellungnahme der EU-Kommission aufgeführten Defizite beschlossen. Der Abschluss der FFH-Gebietsauswahl und die daran anschließende Aufstellung der so genannten nationalen Gebietslisten im Einver

nehmen zwischen Europäischer Kommission und Deutschland wird Planungssicherheit für Behörden, Vorhabenträger, Investoren und Grundeigentümer schaffen. Nicht zuletzt auch unter diesem Gesichtspunkt lag es im Interesse des Landes, bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist die nach Meinung der EU-Kommission vorliegenden Defizite abzustellen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: In der begründeten Stellungnahme der EUKommission werden ausschließlich die nach ihrer Auffassung defizitären FFH-Lebensraumtypen und -arten in der atlantischen und kontinentalen Region benannt. Eine weitere regionale Differenzierung der Defizite nach z. B. Landkreisen ist nicht Gegenstand der begründeten Stellungnahme. Die naturschutzfachliche Prüfung der Defizite durch den NLWKN hat für den Bereich der Stadt und des Landkreises Osnabrück zu folgenden Nachmeldegebieten geführt: Gemeldet werden der „Fledermauslebensraum Wiehengebirge bei Osnabrück“ zur Beseitigung des Meldedefizits für die Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus in der kontinentalen Region und das „Mausohr-Jagdgebiet Belm“ zur Beseitigung des Meldedefizits für die Fledermausart Großes Mausohr in der kontinentalen Region.

Zu 2: Bei der Auswahl der gebietsspezifischen Sicherungsmaßnahmen wird jeweils das mildeste der für die Verwirklichung der Erhaltungsziele geeigneten Instrumente gewählt werden. Zur Sicherung der Lebensräume für die genannten Fledermausarten sollten in den Gebieten keine für diese Arten nachteiligen Veränderungen erfolgen. Das Umweltministerium geht davon aus, das der Erhalt der unterwuchsarmen Wälder mit abwechslungsreicher Waldstruktur im Rahmen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft gegeben ist. Gegebenenfalls sollte eine Prüfung der Ausweisung der Bereiche - soweit noch nicht geschehen - als Landschaftsschutzgebiete erfolgen. Dazu können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließenden Aussagen erfolgen. Falls erforderlich, könnten im Bereich des betroffenen Privatwaldes Naturschutzverträge geschlossen werden.

Zu 3: Mit dem Bundesumweltministerium wurde vereinbart, dass die niedersächsischen Meldeunterlagen in der ersten Februarwoche 2006 übersandt werden, damit die von der EU-Kommission

gesetzte Frist bis zum 19. Februar eingehalten wird.

Anlage 30

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 37 der Abg. Ralf Briese und Ursula Helmhold (GRÜNE)

Immer mehr blinde Menschen in Niedersachsen werden Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger

Nach Angaben des Blinden- und Sehbehindertenverbandes hat sich der Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von Blindenhilfe nach der weitgehenden Streichung des Landesblindengeldes seit dem 1. Januar 2005 von 5 % auf 25 % verfünffacht. Ein weiterer Anstieg sei nach dem Aufbrauchen von Ersparnissen zu erwarten.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen ihr zur Entwicklung der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Blindenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) vor, und wie beurteilt sie diese Entwicklung?

2. Welche Kosten sind vor dem Hintergrund der zu Frage 1 angegebenen Zahlen für das Land und welche für die kommunalen Gebietskörperschaften für die Blindenhilfe nach dem SGB XII seit dem 1. Januar 2005 jeweils angefallen?

3. Wie hoch waren die nicht in Anspruch genommenen Mittel des Blindenhilfefonds Ende 2005, und was ist mit diesen Mitteln geschehen?

Durch die Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde (Landesblindengeld- gesetz) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 entstehen für blinde Menschen zusätzliche Ansprüche im Rahmen des SGB XII (§ 72 SGB XII - Blindenhilfe). Den örtlichen Trägern der Sozialhilfe werden auf Antrag die hierfür entstandenen Aufwendungen erstattet. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe teilen dem Landesamt für Soziales, Jugend und Familie quartalsweise die Höhe des entstandenen (Ge- samt-) Aufwandes für die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII mit und erhalten unverzüglich einen Abschlag in Höhe von 95 % der entstandenen Aufwendungen. Fallzahlen werden bei dieser Meldung von den Kommunen nicht übermittelt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Eine stichprobenartige Umfrage Ende November 2005 bei einigen ausgewählten Kommunen hat ergeben, dass dort etwa ein Drittel der ehemaligen Bezieherinnen und Bezieher von Landesblindengeld einen Antrag auf Blindenhilfe gestellt hat. Ungefähr 75 % der Antragsteller wurde Blindenhilfe nach dem SGB XII bewilligt. Auf das Land hochgerechnet erhalten demnach rein rechnerisch ca. 2 800 ehemalige Bezieherinnen und Bezieher von Landesblindengeld Leistungen der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII. Nach Angaben der befragten Kommunen sind die Antragszahlen im zweiten Halbjahr 2005 nicht signifikant angestiegen.

Diese Entwicklung zeigt, dass blinde Menschen, die blindheitsbedingte Mehraufwendungen nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten können, auch nach dem 31. Dezember 2004 weiterhin die erforderliche staatliche Unterstützung erhalten und diese auch in Anspruch nehmen.

Die Zunahme der Zahl der Leistungsberechtigten für Hilfen nach § 72 SGB XII ist innerhalb des im Vorfeld für das Jahr 2005 geschätzten Rahmens geblieben. Aller Voraussicht nach wird auch in den kommenden Jahren eine Zunahme der Zahl der Leistungsberechtigten stattfinden. Für valide Prognosen wären detaillierte Kenntnisse über die Einkommens- und Vermögenssituation blinder Menschen in Niedersachen erforderlich. Da diese Kenntnisse nicht vorliegen, kann die mittel- bzw. langfristig zu erwartende Anzahl der Leistungsberechtigten nach § 72 SGB XII nicht weiter konkretisiert werden.

Zu 2: Soweit örtlichen Trägern der Sozialhilfe als Folge von Veränderungen der Leistungen nach dem Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde, die ab dem 1. Januar 2005 wirksam geworden sind, zusätzliche Aufwendungen für Leistungen der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII entstehen, werden diese gemäß § 14 Abs. 3 S. 2 AG SGB XII nach Maßgabe des Landeshaushalts an die örtlichen Träger der Sozialhilfe erstattet. Hierfür stand bei Kapitel 05 30 Titel 633 29 - Blindenhilfe nach § 72 SGB XII (Erstattungen an die örtlichen Trä- ger) im Haushaltsjahr 2005 ein Betrag von 21 Millionen Euro zur Verfügung.

Im Haushaltsjahr 2005 haben die Kommunen in ihrer Eigenschaft als örtliche Träger der Sozialhilfe Abschläge in Höhe von ca. 12 Millionen Euro geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um eine Größenordnung, die zwar einen Anhaltspunkt für

das Ergebnis der Endabrechnung für das Jahr 2005 geben kann, deren Aussagekraft aber noch relativ begrenzt ist. Die endgültige Abrechnung wird mit der Abrechnung im Quotalen System gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AG SGB XII zum 30. April 2006 vorliegen.

Den kommunalen Gebietskörperschaften sind durch die Veränderungen beim Landesblindengeld im Haushaltsjahr 2005 keine zusätzlichen Kosten entstanden.

Zu 3: Bis zum 31. Dezember 2005 sind 429 Anträge (davon ca. 200 im Dezember 2005) auf Leistungen aus dem Blindenhilfefonds gestellt worden. Insgesamt wurden im Haushaltsjahr 2005 Mittel in Höhe von 423 500 Euro verausgabt. MS wird sowohl die beim Blindenhilfefonds nicht in Anspruch genommenen Mittel in Höhe von 2 576 500 Euro als auch die Reste bei Kapitel 05 30 Titel 633 29 (Blindenhilfe nach § 72 BSHG) und bei Kapitel 05 36 Titel 633 10 (Landesblindengeld für unter 27-Jährige) im Rahmen der Restebildung im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 2005 beim MF zur Übertragung anmelden. Über die endgültige Verwendung der nicht verausgabten Mittel wird im Rahmen des dritten Jahresabschlusses entschieden.

Anlage 31

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 38 der Abg. Filiz Polat (GRÜNE)

Abschiebungen in sitzungsfreien Zeiten

In der sitzungsfreien Weihnachtszeit 2005 waren Abschiebungen von Personen vorgesehen, die betreffend noch zur Zeit der Abschiebung Petitionsverfahren liefen. Da die laufenden Petitionsverfahren in sitzungsfreien Perioden längere Zeit nicht fortschreiten und liegen bleiben, besteht die Gefahr, dass das Grundrecht auf Petitionen ausgehebelt wird, denn durch Abschiebungen vor einer Entscheidung des Petitionsausschusses können vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Falls in der sitzungsfreien Winterzeit (17. Dezember 2005 bis 8. Januar 2006) in Niedersachsen Abschiebungen stattfanden, zugunsten wie vieler der in dieser Zeit abgeschobenen Personen lief zur Zeit der Abschiebung noch ein Petitionsverfahren?

2. Wie viele der in dieser Zeit abgeschobenen Personen waren zur Zeit der Abschiebung minderjährig?

3. Hält die Landesregierung Erlasse nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen für sinnvoll, durch die beispielsweise in der Winterzeit von Abschiebungen in bestimmte Gebiete wegen dort herrschender extremer klimatischer Bedingungen oder in Katastrophengebiete abgesehen wird?

Das verfassungsrechtlich verankerte Petitionsrecht führt nicht zur Aussetzung von Vollzugsmaßnahmen der Verwaltung. Auch haben die Mitglieder des Petitionsausschusses keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass gegenüber Petenten für die Dauer des Petitionsverfahrens keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen werden. Dies ist in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 13. April 2005 auch vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages bestätigt worden. Das Ministerium für Inneres und Sport hat gleichwohl den im Aufenthaltsgesetz enthaltenen Gestaltungsspielraum genutzt und einen sechsmonatigen Abschiebungsstopp für die Fälle angeordnet, in denen keine öffentlichen Interessen einer vorübergehenden Verlängerung des Aufenthalts entgegenstehen, damit in diesen Fällen Gelegenheit besteht, vor Durchführung von Vollzugsmaßnahmen über das Anliegen des Petenten zu beraten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Frage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: In der Zeit vom 17. Dezember 2005 bis 8. Januar 2006 sind 38 Personen aus Niedersachsen abgeschoben worden. Zugunsten einer Person war noch ein Petitionsverfahren anhängig. Die Petition war am 16. Dezember 2005 beim Niedersächsischen Landtag eingegangen. Sie führte nach den in den Vorbemerkungen genannten Grundsätzen jedoch nicht zur Aussetzung der bereits eingeleiteten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, weil Ausweisungsgründe vorlagen, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot bestand, sie erst nach Anordnung von Abschiebungshaft eingelegt wurde und der Betroffene für den Lebensunterhalt öffentliche Mittel erhielt. Die Abschiebung erfolgte am 22. Dezember 2005 aus der Abschiebungshaft heraus nach Nigeria. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 21. Dezember 2005 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Der Betroffene war aus Deutschland ausgewiesen worden. Der Ausweisung lag eine Verurteilung wegen bandenmäßiger

gewerbsmäßiger Geldfälschung und bandenmäßigen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren zugrunde.

Zu 2: Keine.

Zu 3: Eine Nachfrage im dortigen Innenministerium ergab, dass auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen seit zwei Jahren keine Veranlassung mehr gesehen hat, für bestimmte Personengruppen oder für bestimmte Herkunftsländer wegen extremer klimatischer Bedingungen einen Abschiebungsstopp anzuordnen und dass es derzeit auch keine derartigen Überlegungen gibt.

Anlage 32

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 39 der Abg. Dr. Gabriele Andretta und Frauke Heiligenstadt (SPD)

Förderung von Integrationsklassen an Schulen in freier Trägerschaft

Mit dem Gesetz zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten vom 2. Juli 2003 hat der Landtag die schulgesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass an Schulen in freier Trägerschaft Integrationsklassen (§ 23 Abs. 3 NSchG) eingerichtet werden können. Gleichzeitig sind die Finanzhilfebestimmungen für Schulen in freier Trägerschaft so erweitert worden, dass die durch die Einrichtung von Integrationsklassen entstehenden zusätzlichen Kosten berücksichtigt werden können (§ 150 Abs. 10 NSchG).

Initiiert war diese Neuregelung durch eine Petition dreier Göttinger Familien, die erreichen wollten, dass ihre behinderten Kinder (die eine Integrationsklasse an einer öffentlichen Grund- schule besuchten) auch über Jahrgang 4 hinaus integrativ beschult werden (Landtagseinga- be 4907/04/14). Die positive Entscheidung zur Petition fiel einstimmig. Über Grundidee und Ziel der Petition, behinderte Kinder an öffentlichen Schulen und an freien Schulen gleichzustellen, herrschte fraktionsübergreifend Einigkeit.

Von der Möglichkeit, Integrationsklassen einzurichten, haben die Montessori-Grundschule und die Schule des Sekundarbereichs I in Göttingen Gebrauch gemacht. Dabei hat sich allerdings herausgestellt, dass die Finanzhilfe zur Abdeckung der zusätzlichen Kosten unzureichend ist. Während für ein geistig behindertes Kind in einer Integrationsklasse einer öffentlichen Schule die vollen Personal- und Sachkosten vom Land getragen werden, werden die Kosten für ein behindertes Kind in einer Integrationsklasse einer freien Schule nur anteilig finanziert.